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Herausforderung demografischer Wandel PDF

312 Pages·2004·10.48 MB·German
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Bernhard Frevel (Hrsg.) Herausforderung demografischer Wandel perspektiven der Gesellschaft Herausgegeben von Bernhard Frevel Politik und Gesellschaft sind seit langerem einem raschen und tief greifenden wandel unter worfen. In der Buchreihe "Perspektiven der Gesellschaft" werden die Herausforderungen dieses Wandels und die Hauptprobleme der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung analysiert. Ziel der Reihe ist es, die komplexen zusammenhange dieser Probleme in lesba rer und verstandlicher Form einem breiteren Publikum zuganglich zu machen. Bernhard Frevel (Hrsg.) Herausforderung demografischer Wandel VS VERLAG FUR SOZIALWISSENSCHAFTEN + vs VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAF"'TEN VS verlag fOr Sozialwissenschaften Entstanden mit Beginn des Jahres 2004 aus den beiden Hausern Leske+Budrich und Westdeutscher Verlag. Die breite Basis fOr sozialwissenschaftliches Publizieren Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage Oktober 2004 Aile Rechte vorbehalten © VS Verlag fOr Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004 Der VS Verlag fOr Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschOtzt. Jede verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fOr Vervieltaltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dOrften. umschlaggestaltung: KOnkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem papier ISBN-13: 978-3-531-14228-9 e-ISBN-13: 978-3-322-80562-1 001: 10.1007/978-3-322-80562-1 Inhaltsverzeichnis Bernhard Frevel Schicksal? Chance? Risiko? - Herausforderung demografischer Wandel! 7 I Demografische Prozesse 1. Bevo1kerungsentwicklung in Deutschland. Die Bevolkerung schrumpft, altert und wird heterogener (Gert Hullen) 15 2. Entwicklung der Weltbevo1kerung (Angelika Wagner) 26 3. Migration. Einwanderungspolitik und demografische Entwicklung (Holger Kolb) 42 II Wandel sozialer Beziige 4. Die Familie im demografischen Wandel (Thomas Meyer) 58 5. Lebenswelt der Kinder (Christian Alt) 75 6. Lebenslagen alterer Menschen (Karin Stiehl) 89 7. Zwischen Konflikt und solidarischem Ausgleich. Die Generationenperspektiveim demografischen Wandel (Margherita Zander) 103 III Verandertes Leben 8. Konsequenzen des demografischen Wandels fUr den Arbeitsmarkt der Zukunft (Johann Fuchs / Doris Sohnlein / Brigitte Weber) 122 9. Bildungsziele und Bildungsinstitutionen in der demografischen Schere (Horst Dichanz) 139 10. Freizeit und Erholung in einer altemden Gesellschaft (Dieter Brinkmann) 151 11. Demografischer Wandel und politische Teilhabe (Bettina Westle) 163 12. Mediennutzung und -gestaltung in einer altemden Gesellschaft (Gunther Rager / Gregor Hassemer) 180 6 Inhaltsverzeichnis IV Anspruch auf Sicherheit 13. Soziale Sicherungssysteme (Berthold Dietz) 192 14. Arbeit und soziale Sicherung in der Biirgergesellschaft (H.-Dieter Kantel) 208 15. Kriminalitat und 6ffentliche Sicherheit (Karl-Friedrich Koch) 221 16. Demografischer Wandel. Konsequenzen und Chancen fur auBere Sicherheit und Verteidigung (Roland Kaestner / Wolf- gang Muller-Seedorf) 238 V Anpassung der Infrastrukturen 17. Demografischer Wandel und seine Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur in Kommunen (Peter Guggemos) 257 18. Mobilitat und Demografie im Wandel. Angebote einer zukunfts- fahigen Gestaltung (Holger Dalkmann / Susanne Bohler) 275 19. "Planungszellen" in einer alter werdenden Gesellschaft. Die Chancen der zivilgesellschaftlichen Gestaltung einer politischen Kontroverse (Hans J. Lietzmann) 294 Autorenverzeichnis 301 Internet-Links 309 Schicksal? Chance? Risiko? - Herausforderung demografischer