HISTOPATHOLOGIE DES NERVENSYSTEMS VON DR. W. SPIELMEYER PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN ERSTER BAND ALLGEMEINER TEIL MIT 316 ZUM GROSSEN TEIL FARBIGEN ABBILDUNGEN SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH 1922 ERSCHEINT ZUGLEICH ALS 5. BAND DER ARBEITEN AUS DER DEUTSCHEN FORSCHUNGSANSTALT FUR PSYCHIATRIE IN MUNCHEN. ISBN 978-3-642-50394-8 ISBN 978-3-642-50703-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-50703-8 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER UBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1922 BY SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG URSPRUNGLICH ERSCHIENEN BEI JULIUS SPRINGER IN BERLIN 1922 SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1922 DEM ANDENKEN NISSLS Vorwort. Die Widmung an Nisslist nur ein äußeres Zeichen meiner Dankbarkeit gegen ihn, mit seinem Inhalt soll dieses Buch dazu beitragen, Nissls Vermächtnis zu wahren. Die hier gegebene Behandlung des Stoffes dürfte besonders eindring lich zeigen, daß die neueren Bestrebungen in der Histopathologie des Nerven systems doch in erster Linie auf Nissls Forschungen zurückgehen. Ich hatte nicht das Glück sein Schüler zu sein, und die Zeit war nur kurz, die ich nach dem Kriegsende bis zu seinem bald darauf erfolgten Tode mit ihm zusammen an der Forschungsanstalt arbeiten durfte. Aber unter dem Einfluß seiner Lehre stand auch die Arbeit, die ich abseits von den Lehrstätten Nissls und Alzheimers tat. Als Kraepelin bei der Begründung der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie Nissl für uns zu gewinnen suchte, hoffte er ihm die Musse für die Beendigung seiner experimentellen Arbeiten und für die Inangriffnahme neuer rindenpathologischer Probleme zu schaffen; und für mich war ein bis dahin vergeblich gewesener Wunsch erfüllt, mit dem "Meister" arbeiten zu dürfen. Aber Nissls altes Nierenleiden war unter dem Einfluß der Hungerblockade rasch schlimmer geworden, und als die Fortsetzung von Kriegsbräuchen auch nach dem Kriegsende über uns verhängt wurde, erlag sein geschwächter Organis mus. Kurze Zeit nach seiner Übersiedlung an die Münchener Forschungsanstalt starb Nissl in tiefstem Kummer über die Not seines Volkes, das er der Willkür seiner Feinde ausgeliefert sah. Wohl ihm, daß er nicht ahnen konnte, daß die Knechtung des wehrlos gemachten Deutschland und die schamlose Ächtung der deutschen Wissenschaft kein Ende haben soll! Dieses Buch über die Histopathologie des Nervensystems hatte ein "Lehr buch" werden sollen. Für eine entsprechende gleichmäßige Bearbeitung des Stoffes wären ausgedehnte, insbesondere auch experimentelle Studien notwendig gewesen. Durch den Krieg wurden sie abgebrochen; sie jetzt wieder aufzunehmen und in absehbarer Zeit durchzuführen, dafür sind die Bedingungen allzu ungünstig geworden. Da aber das Bedürfnis nach einer Histopathologie des Nervensystems - auch nach unseren eigenen Erfahrungen an der Forschungsanstalt - immer dringender wird, so habe ich mich entschlossen, die geplante Histopathologie in dieser Form herauszubringen. Daher ist das Buch, wie man leicht sieht, in den einzelnen Kapiteln ungleich: manches ist mit Ausführlichkeit behandelt, während anderes kurz abgetan wird. Das liegt nicht nur daran, daß das Urteil über den Grad der Wichtigkeit der einzelnen Tatsachen und Probleme ver schieden, sondern auch das Wissen und die Erfahrung des einzelnen recht un gleich ist. Dinge, welche den Verfasser einer solchen zusammenfassenden Dar stellung besonders beschäftigt