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Handbuch Militär und Sozialwissenschaft PDF

586 Pages·2006·3.14 MB·German
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Sven Bernhard Gareis · Paul Klein (Hrsg.) Handbuch Militär und Sozialwissenschaft Sven Bernhard Gareis Paul Klein (Hrsg.) Handbuch Militär und Sozialwissenschaft 2., aktualisierte und erweiterte Auflage Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1.Auflage November 2004 2.,aktualisierte und erweiterte Auflage Mai 2006 Alle Rechte vorbehalten ©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2006 Lektorat:Monika Mülhausen Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN-10 3-531-34446-3 ISBN-13 978-3-531-34446-1 Inhaltsverzeichnis Einführung Sven Bernhard Gareis/Paul Klein Militär und Sozialwissenschaft – Anmerkungen zu einer ambivalenten Beziehung .............9 Teil I: Die Organisation des Militärischen Sven Bernhard Gareis/Karl Haltiner/Paul Klein Strukturprinzipien und Organisationsmerkmale von Streitkräften ......................................14 Maja Apelt Militärische Sozialisation ....................................................................................................26 Gregor Richter Ökonomisierung in der Bundeswehr ...................................................................................40 Gerhard Kümmel Frauen im Militär ................................................................................................................51 Nina Leonhard ‚Armee der Einheit‘: Zur Integration von NVA-Soldaten in die Bundeswehr ....................61 Paul Klein Nationale, ethnische und religiöse Minderheiten in der Bundeswehr .................................72 Ines-Jacqueline Werkner Wehrstrukturen im internationalen Vergleich .....................................................................81 Teil II: Militär und Gesellschaft Johannes Varwick Militär als Instrument der Politik ........................................................................................94 Gerhard Kümmel Militärische Aufträge und die Legitimation der Streitkräfte .............................................104 Wilhelm Knelangen Einsatz der Bundeswehr im Innern: Möglichkeiten und Grenzen......................................112 Hans Born Demokratische Kontrolle von Streitkräften und Sicherheitspolitik ...................................125 Thomas Bulmahn Das sicherheits- und verteidigungspolitische Meinungsbild in Deutschland.....................135 Sabine Collmer Sozialer Wandel und Streitkräfte ......................................................................................149 Gregor Richter Militär- und Verteidigungsökonomie ................................................................................161 Claus Frhr. von Rosen Staatsbürger in Uniform in Baudissins Konzeption Innere Führung .................................171 Paul Klein Soldat und ziviler Beruf ....................................................................................................182 Horst Scheffler Militärseelsorge .................................................................................................................190 Franz Kernic Militär und Gesellschaft: Ein transatlantischer Vergleich .................................................201 6 Inhaltsverzeichnis Teil III: Das Internationale System und die Aufgaben des Militärs August Pradetto Neue Kriege ......................................................................................................................214 Sven Bernhard Gareis Internationale Friedensmissionen im Rahmen der Vereinten Nationen.............................226 Olaf Theiler Die ‚Neue NATO‘ – Eine Allianz im Wandel ..................................................................238 Cathleen Kantner Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ..........................................................250 Pascal Vennesson Die Handhabung militärischer Macht – Ein Vergleich zwischen Europa und den USA .....................................................................................................................262 