Masterstudiengang Nachhaltige Dienstleistungs- und Ernährungswirtschaft Materialienband Arbeitsergebnisse aus dem Modul Nachhaltigkeitsbewertung in Wertschöpfungsketten Wintersemester 2013/ 2014 Hot Spot Analysen zur Bewertung der Produktgruppe „Nüsse“ Herausgeber: Prof. Dr. Petra Teitscheid und Dipl.-Ing. Holger Rohn Münster Mai 2014 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung zum Materialienband 2. Die Methodik der Hot Spot Analyse 3. Hot Spot Analysen am Beispiel der Rohstoffe • Cashewkerne • Erdnüsse • Mandeln • Pistazien • Walnüsse Die beteiligten Master-Studierenden: • Fanny Aderjan • Evelyn Aich • Pia Bonke • Lisa Gelzhäuser • Celia Meienburg • Linda Niepagenkemper • Anne Rehme-Schlüter • Verena Kathrin Steffens • Karsten Sobottka • Tina Weidlich • Kim Werner • Christin Wessels 1 Vorbemerkung Die Studierenden des Masterstudiengangs Nachhaltige Dienstleistungs- und Ernährungswirtschaft an der Fachhochschule Münster setzen sich im Modul "Nachhaltigkeitsbewertung in Wertschöpfungsketten" mit der Bewertung von Lebensmittelwertschöpfungsketten aus ökologischer und sozialer Perspektive auseinander. Das Modul wird von Petra Teitscheid, Professorin für Nachhaltigkeitsmanagement an der FH Münster und Dipl. Ing Holger Rohn vom Wuppertal Institut und Faktor 10 Institut gemeinsam angeboten. Im Wintersemester 2013/14 stand die Produktgruppe der Nüsse im Vordergrund. Die Studierenden hatten die Aufgabe, nach einer Einführung in die vom Wuppertal Institut maßgeblich mitentwickelte Methode der Hot Spot Analyse, in sechs Kleingruppen Hot Spot Analysen für Cashewkerne, Erdnüsse, Haselnüsse, Pistazien, Mandeln und Walnüsse zu erstellen. Die Ergebnisse wurden im Februar 2014 einer Expertenrunde aus Unternehmen, Vertreterinnen der Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen vorgestellt. Allen Beteiligten einen herzlichen Dank für Ihr Kommen, die Studierenden haben diesen Workshop durchweg sehr positiv bewertet. Wir freuen uns, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Expertenworkshops im Februar mit diesem Materialienband nun fünf der sechs bearbeiteten Hot Spot Analysen übergeben zu können. Die Analyse der Haselnüsse wird erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar sein. Eine interessante Lektüre wünschen Petra Teitscheid, Holger Rohn und die Studierenden 2 Die Methodik der Hot-Spot-Analyse Im Rahmen der vorliegenden Kurzstudien werden die ökologischen und sozialen Auswirkungen entlang des Lebenszyklus von unterschiedlichen Nüssen beleuchtet. Die wissenschaftliche Betrachtung basiert dabei auf der Methode der Hot Spot Analyse nach Bienge et al. 2010. Die Zielsetzung dieser Analyseform beläuft sich auf die Abschätzung von ökologischen und sozialen Auswirkungen, die im Lebenszyklus spezifischer Produkte oder Dienstleistungen entstehen. Die Untersuchung erstreckt sich auf alle Phasen der Wertschöpfungskette von Nüssen, ein Produkt, das in großen Mengen in der Süßwarenindustrie verarbeitet wird. Dabei werden die bedeutendsten Phasen von der landwirtschaftlichen Erzeugung über die Weiterverarbeitung und die Nutzung bis hin zur Entsorgung intensiv analysiert und auf kritische umweltbezogene und soziale Aspekte hin untersucht. Die Produktionsbedingungen in den jeweiligen hauptsächlichen Anbauländern sowie der Konsum und die Nutzung in Deutschland stehen hierbei im Vordergrund. Die Identifizierung der relevanten Hot Spots ermöglicht die Priorisierung von Verbesserungsmaßnahmen im Kontext der Wertschöpfungskette. Grundlage der Hot Spot Analyse ist die Auswertung von öffentlich verfügbaren Daten und die Auswertung firmeneigener Daten der Wertschöpfungskettenakteure entlang des Lebenszyklus. In den folgenden Kapiteln werden Hintergrundinformationen zu den einzelnen Betrachtungsebenen der Wertschöpfungskette von Cashewnüssen, Erdnüssen, Mandeln, Pistazien, Walnüssen vermittelt. Das Vorgehen bei der Hot Spot-Analyse gliedert sich in fünf Teilschritte (s. Abbildung 1). 