Luckan Grundlagen der betrieblicben Wacbstumsplanung Band 15 der Schriftenreihe Betriebswirtschaftliche Beitrage Herausgeber: Dr. Hans Miinstermann ord. Professor der Betriebswirtschaftslehre an der Universitat zu Koln Dr. Eberhard Luckan Grundlagen der betrieblichen Wachstumsplanung Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-663-05190-9 ISBN 978-3-663-05189-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-05189-3 © Springer Fachmedien Wiesbaden 1970 Ursprunglich erschienen bei Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1970 Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1970 Vorwort Das Unternehmungswachstum ist eines der zentralen Themen der Betriebswirtschaftslehre. Da sich prinzipiell nur drei Formen der betrieblichen Grof3enentwicklung im Zeitablauf denken lassen, nam lich Schrumpfung, Stagnation oder Wachstum der Unternehmung, besteht die Aufgabe der Unternehmungstheorie letztlich darin, die betrieblichen Entwicklungsprozesse zu erklaren und das Instru mentarium zu deren Planung, Realisation und Kontrolle bereit zustellen. Von den deutschen Betriebswirtschaftlern - eine Ausnahme bildet Erich Gutenberg, der sich bereits 1942 in seinem Aufsatz "Zur Frage des Wachstums und der Entwicklung von Unternehmungen" mit grundsatzlichen Problemen des Unternehmungswachstums aus einandersetzte - wurde lange Zeit die Gestaltung einer speziellen Theorie des Unternehmungswachstums nicht fUr dringend gehalten. Zwar befaf3ten sich beispielsweise mehrere Konzeptionen der Un ternehmungserhaltung oder die Diskussionen um den Kapazitats erweiterungseffekt, die optimale Betriebsgrof3e oder das von Eugen Schmalenbach aufgestellte "Gesetz der wachsenden Fix kosten" in irgendeiner Form mit dem betrieblichen Wachstum, doch stellt Waldemar Wittmann noch 1961 fest, daf3 man auf einer Landkarte der Interessengebiete zumindest im deutschsprachigen Forschungsbereich dort lediglich eine "hic sunt leones" vorfinde, wo man eine Theorie des Unternehmungswachstums erwarte. Seit einigenJahrenhat sichdas Interesse an der Entwicklung einer spezifischen Wachstumstheorie der Unternehmung merklich ver starkt. Dies kommt vor all em in einer umfangreichen Spezial literatur zum Ausdruck. Es lassen sich darin mehrere Schwer punkte der wachstumstheoretischen Forschung unterscheiden. Einige Autoren konzentrieren ihre Untersuchungen auf die Grund lagen und das Wissenschaftsprogramm der betrieblichen Wachs tumstheorie. Andere erortern Wachstumsprobleme aus der Sicht der verschiedenen betrieblichen Funktionsbereiche. Die bedeu tendste Entwicklung zeigt sich in den Ansatzen zur realistischen Erklarung der Ursachen und des Verlaufs des Unternehmungs wachstums. Dazu trugen besonders die verbesserten Methoden der Modellanalyse und Moglichkeiten der Datenverarbeitung sowie die umfangreichen empirischen Untersuchungen Uber die Einfluf3grof3en und Verlaufe betrieblicher Entwicklungsprozesse bei. In dieser Arbeit solI geprUft werden, inwieweit sich die bisherigen Erorterungen des Wachstumsproblems als Basis einer praskrip tiven, das heif3t auf die Ableitung von Empfehlungen zur Gestal tung einer erfolgreichen Wachstumspolitik gerichteten Behandlung des einzelwirtschaftlichen Wachstums eignen. Einekritische Durchsicht der Literatur zeigt zunachst, daf3 selbst so elementareFragen wie Begriff und Messung des Wachstums im Schrifttum bisher noch nicht als befriedigend beantwortet gelten konnen. Klarheit Uber diese Grundlagen ist aber eine Conditio sine qua non jeder Bearbeitung von Wachstumsproblemen. Der erste Teil der Arbeit befafh sich deshalb mit der Interpretation des Wachstumsbegriffs und der Messung des Wachstums. Es wird ver sucht, den Wachstumsbegriff aus der Sicht der neuen Untemeh mungstheorie, und zwar insbesondere der Theorie der Unterneh mungsziele, zu deuten und adaquate Regeln zur Messung des Wachstums zu entwickeln. Gegenstand des zweiten Teils der vorliegenden Schrift bilden ver schiedene Konzeptionen der Ursachenerklarung