Illustrierte Flora von Nord- und Mittel-Deutschland. ISBN-13: 978-3-642-90261-1 e-ISBN-13: 978-3-642-92118-6 DOl: 10.1007/978-3-642-92118-6 Softcover reprint of the hardcover 4th edition 1889 Vorwort zur vierten Auflage. E i n e Aufgabe der vorliegenden Flora besteht darin, das Auf finden des wissenschaftlichen Namens, also die "Bestimmung" der Pflanzen so leicht wie moglich zu machen, weshalb die Diagnosen auch fast ausschliefslich mit Rucksicht auf rliesen Zweck abgefafst wurrlen; da nun aber das Bestimmen fur den Anfanger mit ganz besonderen Schwierigkeiten verknupft ist, weil ihm noch die An schauung fehlt, so wurden dem Text zahlreiche Abbildungen ein gefugt, wobei in erster Linie die hesonders schwierig erscheinenden Gruppen Berucksichtigung fanden. Eine and ere wichtige Aufgabe, welchesich diese Flora stellt, ist die, den Freund unserer Pflanzenwelt in das Studium der Botanik uberhaupt einzufiihren, und zwar sind diejenigen Er scheinungen im Baue undaus rlem Leben der Pflanzen vornehmlich herangezogen worden, welche sich ohne grOfsere Schwierigkeit an dem zuganglichsten Material und in der freien Natur nachbeobachten lassen 1). Fiir weitergehende Studien sind meine "Elemente der Botanik" (2. Ausgabe. Verlag von Julius Springer. Berlin 1889) berechnet. Wie ublich fiihrt diese Flora neben den Phanerogamen auch die Pteridophyten auf, HiJst dagegen die Algen, Pilze mit den Flechten und die Moose unberiicksichtigt. Es sind nun abel' nicht nur samtliche wild wachsende Phanerogamen und Pteridophyten, sondern auch die Kultur- und Zierpflanzen des Gebietes beruck sichtigt worden, soweit diese haufiger anzutreffen sind und im Freien bei uns aushalten. Behandelt sind die Gewachse Nord- und Mittelrleutschlands mit Einschlufs NordbOhmens, sodafs etwa del' 50. Bl'eitengrad die siidliche Grenze unsel'es Gebietes bildet. Es ist in besonderen Fallen aueh das unmittelbar anstofsende Gebiet noch mit in Betracht gezogen worden, sodafs eine ganz bestiml11te Grenze nicht angstlich innegehalten worden ist. Das Register enthalt nicht nur die systematischen Na men mit Varietaten und SynonYl11en, sowie die deutschen Volksnal11en, son- 1) Die Einfiihrung von Beziehuugen aus dem Leben der Pflanzen hat mehr fache Nachfolge gefuuden; am weitesten geht Kirchner in seiner Flora von Stuttgart 1888. VI Vorwort. dern auch die botanischen "Kunst"-AusdrUcke, sodafs die Erklarung derselben im Texte leicht aufzufinden ist. UnterstUtzungen sind mir in reichem Mafse zu teil geworrlen. So bearbeitete schon fUr die 1. Auflage Dr. W. O. F 0 c k e die Gat tung Rubus; fUr die 3. Auflage bearbeiteten neu resp. revidierten rlie Herren Dr. G. Ritter Beck von Managetta die Gat tung Orobanche, der leider zu frUh verstorbene Pro f. Dr. R. Caspary die Nymphaeaceen, Dr. H. Christ die Gattung Rosa, FUrstl. Baurat J. Freyn die Batrachien, Prof. E. Hackel die Gattung Festuca, Pro f. C. H a u fs k n e ch t die Epilobien, Prof. Dr. G. Leimbach die Gattung Orchis, Dr. F. Pax rlie Gattung Acer, Prof. Dr. A. Peter die Hieracien und Prof. A. Zimmeter die Gattung Potentilla; Herr Pr of. Dr. L. Wi ttmac k bezeichnete die Futtergraser und Herr Oberstabsapotheker a. D. Dr. W. Len z bearbeitete rlie medicinisch-pharmaceutischenPflanzen im Anhange. Fur die vorliegende 4. Auflage bearbeiteten rlie Herren Pro f. E. Hack e 1 rlie Gattung Calamagrostis, Pro