Michael Herzka Gute Führung Ethische Herausforderungen im Nonprofit-Management Gute Führung Michael Herzka Gute Führung Ethische Herausforderungen im Nonprofit-Management Michael Herzka Berner Fachhochschule Bern, Schweiz ISBN 978-3-658-17093-6 ISBN 978-3-658-17094-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-17094-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 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Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Dank Unterwegs verändert sich der Horizont. In der vorliegenden Schrift versuche ich, einige Überlegungen aus früheren Publikationen weiterzuentwickeln und mit Erfahrungen aus der Führung von Nonprofit-Organisationen zu verbinden. Ich danke Kolleginnen, Kollegen, Führungskräften und Studierenden für zahlreiche Anregungen, Beispiele und Einblicke in ihre Praxis. Ich danke Chris Mowles und Jeremy Hellmann für wertvolle Gespräche und gemeinsame Reflexion. Für Ermutigung, Beratung und kritische Lektüre danke ich ganz herzlich Bea Zimmermann und Verena Rothenbühler. Zürich, Dezember 2016 V Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ................................................. 1 1.1 Annahmen ............................................. 4 1.2 Moral und Ethik ......................................... 9 1.3 Was ist richtig? ......................................... 11 1.4 Zielgruppe: Die Praxis im Fokus ............................ 13 1.5 Aufbau ................................................ 14 2 Zum Verhältnis von Ökonomie und Ethik ....................... 17 2.1 (K)ein Problem mit Adam Smith? ........................... 20 2.2 Der begrenzte Homo oeconomicus .......................... 24 2.3 Ethische Ökonomie oder ökonomische Ethik .................. 29 2.4 Gewinn ohne Maximierung ................................ 33 2.5 Nonprofit, Sozialwirtschaft, Sozialmanagement ................ 36 3 Organisation und Ethik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.1 Die Verantwortung von Unternehmen ........................ 43 3.2 Corporate Social Responsibility ............................ 48 3.3 Ethik und Nonprofit-Organisation ........................... 54 3.4 Sozialunternehmen: Das Beste beider Welten? ................. 59 4 Ethik in der Führung ....................................... 63 4.1 Menschen und Organisationen führen ........................ 66 4.2 Führungskräfte als moralische Akteure ....................... 71 4.3 Führung und Ethik im Nonprofit-Management ................. 77 4.4 Zwischenstand .......................................... 84 5 Praktische Führungsethik .................................... 89 5.1 Respektvolle Menschenführung ............................ 92 5.2 Zusammenarbeit mit weiteren Anspruchsgruppen .............. 103 VII VIII Inhaltsverzeichnis 6 Professionsethik als Managementressource ..................... 109 6.1 Problem, Reflexion, Handlung ............................. 112 6.2 Professionen und Ethik ................................... 115 6.3 Profession, Ökonomie, Management ........................ 121 7 Ethische Entscheidungsfindung in der Führung .................. 125 7.1 Das eigene Führungsverständnis weiterentwickeln .............. 126 7.2 Den Diskurs in der Organisation anregen ..................... 129 7.3 Praktische Instrumente ................................... 133 8 Perspektiven ............................................... 139 8.1 Vorläufiges Fazit ........................................ 139 8.2 Umdenken in der Managementlehre ......................... 142 8.3 Auf Stärken bauen ....................................... 145 Literatur ..................................................... 