Paul Trendelenburg Grundlagen der allgemeinen und speziellen Arznei v erordn u ng Fünfte, neu bearbeitete Auflage von Ludwig Lendie Professor· der Pharmakologie an der Universität Leipzig Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1944 ISBN 978-3-662-01823-1 ISBN 978-3-662-02118-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-02118-7 Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Copyright 1938 and 1944 by Springer-VerlagBerlinHeidelberg UrsprUnglich erschienen bei Springer-Verlag OHG. in Berlin. 1944 Softcover reprint of the hardcover Sth edition 1944 Vorwort zur fünften Auflage. Die Neubearbeitung eines Lehrbuches erscheint oft schwieriger und weniger dankbar als die Abfassung eines eigenen Werkes. Einem so bewährten Buch wie der Arzneiverordnungslehre von TRENDELENBURG gegenüber gilt dies nicht. Seine Gesamtanlage und die Durchgliederung der Einzelabschnitte hat sich in vier Auf lagen kaum wesentlich geändert. Das beweist, daß die Grundabsicht der Dar stellung erreicht wurde, nämlich die praktische Auswertung von Erfahrungen der experimentellen Pharmakologie zur Begründung medikamentöser Maßnah men und zur kritischen Sichtung des alten und neuen Arzneimittelschatzes. Meine Überarbeitung ist von diesen Zielen nicht abgewichen. Größere Ände rungen finden Rich nur im Allgemeinen Teil, wo es mir nötig erschien, durch eine noch schärfere Durchgliederung die Übersicht zu erleichtern. Hier wurden auch Erörterungen über einige allgemeine Fragen des Arzneimittelverkehrs und der neuen Arzneimittelgesetzgebung aufgenommen, um den Studenten oder jungen Arzt auch in diese Aufgabea einzuführen, über die ihn keine klinische Vorlesung belehrt. Im Speziellen Teil wal' es notwendig, eine Anzahl ganz neuer Abschnitte einzufügen, ein Beweis dafür, daß auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapie trotz der - schon bald vergessenen - "Krise in der wissenschafUichen Medizin" Neuland gefunden wurde. Es wurden freilich noch nicht alle neuen Vitamine und Hormone aufgenommen, weil ihre praktische Bewährung in der Therapie trotz weitgehender theoretischer KlarsteIlung noch aussteht. In einigen Ab schnitten wurde vielleicht stärker, als es in TRENDELENBURGS erster Absicht lag, auf die Wirkungsweise der Mittel Bezug genommen. Dies war gelegentlich zur Charakterisierung der Stoffe oder zum Verständnis gewisser Besonderheiten der Verwendungsart notwendig. Eine große Schwierigkeit bot die Auswahl der Arzneimittel, insbesondere die notwendige Beschränkung bei der Neuaufnahme der noch immer stark anwach senden Zahl von Spezialitäten. Ich konnte mich nur selten entschließen, manchen heute "obsolet" erscheinenden Heilstoff der alten Materia medica zu streichen. Eine Arzneiverordnungslehre ist kein Taschenbuch der medikamentösen Therapiel, sondern sie soll den Lehrstoff zusammentragen und dem Arzt übel' grundsätz liche Fragen und die Hauptmittel der Arzneitherapie Auskunft geben. Dazu gehört auch manches, was heute vom praktischen Standpunkt aus "historisch" erscheinen mag. Der Leser findet aus der gleichen Erwägung auch noch die kurzen historischen Einführungen am Beginn der verschiedenen Abschnitte beibehalten. In welchem modernen Werk könnte der Arzt sich sonst eine kurze Auskunft über solche Fragen holen 1 1 Als solches sei hier ausdrücklich empfohlen das im Auftrag der deutschen Arznei mittel-Kommission von HEUBNER, KRAUTWALD und ZINN herausgegebene Büchlein "Arzneiverordnungen. Ratschläge für Studenten und Ärzte". Leipzig 1944. IV Aus dem Vorwort zur ersten Auflage. Um Raum für