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Grundlagen psychosozialer Beratung: Ein modelltheoretischer Entwurf zur Neubestimmung psychischer Störungen PDF

291 Pages·1989·15.138 MB·German
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Hans Zygowski Grundlagen psychosozialer Beratung Beiträge zur psychologischen Forschung Band 18 Westdeutscher Verlag Hans Zygowski Grundlagen psychosozialer Beratung Ein modell theoretischer Entwurf zur Neubestimmung psychischer Störungen Westdeutscher Verlag CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Zygowski, Hans: Grundlagen psychosozialer Beratung: ein modelltheoretischer Entwurf zur Neu bestimmung psychischer Störungen I Hans Zygowski. - Opladen: Westdt. Verl., 1989 (Beiträge zur psychologischen Forschung, Bd. 18) ISBN 978-3-531-12069-0 ISBN 978-3-322-94172-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-94172-5 NE:GT Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann. Alle Rechte vorbehalten © 1989 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urbeberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, übersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Hanswerner Klein, Opladen ISSN 0932-5263 ISBN 978-3-531-12069-0 Inhalt 1. Einleitung ......................................................................... 9 2. Die Psychiatriereform in der Bundesrepublik Deutschland .................................................................... 13 2.1 Die kustodiale PSYChiatrie als Anachronis- mus ........................................................................ 13 2.2 Die Psychiatrie - Enquete ........................................ 15 2.3 Das Konzept der Gemeindenähe als reform- Ieitende Perspektive ................................................ 18 2.3.1 Der Begriff der Gemeinde ............................................. 22 2.3.1.1 Gemeinde als autonome Gemeinschaft ................ 25 2.3.1.2 Gemeinde als Versorgungsraum ........................... 28 2.4 Die Ergebnisse der Reform ..................................... 30 2.4.1 Modernisierung .............................................................. 30 2.4.2 Therapeutisierung .......................................................... 32 2.4.3 Institutionalisierung ........................................................ 34 2.4.4 Ökonomisierung ............................................................. 38 2.5 Zusammenfassende Beurteilung .............................. 40 3. Darstellung und Kritik zentraler Modelle der Er- klärung psychiSCher Störungen ....................................... .43 3.1 Vorbemerkung zur Modelltypologie .......................... 43 3.2 Das medizinische Modell ......................................... 47 3.3 Das abweichungstheoretische Modell ...................... 55 3.4 Das psychotherapeutische Modell ........................... 64 3.5 Das soziogenetisch - politische Modell .................... 76 3.6 Multifaktorielle Störungsmodelle .............................. 81 5 4. Das Modell psychosozialer Belastung .............................. 90 4.1 Die gesellschaftliche Vermittlung psychoso- zialer Belastungen ................................................... 90 4.1.1 Sozioökonomische Grundlagen psychosozialer Widersprüche ................................................................. 93 4.1.2 Charaktermaske, Individualitätsform und per- sönliches Individuum ..................................................... 97 4.1.3 Die Sozialisation zur Individualitätsform als Pro· blem ............................................................................. 100 4.1.4 Psychische Störungen als Produkt psycho- sozialer Ambivalenzen ................................................. 108 4.2 Traditionelle Belastungs - und Ambivalenz- konzepte ................................................................ 111 4.2.1 Der Belastungsbegriff in der arbeitswissen- schaftlichen Tradition ................................................... 111 4.2.2 Die sozialepidemiologische Belastungsfor· schung ......................................................................... 112 4.2.3 Streßtheoretische Belastungskonzepte ........................ 117 4.2.3.1 Reaktionsbezogene Streßkonzepte ...................... 119 4.2.3.2 Situationsbezogene Streßkonzepte ...................... 120 4.2.3.3 Kognitiv - transaktionale Streßkonzepte ............... 123 4.2.3.4 Kritik des streßtheoretischen Belastungsan· satzes ................................................................... 127 4.2.4 Psychoanalytische Konflikt - und Ambivalenz- konzepte ...................................................................... 132 4.2.4.1 Psychodynamische Konfliktkonstellationen .......... 132 4.2.4.2 Psychiatrische und psychoanalytische Ambi· valenzkonzepte .................................................... 137 4.2.4.3 Kritik der psychonalytischen Konfliktlehre ........... 140 4.3 Widersprüche in der produktiven Verwen dung der Individualitätsform als psychosoziale Belastung .............................................................. 