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Großbritannien und der deutsche Widerstand 1933-1944 PDF

270 Pages·1994·80.691 MB·German
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Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart Herausgeber: Kurt Kluxen Klaus-Jürgen Müller / David N. Dilks (Hrsg.) Großbritannien und der deutsche Widerstand 1933-1944 Ferdinand Schöningh Paderborn • München • Wien • Zürich Titelbild: Claus Schenk Graf von Stauffenberg, ca. 1940 (Photo: Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin); Winston Churchill, ca. 1940 (Photo: Süddeutscher Verlag, München). Bayerischhe l ) Staatsbiblio>ththeekk I Mönche Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Großbritannien und der deutsche Widerstand 1933-1944 / Klaus-Jürgen Müller; David N. Dilks (Hrsg.). - Paderborn; München; Wien; Zürich: Schöningh, 1994 (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart) ISBN 3-506-77490-5 NE: Müller, Klaus-Jürgen [Hrsg.] Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier © © 1994 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH, Jühenplatz 1, D 33098 Paderborn) Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwenung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustim- mung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 3-506-77490-5 Inhaltsverzeichnis David N. Dilks/Klaus-Jürgen Müller: Zur Einführung 1. Einleitung 13 Lotbar Kettenacker: Die britische Historiographie und der deutsche Wi- derstand 15 2. Widerstand und Außenpolitik 29 David N. Dilks: Determinanten britischer Deutschlandpolitik 1937-1939. Zum Stellenwert des Widerstandes in der britischen Politik 31 Richard Lamb: Das Foreign Office und der deutsche Widerstand 1938— 1944 53 Klemens von Klemperer: Die „Außenpolitik" des deutschen Widerstandes 83 Peter Hoffmann: Stauffenberg und die Kontakte der Umsturzverschwö- rung mit England 1943-1944 95 3. Widerstand in Großbritannien 105 Gerhard Hirschfeld: Deutsche Emigranten in Großbritannien und ihr Wi- derstand gegen den Nationalsozialismus 107 Anthony J. Nicholls: Die britische Linke und der 20. Juli 1944 123 4. Propaganda, Geheimdienste und deutscher Widerstand 137 Michael Balfour: Der deutsche Dienst der BBC und die britische Deutsch- landpolitik. Zum Verhältnis von britischer Regierung und Propagan- dainstitutionen im Zweiten Weltkrieg 139 M. R. D. Foot: Britische Geheimdienste und deutscher Widerstand 1939-1945 161 Pauline Elkes: Die „Political Warfare Executive". Zur geheimdienstlichen Aufklärung des deutschen Widerstandes 1943-1944 169 Sir Peter Wilkinson: S. O. E. und Deutschland. Ein persönlicher Beitrag .. 189 5. Alliierter Bombenkrieg und deutsche Opposition 195 H. A. Probert: Die Auswirkungen des strategischen Luftkrieges auf die deutsche Moral 1940-1945. Britische Erwartungen und deutsche Reak- tionen 197 6 Inhaltsverzeichnis Werner Johe: Strategisches Kalkül und Wirklichkeit: Das „Unternehmen Gomorrha". Die Großangriffe der RAF gegen Hamburg im Sommer 1943 217 Heinz Boberach: Die Auswirkungen des alliierten Luftkrieges auf die Bevölkerung im Spiegel der SD-Berichte 229 6. Widerstand in Deutschland durch Nichtdeutsche 243 Ulrich Herbert: Von der „Arbeitsbummelei" zum „Bandenkampf". Oppo- sition und Widerstand der ausländischen Zwangsarbeiter in Deutsch- land 1939-1945 245 Autorenverzeichnis 261 Personenregister 264 Zur Einführung Wie manches Buch, so hat auch dieses eine Geschichte. Seit vielen Jahren haben sich Historiker in Großbritannien und Deutschland um die Erforschung des deutschen Widerstandes bemüht. Dabei gab es bereits mancherlei individuelle Kontakte und gelegentliche Aussprachen zwischen Geschichtswissenschaftlern beider Länder; aber eine intensive Kooperation blieb die Ausnahme.1 Als sich vor einigen Jahren das britische und das bundesdeutsche Komitee für die Ge- schichte des Zweiten Weltkrieges entschlossen, die seit langem im Rahmen des Internationalen Komitees für die Erforschung der Geschichte des Zweiten Welt- krieges gewachsene deutsch-britische Zusammenarbeit zu vertiefen, ergab