Wandel! Bernhard Frevel Wahrend Bevolkerungsforscher, Rentenexperten und Sozialwissenschaftler schon seit den 1980er und 1990er Jahren auf den demografischen Wandel in Deutschland hinweisen, ist erst seit wenigen Jahren der Umbruchprozess auch Gegenstand der allgemeinen Offentlichen Diskussion. Herwig Birg, Professor flir Bevolkerungsforschung an der Universitat Bielefeld, merkte noch 1999 an, dass die demografische Entwicklung von der Politik und der Gesellschaft tabuisiert und ignoriert wfude und dass die Deutschen Gefahr liefe n, von den Nachkom men einst der "Verdrangung der Zukunft" bezichtigt zu werden (vgl. Frankfurter Rundschau, 13.1.1999). Auch zu Beginn des 2l. Jahrhunderts sind diese Mah nungen hoch aktueIl, denn trotz der Thematisierung des Wandels bleiben wichti ge Aspekte deutlich unterbelichtet, obgleich sich verschiedene Medien - hiiufig mit dramatisierendem Unterton - den Veranderungen widmen. Der STERN titelt Wir haben ein Problem (2.9.2003) und die FRANKFURTER RUNDSCHAU erwartet einen War for Talents beim Kampf der Betriebe urn Fiihrungskrafte (27.l2.2003). DIE ZEIT sieht Das kinderlose Land als vergreiste Republik (15.1.2004), da - so die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND (7.10.2003) - die Uberalterung in Deutschland nicht mehr zu stoppen sei. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sorgt sich am 20.1.2004: Arbeitskrafiemangel mindert Deutschlands Wachstumschancen und auch DER SPIEGEL meinte am gleichen Tag: Die Jungen konnen unseren Lebensstandard nicht halten. Die noch junge Offentliche Diskussion dreht sich im Wesentlichen urn vier Fragen, die jedoch zumeist isoliert betrachtet werden: (1) Wie sichem wir die Renten? (2) Brauchen wir Zuwanderung von Auslandem? (3) Wir fordem wir die Lust auf Kinder? (4) Wie gehen wir mit den Alten in unserer Gesellschaft urn? Unzweifelhaft sind dies wichtige Fragen, die auch in diesem Buch ange sprochen werden - aber sie reichen nicht aus, die Herausforderungen zur Zu kunftsgestaltung zu erfassen. Der demografische Wandel ist so tief greifend, dass tatsachlich aIle Lebensbereiche von ihm betroffen sind. Wenn in der deutschen 8 Bernhard Frevel Gesellschaftl eine relative Uberalterung fortschreitet (also der Anteil der Senio ren an der Bevolkerung steigt) und eine absolute UnteIjungung weitergeht (also weiterhin zu wenig Kinder geboren werden, urn den Bestand der Kernbevolke rung zu halten oder zu vergroBern), werden in den sozialen Systemen Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kultur nachhaltige Umbruche einsetzen. In dies em Buch wollen die Autorinnen und Autoren skizzieren, was dies fUr Umbruche sein konnen und wie sie gestaltet werden konnen. Eine Kernthese der verschie denen Beitrage ist, dass die Umbruche nicht nur als Risiken einzuschiitzen sind, sondern dass auch Chancen enthalten sind. Vor allem solI jedoch exemplarisch verdeutlicht werden, dass der demografische Wandel selbst und dessen Folgen gestaltbar sind - wenn denn hieran gearbeitet wird. Demografische Prognosen sind immer mit Vorsicht zu genieBen, zumal wenn sie dreiBig oder gar fUnfzig Jahre in die Zukunft weisen. Wer hatte zu Beginn der 1950er Jahre ohne Kenntnis von der Wirkung der Pille oder der vo ranschreitenden Emanzipation der Frauen eine treffende Voraussage auf die demografische Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts gegeben? Wieso solI es dann moglich sein, von heute fUnfzig Jahre weiter zu denken? Die demografische Prognose geht von einer Fortschreibung aktueller Be dingungen aus, zu denen vor all em die Geburtenquote, die Netto-Zuwanderung sowie die Fortsetzung des Anstiegs der Lebenserwartung gehoren. Anderungen in diesen Bereichen bewirken mitunter erhebliche Veranderungen in der Progno se. Veranderungen der gesellschaftlichen