142 4.3.1 Die Zwiespältigkeit von Kontrolle und Koopera· tion ............................................................................... 146 4.3.2 Identifikation und Gleichgültigkeit.. .............................. 149 4.3.3 Psychosoziale Widersprüche und Ambivalenzen im Lebenszusammenhang von Industriearbeiterinnen ..... 162 4.3.3.1 Die familiale Sphäre ............................................ 167 4.3.3.2 Die berufliche Sphäre .......................................... 169 6 5. Beratung als psychosoziale Handlungsform ................... 172 5.1 Psychologische Beratung ....................................... 172 5.2 Sozialpädagogische Beratung ................................ 176 5.3 Psychosoziale Beratung als Vermittlung psycho- sozialer Kompetenz ............................................... 184 5.3.1 Psychosoziale Reflexivität. ............. ,. ............................ 187 5.3.1.1 Das psychoanalytische Konzept der Abwehr- mechanismen ....................................................... 191 5.3.1.2 Empirisch - analytische Abwehrkonzepte ............ 196 5.3.1.3 Psychosoziale Abwehrprozesse ........................... 197 5.3.1.3.1 Die Verleugnung psychosozialer Wider- sprüche und Ambivalenzen .......................... 202 5.3.1.3.2 Gleichgültigkeit und Resignation .................. 204 5.3.1.3.3 Die Unterwerfung unter die Individualitäts- form ............................................................... 206 5.3.1.3.4 Die Mißachtung der Individualitätsform ........ 208 5.3.2 Psychosoziale Handlungsfertigkeit .............................. 21 0 5.3.2.1 Konzepte individueller und sozialer Bewälti- gung ..................................................................... 212 5.3.2.1.1 Coping .......................................................... 212 5.3.2.1.2 Soziale Kompetenz ....................................... 214 5.3.2.1.3 Soziale Netzwerke und Stützsysteme ........... 216 5.3.2.1.4 Empowerment ............................................... 218 6. Zusammenfassung und ergänzende Fragen ................... 220 Anmerkungen ..................................................................... 223 Literatur ............................................................................. 245 7 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit sieht sich in der Tradition eines interdisziplinär verbreiteten psychiatrietheoretischen Diskurses, als dessen Gegenstand die kritisierte Formierung des sog. "medizinischen Modells" der Erklärung und Behandlung psychischer Störungen anzusehen ist. Der Diskurs fand jedoch nicht in einer theoretisch befriedigenden Darlegung des proklamier ten "sozialwissenschaftlichen" Alternativmodells sein gewünschtes Ziel, sondern trat hinter psychiatriepolitische Reformmaßnahmen zurück, die eine wohlwollende Unterstützung auch von Vertretern sozialwissenschaftli cher Modellbildungen erfuhren, obwohl ihre Ausgestaltung nicht in erster Linie fachlichen bzw. störungstheoretischen Vorgaben folgte. Gerade das Ergebnis der Psychiatriereform in der Bundesrepublik Deutschland, das etwaigen Erwartungen einer grundlegenden Neugestaltung des 'psychia trisch - psychotherapeutischen Komplexes' nicht entsprach, macht deut lich, daß die fachlich weiterhin gebotene Diskussion um ein angemes senes Neuverständnis psychischer Störungen sich durch den Vollzug praktischer Reformschritte nicht erübrigt, sondern ihnen sogar vorausge setzt ist. Das sozialwissenschaftliche Störungsmodell ist entsprechend theoretisch unentwickelt, begrifflich vage und auch praktisch so unergiebig, daß es sich zur theoretischen Begründung reformleitender Handlungskonzepte kaum anbietet. In der psychiatrisch - psychotherapeutischen Praxis der Diagnose und Behandlung psychischer Störungen erfuhr das medizinische Störungsmo dell so keine nachhaltige Relativierung, obwohl die immanente Bereit schaft gewachsen ist, um seine im strengen Sinne auch weiterhin orga nismisch - biologische Kerngestalt psychologische, soziologische und pädagogische Erklärungsmuster zu legen. Es verstärkten sich in den letzten Jahren sogar erneut die Bemühungen, dezidiert neurophysiolo gisch - biochemische Hypothesen experimentell abzusichern. Zu einer ernsthaften Konkurrenz entwickelten sich psychologisch - therapeutische Modellbildungen, die die medizinische 'Individualsystema tik' zwar bestätigten, die Genese psychischer Störungen jedoch primär an ihre psychologische 'Füllung' im Sinne eines Postulats intrapsychischer Defizienzen knüpfen. Das 'psychotherapeutische' Störungsmodell gewann über die Diversifizie rung und Ausbreitung psychotherapeutischer Methoden und Techniken im "Psychoboom" zusehends an Attraktivität auch in nicht - therapeutischen Fachrichtungen (Pädagogik, SozialarbeiVSozialpädagogik u.a.) und ent- 9 wickelte sich dort zu einer innovativen Problem perspektive, die abwei chungstheoretische und politische Modelltypen in den Hintergrund treten ließ, und eine Ausweitung des professionellen Methodenrepertoires ver sprach. Die im Rahmen multiprofessioneller Teamkonzepte realisierte Einbezie