haben, werden naturgemäß stärker betont werden. VI Vorwort. So sind hier die Probleme ausführlicher behandelt, deren Lösung ich in den letzten Jahren angestrebt habe und die von meinen Mitarbeitern im anatomischen Laboratorium der Münchener Forschungsanstalt in Angriff genommen worden sind. Manche Ergebnisse solcher Untersuchungen werden hier zuerst mitgeteilt werden. - Das Buch trägt demnach stark subjektives Gepräge. Das drückt sich auch in der Behandlung der Literatur aus. Ich habe nicht selten davon Abstand genommen, meine Ansicht gegenüber andersartigen Lehrmeinungen ausdrücklich zu begründen, und in der Auswahl der Zitate war die hier durch geführte Behandlung des Gegenstandes jeweils maßgebend. Immerhin dürften die im Anschluß an die einzelnen Kapitel gegebenen, vom Texte nicht selten unabhängigen Hinweise zur Einführung in die Literatur der Einzelfragen ge nügen, da neben wichtigen Spezialarbeiten besonders auch zusammenfassende Abhandlungen mit großem Literaturverzeichnis aufgeführt sind. Ich habe versucht, alle wichtigen Veränderungen und Einzelbefunde dur0h Abbildungen zu veranschaulichen. Das schien mir besonders notwendig, denn die sehr komplizierten nervösen Veränderungen sind durch Worte meist nicht wirk lich klar zu machen und Bilder dafür existieren bisher - wenn überhaupt - nur in Einzelarbeiten. Die Bilder hat mein Freiburger Zeichner, Herr Richard Schilling, in bewährter Meisterschaft hergestellt. Daß sie in so großer Zahl in das Buch aufgenommen und in so vorzüglicher Weise wiedergegeben wurden, ist nur durch die Großzügigkeit der Verlagsbuchhandlung Julius Springer möglich gewesen. Ich gebe gern meiner Dankbarkeit Ausdruck für das bereit willige Entgegenkommen, das ich hier, wie immer, in der Zusammenarbeit mit der Springersehen Verlagsbuchhandlung gefunden habe. München, den 10. August 1921. W. Spielmeyer. Inhaltsverzeichnis. Zur Einführung. Seite Ziele und Wege der Histopathologie des Nervensystems 1 Erster Abschnitt. Die pathologischen Veränderungen an den einzelnen Gewebsbestandteilen des Nerven- systems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Ganglienzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Zur normalen Histologie 12. - Abweichungen in den allgemeinen Bauver hältnissen und der äußeren Gestalt der Ganglienzellen 36. - Die feineren Strukturveränderungen 44. - Die einzelnen Erkrankungsformen der Ganglien- zellen 56. - Literatur 107. Nervenfasern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Zur normalen Histologie 111. - Pathologische Strukturveränderungen der Nervenfasern 119. - Literatur 135. Neuroglia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Zur normalen Histologie 138. - Histopathologische Umwandlungen der Neuroglia 149. - Literatur 190. Mesodermales Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Zur normalen Histologie 192. - Zur Histogenese 198. - Histopathologische Veränderungen am Mesenchym 199.-Gefäßerkrankungen 210. -Literatur 229. Zweiter Abschnitt. Pathologisch-anatomische Symptomenkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Degenerative Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Übersichtsbilder 233. - Histologische Einzelheiten 242. - Sekundäre Degene ration 243. - Retrograde Faserveränderungen 259. - Primäre (retrograde) Zellveränderung. Retrograde und andere Kernatrophien 263. - Systematische und diffuse Degenerationen 277. - Histologisches bei den selbständigen De generationen 286: Nervöse Veränderungen 286, Abbauprodukte 291, Rein gliöser Typus des Abbaus und Abtrausports 306, Organisation 320, Einige be sondere gliöse Reaktionen 341, Verhalten des Mesenchyms 351. -Literatur 357. Zentrale Veränderungen infolge von Zirkulationsstörungen . . . . . . . . 