Eine übersichtliche Darstellung dr Aussagen zur Religion von Sigmund Freud, Alfred Adler, Erich Fromm, Carl Gustav Jung und Viktor E. Frankl, den wichtigsten Tiefenpsychologen des 20. Jahr- hunderts. Eine kurze Biographie welche die religiöse Prägung der fünf Män- ner schildert, geht der Darstellung ihrer Auffassungen voraus. Daran schliesst sich ein Überblick an über den Stand des Dialogs zwischen ihnen und der Theologie. Dieses Werk gibt auch dem, der sich mit Tiefenpsychologie noch wenig befasst hat, eine gründliche und methodisch gut aufbereitete Einführung in die Gedankenwelt der Tiefenpsychologie. die Frage nach Religion wird dabei zur Kernfrage nach dem Menschen, nach dem Sinn und Ziel seiner Existenz. Erklärtes Ziel des Verfassers ist es, den Dialog zwischen Theologie und Tiefenpsychologie zu fördern. Dr. Christoph Kolbe (geb. 1955) ist Theologe und Diplompädago- ge, Leiter der Bildungsstätte Kirchröder Turm in Hannover. Kreuz Verlag, Stuttgart 1986 ISBN 3 7831 0829 2 Meinen Eltern 5 Inhalt Einleitung 9 Anliegen von Tiefenpsychologie und Theologie 10 Positionsbestimmungen als Voraussetzung für einen Dialog 11 Notwendigkeit des Dialogs 13 Aufgabenstellung 14 Methodisches Vorgehen 15 Tiefenpsychologie und Religion 17 Sigmund Freud . 18 Biographischer Abri~'. 18 Freud und die ReligiQn 25 Die Pathologie religiöser Vorstellungen 26 Die Psychogenese r~ligiöser Vorstellungen 28 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ursprungstheorien der Religionsgeschichte - Die psychoanalytische Deutung des Animismus und Totemismus Kolbe, Christoph: Die Charakteristika,( reiigiöser Vorstellungen 40 Heilung oder Hindernis: Religion bei Frend, Die historische Wah.rheit religiöser Vorstellungen 52 Adler, Fromm, Jung u. Frank]/ Christoph Kolbe. -1. Aufl. - Stuttgart: Kreuz-Verlag, 1986. Zur Religionspsychologie Freuds 59 ISBN 3-7831-0829-2 Ursprungshypothesen 60 Projektionsvorwurf und Illusionsgedanke 61 Weltanschauliche Implikationen der Psychoanalyse/ © by Dieter Breitsohl AG Literarische Agentur Zürich 1986 Zum Gottes- und Menschenbild 63 Alle deutschsprachigen Rechte beim Kreuz Verlag Stuttgart Wissenschaft und Vernunft 65 1. Auflage 1 Religion als kollektive Neurose 67 Kreuz Verlag Stuttgart 1986 Zur soziologischen Sichtweise Umschlaggestaltung: HF Ottmann 69 Porträtfotos: Freud, Fromm, dpa; Adler; Ullstefü; Zusammenfassung Jung, Historia-Photo; Frank!, F. Schaler 70 Gesamtherstellung: Ebner Ulm ISBN 3 7831 0829 2 Alfred Adler 72 Biographischer Abriß 72 6 Inhalt Inhalt 7 Adler und die Religion 79 Religion und Glaube - Zur religiösen Erfahrung 175 Gott als die Konkretisierung der Vollkommenheitsidee 80 Mythen und Symbole - Dogmen, Konfessionen und unmittelbare Religion als Mittel der Lebensbewältigung 82 religiöse Erfahrung-lndividuafion: Gotteserfahrung als Religion und die Heiligung der menschlichen Selbsterfahrung !· Gut und Böse - Zur vierten Dimension 190 Beziehungen 85 Die Antinomie Jahwes - Von der Trinität zur Quaternität Bedenken gegen Religion 87 Die Betonung der Emotionalität - Dogmatisierungstendenzen - Zur Religionspsychologie Jungs 202 Unwissenschaftlichkeit Doppeldeutigkeit der Sprqche 204 Zur Religionspsychologie Adlers 88 Psychologismus-Vorwurf 204 Religiöse Erfahrung 206 Zusammenfassung 91 Das Böse 207 Persönlicher Glaube 208 Erich Fromm 93 Zusammenfassung 209 Biographischer Abriß 93 Fromm und die Religion 97 Viktor Emil