Rheinisch -Westfalische Akademie der Wissenschaften Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften Vortrage· N 255 Herausgegeben von der Rheinisch-Westfalischen Akademie der Wissenschaften ERICH POTTHOFF Grundrill einer speziellen Betriebswirtschaftslehre der Hochschule WILHELM KRELLE Wirtschaftliche Auswirkungen der Ausweitung des Bildungssystems in der Bundesrepublik Deutschland Westdeutscher Verlag 236. Sitzung am 1. Oktober 1975 in Diisseldorf © 1976 by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag GmbH ISBN-13: 978-3-531-08255-4 e-ISBN-13: 978-3-322-85689-0 DOl: 10.1007/978-3-322-85689-0 Inhalt Erich Potthoff, Dusseldorf GrundriB einer speziellen Betriebswirtschaftslehre der Hochschule Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7 1. Die wissenschaftliche Hochschule als Gegenstand der Betriebs- wirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8 2. Die Hochschule als zie10rientiertes System. . . . . . . . . . . . . . . . .. 10 3. Die verschiedenen Dimensionen der Hochschultatigkeit ...... 12 4. Zentrale Hochschulleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 18 Zusammenfassung ......................................... 21 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24 Diskussions bei trage Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Zerna; Prof. Dr. rer. pol. Erich Potthoff; Prof. Dr. rer. pol. Wolfgang Mannel; Prof. Dr. jur. Dr. phil. Ernst Wolfgang Bockenforde; Prof. Dr. rer. pol. Dres. h. c. Wilhelm Krelle; Prof. Dr. rer. pol. Ernst Helmstadter; Ministerialdirigent Eberhard Frhr. von Medem; Prof. Dr.rer. nat. Friedrich Hirzebruch; Prof. Dr. rer. nat. Gunther O. Schenck; Bergrat a. D. Prof. Dr.-Ing. Otto Dunbier; Dr. rer. pol. Heinz Bolsenkotter; Dr.jur. Carl Friedrich Curtius ....... 27 Wilhelm Krelle, Bonn Wirtschaftliche Auswirkungen der Ausweitung des Bildungssystems in der Bundesrepublik Deutschland 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 45 2. Untersuchte bildungspolitische Alternativen ................ 46 3. Die angewandten Methoden: Das Gesamtmodell . . . . . . . . . . .. 48 4. Oberblick uber die Teilmodelle .......................... 49 5. Die Hauptergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 62 6. Gesamtbeurteilung und Folgerungen ...................... 78 6 Inhalt Diskussionsbeitrage Prof. Dr. rer. pol. Joachim Griese; Prof. Dr. rer. pol. Dres. h. c. Wil helm Krelle; Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Fucks; Prof. Dr. rer. nat. Gunther O. Schenck; Dr. jur. Eberhard Firnhaber; Prof. Dr. phil. Martin SchmeiJ3er; Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Zerna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 79 GrundriB einer speziellen Betriebswirtschaftslehre der Hochschule Von Erich PotthojJ, Dusseldorf Einleitung Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in der Presse das Thema Hochschule behandelt wird. 1m Zeichen der knapper gewordenen Mittel der offentlichen Hand ruckt die Effizienz der Hochschule immer mehr in den Vordergrund der Diskussion. Auf Wiedergabe von Zahlen kann ver zichtet werden. Wichtig ist aber, daB wir zwei Probleme erkennen, mit denen sich die wissenschaftlichen Hochschulen gleichsam herausgefordert sehen. Das ist einmal die im Vergleich zu fruher viel groBere Zahl und zunachst noch weiter steigende Zahl von Studierenden, die zu einer qualifi zierten Berufsfahigkeit ausgebildet werden sollen. Zum anderen geht es urn eine Intensivierung der Forschung, da es fur die Industrielander wie die Bundesrepublik Deutschland in Zukunft wichtiger denn je wird, die Nutzung und Anwendung neuer technisch-wissenschaftlicher Erkennt nisse auf den Markten der Welt anzubieten. Wir stehen damit in Kon kurrenz zu anderen hochentwickelten Industrienationen. Nach Robert Oppenheimer leben heute 90% aller forschenden Naturwissenschaftler, die je existiert haben1• Beide Anspruche der Gesellschaft an die Universitat wirken wechselseitig aufeinander ein. Nicht nur die Hochschulen selbst brauchen einen hochqualifizierten Nachwuchs, sondern auch Wirtschaft und Gesellschaft, die steigende Anforderungen an das Wissen und Kon nen einer immer groBeren Zahl von Menschen stellen. Die Hochschul lehrer sind damit in zweifacher Weise angesprochen, als Bedienstete einerseits und als