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Hansische Geschichtsblätter PDF

340 Pages·2003·12 MB·German
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Hansische Geschichtsblätter Hansischen Geschichtsverein 3 — JE :0 121. Jahrgang 2003 00 HANSISCHE GESCHICHTSBLÄTTER H E R A U S G E G E B E N V O M H A N S I S C H E N G E S C H I C H T S V E R E I N 121.JAHRGANG 2003 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN REDAKTION Aufsatzteil: Dr. Rolf Hammel-Kiesow, Lübeck Umschau: Dr. Volker Herrn, Trier Für besondere Zuwendungen und erhöhte Jahresbeiträge, ohne die dieser Band nicht hätte erscheinen können, hat der Hansische Geschichtsverein folgenden Stiftungen, Verbänden und Städten zu danken: Possehl-Stiftung zu Lübeck Freie und H ansestadt H amburg Freie H ansestadt Bremen H ansestadt L übeck Stadt Braunschweig tn Landschaftsverband / Westfalen-Lippe D r. M argarete Schindler Umschlagabbildung nach: Hanseraum und Sächsischer Städtebund im Spätmittel­ alter, in: Hanse, Städte, Bünde. Die sächsischen Städte zwischen Elbe und Weser, Bd. 1, hg. von Matthias Puhle, Magdeburg, 1996, S. 3. Zuschriften, die den Aufsatzteil betreffen, sind zu richten an Herrn Dr. Rolf H ammel-K iesow, Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostsee­ raums, Burgkloster, Hinter der Burg 2-6,23539 Lübeck (forschungsstelle.hansel- online.de); Besprechungsexemplare und sonstige Zuschriften wegen der Hansi­ schen Umschau an Herrn Dr. Volker H enn, Universität Trier, Fachbereich III, Postfach 38 25, 54286 Trier ([email protected]). http://www.hansischergeschichtsverein.de Beiträge werden als Manuskript und auf Diskette erbeten. Die Verfasser erhalten von Aufsätzen und Miszellen 20, von Beiträgen zur Hansischen Umschau zwei Sonderdrucke unentgeltlich, weitere gegen Erstattung der Unkosten. Die Lieferung der Hansischen Geschichtsblätter erfolgt auf Gefahr der Empfänger. Kostenlose Nachlieferung in Verlust geratener Sendungen erfolgt nicht. Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Eintritt in den Hansischen Geschichtesverein ist jederzeit möglich. Der Jahresbeitrag beläuft sich z. Zt. auf € 30 (für in der Ausbildung Begriffene auf € 15). Er berechtigt zum kostenlosen Bezug der Hansischen Geschichtsblätter. - Weitere Informationen gibt die Geschäftsstelle im Archiv der Hansestadt Lübeck, Mühlen­ damm 1-3, 23552 Lübeck. ISSN 0073-0327 Inhalt Aufsätze Bert Looper Holland, die IJssel und die Hanse. Jahrmärkte als Brücken und Barrieren ............................................................................................. 1 Job Weststrate Abgrenzung durch Aufnahme. Zur Eingliederung der süderseeischen Städte in die Hanse, ca. 1360-1450 ........................ 13 Birgit Noodt Ehe im 15. Jahrhundert - einige statistische Ergebnisse und die Ehe von Hildebrand und Margarete Veckinchusen ..................... 41 Piotr Olinski Die Stiftungen in den großen preußischen Städten des ausgehenden 13. und des 14. Jahrhunderts. Eine erste Bilanz . . 75 Rolf Gelius Färbewaren im Seehandel der Ostseeländer 1560-1660 .............. 93 Helmut Stubbe da Luz Napoleons Ostseepolitik in Hanse-Tradition? Der Geograph Catteau-Calleville blickt auf das Baltische Meer (1812) .............. 123 Proj ektvorstellungen Jürgen Sarnowsky Das virtuelle Hamburgische Urkundenbuch. Ein digitales Editionprojekt ................................................................. 161 Stefan Kroll Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der Neuzeit. Historisches Informationssystem und Analyse von Demographie, Wirtschaft und Baukultur im 17. und 18. Jahrhundert ................. 171 Hansische Umschau in Verbindung mit Norbert Angermann, Roman Czaja, Detlev Ellmers, Rolf Hammel-Kiesow, Elisabeth Harder-Gersdorff, Jürgen Hartwig Ibs, Stuart Jenks, Ortwin Pelc, Herbert Schwarzwälder, Louis Sicking und Hugo Weczerka bearbeitet von Volker Henn ...................................................................................... 