LEHRBÜCHER UND MONOGRAPHIEN AUS DEM GEBIETE DER EXAKTEN WISSENSCHAFTEN CHEMISCHE REIHE BAND VIII GRUNDLAGEN DER ANSTRICHWISSENSCHAFT VON Dr. phil. A. V. BLOM ehemaliger Vorstand der Abteilung Farben und Lacke an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und -Versuchsanstalt in Zürich Springer Basel AG 1954 Dieses Buch ist in gekürzter Fassung im Jahre 1949 im Verlag von ElsevierPub lishing Company, Inc., New York-Amsterdam-London-Brüssel, erschienen unter dem Titel ORGANIC COATINGS IN THEORY AND PRACTICE Nachdruck verboten. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen und der Reproduktion auf photostatischem Wege oder durch M;krofilm, vorbehalten Copyright 1954 by SpringerBasel AG Softcoverreprint ofthe bardeover Istedition 1954 ISBN 978-3-0348-6991-1 ISBN 978-3-0348-6990-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-6990-4 Druck von E. Birkhäuser & Cie. AG., Basel MEINER LIEBEN FRAU IN HERZLICHER DANKBARKEIT FÜR UNERMÜDLICHE MITARBEIT GEWIDMET VORWORT SI RES ANIMUM OCCUPAVERE VERBA AMBIUNT SENECA Herstellung und Anwendung von Anstrichfarben haben die Zeit roher Empirie überwunden. Dies Gebiet der Technologie beschäftigt die Geister und beginnt, sich zur Wissenschaft auszuweiten. Zur Erhaltung unserer Werkstoffe ist nur das Beste gerade gut genug. Aus dieser Erkenntnis heraus wird die wissenschaftliche Bearbeitung anstrichtech nischer Probleme gefordert. Beurteilung und Bewertung von Anstrichstoffen müssen sich auf ein um fangreiches Beobachtungsmaterial stützen. Um eine Übersicht zu gewinnen, sind ihm bestimmte hypothetische Vorstellungen zugrunde zu legen. Die Resul tate der Materialprüfung sind nur dann schlüssig, wenn sie innerhalb derjenigen Annäherungsgrenzen liegen, die von den grundlegenden Hypothesen eben noch zugelassen werden. Das Beobachtungsmaterial muß daher gesammelt, geordnet und gesichtet werden. Unwesentliches ist auszuscheiden. Wesentliches ist so zu verarbeiten, daß wohlbegründete Theorien aufgestellt werden können, die zwischen der Grundlagenforschung und der Praxis Brücken schlagen. Vor bestimmte Filmeigenschaften nach festgelegten Regeln herauszuzüchten, ist ein wichtiges ForschungszieL Was für Anstriche gilt, hat auch für verwandte Gebiete der augewandten makromolekularen Chemie Gültigkeit, wie für Kunststoffe, Textilhilfsmittel, Klebstoffe, Folien und Kunstfasern. Daher ist die Aufgabe hier auf breiter Basis in Angriff genommen und der Ve rsuch einer Lösung gewagt worden. AXEL VIGGO BLOM Zürich und Monti della Trinita, März 1951. 9 INHALTSVERZEICHNIS I. Grundlegende Betrachtungen . . . . . . . . . . 13 1. Problemstellung . . . . . . . "'. . . . . . . 13 2. Kolloidale und makromolekulare Vorstellungen 16 3. Morphologische Gesichtspunkte 26 4. Der Filmbildungsprozeß 31 5. Die Plastizierung . . . . . 36 6. Die Rohstoffbasis . . . . . 42 Literaturverzeichnis zu Kapitel I 47 II. Natürliche Rohstoffe . . . . . . 48 1. Harze und ihre Abkömmlinge . 48 a) Allgemeines . 48 b) Kolophonium . 49 c) Kopale ... 53 d) Schellack . 55 2. Trocknende Öle 58 a) Leinöl .. 59 b) Holzöl .. 67 c) Rizinenöl 68 d) Fischöle . 