hung auch von Pädagogen in das psychiatrische Versorgungssystem ging so nicht einher mit einer Generierung fachwissenschaftlich eigenständiger bzw. professionsspezifischer Handlungsmodelle, sondern reduzierte sich weithin auf die Ausübung abgeleiteter, subsidiärer oder "korsettierender" Funktionen innerhalb der Logik fachexterner Handlungskonzepte. Das nachfolgend zu entwickelnde Modell psychosozialer Belastung versteht sich in diesem Zusammenhang auch als Angebot einer nicht - therapeu tischen Aufklärung psychischer Störungen, dem "psychosoziale Beratung" als pädagogische Handlungsform kategorial zugeordnet wird. Es wendet sich gegen die Fragwürdigkeit einer "Therapeutisierung" psychosozialer Probleme und will dem Anspruch auf eine auch pädagogische Gestaltung des psychiatrischen Praxisfeldes Nachdruck verleihen. Das Vorhaben kann wissenschaftslogisch als ein systematischer, aber nicht abschließender Entwurf gewertet weren, der ein breites theoretisches Terrain bearbeitet und dessen modelltheoretisches Abstraktionsniveau es notwendig macht, einerseits kategorial vorgeordnete analytische Überle gungen (z.B. zu subjekttheoretischen Problemstellungen) zwar beizuzie hen, aber nicht intensiver zu verfolgen, andererseits von kategorial nach geordneten detaillierteren Ausarbeitungen (z.B. zu Fragen der Beratungs methodik) abzusehen. Die der Arbeit zugrundegelegten Kategorien suchen eine theoretisch eigenständige Form der Vermittlung zwischen individuel ler Subjektivität und Zusammenhängen gesellschaftlicher Objektivität, die als "psychosozial" gekennzeichnet wird. Nach einer Bestandsaufnahme relevanter Modellperspektiven werden die störungstheoretischen Ansätze kritisch diskutiert, die sich im weitesten Sinne oder nach eigener Selbst einschätzung als verwandte oder konkurrierende "psychosoziale" Be strebungen charakterisieren lassen. Auf weitergehende Abgrenzungen des psychosozialen Modells von identitäts - oder lebensweltbezogenen Theo riepositionen oder Analyseebenen wird verzichtet. In einer strengeren Fassung des Modellbegriffs, die vornehmlich außerhalb der sozialwissen schaftlichen Theoriebildung Verwendung findet, handelt es sich bei dem vorgelegten Entwurf um einen 'theoretisch - perspektivischen Theoriean satz' , der weiterer Systematisierung, Differenzierung und Integration be darf. Prinzipielle Beschränkungen und 'analytische Eindeutigkeit' machen 10 es in dieser Phase der Modellentfaltung zudem erforderlich, auch modell überschreitende integrative Vermittlungsbemühungen zurückzustellen. Im Vordergrund des fachpolitischen Interesses steht die Hoffnung, mit einem konturierten Beitrag zur Reflexion einen neuen Diskurs zu ermögli chen und den Stillstand der Modelldebatte beenden zu helfen. Will man den Aufbau der Arbeit im Überblick zusammenfassen, gibt das zweite Kapitel eine Übersicht über das Ergebnis der psychiatriepolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland seit Vorlage der Psychia trie - Enquete, bietet zur Systematisierung der reform leitenden Prinzipizen die Kategorien "Modernisierung", "Therapeutisierung", "Institutionalisie rung" und "Ökonomisierung" an und setzt sich kritisch mit dem Gemein debegriff als 'psychosozialer Zentralkategorie' der Reform auseinander. Im dritten Kapitel wird anstelle der unfruchtbaren und sachlich unzulängli chen Gegenüberstellung von medizinischem und sozialwissenschaftlichem Modell eine neue 'Schneidung' von MOdelltypen vorgeschlagen und das ausdifferenzierte medizinische, abweichungstheoretische, psychotherapeu tische und soziogenetisch - politische Modell sowie multifaktorielle Stö rungsmodelle kritisch bewertet. Das im vierten Kapitel vorgeschlagene Modell psychosozialer Belastung versteht sich als ein vor allem zu den individualsystematisch - psycho logischen Konzepten antithetisch gesetzter theoretischer Begründungszu sammenhang. Er stützt sich in kritischer Rezeption streBtheoretischer Behandlungskonzepte und psychoanalytischer Konflikt und Ambivalenz theorien auf sozioökonomisch gegründete psychosoziale Widersprüche und Ambivalenzen, in deren Mittelpunkt die widersprüchliche Zuordnung von Individualitätsform und persönlichem Individuum steht. Nach einer Auseinandersetzung mit den Widersprüchen in der Sozialisation zur Individualitätsform werden psychosoziale Belastungen, die sich in der produktiven Verwendung der Individualitätsform, insbesondere aus dem psychosozialen Widerspruch zwischen Identifikation mit der Arbeit und Gleichgültigkeit ergeben, exemplarisch dargestellt und anhand der wider sprüchlichen Lebensverhältnisse der Industriearbeiterinnen ein 'mehrwerti ges' psychosoziales Belastungsgefüge demonstriert. Das fünfte Kapitel entfaltet den modelltheoretischen Ansatz in Hinblick auf seine Konsequenzen für eine psychosoziale Beratung, die sich von psychologischen Beratungskonzepten abhebt, auf sozialpädagogische Beratungsansätze Bezug nimmt und sich in die Vermittlung von Reflexivi tät und Handlungsfertigkeit als "psychosoziale Kompetenz" gliedert. Die 11

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