Großräumige Bodenkontaminationen Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH Karsten Grunewald Großräumige Bodenkontaminationen Wirkungsgefüge, Erkundungsmethoden und Lösungsansätze Mit 24 Abbildungen und 49 Tabellen , Springer Dr. rer. nat. habil. Karsten Grunewald Technische Universităt Dresden Institut ftir Geographie D-Qlo62 Dresden Die Deutsche Bibliolhek -CIP-Einheilsaufnahme GrunewaJd, Karsten: Grossraumige Bodenkonlaminalionen : Wirkungsgefiige, Erkundungsmethoden und Lilsungsansătze I Karslen Grunewald. - Berlin; Heidelberg ; New York; Barcelona ; Budapesl ; Hong Kong ; Landon ; Mailand ; Paris ; SanIa Oara ; Singapur ; Tokio : Springer, 1997 ISBN 978-3-642-63869-5 ISBN 978-3-642-59149-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-59149-5 Zugl. Technische Universitat Dresden, Habil.-Schrift, 1996 Dieses Werk isI urheberreehtlich geschiitzl. Die dadureh begriindeten Reehte, insbesondere die der Obersetzung, des Naehdrueks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfil mung oder der Vervielfăltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfăltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist aueh im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberreehtsgesetzes der Bundesrepublik Deutsehland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlieh vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberreehtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg '997 Urspriinglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1997 Softcover reprint of the hardcover Ist edition '997 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk bereehtigt aueh ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen irn Sinne der Warenzeichen-und Mar kenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Einbandgestaltung: design & production GmbH, Heidelberg Satz: Reproduktionsfertige Vorlage vom Autor SPIN: 10560329 30/3136 -5 4 3 2 1 o -Gedruckt auf saurefreiem Papier Vorwort Die Nutzungsvielfalt der Lebensräume, die wachsende Anzahl von Konfliktfeldern zwischen Mensch und Umwelt zwingen zur Erstellung praxisrelevanter Entschei dungshilfen fiir mögliche Nutzungskonzeptionen auf der Basis qualifizierter Pro blemlösungen. Natur- und Ressourcenschutz sind eine Überlebensfrage der Menschheit geworden, zu der die Geowissenschaften einschließlich der angewand ten Geographie ihren Beitrag leisten können und müssen. Die großräumige und langfristige Untersuchung des Stotlhaushaltes in Land schaften stellt inhaltlich und methodisch eine interessante Herausforderung dar. Eine vollständige Darstellung selbst ausgewählter Probleme erweist sich jedoch aufgrund der Fülle der zu beachtenden bzw. zu verarbeitenden natur- und sozial wissenschaftlichen Informationen als schwer realisierbar. Zumindest können der artige Forschungen heute nur in Teamarbeit erfolgreich sein. Der vorliegende Text geht zurück auf meine Habilitationsschrift, welche im Juli 1996 der Fakultät Forst-, Geo- und Hydrowissenschaften der Technischen Uni versität Dresden vorgelegt wurde. Die originären Abschnitte dieser Abhandlung sind interdisziplinär bzw. intradisziplinär entstanden. Das gilt sowohl fiir die vor gestellten Arbeitsmethoden, als auch fiir die durchgeführten Untersuchungen und die Ergebnisinterpretation. Einzelne Forschungsresultate sind bereits in Fachzeit schriften publiziert worden, eine in sich geschlossene Darstellung des Problems großräumiger Bodenkontaminationen stand jedoch noch aus. Ich danke allen Kollegen der Geographischen Institute in Dresden und Potsdam, den beteiligten Biologen, Mathematikern, Landschaftsplanern und Studenten fiir die Zusammenarbeit, insbesondere aber den Chemikern und Laborkräften universi tärer und außeruniversitärer Einrichtungen, ohne deren Engagement die zahlrei chen Analysen nicht möglich gewesen wären. Voraussetzung