Thomas D. Seeley Honigbienen Im Mikrokosmos des Bienenstocks Aus dem Amerikanischen von Ute Döring Fachliche Beratung: Prof. Dr. Jürgen Tautz Springer Basel AG Die Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel "The Wisdom of the Hive: The Social Physiology of Honey Bee Colonies" bei Harvard University Press, Cambridge/Massachusetts © 1995 The President and Fellows of Harvard College Der Verlag dankt dem Institut für Bienenkunde in Oberursel, insbesondere Frau Christel Rau und Herrn Prof. Dr. Nikolaus Koeniger, für die Bereitstellung von zusätzlichen Farbabbildungen. · Die deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Seeley, Thomas D.: Honigbienen : im Mikrokosmos des Bienenstocks I Thomas D. Seeley. Aus dem Amerikan. von Ute Döring. Fachliche Beratung: Jürgen Tautz. Einheitssacht.: The wisdom of the hive <dt.> ISBN 978-3-0348-7834-0 ISBN 978-3-0348-7833-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-7833-3 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, blei ben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 1997 Springer Basel AG Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag, Postfach 1997 Softcover reprint of the bardeover 1st edition 1997 Umschlaggestaltung: Micha Lotrovsky, Therwil Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zell stoff.oo ISBN 978-3-0348-7834-0 987654321 Für Saren und Maira, die sehr geduldig waren, und für Robin, die auf vielfache Weise geholfen hat Inhalt Vorwort zur deutschen Ausgabe . .. . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Vorwort .............. : . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I Einführung 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.1 Die Evolution der biologischen Organisationsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2 Das Honigbienenvolk als Funktionseinheit . . . . . . . . . . . . 26 1.3 Die Versuchsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Das Honigbienenvolk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.1 Anatomie und Physiologie der Arbeiterinnen . . . . . . . . . 44 2.2 Lebenslauf der Arbeiterinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.3 Aufbau eines Bienenstocks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.4 Jahreslauf eines Bienenvolkes.............................. 57 2.5 Verständigung über Nahrungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.6 Nahrungsetwerb und Honigherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Die Leistungen von Bienenvölkern beim Nahrungserwerb . . 71 3.1 Ausbeutung von Nahrungsquellen in einem großen Gebiet rund um den Stock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.2 Auskundschaften reicher Trachtquellen in der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.3 Schnelle Reaktion auf wertvolle Entdeckungen . . . . . . 79 3.4 Wahl zwischen verschiedenen Trachtquellen .......... 81 3.5 Anpassung der Trachtquellenwahl an die Menge des Nahrungsangebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.6 Regulation des Wabenbaus. ................. .. .. ... . . . . . . . . . 91 3. 7 Regulation des Pollensammeins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.8 Regulation des Wassersammeins .......................... 94 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II Experimentelle Analyse 4. Ausrüstung und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.1 Der Beobachtungsstock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2 Die Beobachtungshütte ....................................... 102 4.3 Die Bienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.4 Die Zuckerwasser-Futtergefäße ............................ 105 4.5 Kennzeichnung der Bienen ................................. 108 4.6 Bestimmung der Gesamtzahl an Bienen, die ein Futtergefäß besuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. 7 Beobachtung von Bienen bekannten Alters ............ 110 4.8 Aufzeichnung des Verhaltens der Bienen im Stock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.9 Wiegen der Bienenstöcke .................................... 112 4.10 Bestimmung der Populationsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5. Verteilung der Arbeit auf verschiedene Trachtquellen . . . . . . . 115 5.1 Welche Bienen sammeln die Informationen? ......... 116 5.2 Welche Informationen werden mitgeteilt? ............. 