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Heidelberger Jahrbücher PDF

294 Pages·1995·13.156 MB·German
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Heidelberger lahrbiicher HEIDELBERGER •• JAHRBUCHER XXXIX Herausgegeben von der Universitiits-Gesellschaft Heidelberg Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Barcelona Budapest Hong Kong London Mailand Paris Santa Clara Singapur Tokio 1995 Redaktionsausschuj3: Martin Bopp, Reinhard MuBgnug, Dietrich Ritschl, Arnold Rothe, Friedrich Vogel, Hans Arwed Weidenmiiller Schriftleitung: Professor Dr. Reiner Wiehl Philosophisches Seminar der Universitiit, Marsiliusplatz 1, 69117 Heidelberg Schriften-Verzeichnis der Heidelberger Dozenten: Hiltraud Zell Die Heidelberger Jahrbiicher erschienen seit 1808 unter den folgenden Titeln: Heidelbergische Jahrbiicher der Literatur. Jg. 1-10. 1808-1817 Heidelberger Jahrbiicher der Literatur. Jg. 11-65. 1818-1872 Neue Heidelberger lahrbiicher. 19. 1-21. 1891-1919 Neue Heidelberger lahrbiicher. Neue Folge. 1924-1941. 1950-1955/56 Heidelberger lahrbiicher. I fT. 1957 fT. Die Verleger waren bis 1814 Mohr & Zimmer, bis 1820 Mohr & Winter, 1821-1828 Oswald, 1829-1839 Winter, 1840-1872 Mohr, 1891-1956 Koester, seit 1957 Springer, aUe in Heidelberg Der Umschlag wurde von Hermann Zapf, Frankfurt a. M., entworfen. Er verwendete hierfiir die von ihm geschafTene Schrift "Michelangelo" ISBN-13:978-3-540-60435-8 e-ISBN-13:978-3-642-80020-7 DOl: 10.1007/978-3-642-80020-7 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und TabeUen, der Funk sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Ver vielfrutigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland yom 9. Sep tember 1965 in der jeweils geltenden Fassung zuliissig. Sie ist grundsiitzlich vergiitungspflichtig. Zu- widerhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1995 Gedruckt auf siiurefreiem Papier SPIN: 10519124 20/3143-543210 Inhaltsverzeichnis Helmuth Kiesel Zwischen Restauration und Modemisierung: Probleme mit der Griindungslegende der Bundesrepublik............................. 1 W olfhart Pannenberg Ein theologischer Riickblick auf die Metaphysik ........ 19 Michael Hampe Beteiligung und Gegenseitigkeit: Zum Verhaltnis von Recht und Moral............................................................ 25 Friedrich Vogel Theorie - Methode - Erkenntnis ........................................... 41 Uwe Bleyl Von der Einheit der Wissenschaft oder zur Phanomenologie der Krankheitseinheit ................................................... 69 Klaus Rother Infektions-Abwehr und Entziindung: Funktionen des Komplement-Systems ........................................................... 83 Hermann-von-Helmholtz-Gedenkfeier Wolfgang Jaeger Hermann Helmholtz und die Begriindung der Augenheilkunde als wissenschaftliches Fach in der Mitte des 19. J ahrhunderts ....................................................................................... 103 Horst Seller Hermann von Helmholtz - der erste quantitativ messende Neurophysiologe ............................................................................................. 115 Hans Gunter Dosch Beitrage von Helmholtz zur Mathematischen Physik ............................................................................ 123 Hermann Weiser! Die Studentenhilfe der Universitat von Heidelberg (1921-1975) ................................................................................................... 