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Ich bin quitt mit Mary Anne PDF

22 Pages·00.144 MB·German
by  QuinMighty
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Ich bin quitt mit Mary Anne von Quin (1998 – [email protected]) Originaltitel: »Getting Even with Mary Anne« www.understories.com Übersetzung: ast ([email protected]) 2008 Es begann ganz harmlos. Ich hatte mich entschlossen, nach Vegas zu fahren, um meinen alten Freund Bobbie Wright zu besuchen. Ich dachte, sobald ich ihm die Lage erklärt hätte, würde er die Dinge bald genauso sehen wie ich. Nur um sicherzugehen hatte ich meinen Jungen Betty Ross aufspüren lassen, falls ich jemanden zur Unterstützung brauchen sollte. Ich glaubte, sie würde kooperieren, denn ein Leben als »Tänzerin« auf dem Strip in L.A. ist nicht leicht, besonders wenn du eine dreijährige Tochter durchfüttern musst. Ich hatte Bobbie eine Karte geschickt, auf der ich ihm diesmal ausdrücklich mitteilte, warum ich ihn besuchte und ihm die Vorteile aufzählte, wenn ich seine Geschichte als erster zu hören bekäme. Ich rief gerade am Flughafen an, um einen Flug zu buchen, als mich bei einem Blick auf meinen kleinen Schreibtisch-Kalender beinahe der Schlag traf. Diesen Dienstag wäre Moms Geburtstag gewesen. Das rückte die Dinge für mich in ein anderes Licht. Ich spürte das Bedürfnis, das bescheidene Grab in einer Ecke des St.-Paul-Friedhofs zu besuchen, bevor ich in den Westen aufbrach – nenn es ein Bedürfnis nach einem Segen. Bobbie musste noch ein Weilchen warten, während ich in das McAlister-County fuhr, um Mom zu sehen. Es war mein erster Urlaub seit immerhin vierzehn Jahren. Ich fuhr und wusste gar nicht, was ich angestoßen hatte. Schon lange bevor ich McAlister City erreichte, bemerkte ich, dass die Stadt ganz schön heruntergekommen aussah. Als Dads Farm pleite ging, hatte die Farmenkrise gerade erst begonnen. Er war einfach der Schwächste gewesen, der mit dem geringsten Kapital, aber nach ihm hatte es noch viele andere erwischt. Natürlich hatte ich im Gefängnis darüber gelesen, da hatte ich einfach alles gelesen, was ich in die Finger bekam. Ich wusste, dass der alte McAlister die Krise als Sprungbrett genutzt hatte, um sich eine Basis für die Expansion in die Staaten zu verschaffen. Das war keine große Überraschung – schließlich hatte seine Familie seit Generationen auf Kosten dieser Leute gelebt und selbst als die letzten Farmer ganz unten waren, hatte ein McAlister noch von ihnen profitiert. Ich nehme an, dass auch ich teilweise daran schuld war. Ein Bundesrichter hatte entschieden, dass McAlister City durch die Erpressung meines Geständnisses und das unfaire Verfahren meine Bürgerrechte verletzt hatte. Das Urteil in sechs Punkten war dann keine Überraschung mehr. Natürlich dachte ich, dass mir das Geld zustehen würde, nach dem, was sie mir angetan hatten, aber als ich die Stadt erreicht und die geschlossenen Schulen und die verwahrlosten Häuser gesehen hatte, begriff ich, woher das Geld gekommen war. Ich hatte mir nur zu gern vorgestellt, dass der alte McAlister einen Scheck ausgestellt und die Strafe selbst bezahlt hatte, aber natürlich war es nicht so gewesen. Typen wie er taten so etwas nicht. Die einfachen Leute hatten es zu bezahlen, während das Leben in dem großen Haus auf dem Hügel seinen normalen Gang ging. Natürlich befürchtete ich, dass McAlisters treue Wähler das nicht so sehen würden. Deshalb hielt ich den Kopf unten und verfluchten meinen auffälligen, neuen Toyota, der hier so offensichtlich