Frankl 211 Die Entwicklung des Christusdogmas 98 Biographischer Abriß 211 Die soziale Funktion der Religion - Das adoptianische Christusdogma-Das Christusdogma von der Wesensgleichheit Existenzanalyse und Logotherapie 214 Religion und ihre psychoanalytische Bedeutung 107 Frankl und die Religion 224 Das Bedürfnis nach religiöser Erfahrung-Autoritäre Religion - Gewissen und Werte 225 Humanistische Religion -Analyse der Dynamik religiöser Das Gewissen als Sinn-Organ - Werte und die Ontologisierung Erscheinungen -Aspekte der Religion der Moral Ihr werdet sein wie Gott 118 Sinnglaube als transzendentale Kategorie 231 Das Go(tesbild-Das Menschenbild~ Die X-Erfahrung Sinn und Über-Sinn - Zur Existenzanalyse des Homo religiosus - Zur Religionspsychologie Erich1f romms 133 Unbewußte Religiosität -Ärztliche Seelsorge Zuin Theismus-Begriff ', · , 134 Zur Religionspsychologie Frankls 243 Zum Religionsbegriff 134 Zusammenfassung 246 Zur Geschichte des Gottesbegrtffs 136 Christliche Theologie und Frorhmscher Humanismus 137 Theologische Anthropologie.uhd Psychologie und Theologie im Dialog 249 Frommsche Anthropologie i 140 Die Ganzheitlichkeit des Menschen 250 Zusammenfassung 143 Aufforderung zum Dialog 251 Charakteristika theologischer Anthropologie 253 Carl Gustav Jung 145 Perspektiven für das interdisziplinäre Gespräch 256 Biographischer Abriß 145 Sigmund Freud 258 Jung und die Religion 162 Alfred Adler 259 Religion und Seele - Zur religiösen F.unktion der. Seele 163 Erich Fromm 260 Das kollektive Unbewußte als Ort re!igJöser Erfahrung- · Carl Gustav Jung 261 Religion und die Frage nach Gott-Atdhetypen Viktor Emil Frank! 263 :.'1 ii&icsai-'.Li~ r ,): • m11:,a sa:uaa .- i ~·Mm4%ZJ 8 Inhalt 9 Tabellarische Übersicht (Synopse) 266 Einleitung Anmerkungen 271 Literaturverzeichnis 305 Tiefenpsychologie und Theologie sind in der gemeinsamen Frage nach dem Menschen und seiner Seele zum Gespräch herausgefordert. Sind ihre Standorte dabei auch grundver schieden, so können sie sich doch in der Sorge um die Seele treffen. In dem Bemühen, das Erscheinungsbild seelischer Wirklich keit zu erfassen, hat sich die Tiefenpsychologie deshalb auch dem Phänomen »Religion« zugewandt. Sie fragt,aufgrund der Schilderungen und Zeugnisse religiöser Erfahrungen, Über zeugungen und Traditfomen nach dem Stellenwert von Religion im Kontext psychischer Wirklichkeit. Dabei sind Heilung oder Hindernis zwei maßgebliche Aspekte der Religion aus der Sicht der Tiefenpsychqlogie. . · Die Tiefenpsycholoßie beschreibt nicht nur seelische Wirk lichkeit, sondern ent'1/~ckelt gleichzeitig ein Bild psychischer Gesundheit und Gan}heit wie auch einen Weg, diese zu er langen. Verhindert R iigion die seelische Heilung eines Men schen, das Ganzwerd n seiner Person? Oder begünstigt Refü gion den Weg zu seilischer Heilung und Ganzheit? Diese Fragen ziehen sich wiJ ein roter Faden durch das ganze Buch. Dabei wird deutlich werden, daß die Vielfalt der religiösen Erscheinungsweisen V(jm den einzelnen Tiefenpsychologen Un terschiedlich in den ßiick genommen und gewichtet wird. Wie die Vergangerj.heit zeigt, ist das Gespräch zwischen Tiefenpsychologie und 1Theologie nicht selten in krasser Kon frontation mit »ideologischen Verhärtungen«1 geführt worden. Die psychoanalytischelÜberzeugung, Religion als Illusion ent larven und Seelsorge purch Psychotherapie ersetzen zu kön nen, belastete zunächst das