131 VI Inhaltsverzeichnis Bibliographie Schriftenverzeichnis der Heidelberger Dozenten. Veroffentlichungen aus dem Jahr 1994 ................................... 153 Theologische Fakultat 155 - Juristische Fakultat 159 - Fakultat fiir Naturwissenschaftliche Medizin 166 - Fakultat fur Theoretische Medi- zin 173 - Fakultat fiir Klinische Medizin 188 - Fakultat fur Klinische Medizin Mannheim 228 - Philosophisch-historische Fakultat 239 - Fakul- tat fur Orientalistik und Altertumswissenschaft 243 - Neuphilologische Fakultat 247 - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultat 252 - Fakultat fur Sozial·· und Verhaltenswissenschaften 253 - Fakultat fur Mathematik 258 - Fakultat fiir Chemie 260 - Fakultat fur Pharmazie 267 - Fakultat fiir Physik und Astronomie 269 - Fakultat fur Biologie 276 - Fakultat fur Geowissenschaften 285 - Zentrale Einrichtungen 287 Alphabetisches Namenregister zur Dozentenbibliographie . . . . . . . . . . . 289 Mitarbeiter dieses Bandes Prof. Dr. Uwe Bleyl, Pathologisches Institut, Theodor-Kutzer-Ufer, 68135 Mannheim Prof. Dr. H. Gunter Dosch, Institut fUr theoretische Physik, Philosophenweg 16/19, 69120 Heidelberg, Uferstr. 50, 69120 Heidelberg Dr. phil. habil. Michael Hampe, Philosophisches Seminar, Schulgasse 6, 69117 Heidelberg, 1m Grund, 69120 Heidelberg Prof. Dr. Wolfgang Jaeger, Universitiitsaugenklinik, 1m Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg, Mozartstr. 17a, 69121 Heidelberg Prof. Dr. Helmuth Kiesel, Direktor des Germanistischen Seminars, Hauptstr. 207-209, 69117 Heidelberg Prof. Dr. W olfhart Pannenberg, Em. Direktor des Theologischen Seminars, Universitiit Munchen, Sudetenstr. 8, 82166 Griifelfing Prof. Dr. Klaus Rother, Em. Direktor des Instituts fUr Immunologie Universitiit Heidelberg, Neuer Weg 41, 69118 Heidelberg Prof. Dr. Horst Seller, Physiologisches Institut 1, 1m Neuenheimer Feld 326, 69120 Heidelberg Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Vogel, Em. Direktor des Instituts fur Humangenetik und Anthropologie, 1m Neuenheimer Feld 346, 69120 Heidelberg Dr. Hermann Weisert, Direktor des Universitiitsarchivs a.D., Quinckestr. 48, 69120 Heidelberg Dipl. Bibl. Hiltraud Zell, Greifstr. 6, 69123 Heidelberg Zwischen Restauration und Modemisierung: Probleme mit der Griindungslegende der Bundesrepublik Von Helmuth Kiesel Zugegeben: Das Thema, dem die folgenden AusfUhrungen gelten, ist nicht gerade ein genuin germanistisches. Die Griindungsgeschichte der Bundesrepublik ist iibli cherweise Gegenstand der geschichts- und politikwissenschaftlichen Kollegen; die Titelbegriffe "Restauration" und "Modemisierung" scheinen nach Behandlung durch einen Soziologen eher zu verlangen als durch einen Germanisten; und selbst fUr die Durchleuchtung geschichtlicher Legenden sind zunachst einmal die Histo riker zustandig und haben dafUr auch ein vorziigliches quellenkritisches Instrumen tarium entwickeIt. DaB ich mich als Germanist gleichwohl nicht nur berechtigt, sondem geradezu genotigt fUhle, iiber diese Dinge zu sprechen, hat seinen Grund darin, daB die Griindungslegende der Bundesrepublik, die schwach ausgeformt und bis he ute umstritten ist, in hohem MaBe von Schriftstellem, von Literaten mitbe stimmt wurde. Den Begriff "Griindungslegende" verwende ich in einem etwas vagen, vorwis senschaftlichen Sinn. In geschichts- und politikwissenschaftlichen Sachworterbii chern ist er nicht zu finden. Aber ich glaube, daB