fehl am Platz war. Glücklicherweise waren die Straßen früh am Morgen verlassen. Es war nicht schwer, einen Parkplatz zu finden, dann schlug ich den Kragen meiner Lederjacke hoch und schlüpfte durch das Tor der Friedhofsmauer. Als erstes fiel mir auf, wie zugewachsen dieser Ort war. Die Stadt schien es sich nicht leisten zu können, ihn zu pflegen und so brauchte ich eine Weile, Moms Grab zu finden. Der Grabstein war klein und unauffällig, wie ich meine Mom kannte, hatte sie den billigsten, der zu haben war, genommen. Ich gebe zu, dass ich weinte. In all den Jahren im Gefängnis hatte sie es nur zwei- oder dreimal geschafft, mich zu besuchen. Es war leicht gewesen, mir selbst einzureden, dass sie irgendwo anders war, weit weg. Jetzt wusste ich, dass das nicht stimmte. Dad lag natürlich nicht hier. Mom hatte ihn einäschern lassen, hatte sich dann zur alten Farm geschlichen und seine Asche dort verstreut. Sie hatte gesagt, sie wolle ihm seinen Traum erfüllen, dass ihn niemand jemals wieder von dort wegbringen könne. Ich beschloss auf der Stelle, sie umzubetten. Ich konnte sie einfach nicht hier lassen, umgeben von Leuten, die sie ihr ganzes Leben lang verachtet und auf sie herabgesehen hatten. Ich dachte, dass ich sie nach Kalifornien bringen sollte, vielleicht auf einen Fleck in der Nähe meines Hauses. Mom hatte das Meer immer geliebt, den Pazifik aber nie gesehen. Ich würde einen Platz mit guter Aussicht für sie finden. Für Dad konnte ich natürlich nichts mehr tun, aber ich beschloss, die Farm ein letztes Mal zu besuchen, nur um ihm nahe zu sein. Ich sprang über den Friedhofszaun, ging zum Toyota zurück und fuhr zu seiner alten Farmstraße, die am anderen Ende der Stadt abzweigte. Über die Route 6 wäre ich schneller gewesen, aber an der Farmstraße konnte ich neben der Ultine-Brücke anhalten und dorthin laufen, wo ich zuletzt in Freiheit gewesen war. Ich fuhr also dorthin, drückte auf den »Suchen«-Knopf des Radios und lauschte auf der Suche nach einem Sender mit solider Rockmusik den Fetzen von Predigten und Countrymusik. Und dann hörte ich meinen Namen. Ich drückte die »Stopp«-Taste, stellte den Sender genauer ein und hörte leicht schockiert den Bericht. Offenbar hatte sich Bobbie Wright, nachdem er meine zweite Karte bekommen hatte, hingesetzt und ein umfassendes Geständnis niedergeschrieben. Er hatte nichts ausgelassen, weder die Drogen, den Sex noch Mary Annes kleinen Plan. Alles, was ich gewollt hatte. Dann hatte der Idiot sich aufgehängt. Ich hatte schon immer gesagt, dass Bobbi nicht sehr helle war. Die Nachricht war herausgekommen, während ich unterwegs war und klang, als gäbe es einen ganzen Haufen frustrierter Journalisten, die auf der Suche nach mir waren. Es wurde sogar von einem Haftbefehl gegen Mary Anne gesprochen, nach der gefahndet werden würde. Die kleine Schlampe schien unauffindbar zu sein. Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus, der normale Weg zur Farm hätte am Haus der McAlisters vorbei geführt. Ich konnte mir vorstellen, was dort gerade für ein Medienzirkus veranstaltet wurde. Natürlich war ich erleichtert. Bobbies Geständnis war der erste Nagel zu Mary Annes Sarg. Ich gebe aber zu, dass ich trotzdem noch besorgt war, sie könnte sich doch noch irgendwie herauswinden. Ein lebender Bobbie wäre ein viel besserer Zeuge gewesen, als es ein toter Bobbie war. Den Weg zur Farm hätte ich auch im Schlaf gefunden. Der Weg war überwuchert, das Haus wurde von der Straße durch Büsche abgeschirmt, die schon lange nicht mehr