120 5.3 An welcher Stelle im Stock werden die Informationen mitgeteilt? .............................. 121 5.4 Wie wird die Information über die Rentabilität verschlüsselt? .................................................... 122 5.5 Das Rentabilitätskriterium der Bienen .................. 128 5.6 Beziehung zwischen Rentabilität der Nektar- quelle und Dauer des Schwänzeltanzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5.7 Anpassung der Tanzschwellen .............................. 138 5.8 Wie Sammetbienen die Rentabilität von Nektarquellen bestimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Zusammenfassung ............................................. 159 5.9 Beschäftigte und beschäftigungslose Sammetbienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 8 5.10 Wie beschäftigungslose Sammelbienen die Informationen auf dem Tanzboden aufnehmen . . . . . . 166 5.11 Wie beschäftigte Sammelbienen auf Informationen über die Rentabilität von Trachtquellen reagieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 6 5.12 Verteilung der Sammelbienen auf die Nektarquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 9 5.13 Wechselseitige Hemmung zwischen Sammetgruppen ................................................ 189 5.14 Muster und Effektivität der Aufteilung von Sammelbienen auf verschiedene Nektarquellen ...... 192 Zusammenfassung ............................................. 200 6. Koordination von Nektarsammlung und -Verarbeitung ....... 205 6.1 Schnelle Mobilisierung von Nektarsamm- lerinnen durch den Schwänzeltanz ....................... 206 6.2 Mobilisierung zum Sammeln bereiter Bienen durch das Rüttelsignal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 6.3 Schnelle Mobilisierung von Nektar- verarbeiterinnen durch den Zittertanz .................. 213 6.4 Welche Bienen werden zu zusätzlichen Nektarabnehmerinnen? ...................................... 226 Zusammenfassung ............................................ 228 7. Regulation des Wabenbaus ....................................... 231 7.1 Welche Bienen bauen Waben? ............................. 232 7.2 Woher Baubienen wissen, wann gebaut werden muß ...................................................... 235 7.3 Einfluß der leeren Wabenfläche auf den Nektareintrag .................................................... 242 Zusammenfassung ............................................. 247 8. Regulation des Pollensammeins ................................. 251 8.1 Die reziproke Beziehung zwischen Pollensammeln und Pollenvorrat ......................... 252 8.2 Wie Pollensammlerinnen die Pollensammelrate beeinflussen ...................................................... 253 8.3 Wie Pollensammlerinnen Rückkopplung über den Pollenvorrat erhalten ............................. 258 8.4 Indirekte Rückkopplung ..................................... 262 8.5 Warum die Rückkopplung indirekt verläuft ........... 266 9 8.6 Wie Sammelbienen in Pollen-und Nektar- sammlerionen aufgeteilt werden .......................... 269 Zusammenfassung ............................................. 272 9. Regulation des Wassersammeins ................................ 275 9.1 Bedeutung der wechselnden Nachfrage ................. 276 9.2 Verhaltensmuster beim Wasser- und Nektarsammeln bei Überhitzung des Bienenstockes .............................................. 279 9.3 Welche Bienen sammeln Wasser? ......................... 282 9.4 Welcher Reiz löst das Wassersammeln aus? ........... 284 9.5 Woher wissen die Wassersammlerinnen, ob sie ihre Tätigkeit fortsetzen oder beenden sollen? ................................................. 286 9.6 Warum ändert sich mit dem Wasserbedarf die Übergabe-Erfahrung einer Wasser- sammlerin? ....................................................... 292 Zusammenfassung ............................................. 302 111 Übersicht 10. Organisationsstrukturen von Tiergesellschaften . . . . . . . . . . . . 305 10.1 Arbeitsteilung durch vorobergehende Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 10.2 Fehlende physische Verbindungen zwischen den Arbeiterinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 10.3 Verschiedene Wege der Informationsübermittlung .................................. 316 10.4 Hohe Ökonomie bei der Verständigung ................. 322 10.5 Mechanismen negativer Rückkopplung ................. 326 10.6 Zusammenarbeit ohne zentrale Steuerung ............. 