sich zugleich eine günstige Gelegenheit, hier Abhilfe zu schaffen. Die beiden Komi- tees wählten nämlich zum Thema ihrer engeren bilateralen Kooperation den Problemkomplex der britischen Haltung gegenüber dem deutschen Wider- stand. Damit stellten sie sich sehr bewußt einer Thematik, in der sich drama- tisch und leidvoll die Beziehungen der beiden Länder zueinander widerspiegel- ten. Hatte sich doch vor allem der national-konservative deutsche Widerstand ebenso beständig wie verzweifelt darum bemüht, Großbritannien als privile- gierten Ansprechpartner zu gewinnen2; und hatte sich die britische Regierung doch in zunehmendem Maße diesen Kontaktversuchen verschlossen3. Daß die Absicht verwirklicht werden konnte, gemeinsam zwei Tagungen (1986 in Leeds und 1989 in Hamburg) über diese für die Geschichte des deutschen Widerstan- des zentrale Problematik durchzuführen, war insbesondere der Initiative des langjährigen Präsidenten des britischen Komitees, Sir William Deakin, sowie der Großzügigkeit etlicher Institutionen und Mäzene4 zu verdanken. ' Diese gemeinsamen Bemühungen schlugen sich u. a. nach einem Colloquium in Düsseldorf nieder in dem Sammelband „Das andere Deutschland im Zweiten Weltkrieg: Emigration und Widerstand in internationaler Perspektive", hrg. von Lothar Kettenacker, Stuttgart 1977. 2 Über die später, häufig parallel laufenden Kontakte zwischen dem Widerstand und den ameri- kanischen Geheimdiensten vgl. Jürgen Heideking/Christof Mauch (Hrsg.), USA und deutscher Widerstand. Analysen und Operationen des amerikanischen Geheimdienstes (OSS) 1942-1945, Tübingen 1993. 3 Vgl. dazu die knappe (allerdings nicht den aktuellen Stand vollständig widerspiegelnde) For- schungsskizze von Ulrich Schlie, Das Ausland und die deutsche Opposition gegen Hitler. Wider- standsforschung und politische Gegenwart seit 1945, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 52 (1993), Heft 1, S. 153 - 168. Von Ulrich Schlie ist das Erscheinen seiner Dissertation unter dem Titel „Geheimgespräche mit dem Gegner. Deutschland, der Westen und die Friedensfrage im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, bei der Verlagsgruppe Ullstein Langen Müller angekündigt. 4 Der Dank beider Komitees und der Herausgeber dieses Bandes gilt insbesondere The Hon. David Astor, der BAT Deutschland, der British Academy, der Britischen Botschaft in Bonn, insbe- sondere S. E. Herrn Botschafter Sir Christopher Mallaby, dem British Council, British Petroleum Hamburg, der Deutschen Botschaft in London, der European Cultural Foundation, dem Foreign and Commonwealth Office, Hoechst UK Ltd., dem Keppler Trust, Mercedes Benz UK Ltd., der University of Leeds, der Volkswagen-Stiftung und J. Paul Getty, Jr. Ohne die großzügige Unterstüt- 8 David N. Dilks/Klaus-Jürgen Müller Konkret sollten diese Konferenzen einen doppelten Zweck erfüllen: Erstens den Stand der Forschungen über den deutschen Widerstand in beiden Ländern zu vergleichen und die neuen Erkenntnisse, die nach der weitgehenden Öffnung der britischen Archiv gewonnen worden waren, in gemeinsamen Bemühungen kritisch zu sichten. Dies schien umso notwendiger zu sein, als sich Forschungs- methoden und Fragestellungen in den beiden Ländern unterschiedlich ent- wickelt hatten. Zweitens sollten diese Ergebnisse, Methoden und Fragestellun- gen mit der Auffassung von Zeitzeugen konfrontiert werden; und zwar nicht nur, weil manche von ihnen die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung seit geraumer Zeit mit kritischem Engagement verfolgten, sondern vor allem auch, weil Historiker wissen, daß in den klassischen Quellen allein nicht die ganze „Wahrheit", nämlich die vergangene Realität, zu finden ist, und daß deshalb das Zeugnis derer, die jene Zeit erlebt, erlitten und überlebt haben, zu wertvoll ist, um unberücksichtigt dem Vergessen anheim zu fallen. Das gilt insbesondere für ein Phänomen wie den Widerstand, der aus der Natur der Sache heraus quellenmäßig unbefriedigend überliefert ist. Es ist nicht zuletzt dank der intensiven und unablässigen Bemühungen der