1. Lebenszyklusphasen und Kategorien definieren 2. Bewertung der Kategorien innerhalb der Lebenszyklusphasen 3. Gewichtung der Lebenszyklusphasen 4. Identifikation der Hot Spots 5. Bewertung durch Stakeholder und Ermittlung der Gesamtrelevanz Abbildung 1: Die fünf Teilschritte der Hot Spot-Analyse im Überblick Quelle: Rohn/Bienge 2011 Folgend werden die Kategorien der Hot Spot Analyse, die zur Bewertung herangezogen werden, beschrieben. Die Kategorien der ökologischen Hot Spot Analyse Bei der Ermittlung der ökologischen Hot-Spots werden folgende Kriterien näher betrachtet: - Abiotische Materialien: Alle in der Phase verwendeten abiotischen Materialien (sowohl direkte als auch indirekte Materialinputs wie z. B. Agrochemikalien, Prozesschemikalien, Energieträger etc.) - Biotische Materialien: Alle in der Phase verwendeten biotischen Materialien (sowohl direkte als auch indirekte Materialinputs wie z. B. organische Düngemittel, Energieträger etc.). - Energieverbrauch: Der Energieverbrauch in der Phase z.B. Elektrizität und Treibstoffe. - Wasserverbrauch: Der Wasserverbrauch in der Phase, z.B. für Landwirtschaft, Produktionsprozesse, Kühlwasser, Reinigungsprozesse etc. - Landnutzung und Biodiversität: Der Flächenverbrauch in der Phase. Auswirkungen auf die Biodiversität und Bodenerosion und -degradation werden ebenfalls berücksichtigt. - Abfall: Alle festen Abfälle, die in den Lebenszyklusphasen anfallen. - Luftemissionen: Treibhausgase und weitere Stoffe/Chemikalien, die in die Luft emittiert werden, inkl. Emissionen aus der Elektrizitätsgewinnung, dem Transport oder der Viehhaltung. - Wasseremissionen: Alle Emissionen von Chemikalien, Nährstoffen etc. ins Wasser, die aus den Aktivitäten und Prozessen in den verschiedenen Lebenszyklusphasen resultieren. Die Kategorien der sozialen Hot-Spot-Analyse Bei der sozialen Hot-Spot-Analyse werden die oben beschriebenen Phasen der Wertschöpfungskette anhand folgender Kategorien untersucht: - Allgemeine Arbeitsbedingungen: Diese beinhalten Arbeitszeiten, legale Verträge, illegale Arbeitskräfte und weitere allgemeine Arbeitsbedingungen. - Soziale Sicherheit: Dies bezieht sich auf Verträge und rechtliche Bestimmungen der sozialen Absicherung. Zusätzlich werden hier gesellschaftliche Aspekte betrachtet, wie z. B. die Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage oder die Störung des Sozialgefüges lokaler Gemeinschaften durch Aktivitäten im Zusammenhang mit der Wertschöpfungskette des betrachteten Produkts. - Training & Bildung: Bezieht sich auf die Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeiter (inklusive Kenntnis der Arbeitnehmerrechte) ebenso wie Training zur Arbeitssicherheit, z. B. Umgang mit gefährlichen Substanzen. - Arbeitsgesundheit und -schutz: Sichere und hygienische Arbeitsbedingungen: z. B. gesundheitliche Auswirkungen der Arbeit, Arbeitsunfälle etc. - Menschenrechte: Diese Kategorie beinhaltet Kinder- und Jugendarbeit, Diskriminierung (gleiche Löhne/Zuschüsse/Möglichkeiten für saisonale/befristete und permanente Arbeiter; für Wanderarbeiter/Ausländer und einheimische Arbeiter; für Männer und Frauen), Zwangsarbeit, sexuelle Belästigung und Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit, Minderheiten/indigene Bevölkerung, Vertreibung, sowie gewalttätige Konflikte. - Einkommen: Das Einkommen bezogen auf den gesetzlichen Mindestlohn oder das Existenzminimum. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind gesetzliche Mindestlöhne nicht existenzsichernd, so dass stattdessen der Lohn in Relation zum Existenzminimum betrachtet werden muss. - Konsumentengesundheit: Die Gesundheitsstandards des Produktes, Produktsicherheit, Information und Transparenz bezüglich der gesundheitlichen Auswirkungen (Allergene), Warnungen und Anleitungen falls die Nutzung ein Gefahrenpotenzial birgt. - Produktqualität: Die Langlebigkeit und Nutzerfreundlichkeit des Produkts (angebotene Mengen, sichere Verpackung), Transparenz und Information (zuverlässige Information, die angemessen für die Hauptkonsumentengruppe ist, freiwillige Kennzeichnung, Angabe sämtlicher Inhaltsstoffe) wird mit einbezogen. Zunächst erfolgt die Bewertung der Relevanz der Kategorien innerhalb der einzelnen Phasen der Wertschöpfungskette anhand einer fakten-basierten Recherche. Anschließend wird die Relevanz der Recherche gewichtet und somit die einzelnen Hot-Spots ermittelt. Die Bewertung der Relevanz in einer Phase: Die Relevanz wird wie folgt bewertet: 0 = keine Relevanz 1 = niedrige Relevanz 2 = mittlere Relevanz 3 = hohe Relevant n.d. = keine wissenschaftlichen Quellen verfügbar n.a. = Kategorie lässt sich nicht anwenden Multipliziert mit der Gewichtung in einer Phase, die sich aus dem Vergleich der Lebenszyklusphasen untereinander ergibt, lässt sich ein Hot Spot identifizieren. Bei einem Wert von 6 handelt es sich um einen relevanten Hot Spot, ab 9 um einen besonders kritischen Hot Spot. In einem darauf folgenden Stakeholderdiskurs werden die ermittelten Daten evaluiert und anschließend ggf. angepasst. Folgend wird die Methode der Hot Spot Analyse bei Cashewnüssen, Erdnüssen, Mandeln, Pistazien und Walnüssen angewendet. Literatur: Bienge, K., von Geibler, J., Lettenmeier, M. (2010): Sustainability Hot Spot Analysis: A streamlined life cycle assessment towards sustainable food chains. Wuppertal Institut für Klima, Energie und Umwelt. 9. European IFSA Symposium, 4-‐7 Juli 2010, Wien. Rohn, H.; Bienge, K. (2011): Workshop „Diskussion zu Methodik Hot Spot Analyse und weiterer Nachhaltigkeitsbewertungsmethoden“, Wuppertal Institut Hot Spot Analyse am Beispiel des Rohstoffs Cashewkerne Evelyn Aich Pia Bonke Christin Wessels Inhaltsverzeichnis: 1 Zusammenfassung 2 Hintergrund - Betrachtung der Wertschöpfungskette und des Rohstoffsystems 3 Ergebnisse der ökologischen Hot Spot Analyse 4 Ergebnisse der sozialen Hot Spot Analyse 5 Zusammenfassung der Ergebnisse 6 Fazit 7 Quellenverzeichnis 1 Zusammenfassung zur Hot Spot Analyse von Cashewkernen Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Methodik der Hot Spot Analyse angewandt, um die sozialen und umweltrelevanten Problemlagen in der Wertschöpfungskette von Cashewkernen zu identifizieren. Die Analyse bezog sich dabei auf die Hauptanbaugebiete in Afrika und auf Indien sowie auf die Hauptverarbeitungsländer Indien und Vietnam. Insgesamt konnten mit der Methodik 14 soziale und ökologische Hot Spots ausgemacht werden. Mit 12 identifizierten Hot Spots in den sozialen Kategorien der Lebenszyklusphasen der Rohstoffgewinnung und Verarbeitung liegt der Schwerpunkt deutlich auf den sozialen Problemen in der Wertschöpfungskette. Die Gründe für diese Konzentration sind insbesondere auf die sozialen Missstände in den Hauptanbauländern Afrika, Indien und Vietnam zu- rückzuführen. Neben Menschenrechtsverletzungen, insbesondere in Form von Zwangsarbeit und Diskriminierung, bestehen die schwerwiegenden Probleme in geringen und ungesicherten Einkommen sowie in fehlenden Arbeits- und Sozialstandards im Sinne der Regelung von Arbeitnehmerrechten, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit. Rund 98 Prozent aller erzeugten