Hochschultext Alfred Hollerbach Grundlagen der organischen Geochemie Mit 35 Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Tokyo Privatdozent Dr. Alfred Hollerbach Institut fOr Erd61forschung Walther-Nernst-Str. 7 0-3392 Clausthal-Zellerfeld CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek. Hollerbach, Alfred: Grundlagen der organi schen Geochemie/Alfred Hollerbach. - Berlin; Heidelberg; New York; Tokyo: Springer, 1985. (Hochschultext) ISBN-13: 978-3-540-15959-9 e-ISBN-13: 978-3-642-70824-4 DOl: 10.1007/978-3-642-70824-4 Das Werk ist urheberrechtlich geschOtzt. Die dadurch begrOndeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ahnlichem Wege und der Speicherung in Daten verarbeitungsanlagen bleiben, auch beinur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Ver gOtungsansprOche des § 54, Abs. 2 UrhG werden durch die "Verwertungsgesellschaft Wort", MOnchen, wahrgenommen. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1985 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohrie besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dOrften. 2152/3140-543210 Inhaltsverzeichnis TEll A: BllDUNG VON ORGANISCHEM MATERIAL 1 A.!, Prabiotische Entstehung von organischem Material 2 A.2. Evolution der Biosphare 4 A.3. Photosythese 7 A.4. Chemosynthese 10 A.5. Zusammensetzung der Biomasse 11 A.6. Kohlenstoff-Kreislauf 13 A. 6.I. Aerobe Atmung 13 A. 6.2. Anaerobe Dissimilation 14 A. 6.3. Anaerobe Atmung 14 A.6.4. Aufbau und Abbau der organischen Substanz 15 A. 6.5. Primarproduktion und Massenbilanzen 16 A. 7. Isotopengeochemie des Kohlenstoffs 20 TEll B: SEDIMENTATION UNO AKKUMUlATION VON ORGANISCHEM MATERIAL 23 B.!. Bildung von Sedimenten 24 B. 2. Organisches Material in aquatischen Systemen 25 B. 3. Terrestrische organische Ablagerungen 27 TEll C: DIAGENESE DES ORGANISCHEN MATERIALS 29 C. I. Biogeochemischer Abbau 29 C. 2. Organische Substanzen in rezenten Sedimenten 32 C. 2. I. lipidahnliche Stoffe 33 C.2.I.1. Kohlenwasserstoffe 33 C.2.I.2. Alkohole, Cabonsauren, Ester und Ketone 42 C.2.I.3. Terpenoide Verbindungen 51 C. 2.2. Chlorophyll 71 C. 2.3. Kohlenhydrate 74 C.2.4. Aminosauren und Protein~ 77 C.2.5. Bildung von Huminstoffen 80 VII TElL D: INKOHLUNG DER ORGANISCHEN SU~STANZ 89 D.l. Kerogenbildung 89 D.l.l. Geothermische Umwandlung des Kerogens 91 D. 2. Abbauprodukte des Kerogens 95 D.2.1. Neubildung von Bitumen 97 D.2.2. Aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe 98 D. 2.3. Terpenoide Kohlenwasserstoffe 102 D. 2.4. Heterokomponenten 110 D. 2.5. Porphyrine 114 D.2. 6. LeichtflUchtige organische Verbindungen 116 D. 3. Ul- und Gasbildung 118 D. 3.1. Geochemie des Erdols 121 D. 3.2. Teersande und Schwerole 124 D. 4. Ulschiefer 125 D. 5. Geochemie der Kohlen 126 D. 5.1. Kohlenbildung 127 D. 5.2. Inkohlungsreihe 128 D. 5.3. Kohlenmacerale 130 D. 5.4. Chemischer Aufbau 131 D. 5.5. Bitumen 132 D.5.6. Kohlenwasserstoffe 134 D. 5.7. Heteroverbindungen 144 D. 6. Geochemische lnkohlungsparameter 146 TElL E: ANWENDUNGSGEBIETE DER ORGANlSCHEN GEOCHEMlE 151 AUSGEW~HLTE E.l. Umweltchemie 151 E.l.l. Kohle, Erdol, Erdgas 152 E. 2. Erdolexploration 156 E.2.1. Identifizierun9 von Muttergesteinen 156 E. 2.2. Reifegradbestimmung des organischen Materials 157 E.2.3. Korrelation von Erdolen und Sedimenten 160 E. 3. Biodegradation von Ulen 162 E. 4. Fazielle EinflUsse auf die Diagenese organischer Subs tan zen 167 E. 5. Phylogenetische und molekularpalaontologische Aspekte von Chemofossilien 169 E. 6. Geochronologie mit Hilfe von Aminosauren 170 OBERSlCHTSLlTERATUR 173 