Grundriß der Augenheilkunde Grundriß der Augenheilkunde Mit einem Repetitorium für Studenten Begründet von F. Schieck Fortgeführt von E. Engelking 15. völlig neu bearbeitete Auflage von W. Leydhecker Mit 280 zum Teil farbigen Abbildungen in 343 Einzeldarstellungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1968 Professor Dr. WOLF GANG LEYDHECKER Direktor der Universitäts-Augenklinik Würz burg ISBN 978-3-662-41606-8 ISBN 978-3-662-41605-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-41605-1 Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Springer-Verlages übersetzt oder in irgendeiner Form vervielfältigt werden. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1968. Library of Congress Catalog Card Number 68-3090l. Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1968. Softcover reprint of the hardcover 15th edition 1968 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. - Tite1-Nr. 0209 Vorwort zur fünfzehnten Auflage Gern bin ich der Aufforderung Herrn Prof. ENGEL KINGS und des Springer Verlages gefolgt, die neue Auflage dieses Grundrisses zu bearbeiten. Der Zweck die ses kurzen, von SCHIECK begründeten Buches, blieb unverändert: Dem Studierenden und dem praktischen Arzt soll ein Leitfaden gegeben werden, um sich mit den wichtigsten Fragen der Augenheilkunde vertraut zu machen. Was ist wichtig? Besonders wichtig sind Krankheiten, deren Verkennen eine Gefahr für das Leben oder das Sehvermögen bildet oder die durch die Übertragbar keit andere Menschen gefährden. Wichtig sind ferner Krankheiten, die besonders häufig sind und die der Nichtaugenarzt deshalb kennen soll, oder die der praktische Arzt selbst behandeln kann, wenn kein Facharzt erreichbar ist, sowie Augenverände rungen, die dem praktischen Arzt bei dem Erkennen von Allgemeinleiden nützen können. In jedem Kapitel habe ich mich bemüht, nach einer kurzen Schilderung der normalen Anatomie das Wichtigste zuerst zu bringen, wenn es möglich war. Der Text der 15.Auflage wurde fast völlig neu geschrieben. Abbildungen steuerten die Univ.-Augenkliniken Bonn-Venusberg (Direktor Prof. Dr. SIEBECK) und Essen (Direktor Prof. Dr. MEYER-SCHWICKERATH) bei, ferner die Firmen Haag-Streit (Bielefeld bei Bern, Schweiz), Klein (Heidelberg), Möller (Wedel), üculus (Dutenhofen) und Zeiss (überkochen). Neue Zeichnungen stammen von Herrn HEINRICH (Heidelberg), einige histologische Zeichnungen von Herrn Dr. MATHYL (Würzburg). Die Abbildungen 241 und 242 sind einer Arbeit des Ver fassers mit freundlicher Genehmigung des Enke -Verlages entnommen. Herr Dr. WIDDER (Graz) und Frau GREGOR-SCHIESS (Bad Godesberg) haben das Manuskript in sprachlicher Hinsicht geprüft. Herr Prof. Dr. HENSCHLER (Würzburg) hat es in pharmakologischer Hinsicht durchgesehen. Ihnen allen danke ich für die Hilfe. Dem Verlag danke ich für das bereitwillige Eingehen auf meine Wünsche bei der Aus stattung des Werkes. Würzburg, Juli 1968 W. LEYDHECKER Inhaltsverzeichnis Die Augenheilkunde . . . 1 Das Sehorgan . . . . . . . . . . . 1 Der intraokulare Flüssigkeitswechsel 11 Die Untersuchungsmethoden des Auges 11 Objektive Untersuchungsmethoden . 11 Subjektive Untersuchungsmethoden 21 Die Refraktion. . . 36 Die Akkommodation 50 Die Erkrankungen der Lider 52 Störungen der Stellung und Beweglichkeit 54 Entzündungen der Lider . . . . 57 Tumoren der Lider . . . . . . 60 Die Erkrankungen der Tränenorgane 62 Die Erkrankungen der Bindehaut . 66 Entzündungen der Bindehaut . 68 Degenerationen der Bindehaut 79 Tumoren der Bindehaut . . 80 Die Erkrankungen der Hornhaut 81 Verletzungen . . . . . . . 83 Hornhautentzündungen 86 Degenerative Veränderungen 97 Anomalien der Größe und Wölbung der Hornhaut 98 Die Hornhauttransplantation 99 Die Erkrankungen der Lederhaut . 100 Die Erkrankungen der Linse . 101 Erworbene Starformen . 104 Angeborene Starformen 109 Star bei Jugendlichen .. 109 Operationen. . . . . . 111 Allgemeines zur Operation 113 Die Erkrankungen der Iris und des Corpus ciliare 115 Die Entzündung der Iris (Iritis) 117 Verletzungen der Iris. . . . 