dieser Begriff eine gewisse Be rechtigung hat. Denn viele Staaten haben eine wohlelaborierte Griindungslegende, das heiBt: eine historiographisch einigermaBen fixierte und deswegen leicht tra dierbare Vorstellung von einem begriindenden Akt oder Vorgang, der meist am Nationalfeiertag mit mehr oder minder groBem Pomp gefeiert wird: Die Biirger der Vereinigten Staaten feiem am 4. Juli die Unabhangigkeitserklarung, die eine lange Unabhangigkeitsbewegung beendete und einen neuen Staat begriindete. Die Fran zosen feiem am 14. Juli den Sturm auf die Bastille, der vielleicht gar nicht sonder lich wichtig war, aber im geschichtlichen BewuBtsein fUr den Sieg des Volkes iiber den Absolutismus steht. Die Schweizer feiem am 1. August den ZusammenschluB der drei Urkantone, der in der Legende vom Riitlischwur pointiert wurde, obwohl es einen solchen Schwur vermutlich nicht gab. Die sogenannte alte Bundesrepu blik hatte nichts dergleichen. Der 17. Juni, der am 4. August 1953 zum gesetzli chen Feiertag erklart wurde, war kein Nationalfeiertag, sondem ein Gedenktag, an dem eines national en Ungliicks und Mangels gedacht werden sollte. Und er iiber- 2 Helmuth Kiesel schattete kraftig den 23. Mai, an dem 1949 das Grundgesetz verkiindet worden war und der sich noch am ehesten zum bundesrepublikanischen Feiertag geeignet hatte: die Erarbeitung und Verkiindigung des Grundgesetzes ist ja doch trotz einiger ver fassungsrechtlicher Bedenklichkeiten - oder vielleicht gerade deswegen - eine au- 13ergewohnlich gro13e und haltbare Leistung gewesen [1]. Kurz: 1m Unterschied zu den vorhin genannten Staaten hatte die alte Bundesrepublik keinen positiven Na tional- oder Staatsfeiertag, an dem die Griindung dieses Staatswesens wenn schon nicht als bewundemswiirdige so doch als bewahrenswiirdige Leistung gefeiert und inszeniert worden ware. Statt dessen kam es zur Ausbildung und Verfestigung ei ner negativen Griindungslegende, die nicht nur staatskritisch, sondern hochgradig delegitimierend wirkte - und in dieser Weise auch jederzeit wieder wirksam wer den kann, wei I sie die Bundesrepublik als ein Produkt einer au13erst fragwiirdigen Restauration erscheinen la13t. Gemeint ist also die Legende yom restaurativen Cha rakter der Griindung und der Anfangsphase der Bundesrepublik. Damit bin ich an einem Punkt angelangt, an dem - spatestens - deutlich gewor den sein diirfte, daB mein Thema weitreichende politische Implikationen hat. Diese sind in den letzten Wochen ja auch mit polemischer Scharfe formuliert worden: Aus der ehemaligen DDR ist gelegentlich zu horen, da13 die Wiedervereinigung nichts anderes sei als die nachholende Geltendmachung der Restauration fUr die zunachst verschonte DDR [2]. Einer der Herausgeber der "Frankfurter Allgemei nen Zeitung" konterte mit der Behauptung, einige Krafte der ehemaligen DDR ver suchten eine Restauration des abgewirtschafteten Kommunismus [3]. Welche Be rechtigung auch immer diese Vorwiirfe aus beiden Richtungen haben mogen: Sie zeigen, da13 die Vokabel "Restauration" auch gegenwartig eine durchaus brisante politische Bedeutung hat. Darauf mochte ich mich aber nicht weiter einlassen. Ich mochte mit meinem Vortrag weder eine politische Tendenz vertreten noch in hi storischer Hinsicht gegen irgendetwas polemisieren. Es geht mir urn die Darlegung eines Problems, das vor allem einer unvoreingenommenen wissenschaftlichen Aufarbeitung bedarf. Wenn an meinen AusfUhrungen etwas