die Ergänzungen zu gewinnen, mußten sehr viele Abschnitte in Kleindruck gesetzt werden. Möge das den Studierenden nicht zu der Ansicht verleiten, daß dies immer unwichtige Dinge sind. Zu besonderem Dank verpflichtet fühle ich mich Fräulein Dozent Dr. E. HEISCH KEL für die Beratung bei der Überarbeitung der historischen Abschnitte, Herrn cand. med. G. MUSSGNUG für die Durchsicht der Preisangaben (vgl. S.25) und Formeln, die Ausarbeitung des Sachverzeichnisses und für Mithilfe bei der Kor rektur, sowie Fri. M. GERLINGHOFF für die geleistete Schreibhilfe. Münster i. W., im März 1943. L. LENDLE. Aus dem Vorwort zur ersten Auflage. Dies Buch versucht, dem Studierenden der Medizin und dem Arzte die Grund lagen der praktischen Arzneibehandlung zu vermitteln. Es hält sich bewußt von aller Theorie frei, verzichtet auf alle Erörterungen über das Wesen der Wirkung der einzelnen Mittel, wie sie in unübertroffener Darstellung das Lehrbuch von MEYER und GCTTLIEB (Experimentelle Pharmakologie) bringt und beschränkt sich auf eine Beschreibung der Drogen und Mittel, ihrer Zubereitungen, ihrer Indikationen und ihrer Darreichungsformen. Da kaum ein innerlich gegebenes Heilmittel ohne Kenntnis seines Schicksals und der mit den Darreichungen ver bundenen Nebenwirkungen und Gefahren richtig dosiert und angewandt werden kann, wurden kurze Angaben übel' das Schicksal, soweit dies beim Menschen untersucht ist, sowie über die Nebenwirkungen und Gefahren eingefügt. Bei der Darstellung wurde absichtlich auf die lückenlose Behandlung aller zur Zeit für Arzneizwecke verwandten Mittel verzichtet. Verschiedene Umstände machen es dem Arzte seit einigen Jahrzehnten immer schwerer, den therapeuti schen Wert seiner Arzneibehandlungen zu beurteilen. Früher war der Arznei schatz etwas relativ Stabiles, und die Stimmen, die seinen therapeutischen Wert beurteilten, bemühten sich im allgemeinen der Objektivität. Seit die Arznei mitteldarstellung fast ganz dem Kapitalismus untelworfen ist, erschwert die Un summe immer neu auftauchender Spezialitäten und die oft recht subjektiv gehaltene Form ihrer Empfehlung die Bildung eines sicheren Urteiles - um so mehr, als der mehr und mehr sich ausbreitende Nebel mystisch-spekulativer Betrachtungen übel' das Wesen der Arzneitherapie die durch die naturwissen schaftlichen Methoden der Erforschung der Arzneiwirkungen geschärfte Kritik zu trüben begonnen hat. Es war die Absicht des Verfassers, durch Auswahl der wichtigen Mittel und Zurücktretenlassen des Unwichtigen oder noch nicht genügend Erprobten dazu beizutragen, daß der werdende Arzt wieder in den Stand gesetzt wird, besser zu beurteilen, wann er mit seinem therapeutischen Handeln auf festem Boden steht. Inhaltsverzeichnis. Aufgaben der Arzneiverordnungslehre 1 I. Allgemeine Arzneiverordnungslehre A. Bestimmungen über den Verkehr mit Arzneimitteln 1 1. Rezeptzwang . . . . . . . . . . 2 2. Apothekenpflichtige Arzneimittel . 2 3. Apotheken . . . . . . . . . . . 3 4. Deutsches Arzneibuch, 6. Ausgabe 3 5. Führung einer ärztlichen Hausapotheke. 4 6. Abgabebedingungen der Arzneimittel in Apotheken 4 7. Maximaldosen . . . . . . . . . . . . . . . 5 Anhang: Dosierung im Kindesalter. . . . . . 6 B. Allgemeine Formen der Arzneiverschreibung 6 C. Die Arzneiformen 8 1. Pulver. . . . . 8 2. Pillm . . . . . 10 3. Granula, Körner 11 4. Tabletten und Pastillen 11 5. Gelatinekapseln 12 6. Suppositorien und Vaginalkugeln . 13 7. Arzneistäbchen und Ätzstifte. 13 8. Lösungen, Mischungen. 14 9. Schüttelmixturen 16 10. Saturationen . . . . . 16 11. Emulsionen. . . . . . 