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Gramscianismus in der Internationalf:n Politischen Ökonomie Eine Problemskizze PDF

7 Pages·1996·0.573 MB·German
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728 Joachim Hirsch 729 regulierte fordistischeAkkumulations-und Regulationsmodus hatte die Vorausset Hans-Jürgen Bieling und Frank Deppe zungen für - im entwickelten Fall korporativ abgestützte - »nationale« Klassen kompromisse ermöglicht bzw. diese sogar erzwungen. Diese Phase ist vorbei. Die Gramscianismus in der Internationalf:n Politischen Ökonomie postfordistische Umstrukturierung des Staates führt gegenwärtig nicht nur dazu, daß das internationalisierte Kapital sich von diesem verstärkt loszulösen in der Lage ist Eine Problemskizze und damit die Herstellung eines »kapitalfraktionellen« Kompromißgleichgewichts im nationalen Rahmen immer schwieriger wird (siehe z.B. die Auflösungserschei Renaissance der Internationalen Politischen Ökonomie nungen bei den Unternehmerverbänden hierzulande). Sie unterminiert zugleich auch die Möglichkeiten einer materiell abgestützten Massenintegration und führt Die tiefen gesellschaftlichen und internationalen Umbrüche der letzten zwanzig zu einschneidenden gesellschaftlichen Fragmentierungsprozessen. lmmer stärker Jahre erschütterten auch auf dem Feld der internationalen Beziehungen die Er stützt sich die Organisation der Klassenverhältnisse, vermittelt durch den Staat, auf klärungskraft der vorherrschenden realistischen bzw. idealistischen Paradigmen. soziale Desorganisation. Beide Tendenzen implizieren grundlegende ökonomisch-· Doch führte dies nicht nur zu Theoriekrisen, sondern auch zu einer Vielzahl von soziale Krisenprozesse, und zugleich verändern sie die Bedingungen für politisch Neuansätzen, die sich vor allem darum bemühten, das Verhältnis von Ökonomie soziale Kämpfe einschneidend, nicht nur für die Gewerkschaften. Dies alles ist und Politik bzw. von Markt und Staat konzeptiorn~ll präziser zu erfassen. Die Flut überhaupt nicht begreifbar, wenn vom einfachen Fortbestehen nationaler kapitali von empirischen und theoretischen Untersuchungen rech_!fertigt es mittlerweile, stischer Formationen ausgegangen wird und die historischen Brüche im Verhältnis von einer Renaissance der Internationalen Polillischen Okonomie zu sprechen von Kapital und Staat im globalen Maßstab übersehen werden. (Meyers 1989). Nachdem diese zu Beginn der achtziger Jahre innerhalb der Milios' Beitrag beeindruckt nicht zuletzt durch seinen bemerkenswerten theo Sozialwissenschaften noch eher als Randdisziplill1 galt (Tooze 1984, 646), rückte retischen Konservatismus. Daß es seit den sechziger Jahren nicht unbeachtliche sie - begleitet durch die lebhaften Debatten zunächst über den US-Decline und Weiterentwicklungen der Kapitalismustheorie gegeben hat, wird einfach nicht zur nunmehr über die Globalisierung - fortan rasch in deren Zentrum. Kenntnis genommen. Was z.B. im Rahmen des Regulationsansatzes oder der neuen Die Aufwertung der lnternationalen Politischen Ökonomie hat ihren Fixpunkt internationalen politischen Ökonomie geleistet worden ist, braucht nicht unbe in den Transformationen des globalen Kapitalismus. Zwar werden dessen Verän dingt überbewertet, sollte aber jedenfalls berücksichtigt werden. Ganz zu schweigen derungen derzeit eher kontrovers interpretiert. Konsens besteht jedoch darüber, von der Fülle der empirischen Untersuchungen zu den Veränderungen des Welt daß sich die grundlegenden Struktunnerkmale des »embedded liberalism« (Ruggie kapitalismus. Ob es angesichts dieses Stands der Wissenschaft beispielsweise 1982) seit Anfang der siebziger Jahre aufgelöst haben, und die fordistische Kon noch sinnvoll ist, mit Lenins Begriff der »imperialistischen Kette« zu operieren, stellation der Pax Americana »Keynes at home and Smith abroad« (Gilpin 1987, darf jedenfalls bezweifelt werden. 