tendenzios oder po lemisch klingt, so ist dies nicht beabsichtigt. Es konnte allerdings leicht sein, daB manches etwas unangemessen oder einseitig klingt - der Gegenstand ist komplex und erscheint fast jedem Betrachter in einem etwas anderen Licht, das durch je spezifische Lebenserfahrungen und Informationszusammenhange gebrochen ist. Der Restaurationsvorwurf eilte der Bundesrepublik urn zwei bis drei Jahre vor aus und wurde, wie schon angedeutet, von Literaten und Publizisten auf den Weg gebracht. Soweit wir heute sehen, war es der Schriftsteller Hans Werner Richter, der Mitbegriinder und spiritus rector der Gruppe 47, der als erster von Restauration sprach, und zwar in der weit verbreiteten Nachkriegszeitschrift "Der Ruf'. Dort er schienen yom November 1946 bis zum Januar 1947 drei Artikel [4], in denen Richter konstatierte und beklagte, da13 es im Westen Deutschlands nicht zu einer Revolution gekommen sei, sondem zu einer "Restauration" der sozialen und politi schen Verhaltnisse der Weimarer Republik - zu einer "Restauration", die so mas siv sei, da13 nicht einmal mehr eine "Evolution" der Verhaltnisse zu erwarten sei, Probleme mit der Griindungslegende der Bundesrepublik 3 sondem eben der Riickfall in die katastrophentrachtige Situation der Weimarer Republik. Was Richter, der von 1930 bis 1932 Mitglied der KP gewesen war, ver miBte, waren jene durchgreifenden SozialisierungsmaBnahmen, die er, wie viele andere Autoren auch, fUr unbedingt notig hielt, urn dem Faschismus auf Dauer sei ne vermeintliche kapitalistische Basis zu entziehen. Historisch gesehen ist diese Meinung nicht haltbar. Die Geschichte zeigt, daB der Kapitalismus keineswegs in den Faschismus fUhren muB. Aber damals haben viele Schriftsteller diese Mei nung, die sich auf die Komintemthese stUtzte [5], vertreten, haben deswegen, als die groBe Sozialisierung ausblieb, eben von einer Restauration gesprochen - und damit nicht nur die Wiederherstellung alter gesellschaftlicher Verhaltnisse ge meint, sondem auch die Wiederherstellung einer im Prinzip prafaschistischen Struktur. Dieselbe Ansicht vertraten die beiden Herausgeber der ebenfalls weit verbreite ten und stark meinungsbildenden "Frankfurter Hefte", Eugen Kogon und Walter Dirks, beide aus dem linkskatholischen Lager kommend [6], beide mutige Kritiker des Nationalsozialismus, Kogon deswegen von 1938 bis 1945 Haftling im KZ Bu chenwald. Kogon verlangte im September 1947 in einem langen Artikel die Schaffung ei nes freiheitlichen Sozialismus, der allein Schutz vor einem neuen Totalitarismus bieten konne. Als dann mit der Wahrungsreform und mit der Griindung der nicht sozialistischen Bundesrepublik ein anderer Weg beschritten wurde, machten auch die "Frankfurter Hefte" den von Richter erhobenen Restaurationsvorwurf geltend: 1m September 1950 erschien ein zwolfseitiger Artikel von Walter Dirks mit dem Titel "Der restaurative Charakter der Epoche". Darin beklagte nun auch Dirks, daB die aIte Ordnung des Unheils wiederhergestellt wiirde. Zwar iibersah und leugnete Dirks nicht, daB es Modifikationen und Modemisierungen gab; seiner Meinung nach gingen diese aber nur so weit, daB das kritische BewuBtsein der Zeitgenossen ausgeschaItet wurde, niemand mehr zwingende Griinde fUr eine Revolution sah und die Restauration infolgedessen umso sicherer FuB fassen konnte. - Damit er reichte die Kritik an der Restauration im Prinzip schon ihre ganze und spater kaum mehr auflosbare