f. Dr. A. Kerner Ritter von Marilaun die Pulmonarien, Dr. M. Kronfeld die Gattung Typha, Prof. Dr. P. Magnus die Gat tung Na jas, Dr. Carl Mull e r die Euphorbien, Can d. me d. Aug. Schul z die Cyperaceen, Cando phil. P. Taubert die Polygonaceen, Chenopodiaceen und Amarantaceen, Pro f. Dr. V e i t Wittrock die Erythreen. Herr Prof. Dr. P. Ascherson, der das ganze Manuskript kursorisch durchgesehen hat, veranlafste zahlreiche Verbesserungen, unds . Herr Pro f. Dr. E. L 0 e w verfafste rlen bezeichneten Abschnitt 28-33. Ihnen allen und den Freunden des Buches meinen herzlichsten Dank, mit der Bitte, ihr Wohlwollen der Flora zu bewahren! Dafs ich selbst sehr eifrig an der Verbesserung des Buches gearbeitet habe, lehrt der Vergleich mit rler 3. Auflage. Die Abbilduugen wurden von 425 auf 598 vermehrt. Die e r s t e Auflage der vorliegenden Flora erschien im FrUh jahr 1885. Berlin, im Mai 1889. Dr. H. Potonie. Inhaltsiibersicht. Seite Praktische Winke 1 Allgemeiner Teil: 1. Au~ der Morphologie . 5 Organographisches iiber die inneren Pflanzenteile (Anatomie) 6 " "iiufseren 14 " " A. Die Wurzel 14 B. Der Stengel 15 C. Die Blatter 16 1. Die Blattbildungen 16 2. Die Blattformen . 16 3. Die Stellung der Blatter und Sprosse 19 D. Die Bliiten 19 1. und 2. Die Bliitendecke 20 3. Die Honigbehalter 20 4. Die Staubbliitter . 20 5. Die Fruchtbliitter 21 6. Stellllng der Bliitenteile zu einander 23 7. Form der Bliiten . 24 8. llHitenstiinde 24 II. Von den Lebenserscheinungen (Physiologie) 25 1. Lebensdauer der Pflanzen 25 2. Erniihrung der Pflanzen 26 3. Die Bedeutung der Bliiten 26 4. Die Verbreitung der Samen 34 III. AUR der Pflanzengeographie 34 1. AbRchnitt. Geologisch -historische Bedingungen der Pflanzen- verbreitung . . . . . 35 2. Die klimatischen Einfliisse auf die Arten-Verteilung. 41 1. Regionen und Hohengrenzen . . 41 II. Pflanzengeographische Provinzen und Vegeta- tionRlinien 42 3. " Einflufs des Bodens auf die Verteilung der Arten • 49 IV. Aus der Systemkunde (Systematik). . 52 1. Das kiinstliche System von Linne 55 2. Das natiirliche System von Eichler 58 VIn Inhaltsiibersicht. Seite Spezieller TeiI: Vorbemerkung . 61 A. Kryptogamae . 62 B. Phanerogamae 72 I. Gymnospermae 73 II. Angiospermae • 77 A. Monocotyleae 77 B. Dicotyleae 178 Tabelle zur Bestimmung der Dicotylen-Familien. 178 Unterklasse Choripetalae 186 " Sympetalae . 407' Anbang. Die mediciniscb-pharmaceutiscben Pflanzen des Gebiets 553 Die Giftpflanzen des Gebiets 555 ErkHirung der nicht von selbst verstiindlichen Abkiirzungen 557 Erklarung der wichtigsten abgekiirzten Autoren-Namen 557 Alphabetiscbes Namen- und Sachregister .... 559 Praktische Winke. Jedem wahren Freunde des floristischen Studiums ist die Anlegung einer Pflanzensammlung, eines Herbariums, unentbehrlich. Beim Sammeln bedient man sich seit langer Zeit der "B 0 tan i s i e r - T rom mel", in die man gut thut, einen grofsen, feucht zu haltenden Bade-Schwamm (auch nasses Papier) hineinzulegen, urn auch die am Beginn der Exkursion gesammelten Pflanzen frisch zu erhalten. Die Farbe der Trommel ist nicht gleichgiiltig: Man lasse sie weifs (nicht griin) lackieren, da dunklere Farben die moglichst fernzuhaltenden Warmestrahlen starker absorbieren. Sehr bequem ist als Transportmittel eine im Riicken breitere Map p e mit Pap i e r (Zeitungspapier), zwischen welches die Pflanzen oder