GLOSSARlUM 182 SACHVERZElCHNlS 187 Vorwort Dieses Buch soll Grundkenntnisse in der organischen Geochemie vermitteln. Deshalb ist es in erster Linie fUr fortgeschrittene Studenten aus dem Bereich der Geowissenschaften geschrieben, die sich auf diesem Gebiet einarbeiten wollen. Es soll somit al.s Grundlage fUr die inzwischen um fangreiche weiterfUhrende Literatur dienen. Gewisse Grundkenntnisse Uber organische Verbindungen mUssen vorausgesetzt werden. Die organische Gea chemie hat sich mittlerweile zu einem eigenstandigen Teilgebiet der Geo chemie entwickelt und befaBt sich mit dem Schicksal der organischen Sub stanz und der sie aufbauenden chemischen Verbindungen in der Geosphare. Der Aufbau des Buches ist so gestaltet, daB nach einem kurzen AbriB Uber die Bildung und Sedimentation von organischem Material, die Prozesse der Di agenese und Inkohl ung behandel t werden. Di e Di agenese organi scher Sub stanzen verlauft weitgehend im rezenten und subrezenten Bereich, wahrend die Inkohlung mit der gleichzeitigen Fossilisierung und Bildung von Erd- 01 und Kahle zusammenfallt. SchlieBlich folgen einige ausgewahlte Kapi tel aus einigen mittlerweile etablierten Anwendungsbereichen der orga nischen Geachemie. Dieses Buch ist aus einem Vorlesungszyklus entstanden, den ich seit 1973 an der Rhein-Westf. Technischen Hochschule Aachen halte. In diesem Zu sammenhang sei Herrn Professor Dr. D.H. Welte recht herzlich dafUr ge dankt, daB er mit groBer Geduld mein Interesse auf das bislang wenig bekannte Gebiet der organischen Geochemie gelenkt und mir groBe Unter stUtzung gewahrt hat. Ferner war Frau E.-G. Wiese bei der endgUltigen Fertigstellung des Manuskriptes sehr engagiert. Frau C. Kutzmutz und Frau B. Palakci haben die Zeichnungen angefertigt. Herr Dr. G. Remberg hat schlieBlich durch seine kritische Durchsicht geholfen, die Fehler in Text und Formeln zu minimieren. Ihnen allen gilt mein Dank. Teil A: Bildung von organischem Material Organisches Material besteht zum groBten Teil aus Verbindungen des Kohlenstoffes, der aufgrund seines besonderen atomaren Aufbaues in der Lage ist, mit sich selbst VerknUpfungen herzustellen. Als eine weitere Besonderheit kommt hinzu, daB die homoopolaren Kohlenstoffbindungen ver schiedene raumliche Vorzugsrichtungen aufweisen. Aus diesen Gegebenhei ten laBt sich die Vielfalt und Variationsbreite der organischen Mole kUle und damit der organischen Chemie erklaren. Deshalb besteht das or ganische ,Leben aus den chemischen Reaktionswegen des Kohlenstoffes und seiner nachst~n Nachbarn Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel, unter Ein beziehung des Wasserstoffes. Ferner laufen die organisch-chemischen Re aktionen bei relativ niedrigen Temperaturen abo Deshalb ist das gebil dete organische Material thermolabil und weist eine geringe Resistenz gegenUber thermischen Beanspruchungen von Uber 80° C auf. Man kann unzweifelhaft davon ausgehen, daB die Hauptmasse des heutzu tage gebildeten organischen Materials von pflanzlichen Organismen ab stammt. Deshalb ist die Photosynthese als der bedeutendste ~ologische ProzeB zur Erzeugung von reduzierten Kohlenstoff-Verbindungen anzusehen. Die "Erfindung" der Photosynthese ist mindestens 2 bis 2,5 Milliarden Jahre alt und stand schon den sehr alten ("primitiven") Organismen zur VerfUgung, die diesen komplizierten photochemischen ProzeB in etwa ei nem Zeitraum von 1 Mrd. Jahren entwickelt haben mUssen. Mit der Entwicklung der Photosynthese ist eine Evolution von photosyn thetischen Organismen aus den nicht photosynthetischen