Wissenschaftler andererseits. Als Wissenschaftler miissen sie sich damit auseinandersetzen, inwieweit sie die Erkenntnisse aus den einschlagigen Disziplinen auch fiir die Institution genutzt und angewen det haben, die Grundlage ihrer Arbeit ist: ihre Hochschule. In welche Richtung diese Dberlegungen gehen k6nnen und sollten, sei im folgenden dargelegt2• Liest man die Veroffentlichungen zur Reform der Hochschule, so ist es iiberraschend, wieviele Stellen und Person en sich zu wievielen Fragen auBern. Die Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten zur Hochschule ist dagegen geringer. Sie beziehen sich auch nur auf bestimmte Teil- 8 Erich Potthoff probleme, z. B. Bauplanung, Probleme der KapaziHitsermittlung, Curriculumforschung, Fragen des Hochschul-Informations-Systems u. a. In den letztenJa hren entstanden allerdings verschiedene wissenschaftliche Einrichtungen, die sich ausschlieBlich mit Hochschulfragen beschaftigen. Die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS), Hannover, befaBt sich speziell mit den Fragen, die mit dem N amen umrissen sind. Die Ein richtung wurde ursprunglich von der Volkswagenstiftung finanziert und wird heute von den Landern weiter getragen. Das Stuttgarter Zentralarchiv fur Hochschulbau befaBte und befaBt sich mit den insoweit einschlagigen Fragen, insbesondere mit den Problemen der Planung und Nutzung. 1m Rahmen der Schriftenreihe Saarbrucker Studien zur Hochschulentwicklung (Hrsg. H. J. Schuster) hat sich auch die Hochschule des Saarlandes mit verschiedensten Probleme n der Hochschule befaBt. Auch die yom Bayerischen Staatsinstitut fur Hochschulforschung und Hochschulplanung (Lei tung: Th. Finkenstaedt) herausgegebenen Materialien liefern interes sante Beitrage zur Hochschulforschung. Neben diesen Einrichtungen darf man aber nicht die zahlreichen Arbeits-und Projektgruppen an verschie denen Hochschulen vergessen, die vor allem im Zusammenhang mit der Lasung der Kapazitatsprobleme gebildet wurden (z. B. Mann heimer und Hamburger Gruppe), sowie die Arbeiten von verschiedenen Einzelpersonen, die sich aus persanlichem Engagement heraus mit den Problemen der Hochschule befaBt haben. Nicht zuletzt sind die Empfeh lungen des Wissenschaftsrats fur die wissenschaftlichen Hochschulen zu erwahnen. Ein Vergleich mit dem westlichen Ausland, insbesondere mit den USA, macht aber deutlich, daB bei uns die Forschung zum Hochschul bereich noch groBe Lucken aufweist. Auffallig ist, daB sich die Betriebs wirtschaftslehre in der Bundesrepublik mit diesem Komplex bislang so gut wie gar nicht befaBt hat. Das heiBt nicht, daB nicht immer wieder Hinweise in dieser Richtung gekommen sind, insbesondere auch aus den Arbeiten im Bereich der Bildungsakonomie. 1. Die wissenschaftliche Hochschule als Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre Es ist zu verstehen, daB die Betriebswirtschaftslehre die Tatigkeits bereiche der kaufmiinnischen Unternehmung bevorzugt. Dort spiel en sich die produktionswirtschaftlichen, absatzwirtschaftlichen und finanzwirt schaftlichen Prozesse ab, fur die als Modell das erwerbswirtschaftliche PrindP mit dem Streben nach einem maglichst hohen Gewinn unterstellt werden kann. Grunclri6 einer speziellen Betriebswirtschaftslehre cler Hmnschule 9 Den Betriebswirten ist aber ebenso gegenwartig, daB die Wirklichkeit nicht nur diesen Betriebstyp kennt. In den westlichen Landern gibt es z. B. gemeinwirtschaftliche oder gemeinnutzige Unternehmen ebenso wie die zahlreichen Betriebe der offentlichen Hand, die aufgrund ihrer Sat zung oder ihres offentlichen Auftrags nur einen angemessenen Gewinn oder nur Kostendeckung erzielen durfen. Oft sind sie reine ZuschuBbetriebe, fur die nicht Gewinnmaximierung, sondern die Verlustminimierung ent scheidend ist. So bedarf es keiner weiteren Begrundung, daB wir auch wissenschaftliche Hochschulen als Betriebe zum Erkenntnisobjekt der Betriebs wirtschaftslehre zahlen durfen. Eine andere Frage ist, ob sich die betriebs wirtschaftliche Betrachtung nur auf die wirtschaftlichen Fragen erstrek ken solI. Ein groBer Teil der betriebswirtschaftlichen Hochschullehrer sieht im Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre nicht den Betrieb schlechthin, sondern nur die wirtschaftliche Seite des Betriebes und des