Gesprächsklima in hohem Maße, so daß es verständlich erscheint, wenn Vertreter der Theologie den Dialog mit dem Vorwurf der Areligiosität und dem Ver weis auf dogmatische Lehrtraditionen nur begrenzt auf nahmen. Daneben bemühten sich jedoch immer auch Vertreter beider 10 Einleitung Positionsbestimmungen als Voraussetzung für einen Dialog 11 Disziplinen um eine sachliche und fruchtbare Auseinanderset das wissenschaftliche Bemühen um den Logos des Evange zung. Die Literatur der Gegenwart belegt diese Tendenz -von liums, um das »Wort in den Wörtern«.4 Dieser Logos zielt wenigen Ausnahmen abgesehen - in zunehmendem, ja inzwi immer auf den Menschen und das Heilwerden seiner Bezie schen fast unüberschaubarem Maße. Dabei lassen sich zwei hung mit Gott. Christliche Theologie ist deshalb bestrebt, den Gesprächsschwerpunkte herauskristallisieren, die unterschied Anspruch des Evangeliums, das als Offenbarungshandeln Got lich gewichtet sind: zum einen der Dialog zwischen analytischer tes in Christus sichtbar geworden ist, dem Menschen nahezu Psychologie und praktischer Theologie und zum anderen der bringen. Dialog zwischen Tiefenpsychologie und systematischer Theo it;1.1 logie. Während ersterer insbesondere auf dem Gebiet der Seelsor Positionsbestimmungen als Voraussetzung ''l'1.1·.. / 1.,'1·,i ge in Beziehung zur Psychotherapie bereits vielfältig geführt für einen Dialog 1 wird, steht die Auseinandersetzung zwischen systematischer i/i Theologie und Tiefenpsychologie noch weitgehend aus.2 Diese Charakterisierung zeigt, daß die methodischen V orge /l 1i Die vorliegende Arbeit nimmt die letztgenannte Tatsache hensweisen beider Wissenschaften grundsätzlich zu unterschei I; zum Anlaß für eine systematische Untersuchung tiefenpsycho den sind. Arbeitet die Tiefenpsychologie induktiv, also ausge 11 Iogischer Aussagen zur Religion. hend von erfahrbaren Gegebenheiten der menschlichen Psy che, so ist die Theologie vorwiegend deduktiv ausgerichtet, das heißt, ausgehend von Glaubensüberzeugungen wird ein detail Anliegen von Tiefenpsychologie und Theologie liertes System von Glaubensaussagen abgeleitet.5 In der Frage nach dem Menschen und seiner Seele birgt nun die Verabsolu Wie begründet sich das Gespräch zwischen Tiefenpsycholo tierung des Blickwinkels in die jeweils eine oder andere gie und Theologie? Richtung Gefahren in sich. Beiden Wissenschaften geht es um den Menschen; genauer Eine Tiefenpsychologie, die lediglich den analytischen Er noch: beide Wissenschaften sorgen sich um die Beschaffenheit klärungswert psychisch~r Erfahrung anerkennt, muß sich dem der Seele. Viktor Emil Frank! charakterisiert ihr wissenschaft Vorwurf stellen, daß das Wesen des Menschen aus der Sicht liches Anliegen prägnant: Ziel der Psychotherapie ist die psychischer Immanenz inur unzureichend beschrieben ist. Dies seelische Heilung - Ziel der Religion ist das Seelenheil. 3 Diese trifft insbesondere für das Phänomen der religiösen Erfahrung inhaltliche Bestimmung macht den Unterschied beider Positio zu, das Theologie immer in den Zusammenhang eines Offen nen markant deutlich. barungsgeschehens stellt. Die Tiefenpsychologie frag~ nach den unbewußten Steue Die Theologie hat ihrerseits der Gefahr zu entgehen, das rungsmechanismen der Seele. Dabei interessiert sie sich auch Offenbarungsgescheheh derart zu rationalisieren, daß es nur für bewußte, spezifisch jedoch für unbewußte psychische Vor