verschnitten worden waren. Ich glaube, das war nur normal: der Ort lag immer abgelegen, deshalb war er auch so wichtig gewesen. Im Gegensatz zu so vielen größeren und moderneren Häusern war es kaum überraschend, dass das Haus immer noch leer stand. Für eine verrückte Sekunde lang dachte ich daran, es zurückzukaufen, eine Geste für Dad, aber die Vernunft siegte. Das Haus, das schließlich zum Vorschein kam, war wirklich ziemlich heruntergekommen. An den Schindeln blätterte die Farbe ab und das bisschen davon, was noch da war, hatte die Sonne grau gefärbt. Das vordere Fallrohr hing in einem grotesken Winkel von der Dachrinne herunter, es sah aus, als hätte jemand einige der Fensterläden heruntergerissen und sie auf dem Boden unter den Fenstern zurückgelassen. Ich spürte einen Klumpen in meiner Kehle. Als wir noch darin gewohnt hatten, hätte man es nicht gerade in »Haus und Garten« vorstellen können, aber wir hatten versucht, diesen Ort in Ordnung zu halten. Jetzt sah es hier aus wie auf einer Deponie. Aber eine Deponie, die bewohnt war. Ein blitzender, neuer Taurus parkte vor dem Haus, der genau so fehl am Platz aussah, wie mein Toyota vorhin in der Stadt. Offensichtlich war jemand im Haus, schien aber gerade erst angekommen zu sein. Ich parkte etwas entfernt neben den Büschen, denn ich wollte meine Reifen nicht auf der Zufahrt riskieren, und schlich näher. Hier ging definitiv etwas Eigenartiges vor sich. Dad hatte mir mal erzählt, dass er hier Leute gesehen hatte und zwar an den Tagen, als er sich herschlich, um über seine Pleite nachzugrübeln. Wegen des Risikos, von diesen Leuten entdeckt zu werden, war er immer in Deckung geblieben. Nachdem wir die Ranch und das Haus verloren hatten, war es für mich zu schmerzhaft, wieder hierher zu kommen, deshalb hatte ich geglaubt, dass der Alkohol meinen alten Herrn so etwas erzählen ließ. Aber schließlich war jetzt jemand hier. Eine Sekunde lang dachte ich daran, mich zur Landstraße zurückzuziehen und nach Hause zu fahren. Aber der verdammte Wagen sah nicht so aus, als käme er aus der Gegend hier. Die Leute wussten wahrscheinlich gar nicht, wer ich war. Ich würde ruhig und respektvoll hinüber gehen und wenn sie fragten, nun, dann war das eben der Ort, an dem mein Vater begraben lag. Ich rechnete damit, dass dies ein guter Grund war, hier zu sein. Als ich mich dem Wagen näherte, fielen mir einige Details auf. Er sah wie mein Camry aus, hell und glänzend, aber auf dem Boden vor den Sitzen lagen diese kleinen Papiermatten und ein Langzeitparkausweis für einen Flughafen. Der Taurus musste auf einem Flughafen gemietet worden sein. Ich überlegte, ob vielleicht jemand von der Presse hier Hintergrundrecherchen über mich machte. Wenn man einmal in der Stadt war, konnte man schließlich auch gleich ein paar Fotos vom Haus des Opfers machen. Ich fing an, mir etwas zurechtzulegen, falls jemand nach Miss Maria Anne McAlister fragen würde. Dann öffnete sich plötzlich die Fliegengitter-Haustür und Mary Anne trat auf die Veranda. Wir hielten beide überrascht inne und ich konnte sehen, dass sie ansetzte, diesen Kerl zu fragen, was zur Hölle er auf ihrem Eigentum machte. Dann erkannte sie mich. Der entsetzte Ausdruck ihre Gesichtes, ihre weit aufgerissenen Augen sagten alles. Einen Augenblick lang starrten wir einander sprachlos an. Sie trug eine weiße Bluse, einen lila Minirock und Patent-Kniestiefel mit hohen Absätzen. Einen Moment lang kippte sie auf diese Absätze zurück, als wäre sie geschlagen worden, dann drehte sie sich um