fiir die Durchführung der Forschungen war das Interesse und die finanzielle Förderung durch behördli che und ministerielle Einrichtungen der Bundesländer Brandenburg und Sachsen. Entscheidenden Anteil am Zustandekommen und Gelingen der Schrift hatten die Herren Prof. Dr. Karl MannsfeldlDresden und Prof. Dr. Heiner Barsch/ Potsdam. Ihnen sei fiir die zahlreichen Diskussionen und Anregungen, fiir die Förderung, die Belassung der notwendigen Freiräume, aber auch fiir das Vorbild ihrer Arbeitsstile herzlich gedankt. Dieser Dank gebührt ebenso meiner Familie, die Verständnis fiir viele zusätzliche Schreibtischstunden und notwendige Wechsel des Arbeits-und Wohnortes aufbrachte. Dresden, im März 1997 Karsten Grunewald Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Definitionen 7 3 Probleme großräumiger Bodenkontaminationen 15 3.1 Aus wirtschaftlich-sozialer Sicht 15 3.2 Aus politisch-rechtlicher Sicht 22 3.3 Aus landschaftsökologischer Sicht 31 4 Ursachengefiige, Schadstoffp otential und Verbreitung großräumiger Bodenkontaminationen 41 4.1 Vorbemerkungen 41 4.2 Entsorgung von festen und flüssigen Abfällen 42 4.3 Militärische Liegenschaften 51 4.4 Atmosphärische Immissionen 55 4.5 Flächenhafte und langzeitige Stoffeinträge 59 4.6 Naturereignisse und -katastrophen 62 4.7 Unfälle, Havarien, Umweltkriminalität, Kriege 64 4.8 Zusammenfassung und Interferenzen 68 4.9 Ausgewählte politische und sozioökonomische Zusammenhänge 70 5 Methodische und analytische Ansätze zur Erkundung großräumiger Bodenkontaminationen 81 5.1 Grundlagen 81 5.2 Bestandsaufnahme 85 5.2.1 Räumlich-stoflliche Ansätze 85 5.2.2 Möglichkeiten und Grenzen von Luftbildern 89 5.2.3 Bioindikations-und ökotoxikologische Verfahren 96 5.3 Effektive Analytik 99 5.3.1 Bodenparameter 1. Ordnung 100 5.3.2 Anorganische Bodenschadstoffe 102 5.3.3 Organische Bodenschadstoffe 105 5.4 Auswertungs-und Bewertungsansätze 110 6 Das Wirkungsgef"üge großräumiger Bodenkontaminationen in der Landscbaft -dargestellt anband diffuser Stoffa usträge in Oberßäcbengewässer 115 6.1 Landschaftsstofihaushalt und Stofffiüsse 115 6.2 Probleme und Mechanismen diffuser Stoffe inträge in Oberflächengewässer 121 6.3 Labormethoden 131 6.4 Stoffa usträge aus intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten -erläutert am Beispiel "Große Röder" 135 6.4.1 AufgabensteIlung, Naturraumausstattung und Untersuchungsansatz 135 6.4.2 Beregnungsversuche zur Abschätzung von Bodenabtrag, Oberflächenabfluß, Nährstoff-und Pestizidausträgen 143 6.4.3 Pflanzenbehandlungs-und Schädlingsbekämpfungsmittel (PBSM) 152 6.4.4 Stickstoff-und Phosphorparameter 158 6.4.5 Bewertung der Situation und des Handlungsbedarfes 167 6.5 Stoffd ynamik in einer polykontaminierten Landschaft -erläutert am Beispiel der Rieselfelder südlich Berlin 170 6.5.1 Zur Belastungssituation 170 6.5.2 Untersuchungen zur Strukturcharakterisierung und Dynamik von Boden-und Schadstoffparametern 174 6.5.3 Stoffa usträge in Vorflutwässer und -sedimente 184 6.5.4 Bewertung des Gefährdungspotentials 192 7 Geoökologische Ansätze zur Problembewältigung 195 7.1 Möglichkeiten von Sanierungs-und Sicherungsmaßnahmen 195 7.2 Zur Bedeutung des Geofaktorengefiiges 199 7.3 Präventive Schutzmaßnahmen durch nachhaltige Wirtschafts-und Landnutzungsstrategien 204 7.4 Beispielhafte Ansätze zur Problembeherrschung 209 7.4.1 Strategien zur Minimierung von Stofibelastungen durch landwirtschaftliche Nutzungen 209 7.4.2 Rieselfelder südlich Berlin -Nutzungskonzepte fiir eine kontaminierte Landschaft 213 7.5 Zum Beitrag der Landschaftsökologie zur Ressourcensicherung 217 Literatur 223 Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 239 Sachverzeichnis 243 1 Einleitung Die Bereitstellung von ausreichend sauberem Wasser, von funktionstüchtigen Böden, von sauberer Luft oder die Gewährleistung einer