175 Allgemeines .................................................................................................. 175 Schiffahrt und Schiffbau........................................................................... 207 Vorhansische Zeit ...................................................................................... 228 Zur Geschichte der niederdeutschen Landschaften und der benachbarten Regionen............................................................................. 231 Westeuropa .................................................................................................. 259 Skandinavien ............................................................................................... 269 Osteuropa...................................................................................................... 280 Mitarbeiterverzeichnis ............................................................................. 315 Autorenverzeichnis.................................................................................... 316 Hansischer Geschichtsverein Jahresbericht 2002 ...................................................................................... 319 Liste der Vorstandsmitglieder ............................................................... 323 Für die Hanseforschung wichtigen Zeitschriften............................ 325 H O L L A N D , DI E I J S S E L U N D D I E H A N S E * J a h r m ä r k t e als B r ü c k e n u n d B a r r i e r e n v o n B e r t L o o p e r Die IJsselstädte im hansisch-flandrischen Raum 1990 sprach ich in Zutphen über das Thema Hansebewusstsein in den IJsselstädten.1 Ich habe damals einen wichtigen Aspekt der hansischen Geschichte des IJsselgebietes als Ganzem und der einzelnen IJsselstädte je für sich übersehen: Das Thema Jahrmarkt. Ich komme gleich darauf zurück. Zunächst ist es für meine Ausführung wichtig, dass ich noch ein­ mal auf das damalige Thema ‘Hansebewusstsein in den IJsselstädten’ zu sprechen komme. 1990 war es mein Ziel zu erforschen, wie sich die Haltung der IJsselstädte gegenüber der Hanse im Mittelalter entwickelte.2 Man ist nur allzu schnell geneigt, von den IJsselstädten im allgemeinen zu sprechen, ohne sich zu vergegenwärtigen, wie stark und wie häufig die Belange der ein­ zelnen Städte auseinander klafften. 1990 wies ich darauf hin, dass die Stellung der IJsselstädte im Hansegebiet vor allem in einigen deutschen Studien behandelt ist.3 Das Thema der niederländischen Wirtschaftsland­ schaften, von Rudolf Häpke 1928 in seiner Studie „Die Entstehung der holländischen Wirtschaft“ bereits scharf umrissen,4 wurde 1960 auf der Pfingsttagung des Hansischen Geschichtsvereins in Münster von Franz Petri in seinem Vortrag „Die Stellung der Südersee- und IJsselstädte im flandrisch-hansischen Raum“ grundlegend behandelt.5 Die auch heute noch gültige deutsche Sicht können wir am besten mit einem Zitat aus * Vortrag, gehalten auf der 117. Jahresversammlung des Hansischen Geschichtsvereins in Emden am 6. Juni 2001. 1 Bert LoüPER, Hansebewusstsein in den IJsselstädten, in: HGbll. 109, 1991, S. 65-81. Vortrag, gehalten auf der 106. Jahresversammlung des Hansischen Geschichtsvereins am 5. Juni 1990 2 Ebd., S. 65-66. 3 Ebd., S. 67-68. 4 Rudolf H äPKE, Die Entstehung der holländischen Wirtschaft. Ein Beitrag zur Lehre von der ökonomischen Landschaft, in: Studien zur Geschichte der Wirtschaft und Geistes­ kultur, hg. von R. Häpke, Beiheft 1, Berlin 1928. 5 Franz Petri, Die Stellung der Südersee- und IJsselstädte im flandrisch-hansischen Raum, in: HGbll. 79, 1961, S. 34-57. 2 Bert Looper dieser Arbeit wiedergeben. „Danach ist es nicht zuviel gesagt: im Spät­ mittelalter und der beginnenden Neuzeit gehörten der deutsche Nieder­ rhein und die ostniederländische IJssel wirtschaftlich noch immer unlös­ lich zusammen [...]