und rannte schreiend ins Haus zurück. Ich habe keine Ahnung, warum ich ihr folgte. Am liebsten hätte ich sie im Knast verrotten gesehen, aber nun drängten all die dunklen, einsamen Nächte nach oben, in denen ich über meine Rache nachgedacht hatte. Bevor ich wusste, was geschah, war ich schon im Haus. Dort hielt ich verwirrt inne, während Erinnerung und Realität in meinem Kopf miteinander rangen. Drinnen war es schön, viel schöner als zu der Zeit, als wir hier lebten. Die Küche war modern und sehr gut ausgestattet. Unsere abgeschrammten Geräte waren durch feinste französische Küchengeräte ersetzt worden und die angeschlagenen, weißen Wandfliesen durch schimmernde neue. Mein Verstand versuchte, den Sinn zu finden – eine neue Küche in einem Haus mit zerbrochener Dachrinne und abblätternder Farbe? Mein Zögern hatte Mary Anne eine Vorteil verschafft und sie nutzte ihn sofort. Sie war schon im Wohnzimmer und rannte, wie eine Verrückte schreiend, zum Telefon. Zu meinem Glück behinderten sie ihre High- Heeles und so schaffte ich es, mich zwischen sie und das Telefon zu schieben. Seitwärts ausweichend, täuschte sie vor, zur Haustür zu wollen, drehte sich aber plötzlich um und rannte zu einem der Schränke. Ich sah die Pistole, als sie verzweifelt versuchte, sie aus der Schublade zu holen. Die Schublade klemmte und sie zerrte daran, um sie zu öffnen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass mir ihre Panik das Leben rettete. Das Blut hämmerte in meinen Schläfen, als ich ausholte und sie hart mit der Faust traf. Sie brach wie eine Puppe zusammen. Ich nahm die Pistole und stand für eine Sekunde einfach da. Ich glaube, es dämmerte mir, dass ich jetzt einfach gehen könnte. Sie hatte vor Gericht schon einmal gelogen und ich hatte einen nachvollziehbaren Grund, hier zu sein. Sie hatte mich gesehen, war ausgeflippt und hatte eine Pistole gezogen. Ich hatte sie in Notwehr niedergeschlagen und war dann gegangen. Es war niemand sonst hier – wäre jemand hier, würde er bei dem Lärm, den Mary Anne gemacht hatte, schon längst hergelaufen gekommen. Nein, im Moment stand ihr Wort gegen meins, und ihr war schon einmal eine Lüge nachgewiesen worden. Dann musste ich daran denken, dass ich dieses Prinzip möglicherweise ein wenig erweitern könnte, dass ich es in den Händen hatte, jetzt ein wenig natürliche Gerechtigkeit herzustellen. Erst einmal suchte ich die Küche. Dort gab es eine Tür, die zu einem großen Keller führte. Als wir noch hier wohnten, war das unser Gerümpelkeller gewesen. Beim Öffnen der Tür sah ich, dass die neuen Bewohner es genauso hielten. Eine Rolle mit Strick, vielleicht die Wäscheleine, lag in einer Ecke. Die Suche in den Küchenschubladen förderte etliche Handtücher und ein Paar rosa Küchen- Gummihandschuhe zu Tage. In der Not frisst der Teufel Fliegen. Ich zog die Handschuhe über und wischte alles ab, von dem ich glaubte, dass ich es angefasst hatte. Dann ging ich zu Mary Anne zurück, die bewusstlos auf dem Boden lag, und machte mich an die Arbeit. Ich stopfte ein Handtuch in ihr kleines Lügenmaul und benutzte das Tuch, das sie trug, um den Knebel gegen Herausspucken zu sichern. Das Seil schnitt ich mit einem Küchenmesser in Stücke und fesselte damit ihre Handgelenke, Oberarme und Knöchel. Ich hatte gerade noch genug, um einen Hogtie zustande zu bringen, dann hob ich sie auf und warf sie auf die Couch. Sie war immer noch bewusstlos, so dass ich beschloss, mich ein wenig umzusehen. Ich hatte immer noch nicht begriffen, was hier los war und was sie