329 11. Grundlegende Erkenntnisse aus der Erforschung des Bienenstocks .................................................. 337 Glossar .................................................................... 341 Bibliographie ............................................................. 351 Index .................................................................... 365 10 Vorwort zur deutschen Ausgabe W enn man in Insektenstaaten mehr als nur dichte Ansamm lungen von Individuen sieht, dann bezeichnet man sie oft als Superorganismen und lädt damit zum Vergleich zwischen einem Insektenstaat und einem Organismus ein. Die Vorstellung von einem Superorganismus war insbesondere Anfang dieses Jahrhunderts sehr populär. F. Gerstung schildert in seinem Buch "Der Bien und seine Zucht" ( 1904) das Bienenvolk als superorganismische Einheit; und William Morton Wheeler - wohl der einflußreichste ameri kanische Entomologe seiner Zeit - kam, wie viele seiner Zeitge nossen, in seinen Veröffentlichungen immer wieder auf diesen Begriff zurück. In seinem berühmten Aufsatz ~us dem Jahr 1911 mit dem Titel "The Ant Colony as an Organism" stellte er fest, daß die Ameisenkolonie wirklich einen Organismus darstellt und nicht nur eine Analogie dazu bildet. Die Kolonie, sagte er, ver hält sich wie eine Einheit. Sie besitzt bestimmte Merkmale, die ihre Größe, ihr Verhalten und ihre Organisation betreffen, die von Kolonie zu Kolonie von einer Generation zur anderen weiterge geben werden. Die Königin ist das Fortpflanzungsorgan, und die Arbeiterinnen stellen das unterstützende Gehirn, das Herz, den Verdauungstrakt und andere Körpergewebe dar. Der Austausch von flüssigem Futter unter den Koloniemitgliedern entspricht Blutkreislauf und Lymphsystem. Dieser Ansatz, so tiefschürfend und anregend er auch war, hat sich jedoch irgendwann in seinen Möglichkeiten erschöpft. Seine Grenzen wurden zunehmend ersichtlich, als Biologen die popu- lationsgenetischen Grundlagen der Evolution sozialer Organisa tionen erarbeitet hatten und erkannten, daß Insektenstaaten nicht nur durch Kooperation, sondern auch durch interne Konflikte charakterisiert sind. Aus genetischer Sicht ist die Insektenkolo nie natürlich kein Organismus, denn es handelt sich ja um Indi viduen, die die Gene in die nächste Generation weitergeben, und die genetischen Interessen der Mitglieder der Sozietät können von denen der gesamten Sozietät durchaus verschieden sein. In der Wissenschaft werden aber alte Ideen selten ganz begra ben. Aufgrund wesentlich besserer Kenntnis über die Kommu nikationsweisen und die Organisation der Arbeitsaufteilung im Insektenstaat konnten die Mittel und Wege untersucht werden, mit denen bestimmte Tierarten im Laufe der Evolution den Über gang vom einzelnen Organismus zur integrierten Gruppe geschafft haben. Viele Evolutionsbiologen sind heute der Ansicht, daß Insek tenstaaten die besten Beispiele dafür sind, daß die natürliche Selektion sowohl am Individuum als auch an der sozialen Gruppe angreift. In einer Population von Ameisen- oder Bienenstaaten konkurrieren die Sozietäten um Ressourcen. Diejenigen Grup pen, die über wirksamere Kommunikations- und Arbeitstei lungssysteme verfügen, mit deren Hilfe Nestgenossinnen zum Einholen oder zur Sicherung und Verarbeitung von Ressourcen rekrutiert werden, können mehr Energie in die Produktion von Geschlechtstieren investieren. Das heißt, daß sie einen größeren Fortplanzungserfolg haben als weniger effizient organisierte Kolonien. In diesem Sinne hängt der Reproduktionserfolg und damit der selektive Vorteil im wesentlichen von der Gruppe und nicht ausschließlich vom Individuum ab. Die moderne evolutionsbiologische Sicht des Insektenstaates als Superorganismus wird im vorliegenden Buch von Thomas Seeley meisterhaft dargestellt, obgleich der Begriff 'Superorga nismus' kaum verwendet wird. Thomas Seeley bringt uns mit die sem elegant und spannend geschriebenen Buch auf den neuesten Stand der Honigbienenforschung. Doch ist das Buch mehr als 'nur' ein Bienenbuch: Es ist ein Werk, in dem am Beispiel des Bienenstaates dieultimatenund proximaten Ursachen analysiert werden, die für die Evolution biologischer Gruppen als funktio nelle Einheiten verantwortlich sind. Thomas Seeley ist ein Verhaltensphysiologe und Soziobiologe, der den Bienenstaat als Objekt für seine detaillierten Forschun- 12 Vorwort zur deutschen Ausgabe