355) längst nicht mehr gilt. Obwohl internationale Regime wie das GATT, IWF, Mein Eindruck ist, daß dieser nicht nur bei Milios sichtbare Konservatismus Weltbank, BIZ, OECD etc. auch nach dem Ende der US-Hegemonie weiter fortbe zuallererst einer vorgängigen politischen Option geschuldet ist. Milios zitiert zu stehen (Keohane 1984), einige sogar neu geschaffen wurden (z.B. die G7), haben stimmend Lenins Äußerung, daß die Grundfrage jeder Revolution die Frage der sich die Struktur und Funktionsweise der internationalen sowie die Optionen der Macht im Staate sei. Diese Aussage ist angesichts der Erfahrungen mit revolutio nationalstaatlichen Regulation gravierend verändert. Im Zentrum vieler Betrach nären Machtergreifungen, dem Staatssozialismus so:,vjetischer Prägung und der. tungen steht von daher das Verhältnis von Weltmarkt und National_staat (Str_ange kritischen Debatte darüber für sich genommen schon bemerkenswert. Sie ist eben 1988). »For the state, territorial boundaries an: a necessary bas1s of national so bemerkenswert angesichts des Schicksals, das dem sozialdemokratischen autonomy and political unity. For the market, the elimination of all political and Staatsreformismus beschieden war. Tragfähig sind solche politischen Orientierun other obstacles to the operation ofthe price mechanism is imperative. The tension gen in der Tat nur, wenn von der Existenz fester nationalstaatlicher kapitalistischer between these two fundamentally different ways of ordering human relationships Fonnationen ausgegangen werden kann. Diese will der Verfasser folglich beweisen, has profoundly shaped the course of modern history and constitutes the crucial zur Not eben auch theoretisch defizitär und kontrafaktisch. Gegen politische Kon problem in the study of political economy« (Gilpin 1987, 1 I ). Wie und warum zepte dieser Art sprechen freilich nicht nur einige historische Erfahrungen, sondern sich das Verhältnis von Weltmarkt und Nationalstaat neu gestaltet, ist sicherlich auch sehr triftige theoretische Gründe. Die aktuellen ökonomisch-sozialen Struk eine zentrale, gleichwohl häufig aber auch verengte Fragestellung, in der - unge turveränderungen zwingen dazu, die Staatsfrage wieder und neu zu stellen, zumal achtet der regirnetheoretischen Differenzierungen - häufig noch die Defizite der unter den Bedingungen einer fortschreitenden Aushöhlung der bürgerlich-liberalen realistischen und idealistischen Schule nachwirken. Entweder gilt der Staat als pri Demokratie. Es geht um eine Kritik etatistischer Konzepte gesellschaftlicher Ver märe und der Markt als nachgeordnete Größe (Re:alismus), oder der Markt scheint änderung und um die Frage, ob Befreiung mittels des Staates überhaupt möglich das Staatshandeln nahezu vollständig zu determinieren (Idealismus). ist. Dies alles ist keineswegs neu, aber die aktuellen Entwicklungen zwingen nun Neuere regulationstheoretischeArbeiten wend,en sich mehr oder minder explizit wirklich dazu, sich wieder und sehr viel radikaler damit auseinanderzusetzen. gegen die wechselseitige Separierung von Ökonomie und Politik und betonen DAS ARGUMENT 21711996 0 730 Hans-Jürgen Bieling/ Frank Deppe Gramscianismus in der Internationalen Politischen Ökonomie 731 demgegenüber die integrale Vernetzung beider Sphären. Auch wenn die Analysen Macht zu ihren Gunsten zu gestalten, fragt ersterer danach, wie und warum welche des Übergangs vom keynesianischen Wohlfahrtsstaat zum »nationalen Wettbe sozialen Interessen durch den Staat- dieser bildet: gleichsam eine institutionalisier werbsstaat« (Altvater 1994; Hirsch 1995) die Weltmarkt-Nationalstaat-Dichotomie te Arena von Klassenkämpfen (Cox 1987, 19)- re:präsentiert und gefördert werden. noch nicht gänzlich überwunden haben, bemühen sie sich jedoch verstärkt darum, Auch die Strukturen internationaler Hegemonie basieren damit letztlich auf gesell die komplexe Verzahnung von nationalen und internationalen Akkumulations schaftlichen Macht-und Kräfteverhältnissen einschließlich ihrer sozialen, kultu und Regulationsmodi im globalen Kapitalismus herauszuarbeiten (Hirsch 1993). rellen und ideologischen Reproduktion. Dieser Brückenschlag zwischen inter Um die transnationale Qualität der neuartigen Regulationsformen begrifflich präzi nationaler Politik und sozialem Alltagshandeln erfolgt wesentlich über die Analyse ser zu fassen, werden zunehmend auch Anleihen bei der Governance Konzeption des »erweiterten Staats«, d.h. des Ensembles staatlicher Praxen im engeren Sinne gemacht (Jessop 1995a; J 995b) . Unklar bleibt dabei jedoch weitgehend, ob und und der Sphäre der Zivilgesellschaft. Letztere bildet das Terrain zwischen Ökonomie inwiefern die