noch abstrakte Theolögie ist, die keinen Bezug mehr zur gänge. Gerade die irrationalen Erfahrungswerte gewinnen Erfahrungswirklichkeit und religiösen Bedürfnisstruktur des zentrale Bedeutung, denn die Tiefenpsychologie ist um die Menschen hat. Dies gilt ebenfalls für die Erstarrung religiö Klärung dieser Vorgänge und Zusammenhänge bemüht. In ser Erfahrung zu dogmatischer Frömmigkeit in gesetzlicher diesen Kontext gehören auch Religion und Religiosität. So Enge. geht es der Tiefenpsychologie um das Verhältnis zwischen Offensichtlich haben.derzeit immer mehr Menschen Schwie Psyche und gesamtem menschlichem Leben. rigkeiten mit der christlichen Glaubenstradition. Immer mehr Theologie als Lehre von Gott sieht den Menschen in der Kirchen bleiben sonntags nahezu leer, und das verbindliche Gott-Mensch-Relation. In ihren Verantwortungsbereich fällt Bekenntnis zum christlichen Glauben wird nicht selten belä- 12 Einleitung Notwendigkeit des Dialogs 13 chelt. Es scheint, daß viele Menschen das Christentum, wie richtung für psychische Vorgänge, die tiefenpsychologisch es sich in seiner institutionalisierten Form zeigt, nicht als immer nur in ihrer Verweisfunktion erkannt werden kön Antwortmöglichkeit auf ihre aktuelle Lebensproblematik nen. empfinden und annehmen. Dies wird ebenso bewiesen durch Tiefenpsychologie und Theologie sind als Wissenschaften den Trend, in drängenden persönlichen Fragen nicht mehr für den Menschen zu einem Gespräch angehalten, das die den Seelsorger, sondern den Psychotherapeuten aufzusu chen. menschliche Wirklichkeit in ihrem existentiellen Fragen nach Sinn, Leid, Wert, Schuld, Verantwortung, Geborgen Andererseits läßt sich derzeit ein starkes religiöses Interes heit oder Gott deuten und bewältigen hilft. Dabei kann es se beobachten, das insbesondere den Jugendsekten und öst weder um oberflächliche Enthemmungsprozesse noch um lichen Meditationsbewegungen zu außerordentlichen Zu unfehlbare theologische Glaubensfixierungen gehen. Hier ist wachsraten verhilft. Aber auch der massive Zulauf gerade beispielsweise an psychologische Manipulationstechniken zu junger Leute zu den beiden großen Kirchentagen offenbart denken, die auf fachlicher Inkompetenz beruhen, aber auch die Dringlichkeit religiösen Fragens im Zeitalter der techno logischen Revolution. an Flucht in Rauschzustände. Vielmehr bleibt das Gespräch auf Offenheit und ein sensibles Hören auf den Partner ange Mit einer weitgehenden Infragestellung kirchlicher For wiesen. Die hier entstehende Spannung, wie sie sich bei men, Strukturen und Lehrmeinungen geht also keineswegs spielsweise im kritischen Hinterfragen oder im Erkennen die Ablehnung persönlichen religiösen Angesprochenseins unvermuteter Parallelen offenbaren kann, ist dabei auszu Hand in Hand. Es scheint eher, daß die Frage nach unmittel halten. Sie kann aber auch ausgehalten werden, wenn die barer, konkreter und verantworteter religiöser Erfahrung Eigengesetzlichkeiten beider Wissenschaften eindeutig abge verstärkt thematisiert wird. Gerade die Kirchentage sind ein grenzt und ihre Voraussetzungen dargelegt sind, so daß es eindrucksvolles Beispiel für das Ringen um christliche Identi nicht zu unzulässigem Synkretismus kommt. tät in einem komplexen Gesellschafts- und Weltgefüge. Die Frage nach Religion und Religiosität ist mehr als eine nur theologische. Sie fordert das Gespräch mit den Human Notwendigkeit des Dialogs