hier wollte, bis ich das Elternschlafzimmer fand. Der Raum war riesig, nahm fast die Hälfte des zweiten Stockwerks ein. Bei uns waren das noch zwei Zimmer gewesen, aber jemand hatte sie offenbar zusammengelegt. Ich glaube, die Konstruktion war nötig gewesen, um das Bett unterzubringen, ein riesiges, königliches Wasserbett, komplett mit Baldachin. Bettwäsche und Vorhänge waren aus schwarzer, mit Silber abgesetzter Seide. Ich blickte unter den Baldachin – wau! An der Decke hingen Spiegel. Der Kleiderschrank war mit »interessanten« Outfits gefüllt, das meiste davon für eine Frau, aber die Größen deckten einen ziemlich großen Bereich ab, was mich glauben ließ, dass dies nicht das Zimmer einer Frau war. Scheiße, natürlich – das war Hugh Hefners fantastisches Spielzimmer, und im gleichen Moment, in dem ich es betrat, wusste ich, wer es gebaut hatte und warum sie hier war. Dies war Daddys kleines, geheimes Refugium. Schon als ich noch in McAlister gewohnt hatte, gab es Gerüchte darüber, dass der alte Mann fremdging. Es war allgemein bekannt, dass seine Ehe nur ein politisches Zweckbündnis war – Mrs. McAlister entstammte einer langen Reihe republikanischer Politiker und McAlister liebte das heftig genug, um über ihren dürren Körper und ihre Hasenzähne hinwegzusehen. Die meisten Leute schienen es zu akzeptieren oder verschlossen ihre Augen davor. Die Scheinheiligkeit, mit der dieser Mann der Nation moralische Werte predigte, die er selbst nicht im Geringsten besaß, ignorierten sie völlig. Sie lebten ihr Leben weiter und kehrten sich nicht an seinen Liebschaften, so wie sie alle Exzesse der McAlisters nicht beachteten. Natürlich gab es gewisse Konventionen. Er stellte sein irres Zeug nicht vor den Stadtbewohnern zur Schau – er lebte es diskret in Odgen aus, wie alle anderen auch. Oder, noch besser, er versteckte es. Unsere Farm war in dieser Hinsicht attraktiv für ihn. Sie grenzte an sein Land, von Tür zu Tür waren es nur ein paar Meilen. Kein Problem für einen gesunden Mann wie ihn. Dazu kam noch, dass sie weit genug von der Stadt entfernt lag, um Besucher abzuschrecken. Ich glaube, dass er sie schnell gekauft hat und die Arbeiten von Firmen ausführen ließ, die von weither kamen. Die Außenfassade ließ er so heruntergekommen, wie sie war, um zu verschleiern, dass das Haus benutzt wurde. Bei funktionierender Küche und Badezimmer konnte er bequem eine Geliebte hier einquartieren, die damit zur Hand war, wenn er sie brauchte. Und der Anblick einiger bemerkenswerter kleiner Leder- und Latexoutfits im Kleiderschrank zeigte, dass der alte Mann einige interessante kleine Schrullen hatte. Es war sicher besser, niemanden hier herein zu lassen, um dem Risiko zu entgehen, dass jemand etwas davon fand. Und das war natürlich der Grund, weswegen sie hier war. Bei der gegenwärtigen Sensationsgier der Presse musste sie sich irgendwo verstecken, irgendwo unter Daddys Schutz. Das Stammhaus war inzwischen von Reportern eingekesselt und seit seine Frau tot war, sah er wahrscheinlich keinen Grund mehr, diesen Ort vor seiner Tochter geheim zu halten. Ich lächelte, als ich die Ironie bemerkte, die darin lag. All diese Reporter lärmten um McAlisters Haus – und ihr Ziel war heil und gesund hier, nur ein paar Meilen entfernt. So oder ähnlich hatte er gedacht. Dann wurde mir klar, dass ich sie ficken wollte. Ich meine, ich hatte schon daran gedacht, während ich sie fesselte, aber da war es … nun ja … nur so ein Gedanke gewesen. Jetzt war ich mir sicher, dass ich sie hier, auf Daddys