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Hermann Broch und die Kulturkrise des frühen 20. Jahrhunderts PDF

338 Pages·1988·35.598 MB·German
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Hermann Brach und die Kulturkrise des frühen 20. Jahrhunderts MONIKA RITZER Hermann Brach und die Kulturkrise des frühen 20. Jahrhunderts J.B. METZLERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG STUTTGART CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ritzer, Monika: Hermann Broch und die Kulturkrise des frühen 20. Jahrhunderts / Monika Ritzer. - Stuttgart : Metzler, 1988 ISBN 978-3-476-00649-3 ISBN 978-3-476-00649-3 ISBN 978-3-476-03267-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03267-6 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1988 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1988 INHALTSVERZEICHNIS Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. DIE VITALITÄT DER BEFREIUNG: DIE JUGENDSCHRIFTEN ZWISCHEN VOLUNTARISMUS, füNFÜHLUNGSÄSTHETIK UND KULTURPHILOSOPHIE 19 1. Die Impotenz der Kultur 20 2. Das vitale Potential . . . 24 Die Formel des Werdens (25) - Das Leben der Subjektivität (28) - All-Rhythmen (32) 3. Kulturelle Imperative . . . . 37 Die Omamentierung der Welt (37) - Spuren des Wertzerfalls: A) Die neue Sachlichkeit (44); B) Der Tag der geistigen Freiheit (47) - Der große Stil (49) - Die heilige Drei (51) II. FREIHEIT ALS PROBLEM: DAS BEISPIEL ÜTTO WEININGER 55 Ein Pyrrhussieg (55) - Der Wille zur Macht und die Machtlosigkeit des Willens (57) -Auf der Suche nach der verlorenen Existenz (58) Die Einsamkeit des logischen Subjekts (62) - Die Überwindung des Weibes (65) - Die ausgeschlossene Drei (67) III. ASPEKTE EINER PHILOSOPHIE DER FREIHEIT: BROCHS WERTTHEORIE IM KONTEXT DES NEUKANTIANISMUS 69 1. Die Kritik der Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Der Weg des Seins mündet in den des Gedankens (69) - Eine idealistische Wertmetaphysik (7 4) - Zur Umwertung des Wertes bei Nietzsche (75) - Die Transzendentalität der Kultur (77) - Genese und Kritik der Wahrheit (81) - Der Wert der Wirklichkeit (84) - Die Freiheit zur Objektivität (89) - Pamphlete gegen die Zweibeinigkeit des Menschen (94) 2. Kulturwissenschaft als Ontologie des Wertes . . . . . . . . . . . 96 Die Konstruktion der historischen Wirklichkeit (98) - Zum Wert geschichtlicher Erkenntnis (99) - Die Rekonstruktion der historischen Wirklichkeit (105) - Zum Wert der Kultur (107) 3. Die Idee des Menschen und das Problem seiner Realität 109 Der Stil der Freiheit (109) - Der Geist als Halt (111) IV NOVELLISTISCHE REFLEXIONEN . . . . . . . . 115 1. Die Konstruktion der Freiheit: >Eine methodologische Novelle< 116 6 Inhaltsverzeichnis 2. >Ophelia< oder die Komposition des Schicksals 121 V. MATERIALIEN ZU EINEM ZERFALL DER WERTE 128 1. Der Zerfall der Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Leistung und Fluch der Modeme (129) - Zur Analyse der Zivilisation bei Georg Simmel (134): A) Die Unmittelbarkeit der Subjektivität (134); B) Der Aufstand der Werte (136) - Ein Verfall der Werttheorie? (140) 2. Die Radikalität der Ratio: Brochs Begegnung mit dem Wiener Kreis 143 Der Abbruch der Brücke (144) - Die weltlose Wahrheit (147) - Die Absolutheit des Bezugs (149) - Das ichlose Denken (152) - Wert oder Wissenschaft (155) - Das verschwiegene Leben (157) 3. Die Radikalität des Irrationalen: >HuguenaU< . . . . . . . . . . . 159 Der Weg in die Freiheit (159) - Die Verselbständigung der Per- son (160) - Die Selbständigkeit des Sachlichen (161) - Die Maschine des Ich (163) - Zur Aporie der Freiheit (165) VJ. DIE LOGIK EINER ZERFALLENDEN WELT. 169 1. Die Systematik der Weltanschauungen: Zur Theorie der Relativität 170 Das Individuationsproblem als Hauptaufgabe (170) - Die Positivität der Relation (173) - Das Postulat der absoluten Welt (177) 2. Die Polyhistorisierung des Zerfalls: Zu Brochs Logik der Poetik . 182 Eine Phänomenologie des Wertgeschehens (183) - Das Bild der Bilder (184) - Zur Theorie der Bildung (188) 3. Die Rettung des Abendlands: Zur Logik der Geschichte bei Oswald Spengler . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Zur Faktizität der Kultur (191) - Die Totale des Relativen (193) - Das Nachtwandeln der Kultursubjekte (195) - Eine Geschichte der negativen Freiheit (196) - Sinn und Hoffnung des Untergangs (201) 4. Der Wert des Machtkampfs: Zur Logik der Psyche bei Alfred Adler . 