wissenschaften heraus. Dort, wo Religiosität Gestalt an nimmt, offenbart sie sich als Glaube in der psychischen Be Die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen psychothera findlichkeit des Menschen. Dieser Glaube ist mehr als ein peutischer Methodik mnd Pastoraltheologie, wie sie sich in seelischer Vorgang und mehr als eine religiöse Gestimmtheit. der Seelsorgediskussion oder in Fragen der Hermeneutik, Tiefenpsychologie und Theologie müssen deshalb auf der beispielsweise tiefenpsychologischer Bibelinterpretation, Basis ihres jeweiligen Standortes den Dialog führen. Schon zeigt, belegt die Dringlichkeit des konstruktiven Gesprächs das Bemühen um eine ganzheitliche Sicht des Menschen und und offenbart die Fülle der diesem Gespräch zugrundelie seiner Lebenszusammenhänge macht dies notwendig, genden Erkenntnismöglichkeiten. Weite Felder praktischer Die religiöse Erfahrung wird zur Nahtstelle in diesem Ge spräch. Sie erhält ihre inhaltliche Bestimmung seitens der Gemeindearbeit und1 Verkündigung sind auf dem Hinter grund dieser interdisziplinären Fragestellung erst noch zu Theologie und ihre psychische Charakterisierung seitens der erschließen. Gleichzeitig öffnet sich der Tiefenpsychologie Tiefenpsychologie. Damit hilft die Tiefenpsychologie, theolo die Möglichkeit, ihre notwendigerweise offen bleibenden gische Aussagen in die seelische Konstitution einzuordnen und auf Transzendenz verweisenden Fragen in den Kontext und durchschaubar zu machen, wie dies beispielsweise in der eines Sinnhorizontes stellen zu können. Jungsehen Analyse christlicher Dogmen und Symbole ge Die Beobachtung der psychologisch-theologischen Ausein schieht. Gleichzeitig liefert die Theologie die inhaltliche Aus- andersetzung zeigt jedoch auch, daß dieses Gespräch viel- 14 Einleitung Methodisches Vorgehen 15 fach mit Vorurteilen und Ängsten besetzt ist. Auf theologi Grad der Offenheit der tiefenpsychologischen Religionsaussa scher Seite wird vor gruppendynamischen Manipulationen gen für den Dialog mit der Theologie. und triebdynamischem Libertinismus gewarnt respektive Psy Während Freud Religion als infantiles Wunschdenken chotherapie als Werk des Widersachers verdammt; demge analysiert und damit als Illusion charakterisiert, betont Ad genüber lassen sich Vertreter der Tiefenpsychologie von ei ler das Element der Zielperspektive, die die Vollkommen nem Zerrbild der Religion und christlicher Theologie fehllei heit der Menschheit intendiert, Religion ist damit ein Mit ten, das jegliche Sensibilität für die befreiende Botschaft des tel zur Lebensbewältigung. Fromm unterscheidet darüber Evangeliums vermissen läßt. hinaus zwischen autoritärer und humanistischer Reiigion. Für diese Einstellungen und ihr Entstehen kann man diver Letzterem geht es um das Zielbild des universalen Men se Gründe angeben, die vorwiegend aus ihrer psychologi schen, der aus seinen Kräften der Vernunft und Liebe lebt. schen Natur erklärbar sind - soweit es sich um Vorurteile Erst von C. G. Jung wird der Gedanke der Transzendenz und Ängste handelt. Gottes nicht explizit ausgeschlossen. Religion beziehungs i weise Religiosität werden jetzt als dynamische Existenz im f kollektiven Unbewußten der Psyche eingeordnet. Frankl )i Aufgabenstellung definiert noch konkreter und damit für den Dialog mit der r1 Theologie unmittelbar weiterführend Religion als umfassen 1' Die vorliegende Arbeit sieht