362 Kolliquationsnekrose 362. - Atrophische und narbige Verödungen 382. - Koagulierende Nekrose 389. - Literatur 403. Entzündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Morphologie der mobilen Zellen im entzündeten Gewebe 407. - Herkunft der mobilen Zellen des entzündeten Gewebes 417.-Der anatomische Komplex und das Wesen der Entzündung 424.- Art, Verlaufsform und Ausgang der Entzündung des Nervensystems 434. - Entzündung und Krankheitsprozeß 451. - Literatur 452. Regeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 Regenerative Vorgänge im Zentralnervensystem 455. - Regeneration am peripheren Nerven 457: Übersichtsbilder 459, Histologische Einzelheiten 466, Regenerative Vorgänge bei ":Yeuritis" 479, Nerventransplantation 480. - Literatur 483. Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 Zur Einführung. Ziele und Wege der Histopathologie des Nervensystems. Wenn wir die anatomischen Grundlagen einer Erkrankung des Nerven systems ermitteln wollen, so suchen wir die Eigenart des Prozesses und seine Ausbreitung festzustellen. In der Neuropathologie hat die lokalisatorische Bestimmung des Krankheitsprozesses Jahrzehnte hindurch in überwiegendem Maße die anatomische Forschung beherrscht. Das Hauptziel war die Erklärung der klinischen Symptome aus dem Sitz der Veränderungen. Für die Klärung der Lokaldiagnose hatte die Anatomie vor allem zu wirken: was das Leiden an Ort und Stelle zerstört und was an den Zentren und dem Leitungsapparat unmittelbar und sekundär zugrunde geht, erforschte sie. Wieviel aus solch engem Zusammenarbeiten klinischer und anatomischer Forschung für die allgemeine Kenntnis des Aufbaues und der Funktionen des Zentralnervensystems er schlossen ist, weiß jeder. Wir haben dadurch einen tiefen Einblick in den ana tomisch-physiologischen Mechanismus des Zentralorgans gewonnen, und bei keinem anderen Organ ist die topische Diagnose so gut begründet, wie eben bei den Erkrankungen des Zentralnervensystems. Bei diesen Bestrebungen, die Einzelfunktionen in ihrer lokalen Umgrenzung geographisch zu bestimmen, wird freilich nur das physiologisch-anatomische Bedürfnis befriedigt. Das eigentlich histopathologische Moment bleibt bei solcher Forschungsrichtung vernachlässigt. Deshalb ist viel Klage darüber geführt worden, daß bei allen diesen besonders Ende des letzten Jahrhunderts vorgenommenen Untersuchungen die eigentliche pathologische Anatomie zu kurz gekommen ist. Man hatte vollkommen übersehen, daß "F aserana to mie keine Histopathologie-" ist (Nissl). Es ist eines der großen Verdienste Nissls, durch immer wiederholte Betonung der Notwendigkeit einer wirklich histopathologischen Forschung darüber Klarheit gebracht zu haben, daß das Ziel der pathologischen Anatomie über derartige faseranatomische Forschungen weit hinaus geht oder überhaupt ein anderes ist. Denn nur die histopathologische Zergliederung der Verände rungen führt uns zu einem Einblick in das wirkliche Wesen der Krankheit. Niss ls eindringliche Darlegungen führten den anatomisch arbeitenden Psychiater langsam in das Gebiet zurück, wo sein eigentliches Arbeitsfeld liegt, in das Studium der Hirnrinde und ihrer histopathologischen Umwandlungen. Es ward endlich klar, daß für die Anatomie der Geisteskrankheiten nichts dabei Spielmeyer, Nervensystem. 