205 Eine Psychologie der Individuation (206) - Wertbewegungen (207) - Die Exklusivität der Freiheit (210) - Die Sicherheit der Antithese (212) - Der Götterkrieg der Wertsysteme (214) - Eine Gemeinschaft der Wachen (218) 5. Zur Phänomenologie der modernen Seele (Präliminarien der Interpretation) . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Das Erwachen zur Selbstbestimmung (222) - Das Schlafwandeln zur Freiheit (225): A) Empirie und Pathos (227); B) Bedingtheit und Heroismus (229); C) Leben und Abstraktion (231) - Das Wertsubjekt der Katastrophe (233) VII. DIE TRAGIK DER FREIHEIT: >DIE SCHLAFWANDLER< 235 1. Die Befreiung vom Leben: >Pasenow oder die Romantik< . . 235 Inhaltsverzeichnis 7 A) Reflexe eines verlorenen Daseins ...... . 235 Der leere Wertraum (235) - Das Betasten des Spiegels (238) B) Der regressive Weg in die Freiheit . . . . . . . . . . . . . . 239 Sehnsucht nach Heimat (239) - Verlangen nach Distanz (242) - Das Begreifen des Lebens (244) - Die Uniformierung des Ich (245) - Die Entrückung des Weiblichen (247) - Der Führer im Netz der Fik tion (249) - Die magische Reise (251) C) Der endlose Aufbruch zur Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Die Begegnung mit dem Objekt (253) - Subjektive Expansionen (256) - Die überspannte Brücke (258) -Ahasvers Kindheit (261) 2. Die Herrschaft des Geistes: >Esch oder die Anarchie< . . . . 262 A) Das entlassene Bewußtsein . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Freidenkereien (262) - Das radikale Ich (264) - Der Wert der Ord- nung (266) - Die Moral des Asketen (267) B) Die Anarchie der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Erlösungszwänge (270) - Der nächtliche Existenzbeweis (272) - Die Liebe der Einsamkeit (274) C) Reisen in die Unverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Das Zurücklassen des Gewesenen (277) - Zur Motorik der Entfernung (279) -Treiben im Zeitlosen (281) - Die Neue Welt der Zukunft (282) D) Das schöne Luftschloß des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Am Ziel der Traumreise (284) - Im Garten der Erkenntnis (285) - Der Selbst-Mord des Ästheten (288) 3. Leblosigkeit des Geistes und Geistlosigkeit des Lebens: >Huguenau oder die Sachlichkeit< . . . . . . . . . . . 290 A) Der Aufruhr der kulturellen Elemente . . . . . . . . 290 Äußerer und innerer Krieg (290) - Die Zivilisation der Seele (291) - Der Eiffelturm des Ich (295) B) Das Ende des abendländischen Bewußtseins . . . . . . . . . . . 297 Die steinerne Welt .des abstrakten Geistes (297) - Der Erbe des Ästhe- ten (298) - Zivilisatorische Faszinosa: Gefühl und Gesetz (301) - Letzte geistige Taten (305) - Der Sturz des Schöpfers (306) - Die Abdankung des Geistes (308) - Die Wirklichkeit der Person (309) C) Die Unmittelbarkeit der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Das empirische Subjekt (312) - Die relative Welt (315) - Eine neue Sachlichkeit (317) - Die Freiheit des Unmittelbaren (319) D) Ziellose Wanderschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Die ewige Kindheit (321) - Ahasvers Erlösung? (324) Literaturverz.eichnis 330 Register ..... . 338 Für Hansi Ritzer Es geschieht das, was eigentlich nicht geschehen darf, nämlich daß der Künstler, der die Krise darstellen will, selber von ihr erfaßt worden ist, also sie statt im Werk, das er vorhat, am Werksprozeß, also an sich selber darstellt. Hermann Broch in einem Brief an W. Frank ZuR EINFÜHRUNG »Dies ist nur insoweit eine Autobiographie•, beginnt Broch 1941 einen knappen Rückblick auf sein bisheriges Schaffen, »als damit die Geschichte eines Problems erzählt wird, das zufällig mit mir gleichaltrig ist, so daß ich es - wie übrigens ein jeder aus meiner Generation, der es zu sehen gewillt gewesen war - stets vor Augen gehabt habe: es ist, ohne Umschweife herausgesagt, das Problem des Absolutheitsverlustes, das Problem des Relativismus, für den es keine absolute Wahrheit, keinen absoluten Wert und sohin auch keine absolute Ethik gibt, kurzum, es ist das Problem und das Phänomen jenes gigantischen Machiavellis mus, der geistig sich seit etwa fünfzig Jahren vorbereitet hat und dessen apoka lyptische Folgen wir heute in der Realität erleben• (10/2, 195). - Die Geschichte dieses Problems bildet den Gegenstand der vorliegenden Studie. Etwa »gleichaltrig« mit dem 1886 geborenen Hermann Broch ist nun in der Tat die .