Komplexitat: Restauration wurde nicht nur als factum brutum festgestellt, sondem als raffinierter Verblendungsvorgang ausgegeben, was zur Folge hatte, daB jemand, der die Restauration bezweifelte, gleich auch gegen sich seIber den Verdacht hegen muBte, ein naives Opfer ihrer reformerischen und mo dernisierenden Augenwischereien zu sein. Mit der Restaurationsthese hat Dirks al so auch gleich die Verdachtigung des Zweifels an ihr auf den Weg gebracht, und nicht zuletzt diesem Umstand verdankt die Restaurationsthese ihre kaum mehr zu unterbindende Wirkungskraft. Einen ersten erfolglosen Versuch, die Restaurationsthese zu relativieren oder gar aufzuheben, hat bald darauf erstaunlicherweise Eugen Kogan unternommen: 1m Marz 1952, also anderthalb Jahre nach dem Restaurationsartikel von Dirks, publizierte Kogon in den "Frankfurter Heften" ebenfalls einen zwolfseitigen Arti kel, der, wie der Titel sagt, den "Aussichten der Restauration" galt. Kogon griff 4 Helmuth Kiesel darin den Restaurationsbefund von Richter und Dirks auf, bekraftigte, daB es zu keiner grundlegenden sozialen Reform und zu keiner echten Demokratisierung ge kommen sei, raumte aber zugleich ein, daB soziale und politische Gegensatze fort wahrend abgeschliffen wiirden, und kam schlieBlich zu dem Befund, daB es unter solchen Umstanden unmoglich geworden sei, "Friiheres [ ... J hier einfach restaurie ren zu wollen". Das war eine fast unverbliimte Absage an die Restaurationsthese, die aber nicht mehr verhindern konnte, daB sich die Restaurationsthese in der Publizistik und in der Literatur jener Jahre festsetzte. Nicht nur in den "Frankfurter Heften", auch in anderen seriosen Zeitschriften wurde die Gegenwart der beginnenden fiinfziger Jahre immer haufiger als restaurativ etikettiert, und in der sogenannten SchOnen Literatur wurde sie auf eine entsprechende Weise geschildert. Wolfgang Koeppens Romane ."Das Treibhaus" von 1953 und "Der Tod in Rom" von 1954 entfalteten gleichsam den Restaurationsvorwurf erzahlerisch, indem sie das Bild einer Zeit entwarfen, in der kurzfristig untergetauchte Nazis und Militaristen wieder in Fiih rungspositionen einrucken durften und heimgekehrte Exulanten, die eine grundle gende Neuorientierung Deutschlands herbeifiihren wollten, in den Tod getrieben wurden. In Ingeborg Bachmanns Gedicht "Friiher Mittag" aus dem Gedichtband "Die gestundete Zeit" von 1952 heiBt es: [. .. J Sieben Jahre spater fallt es dir wieder ein, am Brunnen vor dem Tore, blick nicht zu tief hinein, die Augen gehen dir iiber. Sieben Jahre spater, in einem Totenhaus, trinken die Henker von gestern den goldenen Becher aus. Die Augen taten dir sinken. Das ist die dichterische Artikulation der Restaurationsthese, die viele Intellek tuelle - nach Worten von Jiirgen Habermas - in eine "radikale Opposition" gegen den "Geist der Adenauer-Zeit" getrieben hat [7]. Sie hat schlieBlich auch die Stu dentenrevolte mit auf den Weg gebracht und fand 1967 in dem vielfach aufgeleg ten Mitscherlichschen Buch von der "Unfahigkeit zu trauern" ihre abschlieBende Kodifizierung. Fiir lange Zeit hat die Restaurationsthese auch in der zeitgeschichtlichen, polito logischen, soziologischen und germanistischen Fachliteratur eine groBe, urn nicht zu sagen: dominierende, Rolle gespielt. Erst mit dem Ende der siebziger Jahre be gann eine differenziertere Sicht der Dinge sich einzustellen. Vor all em von Histo-

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