des Wachstums. Sie werden auf ihre Eignung, als Basis wachstumsorientierter Verhaltensempfehlungen zu dienen, UberprUft. Dabei erweist sich die Erklarung des Wachstums durch untemehmerische Entschei dungen als besonders aussagefahig. Anhand von Wachstumsmo dellen und empirischen Untersuchungen lassen sich bestimmte Charakteristika des Entscheidungsverhaltens in wachsenden Be trieben eruieren. Diese bieten sich als Ausgangspunkt fUr Verhal tensempfehlungen zur Vorbereitung von Wachstumsprozessen an. Einige grundsatzliche Gedanken zur planmaf3igen Beeinflussung der betrieblichen Entwicklung werden im abschlief3enden Teil der Ar beit vorgetragen. Sie fixieren die Ansatzpunkte einer praskriptiven Wachstumstheorie. Die Arbeit wurde von meinem verehrten Lehrer, Herm Professor Dr. Hans MUnstermann, angeregt und betreut. FUr seine wertvolle UnterstUtzung bei der Anfertigung der Schrift schulde ich ihm grof3en Dank. Inhaltsverzeichnis I. Begriff und Messung des betrieblichen Wachstums 9 A. Definition und MaBgroBen des Wachstums in der betriebswirtschaftlichen Literatur . 9 B. Materiale und formale Kriterien zur Begriffsbestimmung und Messung des Wachstums . . 17 1. Zielbezogenheit des Wachstums . . . . . . . . . . . 17 a) Wachs tum als Gegenstand und als Mittel der Zielerreichung 17 b) Wachstum als erhohter Grad der Zielrealisation 20 (1) Betrieb als Instrument der Zielerreichung 20 (2) Erfolg als WachstumsmaBstab . . . . 23 (3) Absolutes und relatives Wachstum . . 37 c) Subjektive Deutung des Wachstumsbegriffs 41 2. Langfristigkeit des Wachstums . . . . . . . 44 a) ProzeB- und ergebnisorientierte Interpretation des Merkmals der Langfristigkeit . . . . . . . . . .. 44 b) Nachhaltige Erfolge als Gegenstand der Wachstumsmessung 47 3. Zeitraumbezogenheit des Wachstums . . . . . . 53 a) Wachstum als zeitraumbezogene DifferenzgroBe 53 b) Vergleichbare Erfolge als Voraussetzung der Wachstumsmessung . . . . . . . . . . . 54 4. Operationalitiit und PraktikabiliUit des Wachstumsbegriffs 59 c. Kritik verschiedener WachstumsmaBe und Beispiel einer mehrdimensionalen Wachstumsmessung . . . 65 1. Beurteilung gebrauchlicher WachstumsmaBgroBen 65 a) Periodenerfolg gemaB dynamischer Bilanzierung als WachstumsmaBstab . . 65 b) Umsatz als WachstumsgroBe . . 70 2. Beispiel einer Wachstumsmessung 72 II. Deskriptive Modelle der Ursachen des Wachstums als Basis der Wachstumsplanung . . . . . . . . 85 A. ErkUirung des Wachstums durch Zufallsprozesse 89 B. ErkHirung des Wachstums durch Entwicklungsgesetze 98 C. ErkHirung des Wachstums durch Entscheidungen . . 105 1. Entscheidungsbedingtes und nichtentscheidungsbedingtes Wachstum. . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Entscheidungsprozesse wachsender Betriebe . . . . . 115 a) Darstellung der betrieblichen Entscheidungsprozesse durch die "Verhaltenstheorie der Unternehmung" 116 b) Typische Merkmale des Entscheidungsverhaltens wachsender Betriebe . . . . . . . . 123 (1) Planungsintensives Verhalten . . 126 (2) Wachstumszielintensives Verhalten 127 (3) Informationsintensives Verhalten 134 III. Ansatzpunkte einer betrieblichen Wachstumsplanung 149 A. Zielplanung als Teil der Wachstumsplanung . . 151 B. Informationsrechnungen als Gegenstand der Wachstumsplanung 156 IV. Zusammenfassung der Arbeit 169 Literaturverzeichnis. . . . . . 175 I. Begriff und Messung des betrieblichen Wachstums A. Definition und Maf.\grof.