Grundzüge der Zerspanungslehre Theorie und Praxis der Zerspanung für Bau und Betrieb von Werkzeugmaschinen Zweite, vollständig neu bearbeitete Auflage Von Dr.-lng. habil. Max Kronenberg Beratender Ingenieur in Cincinnatl, Ohio, USA. Registered Professional Engineer, State of Ohio Member: A. S.M. E.; A. s. T.E.; Am. OrdnanceAss., SigmaXi Erster Band Einschneidige Zerspanung Mit deutschem und englischem Vorwort Mit 293 Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1954 Alle Rechte, insbesondere das der Übenetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Copyright 1927 and 1954 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag OHG. Berlin/Göttingen/Heidelberg 1954 Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1954 ISBN 978-3-662-39088-7 ISBN 978-3-662-40069-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-40069-2 Library of Congress Catalog Card Number: 54-11960 Wa.shington D. C., U.S.A. MEINER FRAU UND DEN KINDERN GEWIDMET Vorwort zur zweiten .Auflage. Seit Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches vor mehr als 25 Jahren sind große Fortschritte auf dem Gebiete der Zerspanung gemacht worden, von denen viele dazu beigetragen haben, die hier entwickelten Grundsätze weiter auszubauen. Es ist damals dargelegt worden, daß es möglich ist, Zerspanungsvorgänge in wissenschaftlich begründete Zusammenhänge zu bringen und daß es nicht mehr nötig sei, mehr oder weniger zufallige und oft unzusammenhängende Werte als Grundlage für den Bau und Betrieb von Werkzeugmaschinen an nehmen zu müssen. Die freundliche Aufnahme, die die 1. Auflage in den Industrie ländern gefunden hat, und die Übersetzungen in mehrere Fremdsprachen sowie die Übernahme der Formeln und Tabellen in andere Veröffent lichungen, wie z. B. Dubbels Taschenbuch, The Tool Engineers Handbook und andere, dürfen wohl als Zeichen dafür angesehen werden, daß diesen Grundsätzen zugestimmt worden ist. Die Entwicklung der spanabhebenden Bearbeitung hat es natürlich erforderlich gemacht, die vorliegende Auflage vollständig neu zu be arbeiten, wobei es jedoch möglich war, die Grundsätze beizubehalten und trotzdem die neuen Erkenntnisse einzubeziehen. Nach wie vor bieten die Festwerte für Schnittgeschwindigkeit und Schnittdruck (C v und C~r,) und die Exponenten die beste Handhabe, um Versuche aus verschiedenen Teilen der Welt auf einen "gemeinsamen Nenner" zu bringen, so daß sie miteinander verglichen und ausgewertet werden können. Nach wie vor können auf diese Weise grundlegende Schlüsse ab geleitet und Werte für Werkstattpraxis und weitere Forschung ent wickelt werden. In diesem Sinne ist es schon in der 1. Auflage z. B. möglich ge wesen, die Versuche von KLOPSTOCK über den Schnittdruck mit den Versuchen von STANTON und HEYDE (England) so zu vereinen, daß sich Formeln für die Abhängigkeit des Schnittdruckes vom Spanwinkel ableiten ließen, die dann in Schnittdrucktafeln ihren praktischen Nieder schlag fanden. In ähnlicherWeise wurden auch Schnittgeschwindigkeits tafeln auf Grund verschiedenster Daten aufgestellt. VI Vorwort zur zweiten Auflage. Die oben erwähnten Gesetze für Schnittgeschwindigkeit und Schnitt druck und die Festwerte (C,., Ck) sind in der Neuauflage so erweitert worden, daß sie außer der Größe des Spanquerschnittes (wie in der l. Auflage) auch seine Form (Schlankheitsgrad) erfassen. Auf diese Weise können selbst Unterlagen (wie die AWF 158-Richtwerte), die die Schnittiefe unberücksichtigt lassen, untersucht und mit anderen verglichen werden, z. B. mit KLOPSTOCKs Untersuchungen an der T. H. Berlin, die keine Extrapolation erfordern, da sie bis zu über 8000 kg durchgeführt wurden oder mit den ASME-Werten, BosTONs Versuchen und anderen. Aus den Zahlenwerten dieses Buches ist es ersichtlich, daß wir heut zutage 6- bis 7mal soviel Spanvolumen (cm3/min) minutlich abnehmen können wie vor 25 Jahren. Diese Entwicklung ist dadurch möglich geworden, daß wir jetzt Werkzeuge und Werkzeugmaschinen zur Ver fügung haben, die 6- bis 7 mal soviel PS-Leistung ertragen und auf bringen können wie früher. Die je PS erzielbare minutliche Spanmenge (cm3/min/PS) ist - für gleichen Werkstoff und gleichen Spanwinkel - unverändert geblieben, da ihr Reziprokwert, der spezifische Schnittdruck, von der Entwick lung nicht beeinflußt werden konnte. Da es wünschenswert ist, daß diese oft übersehene Reziprozität deutlich zum Ausdruck kommt, ist sie an den Anfang des Abschnittes "Schnittdruck" gestellt worden, um so mehr, als die Standzeit hier nicht hineinspielt. Das Buch ist jetzt in eine physikalische und eine technische Zer spanungslehre unterteilt worden, obgleich die Grenze nicht immer scharf zu ziehen ist. Man wird bemerken, daß