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Humor und Religiosität in der Moderne PDF

238 Pages·2017·5.253 MB·German
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Gerald Hartung Markus Kleinert Hrsg. Humor und Religiosität in der Moderne Humor und Religiosität in der Moderne Gerald Hartung · Markus Kleinert (Hrsg.) Humor und Religiosität in der Moderne Herausgeber Prof. Dr. Gerald Hartung Dr. Markus Kleinert Bergische Universität Wuppertal Universität Erfurt Deutschland Deutschland ISBN 978-3-658-12121-1 ISBN 978-3-658-12122-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-12122-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Frank Schindler Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Gerald Hartung und Markus Kleinert Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man lachen . Skizze zum Verhältnis von Humor und Religiosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Volkhard Krech Anthropologie und Tiefenpsychologie des großen Humors . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Gerhard Danzer „Ohne Ernst kenn’ ich keinen Scherz“ . Jean Pauls Humorkonzept vor dem Hintergrund Jacobis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Oliver Koch Der Teufel als „whimsical man“ und seine Elixiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Klaus Vieweg Vom Humor als erlösender Kraft . E .T .A . Hoff manns Prinzessin Brambilla und das Programm einer (früh)romantischen Transzendentalpoesie am Beginn einer säkularen Moderne . . . . . . . . . . . . . . . 75 Michael Scheff el Truth and Humor in Shaft esbury, Hamann, and Kierkegaard . . . . . . . . . . . . . . 93 Lydia Amir V VI Inhalt Johann Georg Hamanns religiöse Ästhetik des Burlesken als Kritik an der aufklärerischen mediocritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Dorit Messlin Der Humor ist die Religion des Geistes . Zur Psychologie und Anthropologie des Humors bei Moritz Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Gerald Hartung Komik und Humor in Hermann Cohen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Andrea Poma Humor und Religiosität in der Musik seit 1800 . Mit einigen Anmerkungen zum Werk Robert Schumanns und Gustav Mahlers . . . . . . . . 157 Wolfgang Rathert „Es ist nicht alles Talmi, was glänzt .“ Humor und Verklärung bei Jean Paul, Peter Hille und Theodor Fontane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Markus Kleinert Subversiver Humor als lakonische Antwort auf die Realität des absolut Bösen . Felix Hartlaubs Schreibverfahren im Dritten Reich . . . . . 195 Harald Tausch Verzeichnis der Beiträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Einleitung Gerald Hartung und Markus Kleinert „… man könnte fast sagen: die Satire fl ucht und der Humor betet.“ Moritz Lazarus 1 Zum Thema Auf den ersten Blick mag die Verbindung von Humor und Religiosität befremden . Wenn als Humor für gewöhnlich eine Geisteshaltung bezeichnet wird, die dem Leben trotz Übel und Leid eine heitere Seite abzugewinnen vermag, dann muss diese Geisteshaltung keineswegs religiös begründet sein – eher schon scheint der Humor in dieser Verbindung zu schwer und der Glaube zu leicht genommen . Eine Affi nität von Humor und Religion tritt hervor, wenn zum einen der Bedeutungs- wandel des Humorbegriff s seit der Aufk lärung vergegenwärtigt wird, so dass die darin zumindest zeitweilig gegebenen expliziten und impliziten Bezugnahmen auf religiöse Deutungs- und Verhaltensmuster sichtbar werden, und wenn zum ande- ren beachtet wird, dass Religion in diesem Zusammenhang weniger als objektive Institution denn als subjektive Religiosität relevant ist . Der Humor eignet sich – so ließe sich als Th ese formulieren – für das Experimentieren mit der Artikulation von Religiosität unter den Bedingungen der (westlichen) Moderne, was Entfrem- dung von und Kritik an etablierten Erscheinungsformen der Religion gerade nicht ausschließt, vielmehr auf Entfremdung und Kritik reagiert . Vor diesem Hintergrund erscheint das Verhältnis von Humor und Religiosität auch als Variation und insbesondere für den Bereich künstlerischer Produktion stimulierende Konkretisierung eines umfassenderen Th emenkomplexes: des Ver- © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 1 G. Hartung