Pflanzenteile an Ort und Stelle sofort einzu legen sind. Hierbei braucht man den Pflanzen eine nur einigermafsen schickliche Lage zu geben, ohne besondere Miihe auf sOl'gfaltiges Aus einanderbreiten der einzelnen Teile zu verwenden. Zu Haus legt man mit mehr Sorgfult die gesammelten Pflanzen zwischen trockenes Papier, sodafs die einzelnen Pflanzenlagen durch ziemlich dicke Papierschichten gcschieden werden. Die letzteren miissen alle Tage mindestens einmal so lange gegen vollkommen tl'ockene Papierlagen gewechselt werden, bis die Pflanzen ganz trocken sind. Ein so zubereitetes, nicht zu dickes Pflanzenpacket wird entweder gelinde beschwert oder zwischen zwei D r a h t - oder H 0 1 z g itt e r gebunden. Bei der letzteren Einrichtung kann man die Packete leicht in der Sonne oder an luftigen, trockenen Orten aufhangen oder aufstellen. Kommt der Florist spat Abends von einer Exkursion nach Hause, so braucht er die Pflanzen nicht sogleich umzulegen, wenn er die Vorsicht gebraucht, seine Pflanzenmappe in einem feuchten Keller etwa auf dem steinernen Fufsboden aufzubewahren. Man kann auch zur Aushilfe die Mappe fiir die Nacht dicht iiber einem Behiilter mit Wasser aufhangen oder aufstellen; jedenfalls mufs sie feucht liegen, ohne dafs jedoch die Pflanzen hierbei auch nur im ge ringsten nafs werden diirfen. Sehr fleischige Arten taucht man ent wedel' auf ein Weilchen (namlich bis die Blatter schlaff werden) mit Ausnahme der Bliiten in kochendes Wasser, oder man legt dieselben VOl' dem Trocknen auf kiirzere oder langere Zeit in eine gesattigte Auflosung von schwefeliger Saure in vier Teilen Wasser und einem Tei! Spiritus. Potonie, IIlustrierte Flora. 4. Auf!. 2 Praktische Winke. Fiir jeden Standort einer Art verfafst man einen besonderen Z e t tel nach folgendem Vorbilde: II Wissenschaftlicher Name der Art (und Volksname, wenn vorhanden). II Genaue Angabe des Fund- und Standortes. Datum der Exkursion. Name des Sammlers. Wer seine getrockneten Pflanzenschatze vor Insektenfrafs zu schiitzen wiinscht, mufs dieselben vergiften. Wer letzteres nicht vornimmt, dem werden bald genug, vornehmlich von der Larve eines kleinen Kafers, des Krauterdiebes (Anobium paniceum L.), die Pflanzen zerfressen. Das Vergiften geschieht am besten in der Weise, dafs man in etwa 80 Gewichtsteilen eines starken Alkohols einen Gewichtsteil Quecksilber chlorid (Sublimat) auflost und die bereits vollstandig getrockneten Exem plare in diese Losung eintaucht. Die Giftfliissigkeit wird in ein flaches (nicht metallisches) GefMs gegossen und die zu vergiftende Pflanze ver mittelst einer grofsen Hornpincette eingetaucht. Einige vergiften ihre Pflanzen durch einfaches Bespritzen derselben vermittelst eines mit Gift losung getrankten Pinsels. Das nochmalige Trocknen der Pflanzen geht schnell von statten, da der Spiritus leicht verdunstet. Es wird auch empfohlen - wenn man sich die angedeuteten Umstande nicht machen will - das Herbariumpapier in eine konzentrierte AlaunlOsung zu tauchen. Bespritzen des Herbarium-Papieres mit Petroleum oder zeitweilige An wendung von Schwefelkohlenstoff vertreibt den Krauterdieb ebenfalls. Sehr praktisch ist zur Abhaltung des unliebsamen Gastes die Anwendung von Naphthalin. Am besten bringt man diese Substanz in flache Papier kapseln, wie etwa Briefenveloppen, die sich zwischen die Bogen des Herbariums hier und da