Teil IV: Der Soldat im Einsatz Sven Bernhard Gareis Auslandseinsätze der Bundeswehr ....................................................................................274 Gerhard Kupper Führen im Einsatz .............................................................................................................283 Heiko Biehl Kampfmoral und Einsatzmotivation .................................................................................294 Jan C. Irlenkaeuser CIMIC als militärische Herausforderung ..........................................................................303 Wilfried von Bredow Kämpfer und Sozialarbeiter – Soldatische Selbstbilder im Spannungsfeld herkömmlicher und neuer Einsatzmissionen .....................................................................314 Michael Feller/Claudia A. Stade Physische und psychische Belastungen im Einsatz ...........................................................322 Ulrike Beckmann Verwundung und Tod – Ursachen und Folgen traumatischer Erfahrungen ......................334 Joachim Simon Militärseelsorge im Auslandseinsatz .................................................................................344 Andreas Berns/Roland Wöhrle-Chon Interkulturelles Konfliktmanagement.................................................................................350 Teil V: Militär und Multinationalität Sven Bernhard Gareis Multinationalität als europäische Herausforderung ...........................................................360 Robert Bergmann Multinationale Einsatzführung in Peace Support Operations ............................................374 Heike Abel/Paul Klein/Randolf-Marc Richter Die Deutsch-Französische Brigade ...................................................................................380 Sven Bernhard Gareis Das Multinationale Korps Nordost in Stettin ....................................................................390 René Moelker/Joseph Soeters Das Deutsch-Niederländische Korps .................................................................................401 Paul Klein Das Eurokorps ...................................................................................................................416 Inhaltsverzeichnis 7 Marybeth Peterson Ulrich Militärische Multinationalität und die Streitkräftereformen in Mittelosteuropa ...............424 Teil VI: Der Beruf des Soldaten Matthias Rogg Der Soldatenberuf in historischer Perspektive ..................................................................436 Winfried Heinemann Militär und Tradition .........................................................................................................449 Martin Elbe Der Offizier – Ethos, Habitus, Berufsverständnis .............................................................459 Paul Klein Unteroffiziere als Führer, Ausbilder und Erzieher sowie als Fachleute in Technik und Verwaltung ...............................................................................................473 Dieter Walz Die Besonderheiten des gesetzlichen Status des Soldaten ................................................482 Thomas Bulmahn Berufswunsch Soldat: Interessenten und Motive ..............................................................493 Georg-Maria Meyer Söldner GmbH? – Zur Problematik privater Militärdienstleistungsunternehmen .............506 Karl Haltiner Vom Landesverteidiger zum militärischen Ordnungshüter ...............................................518 Daniel Langer Die Berufszufriedenheit von Soldaten der Bundeswehr ....................................................527 Angelika Dörfler-Dierken Militär und Religion ..........................................................................................................539 Georg-Maria Meyer Soldatenfamilien ...............................................................................................................551 Giuseppe Caforio Der Soldatenberuf in Europa und Nordamerika ................................................................562 Teil VII: Ausgewählte Literatur, Forschungsinstitute, Arbeitskreise