britischen Kollegen und der Aufgeschlossenheit ehemaliger deutscher Widerstandskämpfer gelungen, eine eindrucksvolle Repräsentanz von Zeitzeugen für eine Teilnahme an den beiden Konferenzen zu gewinnen: ehemalige hohe Beamte des Foreign Office und einstige Angehörige von Geheimdiensten einerseits, überlebende Wider- standskämpfer der verschiedensten Gruppen und Richtungen sowie Hinterblie- bene und Freunde von im Kampf gegen das Hitler-Regime gefallenen Wider- ständlern anderseits. Auf beiden Konferenzen wurde nahezu die gesamte Breite der relevanten Themen und Probleme erörtert: Definitorische Fragen.wie die nach der ange- messenen Begrifflichkeit (Widerstand, Opposition, Resistenz, Verweigerung) wurden ebenso diskutiert wie die Frage nach Eigenart, Entstehungs- bzw. Ent- wicklungsbedingungen des deutschen Widerstandes (Widerstand als pluralisti- sches Entwicklungsphänomen; Eliten zwischen Kooperation und Widerstand; „Widerstand ohne Volk"; Vielfalt von Widerstandsmotivationen; Loyalitätskon- flikte etc.); zentrale Themen aus der gesamten Breite des Phänomens - national- konservativer Widerstand; Kreisauer Kreis; Widerstand aus dem Glauben; „lin- ker" Widerstand; Jugendprotest als Widerstand; „grassroot"-resistance - wur- den angesprochen und häufig intensiv diskutiert. Die „Frontlinien" der kriti- schen Debatte verliefen dabei interessanterweise nicht so sehr zwischen Briten und Deutschen, sondern viel eher und nachdrücklicher innerhalb der jeweiligen nationalen Teilnehmergruppe, nicht zuletzt auch zwischen den Fachhistorikern und den Zeitzeugen. Insbesondere auf der Tagung in Leeds kam es zu lebhaften Auseinanderset- zungen. So führte beispielsweise der Begriff „national-konservativer Wider- stand" zu heftigen Kontroversen, da einige Zeitzeugen diese Bezeichnung als zung der genannten Persönlichkeiten, Firmen und Institutionen wäre das Kooperations-Projekt nicht durchführbar gewesen. David N. Dilks/Klaus-Jürgen Müller 9 politisch-moralische Wertung auffaßten und kritisierten, mit der sie nicht qualifi- ziert werden wollten; jene Historiker dagegen, welche - in durchaus unterschied- licher Weise - den Begriff in die Debatte eingeführt hatten, betonten dessen deskriptive Funktion. Sie präzisierten diesen Begriff dahingehend, daß „national" eine Denkweise beschreiben solle, die im Horizont des deutschen Nationalstaates verharrte; „konservativ" umschreibe wiederum den Tatbestand, daß diese Kreise keine grundlegende Umbildung der gesellschaftlichen Verhältnisse anstrebten.5 Zentrales Thema einer breiten und sehr kontroversen Debatte war schließlich die britische Politik, die sich in den Regierungsdirektiven und nicht zuletzt in der Haltung des Foreign Office gegenüber den Kontaktversuchen des deutschen Widerstandes niederschlug. Hier waren es vornehmlich etliche britische Kolle- gen, die diese Politik überaus kritisch beurteilten, wohingegen Zeitzeugen aus Diplomatie und Politik die damaligen Entscheidungen von ihren Voraussetzun- gen und Bedingtheiten her verständlich zu machen versuchten. Diese Thematik wurde auf der Hamburger Tagung in differenzierter Weise wiederaufgegriffen. „Grandeur et Misere" der Diplomatie und vor allem der Geheimdienste traten in den Referaten und Interventionen eindrucksvoll vor Augen. Britische Vorstellungen vom Nationalsozialismus und von der politisch- psychologischen Lage in Deutschland, die jeweils verfügbaren Informations- quellen der Briten, auf denen deren Einschätzung der deutschen Seite beruhte, schließlich die daraus abgeleiteten Folgerungen für die psychologische und die militärische Kriegführung - all dies wurde unter dem Gesichtspunkt der Aus- wirkungen und der Bedeutung für den deutschen Widerstand und für seine unglücklichen Beziehungen zu Großbritannien analysiert. Die Zwänge der in- ternationalen Lage und des interalliierten Verhältnisses sowie die internen Aus- einandersetzungen um die allierte Kriegszielpolitik spielten eine wichtige, wenn nicht gar entscheidende Rolle. Auch bei diesen Themen verliefen die Frontlinien der Kontroversen weniger entlang