Beiträge zur physikalischen Zerspanungs lehre z. T. auf Physiker zurückzuführen sind, nicht auf Ingenieure. Hieraus entstanden Schwierigkeiten für beide Seiten wegen der ver schiedenen Benennungsweise. In dieses Gebiet gehört z. B. der bedauer licherweise beliebt gewordene Begriff des Reibungsbeiwertes der Zer spanung. Der Betriebsingenieur verbindet mit einer Zunahme des Rei bungsbeiwertes eine Zunahme der Reibungskraft. In der Zerspanung tritt jedoch oft eine Umkehr dieser Beziehung ein, und zwar m. E. des wegen, weil der gleitende Körper (Span) plastisch verformt wird, was nicht der Fall ist bei sonstiger Reibung. In physikalischen Abhandlungen auf dem Gebiete der Zerspanung findet man auch z. B. oft den Begriff der "Arbeit per Volumeneinheit zersparrten Werkstoffes". Dies ist eine Größe, die mit dem spezifischen Schnittdruck identisch und unter diesem Namen dem Ingenieur wesent lich vertrauter ist. Es ist daher sehr erwünscht, daß eine Brücke ge schlagen wird zwischen Ingenieur und Physiker, und ich hoffe, daß das Buch auch dazu beitragen möge. Vorwort zur zweiten Auflage. VII Die physikalische Zerspanungslehre, die in den Vereinigten Staaten starkentwickelt wurde, hat uns wesentlich neue Erkenntnisse gebracht, indem sie z. B. zeigte, daß es möglich ist, Schnittdruckwerte aus dem Stauchfaktor ohne Versuche abzuleiten. Auch die Dimensionsanalyse (oder Ähnlichkeitsmechanik), die m. W. von mir erstmalig im Jahre 1939 auf die Zerspanung angewandt wurde, hat wesentliche neue Er kenntnisse auch hinsichtlich unerforschter Gebiete ermöglicht. Die Ausführungen über negative Spanwinkel und die Gründe für das Auftreten von Zugspannungen in der Spanfläche sind im zweiten Teil behandelt worden, obgleich sie teilweise in die theoretische Zer spanungslehre gehören. Besonderer Beachtung sei Diagramm Abb. 253 empfohlen, da aus ihm die wesentlichsten Beziehungen der augewandten Zerspanungs Jehre am leichtesten erkannt werden können. Wenn man sich dieses Diagramm einprägt, kann man viele Zusammenhänge leichter über sehen. Die Zerspanungsgesetze des Bohrens, Fräsens, Räumens usw., die sich in mancher Hinsicht aus denen des Drehens ableiten lassen, sollen im 2. Band behandelt werden. Einige solche Zusammenhänge lassen sich bereits aus der Geometrie der Schneide erkennen und sind daher in diesem Band behandelt. Für den täglichen Gebrauch in Werkstatt und Ingenieurbüro sind die wichtigsten Werte für Schnittgeschwindigkeit und Schnittdruck in Form von einfachen Tabellen und die wichtigsten Gleichungen für sie in Anhang A zusammengestellt; andere Tabellen sind in Anhang B zu finden. Bei der Abfassung der Neuauflage wurden Erkenntnisse und Er fahrungen, die in beruflicher Arbeit in zahlreichen Werkstätten und Laboratorien der metallverarbeitenden Industrien in den Vereinigten Staaten und in Europa angewendet wurden, so weit verwendet, wie es mit Rücksicht auf vertrauliche Behandlung angebracht erschien. Be nutzt wurde auch der Inhalt der Vorträge vor der American Society of Mechanical Engineers, der American Society of Tool Engineers, vor dem Massachusetts Institute of Technology, der University of Cali fornia in Berkeley und in Los Angeles und dem Verein Deutscher In genieure; gelegentlich wurde auch auf meine früheren Vorlesungen an der Technischen Hochschule Berlin über Werkzeugmaschinen und Zer spanung zurückgegriffen, ebenso auf eigene Veröffentlichungen in der Fachpresse. Da es nicht möglich ist, hier die vielen Firmen aufzuführen, mit denen mich Berufsarbeit zusammenführte, sei hier nur der Zusammenarbeit mit Ludw. Loewe & Co., Niles Werke Berlin, Magdeburger Werkzeug- VIII Vorwort zur zweiten Auflage. maschinen-Fabrik, Nema-Werke, Deutsche Reichsbahn, The Cincinnati Milling Machine Co., The R. K. Le Blond Machine Tool Co., The Bryant Chucking Grinder Co. und The United States Army Ordnance Corps als einigen der wichtigsten gedacht. Es ist mir eine angenehme Pflicht, den Herren Dr.-Ing. e. h. JuLius SPRINGER und Prof. Dr.-Ing. ÜTTO KIENZLE für die Anregung zur Ab fassung der Neuauflage und dem Springer-Verlag für die Ausstattung des Buches meinen Dank auszusprechen. Cincinnati (Ohio), im August 1954. M. Kronenberg. Preface to the Second Edition. One of the main objectives of the first edition of this book was the derivation of scientific metal cutting laws and their practical appli cation to the operation and design of machine tools. For this purpose cutting speed and cutting force factors (C v , CI r,) and exponents had been established as a means for determining a "common denominator" for evaluation and comparison of metal cutting data from the industrial countries. In this way machine shops and engineering