Organismen ein hergegangen. Die ersten einfachen lebenden Systeme konnen sich nach dem heutigen Verstandnis nur aus organischem Material entwickelt haben, das auf abiotischem Wege im Rahmen einer chemischen Evolution der Kohlen stoff-MolekUle vorher zur VerfUgung stand. Der biologischen Evolution muB also eine differenzierte chemische Evolution vorausgegangen sein, wobei letztere in Form der biochemischen Evolution weitergefUhrt wur de. z A.l. Pr~biotische Entstehung von organischem Material Ober die Entstehung von abiologisch gebildeten organischen MolekUlen und Bildung von organischen "Aggregaten" ~uf der primordialen Erde vor etwa 4 Mrd. Jahren laBt sich nur spekulieren, da keine direkten Zeug nisse erhalten sind. Allerdings erhalt man aus Laborexperimenten gewisse Hinweise. Man kann annehmen, daB die prabiotische Synthese organischer Substanzen, die ja reduzierte Kohlenstoffverbindungen darstellen mUssen, nur unter mehroder weniger reduzierenden Bedingungen moglich war. Fer ner lassen sich dazu als auBere Energiequellen elektrische Entladungen, ultraviolette und radioaktive Strahlungen und thermische EinflUsse dis kutieren. Aus den verschi edenen in einer Atmosphare vorhandenen Gasen wi e Ammoni ak, Wasserstoff und Wasserdampf, eventuell auch Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Stickstoff lassen sich unter Energiezufuhr in einer ersten Stufe kleine organische MolekUle, wie Glycin und Alanin, Blausaure, Formalde hyd und einfache Carbonsauren herstellen. In einer weiteren ~tufe konnten aus Blausaure weitere Aminosauren und cyclische Stickstoffverbindungen, sowie verschiedene Zucker aus Formaldehyd entstanden sein: Ausgangsmaterial: , 1. Stufe: HCN HCOOH Glycin Blausaure Ameisensaure CH3-CH(NHZ)-COOH, HCHO CH3COOH Alanin Formaldehyd Essigsaure V 2. Stufe: Asparaginsaure, Phenylalanin, Valin, Prolin, Leucin, Isoleucin, Adenin, Uracil, Guanin, Triosen bis Hexosen Ein weiterer Schritt ware dann eine Polykondensation der entsprechenden Monomeren zu MakromolekUlen unter thermischem Einflu6, die in den mei sten Fallen von Wasseraustritt begleitet ist und deshalb kaum in aqua tischen Systemen stattgefunden haben dUrfte. So lassen sich proteinahn liche Substanzen, Nucleotid-Polymere und Monosaccharid-Polymere aus den 3 entsprechenden Einzelbausteinen herstellen, die zumindest ansatzweise die Eigenschaften aufweisen, die wir in den biochemisch gebildeten Poly meren vorfinden. Eine Zusammenlagerung von MakromolekUlen dUrfte zu einer Ausbildung von prabiotischen Systemen gefUhrt haben, die durch Selbstorganisation in die Lage versetzt wurden, bestimmte Substanzen bevorzugt aufzunehmen und sich zu hoheren Strukturen zusammenzulagern. Auf diese Weise sollte es moglich sein, Coazervat-Tropfchen oder Mikrospharen zu bilden. Die Coa zervate haben keine feste Membran, die das Innere gegen die Umgebung ab grenzt und sind gegen Milieuveranderungen empfindlich. Dagegen sind ar tifizielle Protenoid-Mikrospharen zu Wechselwirkungen mit Nucleinsauren und zu primitiven Formen von Wachs tum und Replikation befahigt, womit sie schon Eigenschaften von Prazellen oder Protozellen aufweisen. Die Simulationsexperimente sind aIle mit dem Problem behaftet, daB die Verhaltnisse auf der urtUmlichen Erde weitgehend unbekannt sind und man deshalb Uber die Zusammensetzung der Uratmosphare und Hydrosphare nur mehr oder weniger spekulieren kann. Die Simulationsexperimente regten natUrlich auch zu theoretischen Ober legungen an, die das Phanomen der Entstehung des Lebens Uber physikalisch chemische Prozesse erklarbar