17 12. Electuaria, Latwergen. 17 13. Auszugsformen für Drogen 17 a) Fertigextrakte im Handel 18 b) Frischextrakte nach ärztlicher Vorschrift. 18 (Maceration, Infus, Dekokt) 14. Salben ........... 19 a) Tierische Fette als Salbengrundlage 20 b) Mineralfette (Paraffine). . 21 c) Fettfreie Salbengrundlage . . . . . 21 15. Pasten .............. 22 16. Linimenta, flüssige Einreibungsmittel . 22 17. Pflaster . . . . . . . . . . . . . . 22 D. Spezialitäten, Warenzeichen-Sch utzgesetz und Rezepturarznei . 23 E. Preis berechnung für Arzneibereitungen und Vorschriften für wirt- schaftliche Arzneiverordnungsweise . . . . . . . . . . . 25 F. Verordnung von Betäubungsmitteln . . . . . . . . . . 29 1. Allgemeinc Vorschriften für die Verschreibung und Abgabe 30 2. Sondervorschriften für die Verschreibung von Opiaten . . . 31 3. Sondervorschriften für die Verschreibung von Cocain 32 G, "Rezeptsündcn" und un vertr äglic he Ar zn ei mise h ungen (Inkompati- bilitäten) 32 VI Inhaltsverzeichnis. 11. Spezielle Arzneiverordnungslehre . . . . . . . . 34 A. Äußerliche Arzneianwendungen . . . . . . . . . 34 1. Mittel zur Vernichtung von Bakterien und Parasiten, zur Ätzung .und Adstrin- gierung der Haut, der Wundgewebe und der Schleimhäute. . . 34 2. Mittel zur Erzeugung von Hautreizung und .entzündung und ihrer Be· handlung .................. 61 3. Mittel zur Erzeugun.s des Kältegefühls der Haut . 64 4. Mittel zur lokalen Blutstillung . . . . . . . . . . 65 B. Innerliche und parenterale Arzneianwendungen 65 1. Mittel zur Lähmung von Funktionen des Zentralnervensystems (Narkotica, Hypnotica, Antineuralgica, Antipyretica) . . . . . . . . . . 65 2. Mittel zur örtlichen Anästhesierung. . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Mittel zur Erregung von Funktionen des Zentralnervensystems. . . 115 Anhang: Bekämpfung von Ermüdungs- und Erschöpfungszuständen . 121 4. Mittel zur Behandlung der Erkrankung des Atemapparates . 122 a) Beruhigende Mittel. . . . . . . . . . 122 b) Sauerstoff-(Oxygenium-) Einatmung. " . . 124 c) Auf die Expektoration wirkende Mittel. . . 125 5. Mittel zur Behandlung von Kreislaufstörungen. 130 a) Mittel bei Herzinsuffizienz . . . . . . . . 130 b) Rhythmusregularisierende Mittel ..... 138 c) Herzfördernde, gefäßverengernde, gefäßerweiternde Mittel 139 d) Jodverbindungen bei Arteriosklerose. . . . . . . 148 e) Ersatz der Blut- und Gewebsflüssigkeit . . . . . 148 f) Mittel zur Erhöhung der Gerinnbarkeit des Blutes 150 6. Mittel zur Erregung und Hemmung glatter Muskeln . 150 a) Pupillenerweiternde, akkommodationslähmende Mittel 150 b) Pupillenverengernde, . akkommodationserregende Mittel . 152 c) Mittel zur Lösung der Spasmen der Bronchialmuskeln, des Magens und Darmes, des Gallenganges, der Ureteren . . 153 7. Mittel zur Behandlung des Magens und Darmes. 156 a) Brechmittel . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Mittel gegen Erbrechen. . . . . . . . . . . 157 c) Mittel zur Hemmung der Magensaftsekretion . 157 d) Mittel gegen Hyperacidität des Mageninhaltes und bei Säureverätzung des Magens . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 e) Mittel gegen Hypacidität des Mageninhaltes 159 f) Verdauungsfermente . . . . . . . . . 160 g) Stomachica . . . . . . . . . . . . . 160 h) Adsorbierende Mittel, einhüllende" Mittel 163 i) Adstringierende Mittel . . . . . . . . 164 k) Kontrastmittel für die Röntgenuntersuchung des Magendarmkanals . 167 I) Mittel zur Behandlung von Erkrankungen der Leber und der Gallenwege 167 m) Abführmittel. . . . . . 