natürlichen, vernetzten und regenerationsfähigen Ptlanzen-und Tierwelt, bisher im Bewußtsein der Men schen Gratisleistungen der Natur, sind heute immer weniger gegeben. Die Erhö hung der technischen und energetischen Ausstattung der Menschheit bewirkt die Verstärkung von anthropogenen Auswirkungen auf die Natur und als Resultat weitreichende Umweltveränderungen. Das Umweltmedium Boden ist besonderen Belastungen ausgesetzt (s. Blume, 1992), so daß in vielen Ländern Bodenschutzprobleme auftreten. Ein neues, ernstzunehmendes Problem stellen in vielen Gebieten großräumige Boden kontaminationen durch anthropogene Tätigkeiten dar. Durch Produktion und Kon sumtion entstehen unerwünschte und unantizipierte Stoffe, die in ihren Mengen, Konzentrationen und Bestandteilen das Potential an ökologischer Selbstregulation übersteigen (Oßenbrügge, 1992). Die intensivere und vielfältigere Nutzung der Böden hat zur Folge, daß diese mehr und stärker einem Wandel unterliegen, so daß der Boden selbst, insbesondere aber angrenzende Nutz- und Schutzgüter nachteilig verändert werden. Abhängig von den jeweiligen industriellen, infrastruk turellen und landwirtschaftlichen Strukturen, modifiziert durch die landschaftli chen Gegebenheiten, haben sich regional differenzierte Belastungssituationen herausgebildet (CU!, 1995). Die Funktionsfähigkeit des Ökosystems Boden ist Voraussetzung fiir die Exi stenz von entwickeltem Leben auf dieser Erde. Die Bedrängtheit des Mediums Boden (Versiegelungstendenzen, stoftliche Belastungen etc.) erfordert gesetzliche Regelungen zum Bodenschutz, fiir die Kompartimente Luft und Wasser sind diese inzwischen selbstverständlich. Die heutige Sorge um den Boden entstammt in den Industrieländern meistens weniger den Ängsten um die Standorte der Nahrungsmittelproduktion, sondern einem allgemeinen, nicht näher spezifizierbaren Unbehagen über Veränderungen der vertrauten Umwelt (Hartge, 1989). Daran sind Bodenverunreinigungen erheb lich beteiligt, da - die Wirkung vieler Chemikalien nicht bekannt ist, - die Folgen oft nur indirekt und verspätet wahrnehmbar sind, 2 1 Einleitung - diese ein schleichender, irreversibler Vorgang mit unbestimmten Ausgang sind, - die räumliche Verteilung häufig diffus ist. Können Bodenkontaminationen Gesundheitsschäden ohne reale Vergiftungser scheinungen, Toxikopie genannt, auslösen? Chemikalien sind überall, sie sind in der Luft, im Boden, im Wasser nachzuweisen sowie in allen Nahrungsmitteln, mit denen der deutsche Durchschnittsbüiger in jedem Jahr etwa sechs Pfund chemi scher Zusatzstoffe zu sich nimmt (Niestroj, 1996). Jahrelang wurde in der Öffentlichkeit besorgt die Frage diskutiert: "Wie lange reichen unsere Rohstoff-Lagerstätten"? Aber das Ausmaß der aus Naturressourcen industriell hergestellten bzw. freigesetzten Stoffe, ihre Dissipation in der Umwelt sowie ihre Deposition und Akkumulation im Boden veranlaßt zunehmend folgende Fragestellungen: Wann ist der Boden "voll"? Können Schadstoffe im Boden fest gelegt oder gar wieder "geologisiert" werden? Wie sind Nutz- und Schutzgüter zu sichern? Wie verhalten sich potentielle Gifte im Boden im Verlauf der Zeit und bei Änderung der Milieubedingungen? Die reichen Gesellschaften beginnen, das Re cycling neu zu erlernen, weil die Aufnahmekapazität der Umwelt als Senke über lastet ist (Meadows et al., 1995). Im Sinne des ökosystemaren Bodenschutzes und somit auch des integrierten Umweltschutzes muß der Schutz von Böden zugleich den raumerfüllenden Schutz aller Umweltbereiche beinhalten (lsermann, 1996). Diese Komplexität ist bei Un tersuchungsstrategien, Bewertungen und Nutzungsableitungen zu beachten. Unser theoretisches Verständnis über ökologische Prozeßabläufe in Landschaf ten ist noch relativ begrenzt (Bork et al., 1995). Großräumige Umweltstudien sind aufgrund der außerordentlichen