Rheinisch -Westfalische Akademie der Wissenschaften N atur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften Vortrage . N 261 Herausgegeben von der Rheinisch-Westfiilischen Akademie der Wissenschaften HORST E. MUSER Grundlagen und Anwendungen der Ferroe1ektrizitat HEINZ BITTEL Das Rauschen, ein ebenso interessantes wie stbrendes Phanomen Westdeutscher Verlag 238. Sitzung am 3. Dezember 1975 in Di.isseldorf © 1976 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag GmbH ISBN-13: 978-3-531-08261-5 e-ISBN-13: 978-3-322-85685-2 DOl: 10.1007/978-3-322-85685-2 Inhalt Horst E. Miiser, Saarbrucken Grundlagen und Anwendungen der Ferroelektrizitat 1. Einleitung............................................ 7 2. Die auffalligsten Erscheinungen der Ferroelektrizitat . . . . . . . . 7 3. Umwandlungen vom Verschiebungstyp................... 11 4. Ordnungs-U nordnungs-U mwandIungen. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 14 5. Experimentelle Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 a) Dielektrische Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 b) NMR-Spektroskopie ................................ 20 c) Lichtstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23 d) Unelastische Neutronenstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25 6. Anwendungen ......................................... 26 a) Dielektrische Eigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27 b) Piezoeffekt......................................... 28 c) PyroeHekt ......................................... 33 d) Leitfahigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33 e) Elektro-optischer Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 34 f) Informationsspeicherung............................. 36 Heinz Bittel, Munster/Westf. Das Rauschen, ein ebenso interessantes wie storendes Phanomen Einfuhrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39 Schwankungen im thermischen Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . .. 42 Strombelastete HaIbleiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 45 Rauscht ein Zweipol starker, wenn kein Gleichgewicht herrscht? 46 Stromrauschen von Schichtwiderstanden .................... , 48 6 Inhalt Das 1f /-Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 50 Thermische Effekte, thermische Riickkopplung . . . . . . . . . . . . . .. 54 SchluBbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 59 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 60 Summary............................................... 61 Resume................................................. 62 Diskussionsbeitrage Professor Dr.-Ing. Herbert Doring; Professor Dr. Horst E. Muser; Professor Dr. phil. Henricus P. J. Wij"n; Professor Dr. phil. Dres. h. c. Heinz Bittel; Professor Dr. rer. nat. Karl-August Hempel; Pro fessor Dr. rer. nat. Rudolf-Wilhelm Larenz; Professor Dr. rer. nat. Hans-Jiirgen Engel!; Professor Dr. rer. nat. Werner Schreyer. . . . . .. 63 Grundlagen und Anwendungen der Ferroe1ektrizitat Von Horst E. Muser, Saarbrticken 1. Einleitung Die Ferroelektrizitat ist ein Gebiet, das sich gegenwartig noch immer im Wachstum befindet. Die Theorie der Phasenumwandlung steht in der heutigen Physik mit im Mittelpunkt des Interesses. Die Ferroelektrizitat liefert hierfiir eine variantenreiche FolIe von Beispielen, die bisher bei wei tern noch nicht aIle verstanden werden. Die besonderen Eigenschaften der Ferroelektrika werden bereits in groBem Umfang praktisch ausge nutzt. Eine Vielzahl weiterer Anwendungsmoglichkeiten befindet sich noch im Forschungs- oder Entwicklungsstadium. Selbst wenn nicht aIle diese Arbeiten zu einem erfolgreichen AbschluB gebracht werden konnen, so ist doch eine wesentliche Ausweitung der Anwendungen mit Sicher heit zu erwarten. Es ist unmoglich, ein derart umfassendes Thema in dieser kurzen Ab handlung auch nur einigermaBen erschopfend darzustellen. Statt dessen kann hier nur ein kurzer Uberblick tiber die Eigenschaften der Ferro elektrika mit einer vereinfachten Begrtindung und der Darstellung einiger wesentlicher Untersuchungsmethoden zur Erforschung ihrer Grundlagen gegeben werden, an den sich eine Skizzierung der wichtigsten Anwen dungen und zuktinftigen Anwendungsmoglichkeiten anschlieBt. Unbe rticksichtigt bleiben dabei die "uneigentlichen" (improper) Ferroelek trika und die verwandten Gebiete der Antiferroelektrizitat und der in jtingster Zeit entdeckten Ferrielektrizitat. 