70 e) Verschiedene trocknende und halbtrocknende Öle 71 3. Bitumen, Teer und Pech 73 4. Zelluloseabkömmlinge . . 78 5. Kautschukabkömmlinge . 88 6. Wasserlösliche Naturstoffe 92 a) Gelatine . 93 b) Kasein ....... . 94 e) Stärke ....... . 95 Literaturverzeichnis zu Kapitel II 96 III. Synthetische Lackrohstoffe . 99 1. Kumaronharze 99 2. Phenolharze 100 3. Polyester . . . 107 a) Übersicht . 107 b) Ölmodifizierte Alkyde 108 c) Ölfreie Alkyde 113 d) Maleinharze 114 e) Polyakrylate 117 f) Allylharze . 121 10 Inhaltsverzeichnis 4. Vinylharze . . . . . 123 a) Allgemeines . . . 123 b) Azetat und Azetale 126 c) Chloride und Kopolymere 128 d) Polyvinyläther . . . . . 137 e) Polystyrol und Kopolymere 138 5. Stickstoffhaltige Harze 141 a) Karbamidsäure-, Harnstoff- und Melaminharze 141 b) Polyamide . . 143 c) Polyurethane . 144 6. Epoxyharze 149 7. Polysiloxane . . 152 8. Wasserlösliche Kunstharze 155 Literaturverzeichnis zu Kapitel III. 157 IV. Pigmente . . . . 159 1. Historisches . . 159 2. Farbentheorie . 161 3. Pigmentarten . 167 4. Größe und Gestalt der Teilchen 171 5. Pigment und Bindemittel . . . 184 6. Pigmentierung der Anstrichstoffe 191 7. Der pigmentierte Film . . . . . 196 Literaturverzeichnis zu Kapitel IV 203 V. Physikalische Filmbildung . . . . . 205 1. Einleitung . . . . . . . . . . . 205 2. Flüchtige Anteile und Lösevorgang 208 3. Verdunstungsvorgang ..... . 215 4. Thermische Beschleunigung der Verdunstung 223 a) Die Trocknung im Ofen . 223 b) Das Warmspritzverfahren . 228 5. Filmbildung aus Schmelzen . . 230 a) Auftrag von Schmelzmassen 230 b) Plastisole . . . . . . . . 231 c) Das Flammenspritzverfahren 232 6. Emulsionen und Latizes . . . 234 Literaturverzeichnis zu Kapitel V 240 VI. Chemische Filmbildung . . . . . 241 1. Die Vernetzung von Makromolekülen 241 2. Die Ölfilmbildung . . . . . . . 242 3. Ölhaltige Lacke . . . . . . . . 253 a) Dispersionen von Harzen in Öl 254 b) Lösung ölreaktiver Harze 255 c) Ölmodifizierte Kunstharze 256 d) Modifikation von Ölen . . 257 4. Ölfreie Lacke . . . . . . . 259 Literaturverzeichnis zu Kapitel VI 263 Inhaltsverzeichnis 11 VII. Deformationsmechanik der Filme . . . . 265 1. Begriffsanalytische Klärung 265 2. Modellmäßige und graphische Darstellung 268 a) Modelle . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Graphische Darstellung . . . . . . . 271 3. Amorphe Zustände und kristallirre Ordnung. 274 4. Plasto-elastisches Verhalten linearer Filmbildner 279 a) Rheologische Eigenschaften 279 b) Bauplan der Makromoleküle . 283 c) Erstarrung von Schmelzen . . 287 5. Formänderungen bei Raumnetzen 288 6. Die Zweiphasentheorie . . . . . 292 7. Quellungsvorgänge. . . . . . . 296 a) Allgemeine Beziehungen zwischen Festkörpern und quellenden Flüssigkeiten . . . . . . . 296 b) Wasserbindung in Farbfilmen. 299 8. Temperatureinflüsse . . . . . . 304 Literaturverzeichnis zu Kapitel VII 309 VIII. Anwendung und Prüfung von Anstrichen . . . . . 312 1. Beziehungen zwischen Unterlage und Anstrichfilm . 312 a) Dichte Oberflächen 313 b) Poröse Oberflächen . . . 315 2. Korrosionsschutz . . . . . 