\en des Wachstums in der betriebswirtschaftlichen Literatur "'Growth' isoneof the most frequently used yet least well-defined words in the business dictionary 1). " Diese Feststellung Youngs kennzeichnet einen Mangel, der trotz der zentralen Bedeutung be trieblicher Wachstumsprobleme in der Betriebswirtschaftslehre undtrotz deshaufigen Gebrauchs dieses Terminus in Wissenschaft und Praxis nicht als behoben geltenkann. Bisher liegt der Begriffs inhalt des Unternehmungswachstums nicht eindeutig fest. Lediglich ilber di e formale Int erpretation des Wachstumsbegriffs besteht eine weitgehende Ubereinstimmung. In der Literatur bilden solche formalen Definitionen haufig den Ausgangspunkt der Erorterung betriebswirtschaftlicher Wachs tumsprobleme. Soversteht beispielsweise Milller zunachst "unter einer wachsenden Unternehmung eine groi3er werdende Unterneh mung 2)". Agthe halt im Hinblick auf die Zwecke seiner Untersu chungilberOrganisationsproblemewachsender Betriebe die Kenn zeichnung des Wachstums im Sinne "jede(r) Vergroi3erung eines Unternehmens 3)" fUr ausreichend. Auch Karl Hax 4), Wittmann 5) oder Marris 6) gehen von ahnlichen Definitionen aus. Albach schliei3lich interpretiert das Wachstum als 1) Young, Robert B. : Keys to Corporate Growth, in: Harvard Busi ness Review, Vol. 39, 1961, Nr. 6, S. 52. 2) Milller, Walter: Zur betriebswirtschaftlichen Problematik des Unternehmungswachstums, in: Die Unternehmung, 18. Jg., 1964, S. 186. 3) Agthe, Klaus: Unternehmenswachstum und Unternehmensorga nisation, in: Organisation, TFB-Handbuchreihe, hrsg. von E. Schnaufer und K. Agthe, 1. Band, Berlin - Baden-Baden, 1961, S. 466. Diese Vergroi3erung kann durch die verschiedensten Mai3- stabe ermittelt werden (vgl. ebenda, S. 465 f. ). 4) Hax, Karl: Die Bedeutung von Abschreibungs- und Investitions politik fUr das Wachstum industrieller Unternehmungen, in: Indu striebetrieb und industrielles Rechnungswesen, Festschrift fUr E. Geldmacher, Koln-Opladen 1961, S. 9 ff. ; derselbe: Industrielle Entwicklung, gesamtwirtschaftliches Wachstum und Unterneh nehmenswachstum, in: Zeitschrift fUr betriebswirtschaftliche Forschung, 16. Jg., 1964, S. 203 ff. 10 Begriff und Messung des betrieblichen Wachstums "die Vergrof3erung einer Maf3zahl des Unternehmens ... tiber einen langeren Zeitraum 7)ft. 1m Gegensatz zur formal en Interpretation existieren tiber den ma terialen Gehalt des Wachstumsbegriffs unterschiedliche Mei nungen. Brandle betont sogar, da13 die "Funktion des Wachstums begriffs in den Wachstumsmodellen •.. beim gegenwartigen Stand der Diskussionals Basi sent scheidung des jeweiligen Autors zu be trachten 8)" sei. Eine materiale Aussage erhalt der Wachstumsbegriff durch seine Bindunganein oder mehrere Merkmale der Unternehmung, deren Veranderung die Variation der Betriebsgro13e reprasentiert 9). Der unterschiedliche Inhalt, der dem betrieblichen Wachstum in Wissenschaft und Praxis beigelegt wird, zeigt sich an der grof3en Zahl solcher zur Charakterisierung eines wachsenden Betriebes herangezogenen Ma13grof3en. Sie sollen teils klassifikatorische, teils quantitative Interpretationen des Wachstums zulassen 10). Derklassifikatorische Wachstumsbegriff zielt bei der Kennzeich nungdesWachstumslediglich auf die Feststellung des Vorhanden seins bestimmter Merkmale der Unternehmung ab, ohne aber Men gen oder Intensitaten dieses Merkmals zu erfassen. Amonn bei spielsweise kennzeichnet den Ubergang vom Klein- oder Mittel betrieb zum Gro13betrieb, also zweifellos einen Wachstumsprozef3, 5) Wittmann, Waldemar: Uberlegungen zu einerTheorie des Unter nehmungswachstums, in: Zeitschrift fUr handelswissenschaftliche Forschung, Neue Folge, 13. Jg., 1961, S. 497. 6) Marris, Robin: A Model of the "Managerial" Enterprise, in: The Quarterly Journal of Economics, Vol. 77, 1963, S. 187. 7) Albach, Horst: Zur Theorie des wachsenden Unternehmens, in: Theorien des einzelwirtschaftlichen unddes gesamtwirtschaftlichen Wachstums, hrsg. von Wilhelm Krelle, Band 34 der "Schriften des Vereins fUr Socialpolitik", Neue Folge, Berlin 1965, S. 10. 8) Brandle, Richard: Unternehmungswachstum. Zur Dogmenge schichteund Methodologie der Theorie des Unternehmungswachs tums, Diss., Mtinchen 1966, S. 36 f. 9) Eine eingehende Untersuchung der Bedingungen, die an ein sol ches Merkmal des Betriebes zu stellen sind, findet sich bei Busse von Colbe, Walther: Die Planung der Betriebsgrof3e, Band 7 der Schriftenreihe "Betriebswirtschaftliche B eit rage" , hrsg. von H. Mtinstermann, Wiesbaden 1964, S. 29 ff. 10) Vgl. ebenda, S. 30 ff.