Komplexität, Kompliziertheit, Vernetzung und Verflechtung sowie Dynamik der ökologischen und sozioökonomischen Zusam menhänge schwer durchzuführen bzw. zu interpretieren. Es gilt, neue Untersu chungs-, Analyse- und Prognosetechniken bzw. -methoden zu entwickeln. Moder ne ökologische Forschung für praktische Anwendungen muß ganzheitlich, quanti tativ und auf die Dimensionen geographischer Raumbetrachtung bezogen sein (Leser, 1995). Der Erscheinung großräumiger Bodenkontaminationen ist in den geo- und um weltwissenschaftlichen Disziplinen bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wor den. Im Rahmen der vorliegenden Abhandlung soll versucht werden, die Proble matik möglichst umfassend darzustellen sowie methodische Aspekte und für aus gewählte Pfade und Beispielsräume Wirkungszusammenhänge für (Schad-) Stoff flüsse aufzuzeigen. Zunächst muß aus Verständnisgründen begriffliche Klarheit geschaffen werden (Kap. 2). Nachdem lange Zeit die stofflichen Bodenbelastungen vorwiegend auf die Altlastenproblematik begrenzt wurden, setzt sich aufgrund quantitativ und qualitativ neuer Erkenntnisse (u.a. die Dimensionen von Verunreinigungen in Ostdeutschland) jetzt langsam die Ansicht durch, daß eine Beschränkung auf I Einleitung 3 punktfönnige und kleinflächige Belastungen nicht mehr ausreicht (Altlasten 11, 1995). Die allgemeine Darstellung der Ursachen, der Gefährdungsfaktoren, des Schadstoffpotentials und der Verbreitung großräwniger Bodenkontaminationen (Kap. 4) ist für Erkundungsansätze ebenso grundlegend wie für die Ableitung von Vorsorge-und Sanierungsmaßnahmen. Seit Anfang des Jahrhunderts sind weltweit über 10 Mill. chemische Verbin dungen synthetisiert worden (Trend steigend), eine Mill. Tonnen Chemikalien werden jährlich zu Abfällen, davon 90% in den Industriestaaten (Meadows et al., 1995). Man ist geneigt, von einem "chemischen Zeitalter" zu sprechen. Die Pro duktion und infolgedessen das Vorhandensein organischer (Schad-)Stoffe in der Umwelt kann zu zwei Typen von ,,Langzeiteffekten" bei der Lebewelt fiihren: (a) der chemischen Karzinogenität (krebserregend) und (b) der chemischen Congeni talität (genverändemd). Daneben ist die Kontamination von Böden mit Schwermetallen, die bei vielen wirtschaftlichen Prozessen und bei der Abproduktbeseitigung anfallen, bedenklich, aber auch die intensive Ausbringung von Stickstoff- und Phosphatdüngem. Die Ursachen für das heutige Ausmaß der anthropogen bedingten stofflichen Bodenbe lastungen sind in der Lebens- und Wirtschaftsweise des Menschen insgesamt und in der Art und Weise des Umgangs mit den natürlichen Ressourcen zu suchen. Die potentiell gefährdetsten Gebiete konzentrieren sich - um Industrie- und/oder Bergbauzentren (Metall- und Chemiewerkel Hütten und Halden), - auf landwirtschaftliche Flächen (Intensivbewirtschaftung, Biozid-, Gülle-, Klär- schlanunausbringung), - im Bereich von Ballungsräumen (Verkehr, Industrie, Siedlung, Deponien). Ein Hauptproblem stellt neben stofflichen und räumlichen Interferenzen nicht selten die Kombination von diffusen Verteilungen der Bodenbelastung mit klein flächigen oder punktuellen Belastungszentren dar. Schließlich ist zu beachten, daß großräwnige Bodenkontaminationen mit minderen Schadstofikonzentrationen ein durchaus emstzunehmendes Geflihrdungspotential darstellen (Kacsoh, 1992). Das heutige Ausmaß von Bodenkontaminationen ist in europäischen Industrie Agrarländern weltweit am bedrohlichsten, während in den meisten anderen Regio nen Nährstoffverlust und Versalzung die Hauptproblembereiche chemischer Bo denveränderungen darstellen (Tabelle 1). Die Angaben für Nordamerlka dürften in dieser Zusanunenstellung von Oldeman et al. (1991) im Auftrag des UN Umweltprogranuns (UNEP) allerdings nicht den Tatsachen entsprechen; zumin dest sind keine Anmerkungen zum Erhebungsschlüssel gemacht.