168 n) Mittel bei Darmlähmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 8. Wurmmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 9. Mittel zur Behandlung der Genitalorgane (ausschließlich der Sexualhormone und der Mittel zur Behandlung der Genitalinfektionen) ........ , 189 10. Mittel zur Förderung und Hemmung der Schweiß- und Speichelsekretion 195 11. Mittel zur Förderung und Hemmung der Diurese .......... , 197 Inhaltsverzeichnis. VII 12. Mittel zur Desinfektion der Harnwege . . . 202 13. Mittel zur Behandlung von Stoffwechselerkrankungen (einschließlich A vit- aminosen und innersekretorischen Störungen) . . . . 206 a) Mittel zur Veränderung des Säuren-Basen-Gleichgewichtes . . . . 206 b) Mittel zur Behandlung von Anämien und zur allgemeinen Kräftigung . 207 c) Mittel bei Avitaminosen . . . . . . . . . 215 d) Mittel bei Störungen der inneren Sekretion. 221 e) Gichtmittel . . . . . . . . . . . . . . . 236 f) Parenterale Schwefeltherapie bei Arthritiden 238 g) Proteinkörpertherapie, unspezifische Reiztherapie 238 14. Mittel zur spezifischen Behandlung von Infektionskrankheiten (Chemothera- pie und Immunkörpertherapie) . 239 a) Malariamittel . . . . . . . 239 b) Antiluetica ....... 245 c) Mittel gegen tropische Infektionskrankheiten 254 d) Chemotherapie bakterieller Infektionen mit Sulfonamiden u. a. 256 e) Immunkörpertherapie (Heilsera und Schutzimpfstoffe) 262 Maximaldosentabelle 266 Sachverzeichnis 268 Aufgaben der Arzneiverordnungslehre. Die praktische Verwendung der Arzneimittel setzt die Kenntnis ihrer phar makologischen Wirkungsweise (Angriffspunkt und Verhalten im Organismus) und ihrer chemischen Eigenschaften (Löslichkeit, Haltbarkeit usw.) voraus. Die klinische Erfahrung muß die daraus abgeleitete Anzeigestellung für die Verwen dung und Verordnungsform sowie die Dosierungsverhältnisse am Menschen be gründen. In sehr vielen Fällen ist die therapeutische Brauchbarkeit von Heil stoffen noch nicht im Sinne einer solchen "rationellen Therapie" zu begründen, sondern rein empirisch gefunden worden. Alle diese Erfahrungen gehören zum Stoff der speziellen Arzl.eiverordnungslehre. Einen Hauptbestandteil macht die sogenannte "materia medica" aus, d. h. eine Aufzählung der bewährten Medikamente mit ihren für die Verordnung bedeutsamen Grundeigenschaften. Die allgemeine Arzneiverordnungslehre hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Abgabe und den Verkehr mit Arzneimitteln, die anerkannten Regeln der Arzneiverschreibung und die möglichen Formen der Arzneiverarbeitung darzustellen. Sie muß also zunächst die Grundbegriffe und Grenzen der Ver ordnungsweise lehren. Es ist ein verbreitetes Vorurteil, daß das Verschreiben von Rezeptarzneien eine schwer zu lernende "Kunst" sei und daß allein in früheren Zeiten die alten Ärzte noch "schöne Rezepte" zu schreiben vermochten. Darüber kann man gänzlich anderer Ansicht sein. Wir wollen den Arzt anleiten, eine zweckvolle Arzneiverordnung durchzuführen, d. h. die richtigen Mittel in der richtigen Dosis und richtigen Form zu verschreiben (W. STRAUB). Dazu genügt die Kennt nis der allgemeinen Regeln der Arzneiverschreibung und eine richtige Arznei mittelwahl. Unter Förderung der "Rezeptierfreudigkeit" des Arztes soll nicht die Empfehlung von reich zusammengesetzten Arzneimittelverarbeitungen ver standen werden, wie sie in vergangenen Jahrhundertenl üblich waren. Nur bei Ver einfachung der Verschreibungsweise läßt sich vom Arzt bei den Schwierigkeiten der Arzneimittelwahl aus der unendlichen Anzahl von alten Drogen und neueren Präparaten die Hauptaufgabe