Betriebsprozesses. Technische, rechtliche, soziologische, psychologische Fragen bleiben nach dieser Vorstellung ausgeklammert und gehoren in das Untersuchungsgebiet anderer wissenschaftlicher Disziplinen. Dieser alte Streit des Faches wurde bereits in den 20er Jahren aus giebig ausgetragen. Es geht vor allem darum, ob nicht der Mensch mit seinen vielfaltigen Beziehungen in die Betriebswirtschaftslehre einbezogen werden muB. Heute gibt es wieder namhafte Vertreter des Faches, die sich gegen die nur wirtschajtliche Betrachtung des Betriebes wenden. Teil weise stell en sie die Gultigkeit der Gewinnmaximierungshypothese in Frage. Dazu gehoren insbesondere die Vertreter der entscheidungsorien tierten und systemorientierten Betriebswirtschaftslehre. Der systemtheoretische Ansatz ist fur unsere Uberlegungen besonders nutzlich, da mit ihm versucht wird, fUr Betriebe ein Ordnungssystem darzustellen, das eine systematische Aufgliederung des Forschungs- und Lehrgebietes ermoglicht, ohne die Zusammenhange der vielen Teil bereiche zu vernachlassigen. Eine so verstandene Betriebswirtschaftslehre kehrt damit nach Gunter Wohe zu Schmalenbachs methodischem Ausgangs punkt zuruck: "Sie wird Kunstlehre, die der Praxis Anleitungen in Form von Modellosungen anbietet. Dieser neue Pragmatismus in der Betriebs wirtschaftslehre unterscheidet sich allerdings von dem fruherer Jahr zehnte in der Qualitat seiner Rezepte: sie werden auf der Basis des theo retischen Wissens einer ganzen Anzahl von Disziplinen entwickelt. "3 So glauben wir denn auch zeigen zu konnen, daB der systemtheore tische Ansatz es erlaubt, die Probleme des Komplexes Hochschule besser zu losen, als das bis jetzt der Fall ist. Gleichwohl ist den Kritikern der Systemtheorie in ihrer Anwendung fur die Betriebswirtschaft zuzu- 10 Erich Potthoff stimmen, daB sie als Formalwissenschaft selbst keine inhaltlichen Aussagen geben kann. Der Systembegriff ist zu allgemein und zu unbestimmt. Erich Kosiol weist aber in seinen kritischen Ausftihrungen auf den fur uns entscheidenden Punkt hin, daB die Systemtheorie eine gute Grund lage fur die interdisziplinare Forschung ist. Daruber hinaus erlaubt die Systemvorstellung, wie Hans Ulrich formuliert, "vorurteilsfrei und nur mit einigen wenigen Grundbegriffen ausgerustet, an die Vielfalt der wirklichen Erscheinungen heranzugehen und sie in ihrem Aufbau und ihrem Verhalten nach formal en Kategorien zu analysieren"4. Der wirt schaftliche Gesichtspunkt verliert damit seinen zentralen Platz, ohne daB er entfallt. Er ist jetzt Grundlage einer - allerdings wichtigen - Be trachtungsweise unter verschiedenen anderen. In den nachfolgenden Ausfuhrungen solI versucht werden, aus der hier geschilderten Sicht die betriebswirtschaftlichen Fragen zu erortern, die speziell fur die Hochschule, und zwar die groBe Hochschule mit 5000 und mehr Studenten, gelten. Soweit ich dabei auf Detailprobleme und ihre moglichen Losungen eingehe, kann ich nur begrenzt auf spe zielle Forschungsergebnisse im Hochschulbereich zuruckgreifen. Be triebswirtschaftliche Erfahrungen aus anderen nicht erwerbswirtschaft lich ausgerichteten offentlichen Betrieben, z. B. Theatern, Rundfunk anstalten, Krankenhausern, bestarken mich aber darin, den GrundriB einer speziellen Betriebswirtschaftslehre der Hochschule als moglich aufzuzeigen. Ich beschranke mich auf die Hochschulziele, die verschie denen Dimensionen der Hochschultatigkeit und die zentrale Hochschul leitung. Es fehlt eine spezielle Erorterung der typischen Betriebsfunktionen: der Beschaffung, Leistungserstellung, des Absatzes und der Finanzie rungen. 1m Hinblick auf den knappen Raum und das Ziel dieser Aus fuhrungen kann jedoch darauf verzichtet werden. 2. Die Hochschule als zielorientiertes System Vom Systemansatz her ist die Hochschule ein zielorientiertes System; sie ist ebenso wie der Betrieb in der Wirtschaft ein kiinstlich geschaffenes Gebilde, das keinen naturlichen oder Selbstzweck hat und daher nur "uberleben" kann, wenn es durch seine Aktivitat Funktionen fur andere Systeme - also die Umwelt - ausubt. Das entsprechende Handeln ver langt Ziele, wonach sich die einzelnen Tatigkeiten rich ten konnen. Wahrend die Unternehmungen in der Wirtschaft in der Zielsetzung weitgehend autonom sind, sind der Hochschule Ziele vorgegeben, die als