ihre Aufgabe in der Systema deren Sinnglauben, dem er transzendentalen Charakter zu tisierung, Konkretisierung und Elementarisierung teifenpsy schreibt. chologischer Aussagen zur Religion. Schon die Diskussion innerhalb der Tiefenpsychologie über die seelische Beschaffenheit des Menschen macht die Methodisches Vorgehen Vielfalt wissenschaftlicher Herangehensweise an derart zen trale Fragen und Phänomene wie die psychischer Vorgänge Das oben beschriebene Anliegen der Untersuchung deutlich, so daß auch die theologische Auseinandersetzung macht die methodische Vorgehensweise einer systematisie mit der Tiefenpsychologie nicht auf eine psychologische renden Paraphrase erforderlich. Das bedeutet: Es werden Schule begrenzt bleiben darf. die für das Gespräch mit der Theologie notwendigen, wis Die dabei vorgenommene Einschränkung auf die Untersu senswerten und anregenden religionspsychologischen Aussa chung der fünf tiefenpsychologischen Vertreter Sigmund gen in dem Gesamtwerk des jeweiligen Tiefenpsychologen Freud, Alfred Adler, Erich Fromm, Carl Gustav Jung und ausfindig gemacht, unter zentralen Fragestellungen syste Viktor Emil Frankl hat im wesentlichen zwei Gründe. Zum matisiert, referiert und erläutert. Zur umfassenderen Ein einen ist für diese Arbeit eine überschaubare Struktur erfor ordnung und als Verstehenshilfe für die theoretischen Aus derlich. Zum anderen lassen sich die fünf genannten Tiefen führungen ist jedem Kapitel ein biographischer Abriß vor psychologen zu den exponiertesten Vertretern. ihrer Fach angestellt, der schwerpunktmäßig religiöse Einflüsse der fa richtung zählen. Ihre jeweiligen tiefenpsychologischen Schu miliären und gesellschaftlichen Umgebung sowie persönli len sind derart grundlegend und eigenständig, daß mit ihnen che religiöse Erfahrungen in der Kindheit und Jugendzeit eine weitgehende Repräsentanz der tiefenpsychologischen wiedergibt. Es schließt sich daran ein kurzer Überblick Frage nach der Psyche des Menschen gegeben ist. Deshalb über die Grundaussagen der jeweiligen tiefenpsychologi interessiert die Theologie ihre Stellungnahme zur Religion in schen Schule an, der ein besseres Verständnis der religions hohem Maße. psychologischen Aussagen ermöglicht. Die Rezeption der Die Reihenfolge der Darstellung steht in Korrelation zum tiefenpsychologischen Ausführungen seitens der Theologie 16 Einleitung 17 wird in ihren grundlegenden Schwerpunkten ebenfalls darge legt. Tiefenpsychologie Im letzten Kapitel wird dann der Psychologie-Theologie und Religion Dialog aufgegriffen und in einen synoptischen Überblick ge stellt. i 18 Biographischer Abriß 19 Sigmund Freud »Mein geliebter Sohn, es war in deinem siebten Lebensjahr, daß der Geist des Allmächtigen dich überkam und dich drängte zu lernen. Der Geist des Allmächtigen spricht zu dir und sagt: >L ies in meinem Buch; wenn du so tust, so eröffnen sich dir die Quellen des Wissens und Verstehens.< Es ist das Buch der Biographischer Abriß Bücher; es ist der Brunnen, den die Weisen gegraben haben und aus dem die Gesetzgeber das Wasser ihrer Weisheit Der weitreichende Einfluß Sigmund Freuds für die Psycholo schöpfen. - Du hast in diesem Buch deinen ersten Blick auf das gie des 20. Jahrhunderts und seine überragende Bedeutung Bild des Allmächtigen geworfen. Du hast seine Lehre willig bedarf nicht näherer Erläuterung. Der »Vater der Psychoana angehört und hast dein Bestes getan, dich auf den Flügeln lyse« und wohl bedeutendste Mitbegründer der modernen seines Geistes in die Höhe tragen zu lassen. Heute, an deinem Tiefenpsychologie eröffnete mit der systematischen Erfor 35. Geburtstag, hole ich diese Bibel wieder ans Licht und schung des Unbewußten eine neue Dimension in der wissen schicke sie dir als einen Beweis der Liebe von deinem alten Vater.