Werte und Normen, medizinischer Fortschritt, etwaige Seuchen und Epidemien, Kriege oder Umweltkatastrophen, technische Entwicklungen, menschliches Versagen in einem Atomkraftwerk oder an den Schalthebeln der Massenvernichtungswaffen und vieles andere mehr konnen jedoch die Grundlagen der Vorausberechnung vollig durcheinander wer fen und eine ganz andere als die prognostizierte Bevolkerungsstruktur nach sich ziehen. Insofern ist die demografische Vorhersage immer mit Vorsicht zu genie Ben. Gleichwohl wird eindrucklich darauf aufmerksam gemacht, dass bei unver anderten Bedingungen eine Sozialstruktur entsteht, die nicht unproblematisch sein wird. Umgekehrt heiBt dies aber auch, dass die Strukturprognose eben nicht schicksalsgleich droht, sondern dass Demografie gestaltet werden kann. Es liegt somit zunachst an den Gesellschaftsmitgliedern selbst, wie der quantitative Be volkerungsaufbau aussehen wird. Wahrend Gert Hullen die voraussichtliche demografische Entwicklung in Deutschland beschreibt und hierbei eine Schrumpfung, Alterung und Heteroge nisierung der BevOlkerungsstruktur erwartet, lenkt Angelika Wagner den Blick I Natiirlich betriffi dieser Prozess nicht nur Deutschland. Fast aIle Industrienationen sind von den hier besprochenen Wandlungen betroffen, wiihrend in anderen Regionen und Staaten ein Bevolkerungs wachstumsprozess fortschreitet (vgl. Kap. 2 dieses Buches). Schicksal? Chance? Risiko? - Herausforderung demografischer Wandel! 9 auf die Entwicklung der Weltbevolkerung, die groBer und junger wird. In beiden Beitragen werden die Folgen der auseinander laufenden Prozesse verdeutlicht und es wird klar, dass der alleinige Blick auf die deutsche bzw. europaische Entwicklung zu einer fatalen Problemverkiirzung fUhren wiirde. Globale ent wicklungs-, gesundheits-, bildungs- und wirtschaftspolitische Veranderungen sind notwendig, urn die demografisch bedingten Umbroche zu gestalten. Eines der zu gestaltenden Felder ist die Migration. Holger Kolb skizziert, welche oko nomischen und sozialen pull- und push-Faktoren die Wanderungsbewegungen beeinflussen. In Verbindung mit den Beitragen von Hullen und Wagner wird dabei aber auch sichtbar, dass Migration nicht die Losung des demografischen Wandels und der damit verbundenen okonomischen und Arbeitsmarktprobleme sein kann, aber ein ganz zentraler Bestandteil der Umgangsstrategien sein wird. In kaum einem anderen Bereich ist der Verweis darauf, dass Quantitat nicht alles, sondern die Qualitat bedeutsamer ist, so wichtig wie bei sozialen Bezie hungen. Ob es zu einem Konflikt der Generationen kommen wird, ob die Familie ihre gesellschaftliche Bedeutung verliert, ob Segregationen das gesellschaftliche Miteinander bestimrnen, ist nicht nur von Alten- oder Jugendquotienten abhan gig. Wichtig ist vielmehr, wie - trotz oder wegen veranderter Quantitaten und Relationen - diese Beziehungen gestaltet werden. Dieses ist aber auch davon abhangig, wie in der Gesellschaft die Bilder der verschiedenen Generationen gezeichnet werden, wie die infrastrukturellen Bedingungen sozialer Kontakte gestaltet werden oder wie soziale Konflikte in einer (voraussichtlich) heterogener werdenden Gesellschaft behandelt werden. Auch hier gilt, dass der demografi sche Wandel nicht zwingend bestimmte Binnenstrukturen schafft, die durch Kampf, Konflikt und Spannung gepragt sind, sondern dass Gesellschaft gestaltet werden kann und muss, urn ein friedliches, tolerantes und produktives Miteinan der zu erreichen. Vier wichtige Bereiche der sozialen Beziehungen und ihrer Gestaltung wer den in diesem Buch betrachtet. Thomas Meyer setzt den Fokus auf die Familie. Er beschreibt anhand wesentlicher Faktoren, u.a. der Eheneigung, der Schei dungsentwicklung und der Pluralisierung von Familienformen, Gronde fUr die