der Rezeptur erfüllen: eine sorgfältige Auswahl und individuelle Dosierung von Medikamenten für einen bestimmten Krank heitszustand (HEUBNER). I. Allgemeine Arzneiverordnungslehre. A. Bestimmungen über den Verkehr mit Arzneimitteln. Um die Gefahr einer Schädigung des Kranken durch unsachgemäße Anwen dung von Arzneimitteln einzuschränken, hat der Staat einige - allerdings im Vergleich mit Schutzmaßnahmen auf anderen Gebieten (z. B. Nahrungsmittel- 1 "Je länger recepten, je weniger tugendt" (PARACELSUS). Trendelenburg·Lendle, Arzneiverordnung. 5. Anf!. 1 2 Bestimmungen über den Verkehr mit Arzneimitteln. und Unfallgesetzgebung) noch unvollkommene - Maßnahmen ergriffen. Die m Deutschland zur Zeit geltenden Schutzmaßnahmen sind folgende: 1. Rezeptzwang. Eine Anzahl stark wirkender Chemikalien, Drogen und Zubereitungen sind dem "Rezeptzwang" unterworfen. Diese rezeptpflichtigen Arzneimittel sind in einer "Vorschrift betr. Abgabe stark wirkender Arzneimittel" vom 13.5. 1S9ß und in einer Neufasimng vom 3. ] 2. 1926 benannt. Sie dürfen Jlur auf schrift liche, mit Datum und Unterschrift versehene Anweisnng (Rezept) eineR in l)cutscb- 1~1nd approbierten Arztes, Zahnarztes oder Tierarztes - hier mu für ve terinärmeclizinische Zwecke - ah; Heilmittel an da!S Publikum abgegeben werden. Die nicht dem Hezeptzwang untenvorfEmen Heilmittel könncn ~H1ch ohne Hezept im "Handverlcauf" aUR der Apotheke bezogen werden. Werden Hand verkaufsmittel z. B. auch nach dem Abgabewert verRchrieben ("für 70 Pf. La nolin"), dann wird die Abgabegebühr nicht verrechnet, das Mittel also billiger all' auf Rezept abgegeben. Im allgemeinen kann ein Patient sich eine Arznei auf ein Rezept beliebig häufig bereiten lassen, sofern nicht die Verordnungen über die Abgabe der Be täubungsmittel oder der stark wirkenden Arzneimittel dem Apotheker die wieder holte Abgabe ausdrücklich verbieten. Ein Teil der in einem besonderen Verzeichnis angeführten Chemikalien, Drogen und Zubereitungen (z. B. Chloralhydrat, Barbitursäurederivate wie Diäthyl-, Diallyl-, Phenyläthylbarbitursäure und ihre Salze, ferner Par'aldehyd, Sulfonal, Optochin) bedarf zur Abgabe als Heilmittel für inneren Gebrauch an das Publikum einer jedesmal erneuten Rchriftlichen Anweisung; bei einem an deren Teil ist die wiederholte Abgabe für inneren Gebrauch ohne erneute !Schrift liche Anweisung dann erlanbt, wenn die Wiederholung im Rezept vorgeschrieben wnrde oder wenn die vorgeschriebenen Einzelmengen nicht die in der Verord nung fm;tgeRetzten Grenzen überschreiten (z. B. Folia Digitalis 0,2). Bei jenen dem Rezeptzwang unterworfenen Mitteln, die der Apotheker a1lch für inneren Gebrauch wiederholt abgeben darf, kann der Arzt durch einen Ver merk "ne repetatur" derartige Wiederholungen der Abgabe "1)('ITe11. 2. Apothekenpflichtige Arzneimittel. Die grundc;ützliehe Itegelullg über freiverkäufliche lind apothekenpjlichtiue Arzneirnittel ü;t nieclergelegt worden in der "Verordnung betr. den Verkehr mit den Arzneimitteln" vom 22. 10. 1901, Nellf~LSS\mg 1928. Das Verzeiehni" A dieser Verordnung führt die Zubereitungen auf, welche, ohne Rüekf.;ieht auf den Heilwert, ~Lpothekenpfliehtig sind, sofem Aie als Heilmittel gebraucht wer den. In einem Verzeichnis B werden die Stoffe aufgezählt, welehe Hußerhalb der Apotheken nicht feilgehalten oder verkauft werden dürfen. (Die Lü;te der dem Apothekenzwang unterworfenen Mittel deckt sich nieht mit der Liste der dem Hezeptzwang unterworfenen Mittel.) Indifferente Ham'l1üttel sind dem freien Verkehr überlassen, dürfen [tber nur in stehenden Betrieben feilgeboten werden. Apotheken. Deutsches Arzneibuch. 