123 Tumoren der Iris . . . . . 125 Die Erkrankungen der Aderhaut 125 Die Pupille. . . 130 Der Glaskörper. 133 VIII Inhaltsverzeichnis Die Erkrankungen der Netzhaut ...... . 134 Das ophthalmoskopische Bild; Lebensalter, Refraktion 137 Ablösung der Netzhaut (Amotio oder Ablatio retinae) 139 Tumoren ..... . 143 Zirkulationsstörungen 146 Degenerationen 153 Entzündungen. 155 Verletzungen . 158 Mißbildungen . 158 Die Erkrankungen des Sehnerven 159 Die Erkrankungen der Sehbahn. 165 Das Glaukom 169 Sekundäre Glaukome 177 Primäre Glaukome 177 Hydrophthalmie, kindliches Glaukom 190 Die Orbita 192 Entzündungen. . . . . . . . . . . 194 Endokriner Exophthalmus . . . . . 195 Augenmuskellähmung (Strabismus parayticus) 196 Unterschiede zwischen Begleitschielen und Augenmuskellähmung . 205 Schielen (Strabismus concomitans) 206 Entwicklungsgeschichte des Auges 213 Die Mißbildungen des Auges 216 Erbliche Augenleiden . . . 218 Die Verletzungen des Auges 218 Begutachtung und Berufskrankheiten 222 Fürsorge für Blinde und Schwachsichtige 226 Repetitorium 231 Sachverzeichnis 242 Die Augenheilkunde Die Augenheilkunde bietet einige Besonderheiten. Die Feinheit und Empfindlich keit des Organs verbieten Derbheit bei der Untersuchung und Behandlung. Das Auge ist klein, bei vielen Operationen trägt der Arzt vergrößernde Sehhilfen oder blickt durch das Operationsmikroskop. Man könnte das Operieren mit einer Fein mechaniker-Arbeit vergleichen, wenn nicht die seelische Belastung für Patient und Arzt so groß wäre. Die Untersuchung der durchsichtigen Teile erfolgt im optischen Schnitt des Spaltlampenlichtes mit dem Untersuchungsmikroskop. Den Augenhinter grund sieht man bei der üblichen Betrachtung mit dem Augenspiegel bereits 16fach vergrößert, mit dem Untersuchungsmikroskop noch weit größer. In der Hornhaut erkennt der Arzt ohne weiteres Nerven, in der Retina Kapillaren. Diese ganz regel mäßig erhobenen Befunde im mikroskopischen Bereich kennen andere Fächer der Medizin nicht. Die Schönheit der Strukturen erfüllt den Betrachter mit Ehrfurcht vor der Schöpfung. Die Möglichkeit so klare Befunde zu erheben, veranlaßt ihn zu exaktem Beobachten und genauem ätiologischem und therapeutischem Denken. Die wertvollsten Quadratmillimeter des Körpers sind die beiden Fovex centrales. Der hohe Wert des Auges legt dem Arzt eine besonders große Verantwortung auf. Das therapeutische Risiko ist groß. Ohne angewandte Psychologie, ohne Taktgefühl kann man nicht Augenarzt sein. Mit der Gesamtmedizin ist die Augenheilkunde innig verflochten. Viele Allge meinleiden bewirken Augenveränderungen. Diagnose und Therapie des Augenarztes führen ihn so täglich über sein Fach hinaus. Von den 12 Hirnnerven sind 6 am Auge und seinen Hilfsorganen beteiligt. Dadurch ist die Verflechtung mit der Neurologie besonders eng. Das Auge ist ja ein vorgeschobener Gehirnteil. Mit der Hals-Nasen Ohrenheilkunde bestehen enge Beziehungen wegen der Nebenhöhlen, die dicht an das Auge heranreichen, mit der Dermatologie wegen der häufigen Erkrankungen der Lidhaut und Bindehaut. Der Wissenschaftler wird zum Studium des Auges vieler wei terer Wissensgebiete bedürfen: Der Physiologie, Chemie, Physik, Optik, Immuno logie, Histologie, Psychologie und Statistik, um nur einige zu nennen. So betrachtet, ist die Augenheilkunde ein faszinierendes, klares und ästhetisches Arbeitsgebiet im Schnittpunkt vieler Wissenschaftszweige, das man nie auslernt, das große Verant wortung und tiefe Freude bringt, wenn man dem Kranken helfen kann. Das Sehorgan Das Sehorgan besteht aus den beiden Augen mit ihren Schutz-und Hilfsorganen, aus den Sehbahnen und Sehzentren. Der Augapfel enthält als wichtigsten Teil des Sehorgans die lichtempfindliche Netzhaut. Sie ist ein nach vorn geschobener Hirnteil mit mehreren hintereinandergeschal teten Neuronen. Die adäquaten Reize sind elektromagnetische Wellen von etwa 400 bis 800 mp,. Bei jeder Blickrichtung ist den einzelnen Netzhautstellen ein be- 1 a Leydhecker, Grundriß der Augenheilkunde, 15. Aufl. 2 Das Sehorgan