149 1 Einleitung Führung ist Zusammenarbeit. Wer eine Organisation leitet, trägt Mitverantwor- tung für andere Menschen. Führung ist immer eine relationale Angelegenheit, erfordert Offenheit in der Interaktion und gegenseitige Motivation für die gemein- same Aufgabe. Welche Werte und Normen gelten oder gelten sollen, wenn Men- schen handelnd miteinander in Beziehung stehen, ist Gegenstand der Ethik: Welche Erwartungen können wir berechtigterweise aneinander haben, was schul- den wir uns gegenseitig? Welche Handlung ist moralisch geboten, welche erlaubt, welche verboten?1 Wann erleben wir eine Situation als moralisches Dilemma und wie finden wir zu einer Entscheidung? Dieses Buch fokussiert darauf, dass sich im Kontext von Organisationen oder Unternehmen, das heißt bei der arbeitsteili- gen Produktion von Gütern und Dienstleistungen in hierarchischen Strukturen, neben ökonomischen immer auch ethische Fragen stellen. Der Blick wird dabei auf die Führungskräfte von Nonprofit-Organisationen gerichtet. Es geht also um Unternehmen und um Personen, welche zwar wirtschaftliche Leistungen erbrin- gen, dabei jedoch andere Ziele als den maximalen Gewinn anstreben. Daraus ergibt sich die These, dass sich in einer bestimmten Form der Kooperation (die Führungssituation) und in einem bestimmten ökonomischen und organisationalen Kontext (in der Nonprofit-Organisation) spezifische ethische Herausforderungen ergeben. Dies lässt sich auch aufgrund konkreter Erfahrungen formulieren: Füh- rungsarbeit ist in vielerlei Hinsicht eine äußerst anspruchsvolle Tätigkeit, in unsi- cherem Gelände, stets auf neuen Pfaden und niemals am Ziel. Führen heißt 1Geboten, verboten, erlaubt sind die sogenannten deontischen Operatoren (griech.: to deon, die Pflicht); vgl. Bleisch und Huppenbauer (2014, S. 37). © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 1 M. Herzka, Gute Führung, DOI 10.1007/978-3-658-17094-3_1 2 1 Einleitung wahrnehmen, kommunizieren, abwägen, entscheiden. Moral und Ethik rücken immer dann in den Fokus, wenn besonders schwierige und belastende Fragen ent- schieden werden müssen. Solche Herausforderungen gehören in vielen Nonprofit- Organisationen zum betrieblichen Alltag, ja sind ihr eigentliches Kerngeschäft. Ich erachte es daher als eine vordringliche Aufgabe der Managementlehre, solche Fragen zu thematisieren und darüber mit den Führungskräften in der Praxis einen kontinuierlichen Dialog zu pflegen. Dieses Buch verdanke ich einer nachhaltigen Irritation. Vor einigen Jahren habe ich zusammen mit Wirtschaftsfachleuten an einer Ethik-Vorlesung teilge- nommen. Als ich mich im Pausengespräch einem Bankkaufmann als Vertreter der Nonprofit-Welt zu erkennen gab, fragte dieser etwas ratlos, was mich denn an einem solchen Anlass interessiere, ich sei doch mit meiner Branche ohnehin „immer auf der Seite der Guten“. Daraus hat sich – weit über die kurze Pause hinaus – eine lebhafte Diskussion entwickelt über Gemeinsamkeiten und Unter- schiede in Profit- und Nonprofit-Organisationen. Wir haben über die Rahmenbe- dingungen in den verschiedenen Sektoren gesprochen, etwa über den Zwang zur Gewinnmaximierung in einer globalisierten Marktwirtschaft, über Renditeerwar- tungen in der Finanzindustrie oder auch über den zunehmenden Effizienzdruck im Sozialwesen. Wir haben Ansichten über die Mitgestaltung dieser Rahmen- bedingung ausgetauscht, über die Wünschbarkeit von staatlichen Interventio- nen, über die Möglichkeiten und Grenzen eines nie wirklichen freien Marktes. Wir waren uns einig, dass wir bezüglich unseren Organisationen grundsätzlich erwarten, dass „anständig gewirtschaftet“ und „gut geführt“ wird. Allerdings ist es uns nicht leicht gefallen, dies mit konkreten Handlungen zu verknüpfen oder nur schon klare Kriterien zu benennen. Von Fairness haben wir gesprochen, von Transparenz und von Vertrauen. Wie wir solche großen Begriffe