und M. Kleinert (Hrsg.), Humor und Religiosität in der Moderne, DOI 10.1007/978-3-658-12122-8_1 2 Gerald Hartung und Markus Kleinert hältnisses von Religiosität und intellektueller Redlichkeit .1 Die Funktion des Humors ist damit keineswegs eindeutig bestimmt, schließlich kann die relativierende Kraft des Humors zum Beispiel das verkrampfte Festhalten an veräußerlichten religiösen Traditionen lösen oder von völlig verinnerlichten und ins Zwanghafte gesteigerten Redlichkeitsanforderungen entlasten . Die Untersuchung des Verhältnisses von Religiosität und intellektueller Redlichkeit sowie von dessen eigenartiger Mani- festation im Humor bilden Bausteine zu einer Theorie der modernen Kultur, die am Leitfaden der Forschung zu (nicht nur religiösen) Individualisierungsprozessen an Konturen gewinnt . Um Humor und Religiosität auf diese Weise in den Blick nehmen zu können, ist die Begriffsgeschichte des Humors mit besonderer Rücksicht auf religiöse Impli- kationen zu rekapitulieren . Das Musterbeispiel für eine entsprechend emphatische Verwendung des Humorbegriffs ist in der deutschen Literatur Jean Paul, der auf originelle Weise an die Tradition der englischen Humoristen, die in Lawrence Sternes Tristram Shandy und Yorick kulminiert, anschließt . In Jean Pauls Werk erscheint der Humor als indirekte Mitteilung eines Glaubens, als mittelbare Äußerung einer Hoffnung, die sich nicht oder nicht mehr direkt und unmittelbar äußern lassen: indem der Humorist permanent die Lächerlichkeit seiner Umwelt, vor allem aber die eigene Lächerlichkeit herausstellt, behauptet er sein Vertrauen auf eine letztendlich ideale Einrichtung der Welt – und kann der realen Gegenwart trotz ihrer Unzu- länglichkeit mit Empathie begegnen . In der Totalisierung der Komik des Endlichen macht sich hinterrücks das Unendliche als Maßstab geltend, weshalb Jean Paul für diese negative Dialektik in seiner Vorschule der Ästhetik (1804) auch das Symbol des Vogels Merops wählt, „welcher zwar dem Himmel den Schwanz zukehrt, aber doch in dieser Richtung in den Himmel auffliegt .“2 In seiner Quasi-Vorrede zum Leben des Quintus Fixlein hatte Jean Paul in der Lehre von den „drei Wege[n], glücklicher (nicht glücklich) zu werden“ bereits eine ähnliche humoristische Verfahrensweise beschrieben, und zwar als Wechsel zwischen idealischem und idyllischem Streben, oder im Gleichnis: zwischen dem mit traumwandlerischer Sicherheit über die drückende Bedingtheit des Lebens hinweggleitenden Paradiesvogel und dem sich geschickt darin einnistenden Schneidervogel .3 Wenngleich der Humor im Spannungsfeld von Religion und Kultur in vielfacher Hinsicht thematisiert und funktionalisiert werden kann, die Verbindung von Religion und Humor daher aus historischer Sicht weder außergewöhnlich noch spezifisch 1 Vgl . Hartung & Schlette (2012) . 2 Jean Paul (1996b), 129 . Vgl . Brittnacher & Koebner (2010) . 3 Jean Paul (1996a), 10-13 . Einleitung 3 modern ist,4 scheint der wie bei Jean Paul zur Weltanschauung erhobene Humor besonders den Bedingungen von Säkularisierung einerseits und Transformation der Religion andererseits korreliert . Auffallend ist, dass dieser weltanschauliche Humor vor allem in der Kunst und Philosophie thematisiert wird, während die Theologie reserviert bleibt – was doch wiederum verständlich ist, insofern die Verbindung von Humor und Glauben beispielsweise zur kulturtheologischen Nivellierung des Glaubensbegriffs verführen kann . Die Bestimmung des Humors als Vorstufe oder Folge des Glaubens, die Rede von froher Frömmigkeit und erlö- sender Heiterkeit kann deshalb durchaus verfänglich sein .5 Zwar lassen sich auch theologische Thematisierungen des Humors finden, die einer Vermengung von weltlichem Humor und christlicher Religion entgegenstehen, wenn etwa bei Karl Barth der im frühen Werk forcierte Ernst der Entscheidung im späten Werk hinter einer freudvollen und ausdrücklich auch humorvollen Verkündigung zurücktritt . Doch bleiben solch genuin theologische Betrachtungen des Humors, nach Dieter Hörhammer, „für die Ästhetik eine apokryphe Tradition, denn christlich lizensierte Formen von Freude haben in den seltensten Fällen etwas mit literarisch induzierter Heiterkeit gemeinsam“ .6 Zu den Merkmalen des also vornehmlich in der