1 2 Ziele und Wege der Histopathologie des Nervensystems. herauskommen konnte, wenn der Psychiater die Bahnen im Fledermausgehirne beschrieb oder etwa bei einer Paralyse die absteigenden Degenerationen der Pyramidenbahnen verfolgte und Varietäten ihres Verlaufes feststellte; und es förderte die Kenntnis von dem materiellen Substrat der Psychosen nicht, wenn er die Folgen von Leitungsunterbrechungen bei einer Geschwulst oder einer Erweichung studierte. Bei der anatomischen Durchforschung der Hirnrinde selber aber konnte kein Einsichtiger daran denken, die in ihrem Wesen und in ihrer Ausbreitung noch ganz und gar unklaren Prozesse mit den psychischen Krankheitserscheinungen in Verbindung zu setzen und etwa nach dem anato mischen Korrelat von Wahnideen oder Stuporzuständen zu suchen. Einige genugsam zurückgewiesene V ersuche schlimmer Spekulation, welche sich an die rein anatomische Forschung und besonders an das Studium der Markscheiden entwicklung anschlossen, schützten vor weiteren Versuchen solcher Art und zeigten mit ganzer Schärfe, wohin eine Überschätzung anatomischer Fest stellungen und ihre unzulässige V erknüpfung mit psychischen Vorgängen führen muß. Die glänzenden Forschungen Brodmanns über die Zytoarchitektonik, welche durch den Tod dieses heute unersetzlichen begnadeten Forschers unter brochen wurden, die LehrenOskar Vogts über die Faserfelder des Großhirn mantels und Nissls Entdeckungen von dem Eigenapparat der Rinde und ihren Organen zeigen uns für alle Fragen physiologischer Lokalisation zunächst nur die Möglichkeit, körperliche Symytome zu den Sinnesfeldern in Beziehung zu bringen; und wir müssen in Geduld abwarten, ob sie uns in ihrer Weiter entwicklung eine topische Klärung krankhaften psychischen Geschehens geben können, wie wir das hoffen. So besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen der eigentlichen Neuro pathologie und der klinisch-anatomischen Psychiatrie. Lassen wir die erkenntnis theoretische Frage ganz außer Betracht, ob es prinzipiell möglich ist, die Eigen tümlichkeiten abnormen seelischen Geschehens aus dem Sitz der Veränderungen je zu erklären; für die Histopathologie gilt am Großhirn wie am Zentralorgan sonst die Forderung, die schon Morgagni in der somatischen Medizin erhoben hatte: nach der Art wie nach dem Sitz der Krankheit zu forschen. In diesem Buche, wo wir es rein mit der pathologischen Anatomie zu tun haben, werden wir, auch unbekümmert um die klinischen Symptome, die Art krankhafter Lebensvorgänge in ihren anatomischen Zusammenhängen darstellen und die Ausbreitung der Prozesse ermitteln. Das Ziel der pathologischen Anatomie ist, die gestaltliehen Verände rungen zu studieren. Die pathologische Anatomie ist pathologische Morpho logie (Roeß le). Es ist selbstverständlich, daß ·wir bei unseren histopathologischen Unter suchungen jeweils nur einen bestimmten Zeitpunkt des Prozesses zu Gesicht bekommen und daß das, was wir an den Einzelelementen wie an dem gesamten Gewebe und am Organ selber finden, sich uns nur so darstellt, wie es sich in dem gegebenen· Augenblicke der Entwicklung der Krankheit verhält. ·wir kennen die Reihen pathologischen Geschehens, die diesem gleichsam durch den Tod fixierten Zustande vorausgehen, nicht unmittelbar. Wir müssen sie rekon struieren, indem wir frühere Stadien des Prozesses zum Vergleiche heranziehen oder indem wir das Experiment befragen. Und mit diesem Rückwärtsschreiten suchen wir Einblick in die Bedingungen des Entstehens der Veränderung zu Ziele und Wege der Histopathologie des Nervensystems. 