2. Die auffiilligsten Erscheinungen der Ferroelektri;::,itiit J edermann kennt das Gesetz, daB sich positive und negative Ladungen gegenseitig anziehen. In ferroelektrischen Kristallen scheint dieses Ge setz auf den ersten Blick nicht gtiltig zu sein: Ohne auBere Eingriffe trennen sich Ladungen entgegengesetzten Vorzeichens voneinander. Es bildet sich eine spontane Polarisation aus. Verschieben sich aber die posi tiven Ladungen einheitlich in einer bestimmten Richtung, die negativen Ladungen in der entgegengesetzten Richtung, so entsteht an gegentiber- 8 Horst E. Miiser liegenden Oberflachen eine Polarisationsladungsdichte, von der elek trische Feldlinien ausgehen, die einerseits die Polarisation im Material schwachen, andererseits freie Ladungen aus der Umgebung anziehen, wodurch die Polarisationsladung kompensiert wird. 1st die Umgebung verhaltnismaBig gut isolierend, so entstehen feine Domanen (Bereiche mit unterschiedlicher Richtung der spontanen Polarisation analog zu den WEIssschen Bezirken in den Ferromagnetika), so daB die Gesamtenergie aus Streufeld- und Wandenergie minimal wird. Bei Kristallen mit kurzgeschlossenen Oberflachen ist theoretisch ein Eindomanenkristall zu erwarten. Tatsachlich treten auch hier infolge von lnhomogenitaten Domanen auf. 1m Gleichgewicht ist jedoch stets die Polarisationsladung in der Oberflache durch freie Ladungen kompensiert. In der Nahe der Temperatur, in der die spontane Polarisation auft ritt, kann durch schwache auBere Einfliisse eine relativ starke Polarisation erzeugt werden. In der Nahe der Umwandlungstemperatur sind daher die Ferroelektrika hoch dielektrisch und stark piezoelektrisch. AuBerdem treten im ferroelektrischen Bereich bei geringfiigigen Temperaturande rungen starke Polarisationsanderungen auf, d. h., es ist ein starker pyro elektrischer Effekt vorhanden. Durch starkere auBere Eingriffe kann die Richtung der spontanen Polarisation umgepolt werden. Ferroelektrika sind also Pyroelektrika, deren Polarisation durch auBere MaBnahmen (elektrisches Feld, mechanische Spannung) umgepolt wer den kann. In der Regel findet bei einer bestimmten Temperatur To, dem Curie-Punkt, ein Ubergang von einer ferroelektrischen Tie£temperatur phase zu einer unpolaren (parelektrischen) Hochtemperaturphase statt. Bei Annaherung an den Curie-Punkt von hohen Temperaturen her be obachtet man einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen der elektri schen Feldstarke E und der dielektrischen Verschiebung D, nach Unter schreitung des Curie-Punktes eine Hystereseerscheinung. 1m allgemeinen folgt die Dielektrizitatskonstante (DK) in der Nahe des Curie-Punktes einem Curie-WeiB-Gesetz C + --- 8 = 800 (1) T-Tc im paraelektrischen bzw. + --C-' - 8 = 800 (2) T;-T im ferroelektrischen Gebiet. C und Tc bzw. C' und T; heiBen parelek trische bzw. ferroelektrische Curie-Konstante und Curie-Temperatur. Grundlagen und Anwendungen der Ferroelektrizitat 9 Die Phasenumwandlung kann 1. oder 2. Art sein. Einige charakteri stische Unterschiede sind in Abb. 1 zusammengestellt. Remanente und spontane Polarisation unterscheiden sich im allgemeinen nur wenig. Wahrend bei Umwandlungen 1. Art die Curie-Temperaturen Tc und T~ prinzipiell untereinander und von den durch eine thermische Hy sterese aufgespaltenen U mwandlungstemperaturen To und T~ verschie den sind, sollten bei einer Umwandlung 2. Art T" T; und To zusammen fallen. Tatsachlich ist aber auch bei Umwandlungen 2. Art in der Regel Tc < To < T;. a)Oielektrische Nichtline-b) Curie-Weil3-Gesetz c) spontane Polarisation aritat bzw. sterese Umwandlung 1. Art E , , , , , , Te ToT6 T~ T T 1/£ Umwandlung E 2.Art 1(; ToT~ T To T Abb. 1: Dielektrische Nichtlinearitiit bzw. Hysterese, CURIE-WEIss-Gesetz und spon tane Polarisation in der Niihe der Umwandlungstemperatur fUr Ferroelektrika mit einer Umwandlung I. Art (mit latenter Umwandlungswiirme) und 2. Art (mit einem Sprung in der spezifischen Wiirmekapazitiit), schematisch. Die charakteristischen Temperaturen sind stark von KristallstOrungen abhangig. Daher konnen durch Inhomogenitaten die thermische Hy sterese und die sprunghafte Anderung der spontanen Polarisation bei Umwandlungen 1. Art so verschmiert werden, daB die Art der Umwand lung experimentell nicht ohne wei teres ermittelt werden kann, zumal durch Verunreinigungen auch bei Substanzen mit einer Umwandlung 2. Art thermische Hystereseerscheinungen verursacht werden konnen. Die Kristallsymmetrie wird durch die Ferroelektrizitat stets erniedrigt. Alle Ferroelektrika gehoren zu den 10 pyroelektrischen Kristallklassen. Orthogonal zur ferroelektrischen Achse sind haufig keine oder nur gering fiigige dielektrische Anomalien zu beobachten. 1st die parelektrische Phase kubisch, so konnen in einem Einkristall natiirlich verschiedene
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