Kunst und Philosophie the- matisierten Humors gehört eine konsequente Selbstreflexion, die auch die künst- lerischen und philosophischen Darstellungen des Humors kennzeichnet, weshalb diese oft zugleich eine Problematisierung des Humors bieten . Hierzu wollen wir nur einige Hinweise geben . Die Problematisierung des Humors äußert sich in der Differenzierung, der Unterscheidung zwischen einem affirmierten eigentlichen Humor und dessen Fehlformen, zum Beispiel in der Gegenüberstellung von Hu- mor als Subjektivismus und Humor als Selbsttranszendenz . In ähnlicher Weise unterscheidet Hegel in seinen Vorlesungen über die Ästhetik an zentraler Stelle, bei der Behandlung der Auflösung der romantischen Kunstform, subjektiven und objektiven Humor als subjektivistische Willkür und (wenn auch partielle) Verei- nigung von Subjekt und Objekt . Während erstere zum Zerfall der Kunst vor dem Anspruch der Darstellung des Wahren beiträgt, deutet sich in letzterer eine Kunst nach dem Ende der Kunst an, deren aus der Prosa der Wirklichkeit herauslösende Wirkung nicht zu unterschätzen ist: 4 Vgl . z . B . Bremmer & Roodenburg (1999), Cooper (2012); zum Verhältnis von Chris- tentum und Humor z . B . Fellechner (2016) und Abschnitt 4 des Beitrags von Amir in diesem Band . 5 Vgl . Albert (1975) . 6 Hörhammer (2001), 74 . Vgl . Hörhammer (1984) . 4 Gerald Hartung und Markus Kleinert Wenn sich nun aber diese Befriedigung an der Äußerlichkeit wie an der subjektiven Darstellung dem Prinzip des Romantischen gemäß zu einem Vertiefen des Gemüts in den Gegenstand steigert und es dem Humor andererseits auch auf das Objekt und dessen Gestaltung innerhalb seines subjektiven Reflexes ankommt, so erhalten wir dadurch eine Verinnigung in dem Gegenstande, einen gleichsam objektiven Humor .7 Während Goethes Erzähler in Wilhelm Meisters Wanderjahre noch entschuldigend auf die Verfahrensweise des Humoristen verweist, zollt die charismatische Makarie schließlich einem Humoristen höchstes Lob: „Yorik-Sterne war der schönste Geist, der je gewirkt hat; wer ihn liest, fühlt sich sogleich frei und schön; sein Humor ist unnachahmlich, und nicht jeder Humor befreit die Seele .“8 Kierkegaard beschäftigt sich von seinen frühen Notizen an mit dem Humor, wobei in diesem Fall Jean Paul als Vertreter humoristischer Willkür der vorbildlichen Persönlichkeit des Humo- risten Hamann gegenübergestellt wird .9 Schließlich siedelt Kierkegaard (bzw . sein für die Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift verantwortliches Pseudonym Johannes Climacus) den Humoristen an der Grenze einer religiösen Existenz an . Diese anhand weniger Beispiele veranschaulichte Emphatisierung des Humorbe- griffs fällt auf und ist entsprechend intensiv erforscht, wenn auch selten im Hinblick auf religiöse Implikationen . Anders verhält es sich mit den Weiterentwicklungen und Abwandlungen dieses Humorbegriffs in der Folgezeit, vor allem in der zweiten Hälfte des neunzehnten und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, die in den literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschungen eher vernachlässigt werden . Ein Beispiel hierfür bietet die 1853 veröffentlichte Abhandlung „Der Humor als psychologisches Phänomen“ von Moritz Lazarus, die kurz danach in seine Monogra- phie Das Leben der Seele eingeht und an der Grenze von sprachwissenschaftlichen und (sozial)psychologischen Forschungen wie auch am Anfang der „Culturwissen- schaften“ steht .10 Der Humor ermöglicht dem einzelnen Menschen demnach eine Vermittlung zwischen den das Denken und Fühlen bestimmenden Gegensätzen, d . h . die Verwirklichung des ganzen Menschen, jenseits von materialistischer oder idealistischer Eindimensionalität . Religiöse Anklänge sind überdeutlich, wenn die humoristische Vermittlung der Gegensätze im „absoluten Humor“ gipfelt, wo auf beiden Seiten weder Sieg noch Niederlage, sondern ein herrlicher und gerechter Friedensschluß, ein tausendjähriges Himmelreich auf Erden erscheint, wo die Sonne der Idee die dunkeln Thalgründe der Sinnlichkeit zwar nicht ganz zu erhellen aber 7 Hegel (1986), 240 . 8 Goethe (1998), 279f . bzw . 480, vgl . 482, 484f . 9 Vgl . Kleinert (2008) . 10 Vgl . Hartung (2012) .

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