Cashewkerne stammen aus kleinbäuerlichen Strukturen, wodurch die Branche von hoher Intransparenz hinsichtlich der Handlungsbeziehungen in den Anbauländern geprägt ist. Die Landwirte und Verarbeitungsbetriebe in den analysierten Ländern sind einem starken Preisdruck, infolge ungesicherter Handelsbeziehungen und volatiler Weltmarktpreise, ausgesetzt. Zukünftig bedarf es innerhalb dieser beiden Lebenszyklusphasen Maßnahmen, um die Missstände und die daraus folgenden Hot Spots zu bekämpfen. Es müssen Lösungswege aufgezeigt werden, welche eine nachhaltige Beschaffung des Rohstoffs ermöglichen. Einen Ansatz stellen beispielsweise direkte und langfristige Lieferantenbeziehungen von Handelsunternehmen oder weiterverarbeitenden Betrieben dar. Infolge von Abnahmegarantien für Rohstoffe und die Einführung von Sozial- und Produktstandards können die Handelsunternehmen Einfluss auf die Produktionsbedingungen in den jeweiligen Anbau- und Verarbeitungsgebieten nehmen. Gleichzeitig würde dies zu verbesserten Bedingungen für die betroffenen Akteure in den Anbau- und Verarbeitungsländern hinsichtlich gesicherter Preise für ihre Erzeugnisse sowie ihrer Lebens- und die Produktionsbedingungen führen. 2 Hintergrund – Betrachtung der Wertschöpfungskette und des Rohstoffsystems von Cashewnüssen Der Cashewbaum (Anarcadium occidentale) Herkunft des Cashewbaums Der Cashewbaum (Anacardium occidentale) wurde im Jahr 1558 von dem französischen Naturwissenschaftler Thevet entdeckt. Im 16. Jahrhundert gelangte er durch die Portugiesen nach Indien, wo er insbesondere als Erosionsschutz an Küsten genutzt wurde (Panda 2013, S. 197). Die landesweite Verbreitung des Baumes erfolgte durch Elefanten, welche die Früchte aufnahmen und den unverdauten Samen landesweit verbreiteten. Ab dem 19. Jahrhundert wurde der ökonomische Nutzen von Cashewbäume erkannt und die Bäume großflächig in Plantagen angebaut. Zudem erfolgte die Verbreitung in andere Länder wie Afrika, Asien sowie Südamerika (Panda 2013, S. 1). Heutzutage ist der Cashewbaum an den Küstengebieten von Südafrika, Tansania, Kenia, Mozambique, Nigeria, Gold Coast, Angola, Uganda, Madagaskar, Florida, Peru, Hawaii, Mauritius, Seychellen, Tahiti, Sri Lanka und weiten Teilen Asiens verbreitet (Panda 2013, S. 1). Taxonomie und Nomenklatur Der Begriff Cashew bezeichnet einen Fruchtbaum, dessen botanische Bezeichnung Anacardium occidentale ist. Der Cashewbaum gehört zur Familie der Anacardiaceae (Sumagewächse). Zu den bekanntesten Vertretern dieser Familie werden neben den Cashews, Pistazien sowie Mangos gezählt. Die Sumagewächse bilden eine Familie in der Ordnung der Seifenbaumartigen, welche mit etwa 80 Gattungen und 600-700 Arten vor allem in den Tropen und Subtropen heimisch sind (Panda 2013, S. 2). Pflanzenwachstum Der Cashewbaum ist ein polygamer, mehrjähriger, immergrüner Baum mit einem dunkelgrünen- ledrigen Blattwerk. Das durchschnittliche Wachstum des Baumes beträgt ca. fünf bis sechs Meter, wobei die Blattkrone einen Radius von bis zu 8 m erreicht. Der Stamm bildet eine raue Rinde, ist mittel hart und scheidet eine gelbe, gummiartige Flüssigkeit aus, welche sich an der Oberfläche schwarz verfärbt. Bereits am unteren Stamm des Cashewbaumes bilden sich die ersten Zweige aus, wobei die niedrigen Äste nahe zum Boden wachsen. Infolge dieses buschartigen Zweigwachstums verfügt der Cashewbaum über einen stabilen Bodenschutz gegen küstennahe Winde und Erosionen (Panda 2013, S. 4). Die Blattoberfläche ist ledrig und besitzt eine längliche, eiförmige Form. Die jungen Blätter sind zunächst rötlich braun und wandeln nach 20 Tagen ihre Farbe in ein reifes Dunkelgrün um
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