Sven Bernhard Gareis/Paul Klein Ausgewählte Literatur zum Thema ‚Militär und Sozialwissenschaft‘...............................574 Sven Bernhard Gareis/Paul Klein Forschungsinstitute, wissenschaftliche Vereinigungen und Arbeitskreise.........................577 Wolfgang S. Frantz Militärsoziologische Datenbank (MSD) – Eine Zusammenstellung internationaler Forschungsprojekte der militärbezogenen Sozialwissenschaften...............580 Die Autoren ....................................................................................................................588 Militär und Sozialwissenschaft – Anmerkungen zu einer ambivalenten Beziehung Sven Bernhard Gareis/Paul Klein Die Befassung der Sozialwissenschaften mit der Organisation Militär reicht bis weit in die Zeit vor der Etablierung etwa von Soziologie oder Politikwissenschaft als eigenständigen Disziplinen zurück. So verweist bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts Adam Smith (1723–1790) auf die engen Beziehungen zwischen der wirtschaftlichen und sozialen Ord- nung eines Staates und dem Militär. Diesen Gedanken nimmt mehr als ein Jahrhundert später auch Werner Sombart (1863–1941), einer der Gründungsväter der deutschen Sozio- logie auf, wenn er das Prinzip der Arbeitsteilung oder die Trennung von intellektueller und körperlicher Arbeit auf den urmilitärischen Grundsatz von Befehl und Gehorsam bezieht und in der hierarchischen Organisation und funktionalen Differenzierung der industriellen Arbeit die militärische Linien- und Stabsorganisation wiedererkennt. Während Auguste Comte (1798–1857) in seinem ‚Inkompatibilitätstheorem‘ von der grundsätzlichen Unver- einbarkeit von Militär und demokratischer Industriegesellschaft ausgeht, ist es Max Weber (1864–1920), der im Militär ein geeignetes Vorbild für die zweckmäßige Ausrichtung ge- sellschaftlicher Kräfte sieht und die militärische Ordnung ebenfalls als ein Idealmuster für industrielle Produktionsprozesse auffasst. Im militärfreudigen Deutschland des Kaiserrei- ches finden sich auch bei anderen Klassikern militärbezogene Studien wie auch Analysen über den politischen Gebrauch des Militärs, beispielsweise bei Steinmetz’ „Soziologie des Krieges“ (1907), Nicolais „Biologie des Krieges“ (1919) oder Schumpeters „Soziologie der Imperialismen“ (1918/19). Karl Demeter schließlich legte 1930 mit einer Studie über die soziale Herkunft des deutschen Offizierkorps eine der ganz wenigen Arbeiten vor, welche die Entstehung der später weltweit führenden Militärsoziologie in den Vereinigten Staaten nachhaltig beeinflusste. Demeters Arbeiten stellten indes zugleich einen Höhepunkt wie auch das Ende der militärbezogenen Sozialwissenschaft in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg dar. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten waren Soziologie, Psychologie und Politikwissenschaft keine erwünschten Disziplinen mehr und wurden zunehmend durch ‚Rassenkunde‘ und andere pseudobiologische Ideologieansätze in den Hintergrund geschoben. In Deutschland befassten sich die Sozialwissenschaften nach den Erfahrungen des Missbrauchs, aber auch der Missbrauchbarkeit des Militärs im Zuge des nationalsozialisti- schen Vernichtungskrieges nur äußerst zögerlich mit den nicht nur neu entstandenen, son- dern auch vollkommen neu ausgerichteten Streitkräften. Anstöße kamen vor allem aus den USA, wo sich Morris Janowitz (1919–1988) intensiv mit den Gruppen- und Motivations- strukturen von Soldaten der Wehrmacht auseinandergesetzt hatte. Seine zusammen mit Edward A. Shils 1948 vorgelegten Forschungsergebnisse zur Kampfmoral in auch aus- sichtsloser Lage prägen bis heute zahllose Studien zur soldatischen Kampfgemeinschaft und zur Kohäsion in militärischen Formationen. Sein Buch „The Professional Soldier“ von 1964 löste auch in Deutschland eine intensive Diskussion über die Stellung des Soldatenbe- rufes in der Geselschaft aus, die in den 1960/70er Jahren unter den Schlagworten ‚Beruf sui generis‘ oder ‚Beruf wie jeder andere‘ geführt wurde und durchaus bis heute die Diskussion um die Organisation der Bundeswehr