Entstehung der veranderten demografischen Struktur und setzt familiensoziolo gische Akzente zur vorsichtigen Prognose. Christian Alt und Karin Stiehr rocken jeweils eine fUr die kiinftige Gesellschaftsstruktur bedeutsame soziale Gruppe in den Blick. So fragt Alt danach, wie sich die Lebenswelt der Kinder andern wird, wenn die Familienstrukturen unter Wandlungsdruck geraten, die Okonomie sich verandert und eine gealterte Bevolkerung sie beheimatet. Eine Fragmentierung der kindlichen Lebenswelten wird einsetzen. Stiehr hingegen betrachtet die Le benslage der Alteren. Innerhalb der Altengeneration werden vielfaltige soziale Ungleichheiten entstehen. Insbesondere die individuelle Bildung und die wirt schaftlichen Fahigkeiten werden neben den sozialen Bindungen der Seniorinnen 10 Bernhard Frevel und Senioren die Ungleichheiten innerhalb der Generation pragen. Zudem kon nen auch Ungleichheiten zwischen den Generationen entstehen. Ob aus diesen Prozessen dann ein Generationenkonflikt wird und wie das Generationenverhalt nis sich entwickelt, wird von Margherita Zander thematisiert. Eine ihrer Kern aussagen ist, dass zwar eine Neujustierung des gesellschaftlichen Generationen vertrages ansteht, die verschiedentlich zu lesenden Horrorszenarien eines "Kampfes der Generationen" jedoch abzulehnen sind. Immer betrachtet unter der Pramisse, dass der demografische Wandel in et wa so verlauft wie prognostiziert, sind des sen Auswirkungen auf wohl aile ge sellschaftlichen Beziige zu erwarten. Wenn die geburtenschwachen Kohorten auf dem Arbeitsmarkt die sich in den Ruhestand verabschiedenden geburtenstarken Jahrgange ersetzen sollen, so ist dies rein quantitativ nur schwerlich moglich. Das bedeutet, dass Anderungen in der Gestaltung der Arbeitsprozesse notwendig sind, wie Johann Fuchs beschreibt. Wenn die wirtschaftliche Produktivitat ge steigert werden muss, urn die veranderten Arbeitsressourcen auszugleichen, so wird Bildung einen anderen Stellenwert genieBen mUssen. Horst Dichanz sieht diesen Bedeutungszuwachs, verweist aber auch darauf, dass dann sich die Strukturen der Bildung verandern mUssen, das Bildungssystem sich fUr weitere und andere Bevolkerungsgruppen offnen und sich vor allem auch der Bildungs begriffverandern muss. Auch die Formen der politischen Teilhabe werden sich wandeln, damit der Interessenausgleich in der Bevolkerung gestaltet werden kann. Bettina Westle beschreibt die Zusammenhange demografischer Merkmale und politischer Parti zipation und entwirft hierauf aufbauend Szenarien der kUnftigen Politikgestal tung. Zum "veranderten Leben" gehOren aber auch Freizeit und Erholung. In der alternden Gesellschaft, so Dieter Brinkmann, werden Kontinuitaten und Bruche in der Freizeitgestaltung zu beobachten sein, die eine Neubestimmung der Frei zeit als Lernzeit, als Konsumzeit und als Zeit fur aktive Tatigkeit im Gemeinwe sen nach sich ziehen wird. Gunther Rager und Gregor Hassemer werfen den Blick auf die kiinftige Mediennutzung und -gestaltung. Der Jugendwahn nahert sich dem Ende, vermehrt wird in und Uber Medien das Bild der veranderten Ge sellschaft gezeigt und geformt. ErhOhte Anforderungen erkennen die Autoren jedoch fur die Mediengestalter, die sich auf eine gewandelte Kundschaft einstel len mUssen, sowie bei den Mediennutzern, deren Medienkompetenz sich der kUnftigen Technik anpassen muss. Wie so viele faktische oder erwartete Veranderungsprozesse lOst auch der demografische Wandel in der Bevolkerung vieWiltige Fragen und Unsicherheiten aus. Noch sind kiinftige Strukturen nicht recht zu erkennen und die Umgangs strategien sind unscharf. Diese Situation entspricht nicht dem GrundbedUrfnis des Menschen nach Klarheit, Berechenbarkeit und Handlungskompetenz und so

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