RaumFragen: Stadt – Region – Landschaft Martin Heintel · Robert Musil Norbert Weixlbaumer Hrsg. Grenzen Theoretische, konzeptionelle und praxisbezogene Fragestellungen zu Grenzen und deren Überschreitungen RaumFragen: Stadt – Region – L andschaft Reihe herausgegeben von O. Kühne, Tübingen, Deutschland S. Kinder, Tübingen, Deutschland O. Schnur, Berlin, Deutschland Im Zuge des „spatial turns“ der Sozial- und Geisteswissenschaften hat sich die Zahl der wissenschaftlichen Forschungen in diesem Bereich deutlich erhöht. Mit der Reihe „RaumFragen: Stadt – Region – Landschaft“ wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Forum angeboten, innovative Ansätze der Anthropogeo- graphie und sozialwissenschaftlichen Raumforschung zu präsentieren. Die Reihe orientiert sich an grundsätzlichen Fragen des gesellschaftlichen Raumverständnis- ses. Dabei ist es das Ziel, unterschiedliche Theorieansätze der anthropogeographi- schen und sozialwissenschaftlichen Stadt- und Regionalforschung zu integrieren. Räumliche Bezüge sollen dabei insbesondere auf mikro- und mesoskaliger Ebene liegen. Die Reihe umfasst theoretische sowie theoriegeleitete empirische Arbeiten. Dazu gehören Monographien und Sammelbände, aber auch Einführungen in Teil- aspekte der stadt- und regionalbezogenen geographischen und sozialwissenschaft lichen Forschung. Ergänzend werden auch Tagungsbände und Qualifikationsarbei- ten (Dissertationen, Habilitationsschriften) publiziert. Reihe herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne PD Dr. Olaf Schnur Universität Tübingen vhw Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. v. Berlin Prof. Dr. Sebastian Kinder Universität Tübingen Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/10584 Martin Heintel · Robert Musil Norbert Weixlbaumer (Hrsg.) Grenzen Theoretische, konzeptionelle und praxisbezogene Fragestellungen zu Grenzen und deren Überschreitungen Herausgeber Martin Heintel Norbert Weixlbaumer Universität Wien Universität Wien Wien, Österreich Wien, Österreich Robert Musil Österreichische Akademie der Wissenschaften Wien, Österreich RaumFragen: Stadt – Region – Landschaft ISBN 978-3-658-18432-2 ISBN 978-3-658-18433-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-18433-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Lektorat: Dr. Cori Antonia Mackrodt Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhaltsverzeichnis Grenzen – eine Einführung ..................................... 1 Martin Heintel, Robert Musil, Markus Stupphann und Norbert Weixlbaumer Teil I Theoretische und konzeptionelle Zugänge zur Grenze Aspekte einer Sozialgeographie der Grenzziehungen. Grenzziehungen als soziale Praxis mit Raumbezug. . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Marc Redepenning Grenzen, Territorien und Identitäten ............................. 43 Peter Weichhart Grenzen als Konstante in der Politischen Geographie und Geopolitik ................................................ 65 Heinz Nissel Metropolregion, Gateway, Global City. Zum Wandel der Stadt als Ort der Grenzüberschreitung ................................ 89 Robert Musil Grenzarbeit in integrativer und grenzüberschreitender Forschung .... 113 Ulli Vilsmaier Innovationsdynamiken und Integrationsprozesse in grenzüberschreitenden Wirtschaftsregionen: Grenzen als Triebkräfte und Barrieren verstärkter Zusammenarbeit ............. 135 Michaela Trippl V VI Inhaltsverzeichnis Teil II Grenzen und Planungspraxis Grenze als überwindbares Phänomen in der Raumplanung? ......... 161 Birte Nienaber Grenzüberschreitende Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen aus Sicht der Planungs- und Verwaltungspraxis .................... 181 Axel Priebs Verflechtungsraum Basel. Von der Regio-Idee zur Trinationalen Metropole Oberrhein .......................................... 205 Rita Schneider-Sliwa Eine Grenzregion als Wachstumsregion – was man von den Governance-Strukturen der Bodenseeregion lernen kann ............ 237 Roland Scherer Entgrenzung in der Kernregion Salzburg. Die Entwicklungsgeschichte eines grenzüberschreitenden Ballungsraums nicht nur am Beispiel des Einzelhandels ...................................... 255 Franz Dollinger Achtung Staatsgrenze! Die Suburbanisierung von Bratislava kennt keine Grenzen! .......................................... 281 Johannes Huemer Peuplierung einer klassischen Peripherie? Wohnmigrations‐ und Integrationsprozesse von Polen im deutschen Grenzgebiet der Euroregion POMERANIA ...................................... 309 Christian Krajewski Teil III Grenzen und Handlungspraxis Über den Zusammenhang von Grenze und Migration ............... 339 Heinz Faßmann Arbeit, Schmuggel, Quälerei: Kleinhandel im östlichen Europa im Kontext der Rekonfiguration des Schengener Außengrenzregimes ..... 351 Judith Miggelbrink Der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt der Niederlande mit Deutschland und Belgien: Jenseits von Romantik ................... 