machen sollen. Die in stofflichen Systemen ablaufenden Vorgange lassen sich mit physikalisch-chemischen Methoden beschreiben, wobei davon ausgegangen wird, daB eine Protozelle ein offe nes System darstellt, die sowohl Stoffe als auch Energie mit der Umgebung austauscht. Die Existenz replikativer Systeme setzt voraus, daB Struktu ren ausgebildet werden, die erworben und weitergegeben werden mUssen. Es muB also ein Informationstransfer moglich sein, der einen selektieren- den Charakter hat, da ein Informationsvorsprung eine bessere Anpassung an die sich andernden Lebensbedingungen bewirkt und somit in Konkurrenz mit anderen eine Selektion eingeht, die zwangslaufig auch in der Struk tur zu einem "hoheren Ordnungsgrad" fUhrt. Zusammenfassend lassen sich Uber die Entstehung des Lebens zwei Phasen unterscheiden: Bei der chemischen Evolution ist in der Uratmosphare eine Synthese verschiedener kleiner organischer Kohlenstoff-Verbindungen erfolgt. Ein ZusammenschluB der reaktionsfahigen organischen Verbindungen be wirkte den Aufbau groBerer MolekUlverbande und die Entstehung von makromolekularen Polymeren. 4 - die molekulare Evolution setzt~ sich in der Selbstorganisation der MakromolekUle zu funktionsfahigen und sich selbst reproduzierenden Einheiten fort. Die Ausbtldung zeJlahnlicher Strukturen fUhrte schlieBlich zu den Urfomen des Lebens, wie sie heute noch in vie len Einzellern zu finden sind. Die Suche nach palaontologischen Zeugnissen von Protobionten konzentrier te sich auf prakambrische Schildregionen der Erde. In den geologisch sehr alten Formationen wurden eine Reihe von Spuren gefunden, die auf eine ehe malige Existenz von Mikrofossilien hindeuten. In dem 3,8 Mrd. Jahre al ten Isua-Quarzit aus Gronland lassen sich solche Mikrostrukturen andeu tungsweise finden. Dies gilt auch fUr archaische Gesteinsserien in SUd afrika, die 2,5 bis3,O Mrd. Jahre alt sind. Ferner wird die Ausbildung von Stromatolithen, die als karbonathaltige Algenriffe angesehen werden, als Indikation fUr biotische Aktivitaten angesehen. Die altesten Stromatolithen sind vor 2,7 bis 3,1 Mrd. Jahren (Bulawayen) entstanden. Da man nur die Morphologie dieser kohligen Mi krofossilien kennt und organisch-chemische Analysen sehr schwierig sind, ist es nicht auszuschlieBen, daB es fossile Ablagerungen von Protobion ten sind, und der geologische Zeitraum ihrer Biogenese nicht bekannt ist. A.2. Evolution der Biosphare Man kann als sicher annehmen, daB im Prakambrium die Biogenese, d.h. der Obergang von der nicht lebenden zur lebenden organischen Materie vollzo gen worden ist, nachdem Lebensaktivitaten durch die Kooperation eines Sortimentes von spezifischen Substanzen in einem geordneten System mog lich geworden ist. Die ersten Lebensformen fUhrten sicherlich eine hete rotrophe Lebensweise, da sie das auf abiologischem Wege gebildete orga nische Material noch reichlich fUr ihre Umsetzung vorfanden. Aus einer reduzierenden Atmosphare und Hydrosphare, die an organischem Material immer mehr verarmten, mUBten sich im Rahmen der Oberwindung der "ersten Energiekrise" autotrophe Lebensformen entwickelt haben, die in der Lage waren, das Sonnenlicht als Energiequelle zu nutzen. Etwas andere Vorstellungen Uber die Entwicklung des Lebens grUnden sich auf die Entdeckung von "Urbakterien". Diese, als Archaebakterien bezeich nete Bakteriengruppe, stellt eine eigenstandige Entwicklungsreihe dar, die sich phylogenetisch von den "normal en "Eubakterien ebenso unterschei det wie die letzteren von den Eucaryonten. Die formenreichste Gruppe der