nationalen Grenzen als vielmehr quer durch die Teilnehmergruppen von Briten und Deutschen sowie von Fachhistorikern und Zeitzeugen. Bei einer derartigen Breite der Themenstellung und der Intensität der Erörte- rungen ist es nicht möglich, alle auf den beiden Konferenzen vorgelegten Bei- träge und schon gar nicht die von diesen angestoßene Diskussion zu publizie- ren, so wünschenswert dies auch gewesen wäre. Es mußte eine sachlich begrün- dete, auch legitime verlegerische Überlegungen berücksichtigende Auswahl für eine Veröffentlichung getroffen werden. Unter diesen Umständen können man- che Erwartungen nicht erfüllt werden; daß wichtige Beiträge nicht aufgenom- men werden konnten, mag deren Autoren eine herbe, aber leider unvermeidli- che Enttäuschung bereiten. Auf beiden Konferenzen wurde manches auch behandelt, was eher für ein britisches Publikum von Interesse sein mag - wie etwa die Bedeutung des 5 Vgl. auch die aus diesen Tagungen resultierende definitorische Klarstellung bei Klaus-Jürgen Müller, Über den „militärischen Widerstand", in: Deutscher Widerstand - Demokratie heute, hrg. von Huberta Engel im Auftrag der Forschungsgemeinschaft 20. Juli e.V., Bonn, Berlin 1992, S. 118 ff. 10 David N. Dilks/Klaus-Jürgen Müller Widerstandes aus christlichem Glauben und der ökumenischen Kontakte für den Widerstand, die Reaktionen der nationalsozialistischen Führung auf Wider- stand und Attentat, oder die Interpretation des Widerstandes als Antwort auf die gesellschaftliche Herausforderung des Nationalsozialismus. Manches von dem, was vorgetragen und diskutiert wurde, kann daher deutschen Lesern mit gutem Gewissen vorenthalten werden; die deutschsprachige wissenschaftliche Literatur hat diese Themen ausführlich abgehandelt. Es mußte somit für eine deutsche Publikation eine sinnvolle Auswahl getroffen werden. Diese sollte vor allem wichtige, hierzulande weniger oder gar nicht bekannte Seiten der überge- ordneten Thematik behandeln und neuere Forschungsansätze und Ergebnisse präsentieren. So bot es sich an, gerade jene Beiträge für eine Veröffentlichung vorzusehen und dazu auf den neuesten Erkenntnisstand bringen zu lassen, die inhaltlich in einem engeren Zusammenhang mit dem Thema „Großbritannien und der deutsche Widerstand" stehen. Die Herausgeber haben sich deshalb entschlossen, erstens die britische Sicht der Dinge zu privilegieren. Daher wird mit den (für die Veröffentlichung über- arbeiteten und auf den neusten Stand gebrachten) Beiträgen über die britische Politik gegenüber dem Widerstand zugleich die innerbritische Kontroverse zu diesem Themenbereich präsentiert; es werden Beiträge zur psychologischen Kriegführung der Briten, zum strategischen Luftkrieg (und den ihm zugrunde- liegenden Annahmen und Motiven) sowie zu den Einschätzungen, Strategien und Operationen der Geheimdienste vorgelegt. Dabei spielte nicht nur die Frage eine wichtige Rolle, warum die Kriegspolitik und Kriegführung der Briten den deutschen Widerstand so wenig in ihr Kalkül einbezogen, sondern ebenso auch jene, welche Faktoren das in Großbritannien zugrundegelegte Bild von Hitler-Deutschland und von deutscher Opposition und deren Möglichkeiten geprägt bzw. mitbeeinflußt haben; umgekehrt war auch zu fragen, welche Be- deutung die britische psychologische Kriegführung und der alliierte Bomben- krieg für den Widerstand hatten. Das führt zweitens zu der für die angemessene Beurteilung der britischen Politik notwendigen Betrachtung der „anderen Seite der Medaille": einmal wa- ren die außenpolitischen Überlegungen des Widerstandes zu analysieren, sowie seine ideellen Grundlagen und seine - insgesamt vergeblichen - Bemühungen, sich gegenüber den Alliierten, insbesondere Großbritannien gegenüber, ver- ständlich zu machen, Bemühungen, die notwendiger Weise nur in außerge- wöhnlicher, bisweilen indirekter und vor allem auch Mißdeutungen ausgesetzte An und Weise vonstatten gehen konnten; hier galt es, nicht zuletzt die Kriterien zu erörtern, mit denen dieses Phänomen angemessen erfaßt werden könnte. Schließlich mußten die Auswirkungen kritisch betrachtet werden, die der stra- tegische Bombenkrieg und die psychologische bzw. subversive Kriegführung auf die deutsche Szene hatten, und zwar unter Berücksichtigung der regime-spe- zifischen Situation in Deutschland und unter dem Aspekt der Möglichkeiten und Grenzen eines Widerstandes gegen das NS-Regime. Gleichzeitig werden damit auch zentrale Probleme der Widerstandsfor- schung aufgenommen. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum der Widerstand trotz intensiver Bemühungen insgesamt kein Gehör in Whitehall gefunden hat, David N. Dilks/Klaus-Jürgen Müller 11 oder - anders formuliert - warum der deutsche Widerstand bzw. Widerstands- dispositionen und -potentiale in Deutschland (- also etwa die Millionen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen -) keine für die britische Politik und Strategie beachtenswerten Faktoren gewesen sind. Um die tieferen Gründe der offenkundigen Unvereinbarkeit der Zielsetzungen des Widerstandes mit briti- schen Interessen zu erfassen, müssen vielerlei Faktoren in die Analyse einbezo- gen werden: das überkommene Deutschlandbild britischer Führungseliten ebenso wie die Erfahrungen, die London mit vermeintlichen und tatsächlichen Widerstandskontakten gemacht hatte (in diesem Zusammenhang hebt die briti- sche Forschung vor allem die Bedeutung des sogenannten Venlo-Zwischenfalls hervor; vgl. dazu in diesem Band den Beitrag von M. R. D. Foot); sodann auch die strategischen Zwänge und bündnispolitischen Rücksichtnahmen Britan- niens. Angesichts sich rasch wandelnder außen- wie kriegspolitischer Entwicklun- gen muß auch die Zeitperspektive berücksichtigt werden. Vor München las sich manches anders als nach dem September 1938, und ein Jahr darauf nach Aus- bruch des Krieges änderte sich das Koordinatensystem britischer Politik noch- mals erheblich; mit dem Eintritt der Sowjetunion und der USA in die Reihen der kriegführenden Staaten ergaben sich wiederum neue bedeutsame Konstellatio- nen. Die absolute Notwendigkeit, die „stränge alliance" angesichts eines gefähr- lichen Kriegsgegners nicht zu gefährden, spielte bei der britischen Haltung gegenüber dem Widerstand eine nicht zu unterschätzende Rolle. Gleichfalls darf bei der Beurteilung der britischen Politik nicht außer acht gelassen werden, daß der deutsche Widerstand eben keine monolithische, leicht identifizierbare Größe war: er umfaßte vielerlei, auch divergierende und wider- sprechende Tendenzen; zahlreiche eigenwillige Persönlichkeiten mit eigenen, sehr unterschiedlichen Vorstellungen waren in den Reihen der aktiven Gegner des nationalsozialistischen Regimes zu finden, insbesondere auch unter denen, die als geheime Emissäre London kontaktierten; dies alles verwirrte das Bild, das die Briten sich von den Anti-Hitler-Kräften zu machen versuchten. Zudem war innerhalb dieser Kräfte die Entschlossenheit, zur Tat zu schreiten, zu verschiede- nen Zeiten auch unterschiedlich ausgeprägt. Das machte die Dinge für die Briten nicht einfacher, zumal sie besonders im Kriege auch noch geheimdienst- liche Desinformationen und Irreführungsmanöver zu gewärtigen hatten. Im übrigen ist es selbst heute noch für Historiker beider Länder recht schwie- rig, sich die Umstände zu deutlich zu machen, unter denen die Männer und Frauen des Widerstandes innerhalb eines tendenziell totalitären Systems leben, arbeiten und handeln mußten. Hier haben die Beiträge deutscher Zeitzeugen eindrucksvolle konkrete Hinweise erbracht, die nicht nur die äußeren Schwie- rigkeiten erhellen, vor denen sie standen, wenn sie ihre Botschaft an die Briten heranbringen wollten. So erklären Kommunikationsprobleme gravierendster Art, aber auch intellektuelle Isolierung (und nicht allein Fixierung in traditio- nellen Vorstellungen) manche Illusionen, die man sich in Widerstandskreisen über die britische Interessenlage machte. Britische Zeitzeugen wiederum stellten den Konferenzteilnehmern das Di- lemma und die Zwänge der britischen Politik ebenso lebendig vor Augen wie sie

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