3 gewinnen; die Klärung der Pathogenese ist eine Hauptaufgabe jeder histo pathologischen Analyse. Denn wir müssen uns klar sein, daß das, was geworden ist, auf sehr verschiedenen Wegen und in sehr verschiedener Weise entstehen und sich ausbilden konnte. Man kann es einem gliösen Narbenzustand meist nicht ansehen, wie er zustande gekommen ist; und vielfach drückt sich ja in der noch gebräuchlichen Nomenklatur dieser Mangel unseres Wissens um die wirk liche Eigenart des Prozesses aus. Wenn wir von einer "Hemisphärenatrophie" oder von einer "lobären Sklerose" sprechen, so ist damit noch gar nicht gesagt, was für ein Krankheitsprozeß einen solchen Endzustand bedingt hat. Wir werden dabei von vornherein auseinander zu halten haben, was ein bereits abgeschlossener Krankheitszustand ist und wo wir es mit einem frischen oder noch weiter bestehenden Prozeß zu tun haben. Die Atrophie und Sklerose eines Vorderhorns ist nicht mehr die Poliomyelitis selbst, sondern nur deren Folge zustand. Sie macht mit dem klinischen Symptom der Lähmung die patho logische Zustandsänderung aus, den Schaden, Pathos im Sinne Aschoffs. Wie es bei dieser und mancher anderen Krankheit mit Erfolg gelungen ist, ihre Pathogenese, ihre volle Ausbildung und ihren Endzustand zu ermitteln, so müssen wir das für alle Krankheiten erstreben. Bei den einzelnen Prozessen verlangen weiter die verschiedenartigen Gewebsveränderungen ihre pathogenetische Erklärung, und für die pathologischen Einzeleie men te suchen wir ebenfalls die Reihe ihrer Entwicklungsstadien zu bestimmen. Denn auch hier sind wir uns darüber klar, daß die rein morphologische Bestim mung krankhafter Zelltypen nicht das letzte Ziel anatomischer Forschung sein kann. Die "Zellschattenbildung" erkrankter Ganglienzellen kann auf ver schiedene Weise zustandekommen; und wer etwa Gitterzellen als eine patho logische Zelleinheit auffassen wollte, würde Gefahr laufen, hier gliogene und mesodermale Elemente oder gar auch entartete Plasmazellen zusammenzufassen. Gerade der Streit um die verschiedenartigen, morphologisch so außerordent lich ähnlichen Zellgebilde, wie sie bei Entzündungen und Erweichungen auf treten, lehrt, daß die rein morphologische Betrachtung einer Ergänzung durch die histogenetische Analyse bedarf. Wenn wiruns in der Histopathologie darauf beschränken, nur die gestalt liehen Umwandlungen der Organe und ihrer Elemente zu ergründen, so bleiben wir uns doch bewußt, daß die pathologische Anatomie nur ein Teil der Bio logie ist. "Die pathologische Anatomie ist nur eine ganz kleine Provinz im großen Reich der Biologie überhaupt" (Weigert). Ihre Stellung wie ihre beson dere Aufgabe, die Gesetze aufzudecken, nach denen sich die pathologischen Lebensvorgänge vollziehen, hat Marehand in einer feinsinnigen Darstellung besprochen, mit welcher er das Krehl-Marchandsche Handbuch einleitet. Wie es Virchow schon ausgesprochen hatte, daß die rein anatomische Betrach tungsweise nicht zur Erfüllung aller Forderungen und Erreichung der letzten Ziele der Pathologie ausreichen kann, sondern als das Erstrebenswerte die pathologische Physiologie nannte, so führt uns Marehand hier vor Augen, wie beide Wege der Forschung, der anatomische wie der physiologische, be schritten werden müssen. Und Aschoff hat in den Vordergrund der Begriffs bestimmung in der pathologischen Anatomie das physiologische Moment gerückt: daß es bei der Definition der Entzündung bisher zu keiner Verständigung ge kommen sei, liege daran, daß man immer mit rein anatomischen Symptomen l*