3 3. Apotheken. Apotheken sind staatlich zugelassene Abgabestellen für Arzneimittel. Die Füh rung einer Apotheke ist an eine bestimmte Ausbildung und Approbation der Apo theker sowie an gewisse gesetzliche Bestimmungen geknüpft. Die Apotheke garan tiert beim Bezug von Arzneimitteln a) eine vorgeschriebene Reinheit der offizinellen Mittel, b) einen vorgeschriebenen Gehalt an Wirkstoffen und c) eine zweck mäßige Zubereitung der Arznei. Der Apotheker ist als Mitarbeiter des Arztes auch für die Volksgesundheit verantwortlich. Seine Berufspflicht stellt also For derungen an ihn, welche außerhalb der kaufmännischen Aufgaben liegen. Die Einrichtung von Apotheken läßt sich unter dem Einfluß der arabischen Medizin in Europa schon im 12. Jahrhundert nachweisen. Von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung wurde das Medizinaledikt des Kaisers Friedrich 11. um die Mitte des 13. Jahrhunderts, nach welchem der Beruf des Arztes und Apothekers streng getrennt werden mußte. In den folgenden Jahrhunderten entwickelten sich in verschiedenen Städten Deutschlands zahlreiche öffentliche Apotheken, die der Kontrolle der Behörden unterstellt waren. Für die Arzneiverwendung und Verarbeitung wurden an verschiedenen Orten in sogenannten "Antidotarien und Dispensatorien" die Erfahrungen gesammelt. In Deutsch land gewann von diesen das Werk des VALERIUS CORDUS die größte Bedeutung, nach dem es vom Rat der Stadt Nürnberg 1546 amtlich herausgegeben worden war. Es stellte die erste sogenannte Pharmakopöe dar. Derartige Sammlungen von Vorschriften über Be schaffenheit und Behandlung der Arzneimittel in den Apotheken wurden später in allen großen Staaten eingeführt. 4. Deutsches Arzneibuch. Die letzte deutsche Pharmakopöe, das "Deutsche Arzneibuch, 6. Ausgabe", ist seit dem 1. 1. 1927 gültig. Ältere Ausgaben bis 1890 hatten noch einen latei nischen Text, heute erfolgt nur noch die Bezeichnung der Arzneimittel und der Zubereitungen in lateinischer Sprache. Das DAB. 6. Ausgabe enthält im ersten Teil einige für den Apotheker wich tige fachtechnische Vorschriften, dann im zweiten, größten Teil in alphabetischer Reihenfolge die Beschreibung zahlreicher Arzneimittel (der sog. "offizinellen" Mittel) und eine Reihe von Vorschriften allgemeiner Art, die sich auf die Her stellung der verschiedenen Zubereitungen (z. B. Pilulae, Infusa usw.) beziehen. Schließlich folgen einige Listen mit den Atomgewichten, mit Angaben über die zur Prüfung der Arzneimittel notwendigen Reagenzien, mit einem Verzeichnis der für ärztliche Untersuchungen notwendigen Reagenzien, mit Angaben über die spezifischen Gewichte einiger Flüssigkeiten und einige Tabellen: die Ta belle A, welche die Maximaldosen nennt, die Tabellen Bund C, welche Vor schriften über die Art der Aufbewahrung giftiger Arzneimittel geben ("unter Verschluß und sehr vorsichtig aufzubewahren" bzw. "von den übrigen Arznei mitteln getrennt und vorsichtig aufzubewahren"). Die Tabellen Bund C sind für den Arzt wichtig, der eine Hausapotheke führt. Bei den einzelnen Arzneimitteln ist die chemische Zusammensetzung, sofern sie bekannt ist, genannt; ihre Herstellung wird beschrieben, soweit sie noch vom Apotheker ausgeführt wird; ihre wichtigsten physikalischen Eigenschaften, wie Haltbarkeit, Löslichkeit und Identitätsreaktionen sowie Reaktionen zur Prüfung der Reinheit, werden angeführt. Die Mittel werden unter dem offizinellen (meiiit lateinischen) Namen genannt. Um Verwechslungen zu vermeiden, sollte sich der 1*