318 3. Konsistenz der Anstrichstoffe 321 4. Festigkeitsmessungen 323 a) Klebrigkeit. . . . . . . 323 b) Formänderungsvermögen 324 c) Härte . . . . . . . . . 328 5. Der Wasserhaushalt im Film 330 6. Optische Untersuchungsmethoden 334 a) Doppelbrechung 334 b) Röntgenographie . . 340 c) Elektronenbeugung . 342 d) Elektronenmikroskop 343 e) Absorptionsspektroskopie 345 7. Die Haltbarkeit von Anstrichen 348 a) Alterung. . . . . . . . . 348 b) Anzeichen der Filmzerstörung 351 c) Schnellprüfung . . . . . . . 355 d) Wetterprüfung . . . . . . . 360 e) Auswertung von Versuchsreihen 362 f) Die logische Behandlung wissenschaftlicher Probleme 367 Literaturverzeichnis zu Kapitel VIII 372 Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . 374 13 KAPITEL I GRUNDLEGENDEBETRACHTUNGEN 1. Problemstellung Flüssige Werkstoffe, wie Farben, Lacke, Emaillen, Emulsionen, die nach dem Auftragen auf irgendwelche Unterlagen in einen festen Film übergehen, faßt man unter der Bezeichnung «Anstrichstoffe» zusammen. Organische An strichstoffe, mit denen wir uns hier vorwiegend befassen, werden zur Verschö nerung von Oberflächen, zum Schutze korrosionsanfälliger Werkstoffe und zu sanitären Zwecken benutzt. Nahe verwandt sind Druckfarben und Isolierlacke, die daher ähnlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Die praktische Erfahrung zeigt, daß man geeignete mechanische Eigen schaften der getrockneten Filme in der Regel nur dann erzielt, wenn verhältnis mäßig große Moleküle im Anstrichstoff bereits vorhanden sind oder während des Filmbildungsprozesses entstehen. Moleküle von solcher Größe, daß ihre Lösungen kolloidale Eigenschaften aufweisen, findet man in der Natur vorge bildet, sie können im Verlaufe des Filmbildungsprozesses entstehen, sie treten bei chemischen Veränderungen natürlich vorkommender Makromoleküle auf, sie können schließlich synthetisch gewonnen werden durch Polykondensation, durch Polymerisation reaktiver Monomerer oder durch reine Polyadditions reaktionen. Eine Molekülvergrößerung erzielt man ferner bei der Nachbehand lung von Anstrichen, die noch funktionale Stellen im filmbildenden Material besitzen.Das kann geschehen durch Einwirkung von ultravioletten Strahlen, Hitze, Sauerstoff, Diisozyanaten und ähnlichen reaktionsfähigen Stoffen. Naturharze, gelöst in flüchtigen Flüssigkeiten, sind seit den frühesten Zeiten als Anstrichmittel benützt worden. Derartige Werkstoffe erzeugen einen Film lediglich durch einen physikalischen Prozeß. Die Umwandlung flüssiger Schich ten in feste Filme durch chemische Reaktionen, wie man sie bei den trock nenden Ölen beobachtet, war ebenfalls schon im Altertum bekannt. Schließlich benützt man die Verbindung von physikalischer und chemischer Filmbildung bei der Verwendung von Öllacken seit langem. Während Jahrtausenden blieb aber die Anstrichtechnik auf demselben Stande der Entwicklung stehen. Erst seit etwa einer Generation wird der altmodische Lackkoch durch gut ausgebil dete und spezialisierte Chemiker mehr und mehr verdrängt. Schmuck und Schutz von Oberflächen durch Anstriche gehören zweifellos zu den ältesten Handwerkstechniken. Malereien der Ägypter und Griechen sind .