stimmter Ort im Raum zugeordnet: sie haben einen Raumwert. Die räumliche Unter scheidung und Ordnung der durch das einfallende Licht bedingten Sinneseindrücke nennen wir Sehen. Der Augapfel enthält bildentwerfende und bildaufnehmende Organe. Zu den ersteren rechnen die brechenden Medien: Hornhaut und Linse. Das bildaufnehmende Organ ist die Netzhaut (Retina). In ihr wird der plysikalische Reiz mittels photo chemischer Prozesse in einen nervö'sen Reiz umgewandelt. Der ihn weiterleitende Sehnerv (Nervus opticus, anatomisch richtiger: Fasciculus opticus), das Chiasma nervorum, die Tractus optici und intracerebralen Bahnen über den Thalamus opticus und die Netzhaut unJ J.himcr AJcrh.ut K.mmcrwinkcl \ "~ E E " . --. ---Zonub "c" ~ Vordere SehnervenpapIlle ---- ;:. \'. chncrvcn~ cheide Glaskörpcrraum ornca. ~~4 klcr. _ . _____ Corpus eili,," Limbus / onjunctiva bulbi Abb. 1. Waagrechter schematischer Durchschnitt durch den linken Augapfel, von oben gesehen Gratioletsche Sehstrahlung bis in die Hinterhauptsrinde bilden die nervö'se Leitung. Hier, im Sehzentrum, befinden sich die Substrate der bewußten Lichtempfindung. Eine Anzahl übergeordneter Bahnen, die von hier ausgehen und das Sehzentrum mit ande ren Hirnteilen verbinden, sorgen für die weitere Verarbeitung der optischen Ein drücke und ihre Einordnung in den Gesamtkomplex der Erfahrung (p{Jchische Leitung). Jeder überschwellige Lichtreiz, der zur Hirnrinde gelangt, hinterläßt wahr scheinlich in ihren Zentren gewisse dauernde Veränderungen (Engramme). Der Augapfel erhält seine Gestalt durch eine kugelförmige Hülle festen Bindege webes, die vorn von der durchsichtigen Hornhaut (Cornea), im übrigen von der weißen Lederhaut (Sklera) gebildet wird. Die Hornhautkrümmung hat einen etwas kürzeren Radius (8 mm = 42 dpt) als die übrige Bulbuskapsel, so daß die Cornea wie ein Uhrglas der Bulbuswandung eingefügt ist. An ihrem Rand befindet sich deshalb eine seichte Rinne (Limbus corneae). Der horizontale Durchmesser der durchsichtigen Hornhaut (nicht etwa mit dem Krümmungsdurchmesser zu verwechseln!) beträgt Der Kammerwinkel 3 etwa 11,5 mm (Normalwerte 10-13 mm), die sagittale Achse des normalen Auges etwa24mm. Das Auge des Neugeborenen, obwohl bereits relativ sehr weit entwickelt, ist gegenüber dem des Erwachsenen viel kürzer. Seine Achsenlänge beträgt nur etwa 17 mm. Hornhaut und Linse sind entsprechend stärker gewölbt. Trotzdem ist das Neugeborenenauge in der Regel hypermetrop, auch wenn es später emmetrop oder myop wird. Der Hornhautdurch messer bei Neugeborenen beträgt 8-10 mm (wichtig für die Diagnose der Hydroph thalmie!). Hinter der Cornea liegt die vordere Augenkammer, die begrenzt wird von der Horn hauthinterfläche, dem Kammerwinkel, der Irisvorderfläche und, im Bereich der schwarzen Pupille, der Linsenvorderfläche (Abb. 1-3). Abb. 2. Temporale Hälfte des rechten Augapfels (nach einem Lehrmodell. Die Linse ist nicht durchschnitten). Lb Linsenaufhängebänder, zirkulär um den Linsenrand angeordnet; R Regenbogenhaut; L Linse; P Pupille; H Hornhaut; Vk vordere Augenkammer; G innerer, vom Glaskörper ausgefüllter Hohlraum; Lh Lederhaut; A Aderhaut; N Netzhaut (dazwischen Pigmentschicht); S Sehnerv; SE Sehnerveneintritt; F Stelle des schärfsten Sehens (Fovea) Der funktionell wichtige Kammerwinkel befindet sich dort, wo die Hornhaut rückfläche zur Iris umbiegt. Er ist unseren Blicken entzogen, weil die weiße Lederhaut vorn etwas auf Kosten der durchsichtigen Hornhautoberfläche übergreift und den Kammerwinkel verdeckt. Die Umschlagstelle der Hornhaut zur Iris wird vom Trabeculum corneo-sclerale gebildet. Dem Kammerwinkel entlang und von diesem durch das Trabekelwerk getrennt zieht in den tieferen Lagen der Hornhaut-Leder hautlamellen der Schlemmsche Kanal. Er bildet einen ringförmigen Sinus. Das Kammerwasser fließt durch die schwammähnlichen Trabekel in den Schlemmschen Kanal und verläßt ihn über 20-30 Abflußkanälchen, die teils in den tiefen intra skleralen Venenplexus, teils in oberflächliche Bindehautvenen münden. 1*