als Wehrpflicht- oder Freiwilligenarmee mitprägt. S. B. Gareis, P. Klein (Hrsg.), Handbuch Militär und Sozialwissenschaft, DOI 10.1007/978-3-531-90086-5_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 10 Sven Bernhard Gareis/Paul Klein 1959 gründete sich um Georg Picht eine Kommission der Evangelischen Studiengemein- schaft, die sich mit der Bundeswehr befasste, an der Universität zu Köln wurde eine von René König geleitete ‚Wehrsoziologische Forschungsgruppe‘ geschaffen, die bis in die Mitte der 1970er Jahre im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung empirische Forschungsprojekte in der Bundeswehr durchführte und deren Ergebnisse auch in einigen Flaggschiffen der deutschen Soziologie, wie dem ‚Handbuch für empirische Sozialfor- schung‘ (Bd. 9, 1977) oder im Sonderheft 12 der ‚Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie‘ veröffentlicht wurden. Hinzu kam eine Reihe von Einzelpublikationen aus denen Bernhard Fleckensteins Reader „Bundeswehr und Industriegesellschaft“ (1971), Wilfried von Bredows Band über „Die unbewältigte Bundeswehr“ (1973) oder der von Franz Pöggeler herausgegebene Sammelband über „Soldaten in der Demokratie“ herausste- chen. An den deutschen Universitäten indes fand – anders als in den USA und vielen anderen Staaten – eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Militär praktisch nicht statt. Es gab keinen Lehrstuhl, der sich mit Fragen der Streitkräfte befasste, keine Vorlesungs- oder Seminarreihen, in denen das Thema ‚Streitkräfte‘ systematisch aufgenommen und untersucht wurde. Auch in den Fachzeitschriften, selbst in den vom Bundesministerium der Verteidigung herausgegebenen oder finanziell unterstützten Publikationsreihen waren sozi- alwissenschaftliche Beiträge über das Militär die seltene Ausnahme. Diese defizitäre Forschungssituation hat mehrere Gründe, die auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sind und auch unterschiedlich ins Gewicht fallen. Das lange Zeit wohl entscheidende Ursachenbündel findet sich in den Sozialwissenschaften selbst. Wissen- schaftler profilieren sich nicht nur in ihrem Fachgebiet, sie identifizieren sich vielmehr oft mit ihm, noch häufiger werden sie mit ihm identifiziert. Das bis in die 1990er Jahre hinein vor allem in intellektuellen Schichten wenig ausgeprägte Ansehen der Streitkräfte ließ es für einen um seine Reputation in der scientific community besorgten Forscher kaum erstre- benswert erscheinen, sich allzu intensiv mit dem Militär einzulassen. In den nun auch kei- nesfalls von Vorurteilen freien Sozialwissenschaften konnte dies rasch zu einem labeling als Machtapologet, Militarist oder günstigstenfalls Opportunist führen. Tatsächlich war es häufig leichter, in der Nische der sozialwissenschaftlichen Ressortforschung der Bundes- wehr eine auskömmliche Position und eine befriedigende Karriere zu finden als im univer- sitären Betrieb. Umgekehrt aber blieb – von wenigen Ausnahmen abgesehen – den in den Ressortdienst gewechselten Wissenschaftlern die Rückkehr in den universitären Bereich versperrt oder sie war nur unter großen Mühen zu erreichen. Ein weiterer Grund ist im Forschungsgegenstand ‚Militär‘ zu suchen. Denn hinter der Berufsfeldbezeichnung ‚Soldat‘ verbirgt sich eine breite Palette stark ausdifferenzierter Funktionen, die eine einheitliche Betrachtungsweise unmöglich machen. Die weitere Diver- sifizierung der militärischen Aufträge führt dazu, dass sozialwissenschaftliche Untersu- chungen im Militär einen hohen Aufwand an Einarbeitung und Bearbeitungszeit erfordern. Bei den damit befassten Wissenschaftlern wird zudem die Bereitschaft zur Spezialisierung in einem Themengebiet voraussetzt, welches außerhalb des Militärs dann kaum für den Aufbau einer eigenen wissenschaftlichen Karriere genutzt werden kann. ‚Militär‘ und ‚Sol- dat‘ erschienen insgesamt also als eher unattraktive Forschungsfelder für Sozialwissen- schaftler. Aber auch auf Seiten des Militärs wird sozialwissenschaftlichen Untersuchungen der eigenen Organisation, Strukturen und Interaktionsprozessen mitunter Widerstand entgegen- gesetzt. Tatsächlich