«4 schaftlichen Diskussion um den Menschen, eine Dimension, die den Gelehrten der naturwissenschaftlich-materialistischen Sigmund Freud bekennt selbst, daß ihn die Lektüre der Bibel Weltanschauung seiner Zeit zutiefst fragwürdig war. als jungen Menschen stark beeinflußt habe: »Frühzeitige Ver Am 6. Mai 1856 wird Sigmund Freud im Landstädtchen tiefung in die biblische Geschichte, kaum daß ich die Kunst des Freiberg in Mähren geboren. Geschäftliche Schwierigkeiten Lesens erlernt hatte, hat, wie ich viel später erkannte, die des Vaters, der als Wollkaufmann tätig ist, zwingen die Familie Richtung meines Interesses nachhaltig bestimmt.«5 Von seiner zum Umzug nach Wien; Sigmund ist inzwischen vier Jahre alt. Mutter wird er im jüdischen Glauben unterrichtet - allerdings Die bis dahin wohlhabende Familie muß nun in recht beengten recht unaufgeklärt, wie folgende Erinnerung zeigt: »Als ich Verhältnissen leben, und Freud empfindet diesen Wohnort sechs Jahre alt war und. den ersten Unterricht bei meiner wechsel nicht zuletzt wegen der großen Armut als hart. Lange Mutter genoß, sollte ich:glauben, daß wir aus Erde gemacht sehnt er sich nach den schönen Wäldern seiner Heimat zurück, sind und darum zur Erde ~urückkehren müssen. Es behagte mir j und erst im Alter von 17 Jahren weicht seine romantische aber nicht, und ich zweifelte die Lehre an. Da rieb die Mutter Hoffnung auf eine Zukunft, die das Verlorene zurückgibt, dem die Handflächen aneinaqder ... und zeigte mir die schwärzli Realismus.1 chen Epidermisschuppeq, die sich dabei abreiben, als eine Im Hinblick auf eine religiöse Erziehung Freuds lassen sich Probe der Erde, aus derrwir gemacht sind, vor.«6. verschiedene Erfahrungen und Erlebnisse zusammentragen Biblische Geschichte und Hebräisch lernt Freud später bei 2, die jedoch der Schwierigkeit unterliegen, daß Freud sich stark Hammerschlag, der zeitlebens einer seiner wichtigsten älteren gegen biographische Neugier wehrte. 3 Freunde bleibt und von ihm nie kritisiert wird, was für Freud ungewöhnlich ist. Als Sohn jüdischer Eltern gehört Sigmund Freud in seiner Heimatstadt mit überwiegend katholischer Bevölkerung zu der Das chassidische Milieu, aus dem sein Vater stammte, hat religiösen Minderheit, die zusammen mit den Protestanten nur auf ihn ebenfalls Einfluß genommen, wie aus einem Brief an zwei Prozent ausmacht. Sein patriarchalischer Vater Jakob seine Braut hervorgeht, in dem er über ein Gespräch berichtet, Freud wurde zwar als orthodoxer Jude erzogen, hat aber eine das sich mit einem chassidischen Ladeninhaber über das Bild liberal-distanzierte Einstellung zur jüdischen Tradition. Im seines Glaubens ergab und das ihn sehr beeindruckte, ja bis ins Alter von 75 Jahren schenkt er Sigmund zu dessen 35. Geburts tiefste aufwühlte. 7 Trotzdem bezeichnet er sich selbst als tag eine Bibel mit hebräischer Widmung: »einen ganz gottlosen Juden«, der auch noch im Alter eine »durchaus ablehnende Einstellung zur Religion in jeder Form
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