füllen, mag durch persönliche Berufs- und Lebenserfahrungen geprägt sein. Auch kann es sein, dass in verschiedenen Kulturen, Wirtschaftszweigen oder einzelnen Unter- nehmen unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der moralischen Verpflichtun- gen zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn bestehen. Unbestritten war für uns, dass sich solche impliziten Erwartungen nur rechtfertigen lassen, wenn wir sie zuerst an uns selbst richten, in unseren Rollen als Führungskräfte, Mitarbei- tende oder Kunden. Die anderen sind immer auch wir. Die Irritation hat sich in einer etwas anderen Spielart später wiederholt. Organi- sationen, welche im Sozial-, Bildungs- oder Gesundheitswesen ökonomisch tätig sind, habe ich als Organisationen der Moral bezeichnet (Herzka 2012b, 2013). Der Begriff ist in Anlehnung an den berufsethischen Diskurs in der Sozialen Arbeit gewählt und soll auf den gemeinschaftsbildenden Auftrag dieser Professionen 1 Einleitung 3 verweisen.2 Der professionelle Auftrag, unterstützend, fördernd oder kurativ tätig zu werden, ist mit großer Verantwortung für verletzliche Mitmenschen verbunden und damit immer „moral work“ (Hasenfeld 2010). Die Art der Aufgabe ist für diese Organisationen mit bedeutenden Risiken (Herzka und Mowles 2015) verbun- den, sie verlangt von allen Fach- und Führungskräften eine hohe professionsethi- sche beziehungsweise führungsethische Sensibilität. Diese Hervorhebung hat neben viel Zustimmung auch zweierlei kritische Reaktionen provoziert: Von gewissen Führungskräften in Nonprofit-Organisationen, die sich und ihre Tätigkeit gerne mit dem Unternehmertum im kommerziellen Sektor vergleichen, wurde unterstellt, es werde so insbesondere dem Sozialbereich ein höherer moralischer Status zugeschrieben als der übrigen Wirtschaft. Damit würden zwischen den unterschiedlichen Sektoren Gräben geschaffen, wo doch Brücken gebaut werden sollten. Eine zweite Art der Kritik stammte von erfahrenen Fachkräften aus eben diesem Sozialbereich. Sie stimmten zwar meiner Beschreibung und Beurteilung grundsätzlich zu, mahnten aber davor, den Fach- und Führungskräften Sozialer Organisationen nicht zu viel ethische Kompetenz zuzumuten und sie damit zu überfordern. Eine Auseinandersetzung mit Ethik und Moral im Zusammenhang mit wirt- schaftlicher Tätigkeit, ja nur schon die Verwendung der Begriffe, fällt offensicht- lich nicht leicht. Ethik und Moral leiten uns in unserem Handeln, zeigen Möglichkeiten und Grenzen einer aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft auf. Ebenso verbinden wir mit professioneller Arbeit im Rahmen eines Unternehmens oder einer Organisation immer eine bestimmte Einflussnahme, sowohl was das Wirken der einzelnen Personen betrifft, als auch bezüglich der gesellschaftlichen Relevanz einer ganzen Organisation oder Branche. Als Fachpersonen orientieren wir uns dabei an technischen und ethischen Berufsstandards, einschließlich der ökonomischen Effizienz. Für Führungskräfte muss jedoch immer die gesamtbe- triebliche Perspektive im Fokus bleiben. Vorrangig geht es um die Sicherung des Überlebens der jeweiligen Organisation, ökonomische Kriterien sind daher min- destens gleichrangig zu den fachlichen Anliegen zu berücksichtigen.3 2Vgl. dazu die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff der „moralischen Profession“ bei Pantuček (1999), Mitherausgeber des gleichnamigen Sammelbandes (Pantuček und Vyslouzil 1999). 3Allerdings sind in jüngster Zeit vermehrt auch Stimmen zu hören, die unter einem ständigen zunehmenden Kostendruck die Schmerzgrenze des fachlich zu vertretenden Leistungs- und Qualitätsabbaus erreicht sehen. Als Reaktion ist auch die Exit-Option, das heißt Ausstieg aus bestimmten Geschäftsfeldern nicht mehr tabu (vgl. Maurer und Schneiders 2016).