379 Arjen J.E. Edzes, Jouke van Dijk und Viktor A. Venhorst Inhaltsverzeichnis VII Hybridisierung und Grenze: das Beispiel San Diego/Tijuana ......... 401 Olaf Kühne und Antje Schönwald Programmatik grenzüberschreitender Zusammenarbeit und hochschuldidaktische Handlungsfelder im österreichisch- tschechischen Grenzraum: eine Projektreflexion ................... 419 Martin Heintel, Milan Jeřábek und Norbert Weixlbaumer Kontinuität und Wandel Niederösterreichischer Grenzlandschaften. Zwölf Skizzen ................................................ 445 Gerhard Strohmeier Grenzen – eine Einführung Martin Heintel, Robert Musil, Markus Stupphann und Norbert Weixlbaumer An der Grenze Grenzen, Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen sind eine dem Menschen zutiefst verinnerlichte Abstraktions- und Handlungspraxis. Eine Grenze ist eine gedachte oder abstrakte Linie, anhand welcher Unterscheidungen getroffen und Dinge durch Differenz identifiziert werden. Sie stellt die zentrale Voraussetzung für die Erkenntnis dar, denn wie der Philosoph Konrad Paul Liessmann formuliert hat: „Jeder Versuch, Sinneseindrücke zu ordnen und in ein begriffliches System zu bringen, zieht Grenzen“ (2012, S. 29). Das moderne Staatensystem mit seinen Grenzen geht auf den westfälischen Frieden zurück – Grenze bedeutet letztlich im Idealfall Konsens und Friede (Keil und Brenner 2003), genauso wie auch Gewalt und Krieg; so ist es etwa bezeichnend, dass die Kämpfer des Gewalt-Pseudostaates IS an die Häuserwände in den von ihnen eroberten Gebieten die Parole schrieben: M. Heintel (*) · M. Stupphann · N. Weixlbaumer Institut für Geographie und Regionalforschung, Universität Wien, Wien, Österreich E-Mail: [email protected] M. Stupphann E-Mail: [email protected] N. Weixlbaumer E-Mail: [email protected] R. Musil Institut für Stadt- und Regionalforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1 M. Heintel et al. (Hrsg.), Grenzen, RaumFragen: Stadt – Region – Landschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-18433-9_1 2 M. Heintel et al. „Wir kennen keine Grenzen, nur Fronten“1. Der Begriff der Grenze als abstraktes Konzept ist im Spätmittelalter über das Altpolnische in das Deutsche gekommen, und löste Begriffe wie Mark oder Gescheide ab, die immer an konkrete naturräum- liche-physische Sachverhalte gebunden waren (Sturmberger 2016). Der abstrakte, moderne Begriff der Grenze hatte ursprünglich eine räumliche Konnotation und wurde erst später auf andere – etwa z eitliche oder metaphorische – Grenzziehun- gen angewendet; gleichzeitig ist auch d ieser Begriff – wie viele andere auch – das Produkt einer sprachlich-kulturellen G renzüberschreitung. Wenn auch Grenzen und Grenzziehungen ein anscheinend menschliches Wesensmerkmal darstellen, so steht dem die weit verbreitete Erfahrung gegen- über, dass Grenzüberschreitungen zu einer festen Routine auf unterschiedlichen Ebenen der alltäglichen Handlungspraxis zählen. Seien es Verwaltungsgrenzen, über die Städte schon längst hinausgewachsen beziehungsweise über die Umland- siedlungen zusammengewachsen sind. Oder Staatsgrenzen, deren Relevanz und Sinnhaftigkeit aufgrund der zunehmenden Mobilität im vereinten Europa infrage gestellt werden. Die Überwindung und Aufhebung der nationalstaatlichen Gren- zen für Unternehmen wie auch für Haushalte stellt eine zentrale Errungenschaft im europäischen Einigungsprozess dar – auch wenn sich dieser gegenwärtig in einer tiefen Krise befindet. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Gren- zen und Grenzüberschreitungen vielfältiger Art hat nicht nur in den raumbezoge- nen Wissenschaften lange Tradition, wie die zahlreichen Beiträge in diesem Band zeigen, sondern auch in anderen Disziplinen, etwa den Literatur- und Sprachwis- senschaften; ein aktueller Band von Sievers (2016) widmet sich der Zuwanderung von Literaten wie Elias Canetti; aus dem Blickwinkel der Grenzregion Burgen- land begibt sich Simonsen (2015) auf eine literarische Spurensuche. In der zeithistorischen Betrachtung lässt sich eine Konjunktur der Grenze erkennen. Die Dekade der 1990er-Jahre war von einer Auflösung und Relativie- rung von Grenzen – insbesondere von Staatsgrenzen – geprägt. Der Abschluss von Freihandelsabkommen, die Durchsetzung digitaler Kommunikationstechniken und die zunehmende Intensivierung globaler Produktions- und Handelsnetzwerke, der Boom internationaler Finanzzentren aber auch die Integrationsbemühungen der Europäischen Union haben die Vorstellung einer „borderless world“ (Ohmae 1990) in greifbare Nähe gerückt. Doch die Entwicklungen der letzten Jahre haben zu einer Veränderung der Lage geführt: die Euro-/und Schuldenkrise hat die Euro- zone entlang volkswirtschaftlicher Grenzen in Schuldner- und Gläubigerländer gespalten, die Flüchtlingskrise hat zur Aussetzung des Schengenabkommens und 1Vgl. Zeit Online: http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-12/islamischer-staat-terror-orient. −