prallen hier stark unterschiedliche Berufskonzepte aufeinander. Wäh- Militär und Sozialwissenschaft 11 rend militärische Führung an klaren, einheitlichen und möglichst eindeutigen Situationen und Anweisungen interessiert ist, leben Sozialwissenschaftler in einer Welt von Fragen und Widersprüchen, die es zu untersuchen, aufzulösen oder eben auch als gleichberechtigt ne- beneinander stehend zu akzeptieren gilt. Hinzu kommt, dass Sozialwissenschaftler gerne auch Fragen bezüglich gerade der Bereiche oder Prozeduren hervorbringen, die aus militä- rischer Sicht mit größter Selbstverständlichkeit und ohne Notwendigkeit der Hinterfragung funktionieren. Die aus einer Forschungsintention heraus formulierten Fragestellungen wer- den auf Seiten des Militärs häufig als ein In-Frage-Stellen der eigenen Position und Legiti- mation interpretiert, wodurch wiederum Abwehrreflexe ausgelöst werden. In solchen missverständlichen Situationen wäre eine intensive Kommunikation zwi- schen Sozialwissenschaftlern und Militärs erforderlich. Diese wird indes schon durch un- terschiedliche Sprachcodes und Slangs gestört. Während Präzision und Direktheit zu den Kennzeichen der militärischen Sprache gehören und in der militärischen Ausbildung auch systematisch eingeübt werden, lieben vor allem Sozialwissenschaftler umfassende Definiti- onen und Beschreibungen auf möglichst abstraktem Niveau. Während in der militärischen Kommunikation ein Begründungsrekurs bezüglich getroffener Entscheidungen zuweilen recht knapp ausfallen kann, suchen Sozialwissenschaftler den Dingen auf den Grund zu gehen. Vor allem schließlich erlegt die Einbindung in Disziplin und Gehorsam den Militär- angehörigen eher Zurückhaltung in der Kommunikation nahe, während auf Seiten der For- scher der wissenschaftliche Freiheitsanspruch dominiert, aus dem sie die Berechtigung zu jeder Frage ableiten und entsprechende Antworten erwarten. Dies gilt nicht zuletzt auch für den Umgang mit Forschungsergebnissen. Verschwie- genheit und Geheimschutz sind militärimmanente Tugenden, die naturgemäß im diametra- len Gegensatz zum Veröffentlichungsinteresse von Wissenschaftlern stehen. Was für den Wissenschaftler ein wertvolles Forschungsergebnis ist, welches er umgehend der Fachwelt mitteilen will, sähe der betroffene Militärangehörige möglicherweise eher als einen vertrau- lich zu behandelnden Befund. Die ohnedies im Militär ausgeprägte Vorsicht trägt tenden- ziell dazu bei, dass Forschungsergebnisse vor ihrer Veröffentlichung einer genauen Sich- tung unterworfen, dass Änderungen angemahnt und dass Studien gegebenenfalls auch nicht zur Publikation freigegeben werden. Die hier genannten Unterschiede in den Handlungs- und Kommunikationskulturen in Militär und Sozialwissenschaft führten zu teilweise sehr nachhaltigen gegenseitigen Berüh- rungsängsten und Kommunikationsverweigerung, durch welche indes bestehende Vorurtei- le weiter zementiert und fortgeschrieben wurden. Es bedurfte erheblicher Umwälzungen in den sicherheitspolitischen Rahmenbedingen und neuer Aufträge für die Bundeswehr, um sowohl deren Wertschätzung in der deutschen Öffentlichkeit zu erhöhen und damit auch ein wachsendes Selbstbewusstsein in den Streitkräften über ihre Rolle in Staat und Gesellschaft zu entwickeln. Die neue Komplexität der militärischen Aufträge machte die Streitkräfte nicht nur zu einem für viele sozialwissenschaftliche Disziplinen interessanten Forschungs- gebiet, sondern brachte auch innerhalb der Bundeswehr selbst einen neuen Schub an Fragen und Problemen hervor, die nach sozialwissenschaftlicher Bearbeitung bzw. Begleitung verlangen. Insgesamt dürfte sich in den zurückliegenden fünfzehn Jahren das Verhältnis zwischen Militär und Sozialwissenschaft kontinuierlich in ein noch immer nicht herzliches, wohl aber respektvoll-partnerschaftliches verwandelt haben. Tatsächlich gibt es kaum einen staatli- chen Bereich in Deutschland, der in diesem Zeitraum so tiefgreifende Veränderungen in seinem beruflichen Selbstverständnis und in der Art der zu erbringenden Aufgaben durch-

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