überzeugung einer absoluten Unhaltbarkeit des Daseins, wenn es sich um die höchsten Werte, die man anerkennt, handelt• (Nietzsche: WzM, 10). Nietzsche, der diese totale Desillusion unerbittlich konstatierte, bestimmte sie zugleich als »eine Folge der großgezogenen >Wahrhaftigkeit«< (ebd.), an der eigentlich •alle positiven Kräfte des Jahrhunderts« partizipierten (12, 206): Durch die »Hingabe« des Intellekts an das »Tatsächliche•, das »Nützliche•, das •Ge wisse«, das »Genaue• und das •Positive• (vgl. Comte, 81) reduzierte der Positi vismus eine weltlos gewordene Vernunft auf den gegenstandsgebundenen Ver stand. Auf dem Gebiet der Wissenschaften wetteiferten Physiologen und Physi ker, wie der Experimentalpsychologe Ebbinghaus 1908 schreibt, •in dem genauen Studium des Baues und der Funktionen der Sinnesorgane, und naturge mäß konnten sie dabei nicht Halt machen•, sondern mußten schließlich auch die »geistigen Leistungen, die Empfindungserlebnisse der Seele, in den Kreis ihrer Untersuchungen ziehen• (16) - wodurch das Subjekt der Forschung zu deren Objekt geriet. Entsprechend bestimmte auch eine neue Soziologie mit Hilfe positiver Gesetze das durch Zeit, Rasse und Umstände bedingte Gattungs-und Gesellschaftswesen Mensch. Einen weiteren Faktor der Krise bildete das ausge- 10 Zur Einführung prägte Geschichtsbewußtsein des 19. Jahrhunderts, in dem das biologische Evo lutionsprinzip Darwins, die entwicklungsgeschichtliche Analyse der einzelnen Kulturgestalten in der historischen Schule und eine von Nietzsche nur am entschiedensten propagierte »Philosophie des Werdens, welche an ein >An-Sich< überhaupt nicht glaubt. (14, 119), so zusammenwirkten, daß die •absolute Gültigkeit• aller von einer historischen Menschheit unabhängigen Ideen, ja daß »Gültigkeit schlechthin• unvorstellbar schien (Husserl: P, 51). Und in einem letzten Schritt widerlegte •jene Wissenschaft, welche nach Ursprung und Ge schichte der sogenannten moralischen Empfindungen fragt• (Nietzsche: 2, 59f.), die •metaphysische Weih religiöser wie ethischer Werte (29): Die Anthropolo gie destruierte jede Verbindlichkeit, indem sie das perspektivische Bedingtsein alles vermeintlich Objektiven durch interessierte Subjekte aufdeckte. Literarische wie philosophische Texte der Jahrhundertwende reflektieren al lenthalben diese Krise der Subjektivität - verursacht nicht nur durch den Ein sturz der ideellen überbauten, sondern vor allem durch die Freilegung der natürlichen Lebensfundamente. So schauderte am Ende dieses •wahrhaftigen• Jahrhunderts das Ich vor seiner eigenen Wirklichkeit zurück, deren Faktoren das folgende Zitat summiert: >Denn ich hörte tausend fremde Stimmen in mich hineinsprechen, sah mich als Beute mir in die Seele gehetzter Begierden, als Fangball streitender Triebe, als Marionette hin-und herzerrender Motive•; •[ich empfand mich] als Gespenst meiner Ahnen, als Ableger meiner Heimat, als Knecht meiner Rasse, Kreatur meiner Gesellschaft, Rechnungsprodukt meiner Erziehung und Opfer meiner Verhältnisse, festgenagelt an die mir gegebene Natur•; •ich starrte hinein in mein Ich als hohlen Durchgang fremder Gewalten, und mir graute vor meinem absoluten Nichts• Ooel: fl'V 690). Reduziert auf physische Mechanismen oder degradiert zum sensorisch rezeptiven Empfin dungskomplex (Mach) entbehrte der Mensch jeder geistig-subjektiven Voraus setzung für ein verantwortliches Selbst-und Weltverhältnis. Damit aber schien - so setzt Broch sein oben zitiertes autobiographisches Resümee fort - jede .Verständigung zwischen Apriorismus und Empirismus• nahezu ausgeschlossen (10/2, 196), selbst wenn das Theorem von der Unmög lichkeit •einer freien Beeinflussung des Willens ... durch das Bewusstsein• (Böl sche: nGP, 24) in dieser Radikalität auf eine naturalistische Spätblüte des Szien tismus beschränkt blieb. Reaktionen auf diese Empfindung einer .Vernichtung• des von außen wie innen determinierten Ich waren nicht nur die bekannten Artikulationen von Ungeborgenheit, »Heimatlosigkeit• und Weltangst, sondern vor allem jene bis ins eigene Dasein hineinreichenden Problematisierungen des Weltverhältnisses, die einen ersten Niederschlag in der - alles bedingend Natürliche fernhaltenden - Exklusivität ästhetizistischer Kunstwelten fanden. So provoziert die >Naturalisierung des Bewußtseins< und damit •der Ideen und ...

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