Bett, ficken wollte. Ich hatte mich beruhigt, ich wusste, was das bedeutete, und ja, ich wusste, dass ich mich besser davonmachen sollte – aber ich tat es nicht. Ich glaube, es kam mir irgendwie wie eine natürliche Gerechtigkeit vor. Scheiße, ich hatte dafür im Knast gesessen – warum sollte ich nicht auch das Verbrechen dafür begehen? Ich blickte nach draußen in die helle Sonne des späten Morgens und überlegte. Ich glaubte, dass wir einige Zeit lang nicht vom liebsten Daddy gestört werden würden, schließlich würden die McAlisters alles daran setzen, dieses Haus vor der Presse geheim zu halten. Vor Sonnenuntergang würde niemand aus dem Stammhaus hierher kommen, und das gab mir alle Zeit der Welt. Ich ging nach unten und sah, wie sie auf der Couch lag und versuchte, sich zu befreien. Sie blickte hoch und versuchte, etwas zu sagen. Natürlich verhinderte der Knebel das, das machte aber nichts. Ihr wilder, hasserfüllter Gesichtsausdruck sagte alles. Aber ich wollte trotzdem hören, was sie zu sagen hatte. Ich griff hinter ihren Kopf, löste den Knoten des Tuches und zog das durchnässte Handtuch aus ihrem Mund. Sie spuckte ein paarmal aus, um ihren Mund zu säubern und ich merkte, dass sie dabei auf meine Schuhe zielte. »Du verdammter Dreckskerl«, schrie sie dann, »binde mich sofort los!« Ich lächelte. »Oder was? Du läufst zu Daddy? Ich glaube nicht, dass du augenblicklich irgend wohin läufst, oder?« sagte ich. »Du verdammtes Schwein. Sie werden dich so schnell in den Knast zurück bringen, dass …« »Oh, bestimmt, Mary Anne.« lachte ich. »Schließlich bist da ja Expertin darin, Leute in den Knast zu bringen.« »Du wirst nicht nur in den Knast wandern, du Wichser.« stieß sie hervor. »Wenn du glaubst, die Bullen haben dich das letzte Mal schlecht behandelt, warte nur ab, wie's dieses Mal wird!« Sie tobte weiter – in Washington hatte die Schlampe ein paar interessante neue Wörter gelernt. Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Ich blieb auch ruhig, aber ich merkte, wie sich meine Wut aufstaute. Und als sie etwas unglaublich schmutziges über meine Mom sagte, brach der Damm. Ich lehnte mich vor und ohrfeigte sie hart. Mitten in ihrer Tirade verschlug es ihr die Worte und sie sah mich verblüfft an. Ich glaube, sie war in ihrem ganzen Leben noch niemals vorher geschlagen worden. Auch ich war schockiert, vor diesem Morgen hatte ich in meinem ganzen Leben noch niemals eine Frau geschlagen, denn im Grunde meines Herzens betrachte ich so etwas als feige. Was passierte da mit mir? Ich verschob diese Frage auf später – wenn ich sie unter Kontrolle bekommen wollte, musste ich sie glauben machen, dass ich mich selber unter Kontrolle hatte. »Sprich niemals so von meiner Mom, verstanden?« sagte ich mit einer Stimme kalt wie Eis. »Eine Lügnerin und betrügerische kleine Schlampe wie du ist es nicht wert, ihren Namen auch nur zu erwähnen.« Sie wollte etwas erwidern, also hob ich meinen Arm, als wollte ich sie mit dem Handrücken schlagen. Sie wimmerte. »Schon besser«, sagte ich, »noch so ein Ausbruch und du kriegst zwei Schläge.« Sie starrte mich an und drückte sich in die Couch. Ich nahm ihr gegenüber Platz und machte es mir bequem. »Da sind wir also, ganz allein, wie früher.« fuhr ich fort und fühlte mich etwas besser. »Jetzt, wo du mir zuhören musst: es gibt eine Sache, die ich immer wissen wollte.« Ich lehnte mich vor. »Warum ich? Was zum Teufel hattest du mit mir zu tun? Ich meine, warum – weil ich nicht von hier stamme und ein Kiffer war, oder was? Warum hast du gerade mich gewählt?