“. Westfalen und das Rheinland waren so für die IJssel- und Süderseestädte, wie Häpke es beschrieben hat, ein sicherer wirtschaftlicher Rückhalt als Hinterland, mit dem sie alle mehr oder weniger eng verflochten und verwachsen waren. Ihre spezifisch hansi­ sche Rolle „erhielten diese Städte durch ihre Einbindung in jenen, die Nord- und Ostsee umspannenden wirtschaftlichen Kreislauf“.6 Meine Bemerkung aus dem Jahre 1990 über die Abhängigkeit der nieder­ ländischen Forschung von der deutschen gilt noch immer. Von Deutsch­ land aus werden der niederländischen Forschung zur Wirtschafts- und zur politischen Geschichte des späten Mittelalters fesselnde und erneuernde Impulse gegeben wie z.B. Dieter Seiferts Vortrag 1994 über „Der Holland­ handel und seine Träger im 14. und 15. Jahrhundert“,7 seine Studie „Kom­ pagnons und Konkurrenten“8 und Volker Henns Vortrag 1993 „Zur Inte­ gration des Niederrheinisch-Ostniederländischen Raumes in die Hanse“.9 Wichtig ist meines Erachtens nun, dass an den niederländischen Univer­ sitäten die wirtschaftliche und politisch-wirtschaftliche Geschichte Hollands und der östlichen Niederlande mit den wirtschaftlichen und politisch-wirtschaftlichen Zielen der Hanse im Vergleich untersucht wird. Nur auf diesem Weg kann das mittelalterliche IJsselgebiet in seiner Stellung zwischen Hanse und Holland verstanden werden. 1990 habe ich durch die Gegenüberstellung von politischer Führung und Wirtschaftspolitik der Städte Zutphen und Deventer mit der Hanse die Unterschiede der internen Dynamik zwischen beiden Städten dargelegt. Kurz zusammengefasst:10 1. Durch die wenig scharfe Trennung zwischen Stadt und Land ent­ wickelte sich Zutphen um 1400 schnell zum Versorgungszentrum der Region, während Deventer gerade durch die scharfe Trennung zwi­ schen Stadt und Land einen überregionalen Charakter behielt. 2. Durch den beherrschenden Einfluss von Edelleuten und Ministerialen, die aus der Grafschaft stammten, entstand in der Stadtverwaltung 6 Ebd., S. 43. 7 In: HGbll 113, 1995, S. 71-91. 8 Dieter SEIFERT, Kompagnons und Konkurrenten. Holland und die Hanse im späten Mittelalter (QDhG, 43), Köln u.a. 1997. 9 Volker H enn, “...de alle tyd wedderwartigen Suederseeschen stedere”. Zur Integra­ tion des niederrheinisch-ostniederländischen Raumes in die Hanse, in: HGbll. 112, 1994, S. 39-56; s. nun auch den Beitrag von Job WESTSTRATE, Abgrenzung durch Aufnahme, im vorliegenden Band. 10 LOOPER, Hansebewusstsein (wie Anm. 1), S. 74-76. Holland, die IJssel und die Hanse 3 Zutphens kein bürgerliches-kaufmännisch-wirtschaftliches Leben. In Deventer gab es diesen Einfluss des Landadels nicht. 3. In Zutphen traten zwar auch reiche Kaufleute der Stadtverwaltung bei, aber unter dem Einfluss der adligen Magistratsmitglieder inve­ stierten sie ihr Geld nicht mehr in den risikoträchtigen Fernhandel, wie in Deventer, sondern in Land. Durch ihren Grundbesitz änderte sich ihre wirtschaftliche Verhaltensweise. Das Ergebnis war, dass im 14. und 15. Jahrhundert im Zutphener Magi­ strat kaum noch wirtschaftliche Anreize für eine aktive, überregionale Handelspolitik lebendig waren. Die Interessen lagen in der direkten Um­ gebung. Weil manche der im Rat vertretenen Familien noch Handelsin­ teressen hatten, vor allem im Weinhandel, scherte Zutphen aber nicht völlig aus. Zutphens Mitgliedschaft in der Hanse im 15. und 16. Jahrhun­ dert war folglich an die persönlichen Interessen einiger Mitglieder von Magistratsfamilien gebunden. Die Mitgliedschaft von Deventer beruhte demgegenüber noch deutlich auf allgemein städtischem Interesse. Mit dem Begriff Hansebewusstsein als Ausgangspunkt konnten einige wichtige Nuancierungen in Bezug auf das IJsselgebiet als wirtschaftliche Region angebracht werden. Nuancierungen, die im herrschenden nieder­ ländischen Erklärungsmodell von Aufstieg, Blüte und Niedergang nicht ins Auge fielen, weil Unterschiede zwischen Gebieten oder Städten im­ mer aus offenbar zufälligen, stark divergierenden Blüteperioden der vier großen IJsselstädte (Kämpen, Zwolle, Deventer, Zutphen) erklärt wer­ den konnten. Jahrmärkte als wirtschaftliches Phänomen Das Phänomen Jahrmarkt als wichtigen Aspekt der Hansegeschichte des IJsselgebiets als Ganzes und der IJsselstädte für sich allein betrachtet, habe ich damals übersehen und bewertete das kümmerliche Dasein der Zutphenschen und die Blüte der Deventerschen Jahrmärkte als Resultat der soeben dargestellten Entwicklungen: Kaufmännische Mentalität in Deventer, die Deventer zur „Stadt der Jahrmärkte“ machte; eine auf länd­ lichen Grundbesitz gerichtete Haltung in Zutphen, so dass in derselver unser stat gheyn versueck noch hantyere [...] van comenschappen ende van coepliuden zu erkennen war, wie es im Brief von Reinald IV. von Geldern steht, der 1420 ergebnislos versuchte, diese Entwicklung durch die Gründung von zwei neuen Jahrmärkten aufzuhalten.11 Blühende und 11 Gedruckt bei J. GlMBERG, Handel en nijverheid te Zutphen in de Middeleeuwen, in: Bijdragen en Mededelingen van de Vereniging Gelre XXV, 1922, S. 27-29. 4 Bert Looper hinwelkende Jahrmärkte als unausweichliche Folge der oben beschriebe­ nen Entwicklungen. Aber hätte ich die Argumentation nicht völlig umdrehen können oder sogar müssen? Ist es nicht eine herausfordernde These, zu behaupten, dass gerade durch die Wirkung des Wirtschaftsphänomens Jahrmarkt das IJsselgebiet und die einzelnen Städte die Entwicklung erlebt haben, wie ich sie 1990 beschrieben habe. Jahrmärkte folglich nicht als Resultat der wirtschaftlichen Diversität im IJsselgebiet, sondern als ihre Ursache; Jahrmärkte als Motor der Entwicklung. Betrachten wir im folgenden also die Entwicklung des IJsselgebiets aus der fesselnden Perspektive des Jahrmarktes. Zunächst behandle ich den Jahrmarkt als wirtschaftliches Phänomen, dann widme ich mich speziell den Jahrmärkten im IJssel­ gebiet. Jahrmärkte als wirtschaftliches Phänomen: Der Wirtschafthistoriker Sneller schrieb 1936 in seiner Veröffentlichung „Deventer, die Stadt der Jahrmärkte“: „Freie Preisgestaltung erfolgte im Mittelalter auf den Jahr­ märkten. Die Jahrmärkte waren Knotenpunkte des sich entwickelnden Marktkapitalismus, der frühen freien Marktwirtschaft“.12 Obwohl jeder verstehen dürfte, was Sneller meint, und im Großen und Ganzen damit einverstanden sein dürfte, genügt eine gleichermaßen so weitgehende wie allgemeine Charakterisierung heute nicht mehr. Aber wie könnte man den Jahrmarkt als wirtschaftliches Phänomen präziser charakterisieren? Selbstverständlich bewerten wir die Vergangenheit von unserer Zeit her, aber es geht sicher zu weit, wenn man jede wirtschaftliche Aktivität, die im Zusammenhang mit Märkten erfolgte, nur als Ausdruck des sich ent­ wickelnden Marktkapitalismus sieht. Hier rächt sich nach meiner An­ sicht, dass die mittelalterlichen wirtschaftlichen Institutionen noch nicht bzw. nur unzureichend mit modernen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien untersucht wurden.13 Es ist nach wie vor eine zentrale Frage, wie Jahrmärkte in das Gesamtgefüge der wirtschaftlichen Institutionen im Hansegebiet eingebunden waren. Um meine abstrakte Frage direkt in das Thema meines Vortrags umzusetzen: Wie war es überhaupt möglich, dass innerhalb des protektionistischen wirtschaftlichen Systems der Hanse die Jahrmärkte ziemlich ungestört existieren durften? Wie war es möglich, dass die IJsselstädte sich einerseits durch ihre Teilnahme an den Hansetagen aktiv an der Politik in Bezug auf den Brügger Stapel betei­ ligten, während andererseits zu gleicher Zeit der Leidener Tuchhandel zu einem sehr wesentlichen Teil über die Deventerschen Jahrmärkte erfolgte. 12 Z.W. SNELLER, Deventer, die Stadt der Jahrmärkte, in: Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins 25, 1936, S. 6. 13 Mark SCHONEWILLE, Hanse Theutonicorum, Groningen 1997; DERS., Risk, institutions and trade. New approaches to Hanse history, Nijmegen 1998.

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