offices were no Ionger limited to the use of data of an often accidental nature, but could refer to a logical system of information. The wide response accorded the first edition in the industrial coun tries, the translations into several foreign languages, and the fact that abstracts were published in leading textbooks such as Dubbel's Hand book, The Tool Engineers Handbook and others, may be taken as an indication that the principles had been accepted. Although the progress made in the machining of metals rendered it necessary to revise the new edition completely, it was possible to retain these earlier principles and to expand them for covering later results. Basic conclusions can be derived in this way and data developed for machine shop practice and for further research. As an example, KLOPSTOCK's cutting force investigations were again integrated with the tests by Stanton & Heyde (England) so that it was possible to establish formulas for the relationship between true rake and cutting force and to prepare from them simple cutting force tables which include-as before-the socalled "size effect". In a similar manner new cutting speed tables for ready use have been prepared on the basis of comparison and evaluation of data from various sources. The two machining constants (0", C,) and the cutting speed and cutting force laws have been so amended in this edition as to include the shape of the chip cross sectional area in addition to its magnitude (as in the first edition). In this way it was also possible to cover data, such as A WF 158-series, where the depth of cut was omitted, and to compare them with other data such as KLOPSTOCK's tests, which do not require extrapolation because they cover forces up to 20 000 lbs, or with the ASME data, BosToN's tests and many others. X Preface to the Second Edition. It will be seen from the test data and derivations for cutting speed and toollife that we are removing metal (in3fmin) at a rate of approxi mately 6 to 7 times the rate of 25 years ago. This development is due to the fact that we now have available tools and machine tools capable of withstanding and delivering 6 to 7 times the horsepower of earlier days. However, for a given material and a given tool geometry, the metal removal per korsepower (in3fminfHP) has not changed because the cutting force has not been affected by the above development. It is necessary to realize that the specific cutting force and the metal removal factor (in3fmin/HP) are nothing else but inverse values of the same quantity multiplied by a constant. It was held advisable to discuss this fact at the beginning of the chapter on cutting force, rather than in connection with cutting speed, because toollife does not enter here. The book is now divided into two major sections, one covering basic metal cutting science and the other covering applied metal cutting science. It will be noted that contributions to the basic metal cutting science are sometimes due to investigations by physicists rather than by engineers. Some difficulties arise from partly different terminologies of these two branches of science. Conslder the unfortunate use of the term "Coefficient of Friction" in metal cutting. Tool- and Production Engineers are used to associate a reduction in the coefficient of fric tion with a reduction in the friction force. In metal cutting, however, this relationship-in my opinion-is often inverted due to the plastic de formation of the gliding body (chip), a deformation, which does not occur in ordinary friction. Another such discrepancy derives from the term, used by physicists, "work done per unit volume of metal removed" which is identical with what is known to tool engineers as the "specific cutting force". On the other hand tool engineers sometimes do not appreciate the contributions by physicists. It is thus desirable to bridge the gap between tool engineer and physicist and it is hoped that this book will also be useful in this respect. Basic metal cutting science, due to rapid progress in the United Sta tes, has helped in finding new facts, as in the case of chip compression and cutting force. Dimensional analysis which to the author's knowledge had been applied by him for the firsttime to metal cutting (1939) has likewise greatly contributed to drawing conclusions and opening new approaches to research. Furthermore, the investigations of what is happening at the shear plane have shed new light on the problems and are covered in the section on basic metal cutting research, while the investigations on negative rakes and stresses in the tool face and on vibrations have been included in the section on applied metal cutting.