« Sie drückte ihren Kopf noch weiter in das Couchkissen. »Wovon redest du eigentlich?« murmelte sie. »Oh bitte, Schätzchen. Ich weiß alles.« antwortete ich. »Deiner alte Freundin Betty war es eine Freude, mir alles zu erzählen. Ich habe die letzten sieben Jahre eingesessen und wusste, dass das kein unbeabsichtigter Fehler gewesen war. Ich weiß, dass du alles geplant hast.« Sie wand sich ein wenig, aber nur, um in eine bequemere Lage zu kommen. Ich zerrte sie in die Senkrechte, bis sie gegen die Rückenlehne der Couch lehnte, die gefesselten Füße unter ihr. Sie sah mich an und ich sah diese unglaubliche Mixtur von Gefühlen in ihren Augen, aber an einen Ausdruck werde ich mich immer erinnern: Es war dieser kaum verhohlene Triumph, als hätte diese kleine Schlampe es wirklich genossen, mich im Knast verfaulen zu lassen. Wenn ich noch Zweifel daran gehabt hatte, was ich tun wollte, dann schwanden sie auf der Stelle dahin. »Nun?« verlangte ich. »Ich höre!« Eine Sekunde lang glaubte ich, sie würde nicht antworten. Wenn ich sie gewesen wäre, hätte ich verdammt noch mal auch nichts gesagt. Aber auch sie war rot vor Wut. Und wir beide machten an diesem Tag Sachen, die wir später bereuten. »Du willst wissen, warum, du blödes Schwein?« höhnte sie. »Ich sage dir, warum. Weil ich es konnte, OK? Reicht dir das?« Sie grinste mit gefletschten Zähnen. »Ich brauchte ein Opfer, deshalb nahm ich denjenigen, der den Leuten egal war, jemanden, der, ohne Ärger zu hinterlassen, verschwinden konnte. Seit dem Moment, an dem ihr hergezogen wart, haben sich alle über deine Familie lustig gemacht. Wir glaubten, dass ihr dumme Stadtleute wart, die von nichts eine Ahnung hatten. Und niemals hat uns ein Mitglied deiner armseligen Familie gezeigt, dass wir uns da irrten. Scheiße, ich war großzügig, ich ließ dich in die coolste Clique der Schule – ich habe dir sogar ein Date angeboten – ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe – dabei hast du mich angekotzt, du dummes Schwein. Jedenfalls wusste ich danach, dass du genau so blöd wie der Rest deiner verblödeten Familie warst.« Sie lachte hysterisch. »Oh, ich hätte natürlich jeden nehmen können – Bobbie, Lance, jeder von ihnen hätte es sein können. Aber das wäre riskant gewesen, denn Sheriff Parker hätte Bobbie niemals so hart angefasst. Er ist in seiner Schulzeit mit Bobbies Mutter gegangen, hat mit seinem Vater Football gespielt, er gehört praktisch zur Familie. Wenn ich ihn beschuldigt hätte, hätte jeder in der Stadt mit dem Kopf geschüttelt und es nicht geglaubt. Aber du, bei dir war es so einfach. Bei dir glaubten sie mir, du warst ihnen nicht wichtig. Die ganze Stadt verachtete dich so sehr, dass ich mich gar nicht anstrengen musste. Es ging wie geschmiert.« Sie redete noch weiter, aber ich hörte ihr nicht mehr zu. In diesem Augenblick begriff ich nämlich, dass sie recht hatte, die ganze verdammte Stadt hatte es genossen, uns dabei zuzusehen, wie unsere Familie auseinander fiel. Aus irgendeinem Grund musste ich an einen Artikel über Teergruben denken, den ich in der National Geographic gelesen hatte. Er beschrieb, wie Tiere hineingerieten und sich dann zu Tode strampelten. Ironischerweise sanken sie um so tiefer, je mehr sie dagegen an strampelten. McAlister war die Teergrube meiner Familie gewesen und die guten Bürger hatten es sich um uns herum gemütlich gemacht und uns dabei zugesehen, wie wir untergingen. Plötzlich fühlte ich mich wegen all

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