gut unterbringen lassen und, da das Naphthalin allmahlich verdunstet, hin und wieder erneuert werden miissen. Es ist iibrigens nicht notig, aIle Arten zu vergiften. Graser und iiberhaupt grasartige Gewachse und merkwiirdigerweise auch Farnkrauter leiden nur wenig durch Insektenfrafs; am argsten mitgenommen werden u. a. die Kompositen, Umbelliferen, Euphorbiaceen und Salicaceen. - Die Anordnung der gesammelten und getrockneten Arten geschieht am aller zweckmafsigsten nach einem der "natiirlichen" Systeme, und zwar ist es gut, sich nach einem bestimmten Buche, welches man dann gewissermafsen als Katalog seines Herbariums behandelt, zu richten. Die getrocknete und mit vorschriftsmafsigem Zettel versehene Pfianze wird entweder lose und zwar jede Art und jeder Fundort in einen be sonderen Bogen Papier gelegt, auf dessen Aufsenseite in einer Ecke an der Riickenseite der wissenschaftliche Name gesetzt wird; oder man klebt die Exemplare mit ihrem Zettel vermittelst schmaler geleimter Papierstreifen auf einzelne Papierblatter in Folioformat. Die letzte Me thode hat den wesentlichen Vorteil, dafs man schnell durch einfaches Blattern seine Schatze bei einer Vergleichung durchsehen kann und schiitzt iiberdies vor dem Herausfallen von Zetteln oder Pfianzenteilen. Samen und kleinere Dinge iiberhaupt thut man in Papierkapseln, die eben falls Praktische Winke. 3 dem Bogen angeklebt werden. Die Arten einer Gattung werden zusammen in einen Bogen gelegt, der wiederum in einer Ecke an der Riickenseite den Namen der Gattung tragt. Sind die Arten nicnt aufgeklebt worden, so legt man die Artenbogen mit ihren Riicken nach rechts, die Riicken der Gattungsbogen nach links, durch welche Einrichtung ein schnelles Auffinden ermoglicht wird und iiberdies ein Herausfallen der in den Bogen befindlichen Dinge erschwert wird. Die fertig kauflichen P fl a n zen s t e c her sind gewohnlich durchaus unbrauchbar; es bleibt einem daher nichts iibrig, als sich fiir den ernsten Gebrauch ein solches Instrnment selbst anfertigen zu lassen. Am besten giebt man dem Stecher, der aus gutem Stahl bestehen muss, die Form einer kleinen Brechstange von etwa 35 cm Lange und 5 cm Umfang, denn gerade diejenigen Bodenarten, welche Pflanzen mit charakteristischen Fig. 1. - Prapariermikroskop in etwa 1/2 der natiirliehen GrOfse. (oft fiir die Bestimmung notwendigen) unterirdischen Organen tragen, sind haufig von einer ungemeinen Festigkeit. Nicht selten kommt man auch auf steinigem Boden in die Lage, die in den Ritzen wachsenden Pflanzen vollsUindig ausheben zu miissen, wobei auch gelegentlich ein Auseinanderbrechen von Felsstiicken vermittelst eines brechstangenahn lichen Werkzeuges sehr wiinschenswert erscheint. Der Spitze des Stahl stabes giebt man eine spateiige, langherzfOrmige Form und scharft die selbe etwas an. Es ist jedoch besonders darauf zu achten, dies en spateligen Teil des Stechers nicht zu flach zu gestalten, sondern ihm eine gehorige Dicke zu belassen, urn den Brechstangen-Charakter zu wahren. Erscheint er zu diinn, so bricht er leicht durch, wobei die Spitze verloren geht, und fehlt diese, so kann man nicht mehr in festen Erdboden und in Ritzen hineindringen. Das andere Ende versieht man mit einem hOlzernen Griff, d u r c h des sen g a n z e L ii. n g e der sich nur wenig verjiingende Stahlstab hindurchgehen mufs, sodafs derselbe am 1 *