hegemonietheoretischen Überlegungen im Kontext der Globalisierung und Politik, auf dem soziale und politische Kräfte um Deutungsmacht, d.h. mo von Produktions-, Dienstleistungs-und Finanzstrukturen sowie von Kultur-, Ideo ralische und intellektuelle Führung ringen. Hegemonie, für Gramsci »Konsens, logie-und sonstigen Sozialbeziehungen transnational reformuliert werden müssen. gepanzert mit Zwang«, ist demnach immer am die kulturellen Gewohnheiten, Vielversprechend scheinen in diesem Zusammenhang die Studien einiger Autoren, ideologischen Interpretationen und dasAlltagsbewußtsein der Bevölkerung 1iick die als »transnational historical materialism« (Gill 1993) oder- durch Braudel und gebunden. Übertragen auf den globalen Kapitalismus bedeutet dies, daß dieser in Polanyi inspiriert-als »open marxism« (Drainville 1992) bezeichnet werden und dem Maße hegemonial strukturiert ist, wie ein bestimmtes Entwicklungsmodell die gramscianische Hegemoniekonzeption für die Analyse des globalen Kapitalis zum allgemein akzeptierten Maßstab gesellschaftlicher Modernisierung wird und mus fruchtbar machen wollen. sich über entsprechende transnationale Regulicnungsformen stabilisiert. Seine Verdichtung findet dieser Gedanke drittens in der Konzeption des inter Hegemonie im globalen Kapitalismus nationalen historischen Blocks. Der historische Block als kohärentes Zusammen spiel von sozioökonomischer Basis sowie politischer und ziviler Gesellschaft wird Im Kern geht es dem Neo-Gramscianismus der Internationalen Politischen Öko als Verhältnis mehrerer Nationen innerhalb einer bestimmten historischen Epoche nomie ähnlich wie übrigens den anderen, vorwiegend neorealistisch inspirierten gefaßt. Die ihn tragenden, relativ stabilen »organischen Beziehungen« bestehen Hegemoniekonzeptionen (zum Überblick vgl. Hübner 1990) darum, die Ursachen »aus einer Allianz der herrschenden Klassen der in dem Block vereinten Natio und tragenden Strukturen von transnationalen Kooperations-, Macht-und Gewalt nen« (Jacobitz 1991, 11 ). Für die internationale Hegemoniekonzeption bedeutet verhältnissen zu ergründen. Doch im Unterschied zu diesen wird Hegemonie nicht dies: »Hegemony at the international level is thus not merely an order among als Dominanz eines ökonomisch und militärisch mächtigen Nationalstaats ver statcs. lt is an order within a world economy with a dominant mode of production standen, sondern als ein konsensual abgestützter Modus transnationaler Vergesell which penetrates into all countries and links into other subordinate modes of schaftung, einschließlich der Klassenbeziehungen, ideologischen Verhältnisse sowie production. lt is also a complex ofinternational social relationships which connect Herrschafts- und Konsensstrukturen. Für die Untersuchung von hegemonialen the social classes of the different countries. World hegemony is describable as a Strukturen im globalen Kapitalismus sind vor aUem fünf Aspekte charakteristisch: social structure, an economic structure, and a political structure; and it cannot be Erstens verortet sich die gramscianische Hegemoniekonzeption stets im histo simply one of these things but must all three. World hegemony, furthermore, is rischen Kontext, formuliert also anders als der Neorealismus keine ahistorische expressed in universal norms, institutions and mechanisms which lay down Konzeption des fortwährenden Aufstiegs und Niedergangs hegemonialer Mächte general rules of behavior for states and for those forces of civil society that act (z.B. Kennedy 1989). Internationale Hegemonie ist demnach zwar in der Vergangen across national boundaries - rules which support tbe dominant mode of heit wesentlich durch die ökonomische und politische Stärke sowie ideologische production.« (Cox 1983, 171 f) Führungskraft eines einzelnen Nationalstaats ausgeübt worden. Dies bedeutet Der Fähigkeit von hegemonialen Kräften, ihre Interessen über allgemein akzep jedoch nicht, daß dieses Interpretationsraster in die Zukunft zu verlängern ist. Ge tierte Ideen, Normen, Regeln und Institutionen zu universalisieren, verweist viertens rade die Globalisierungsdynamik legt es nahe, transnationale Hegemonie auch auf die Form der Ausbreitung von Hegemonie als passive Revolution. Dies bedeu jenseits der Perspektive eines einzelnen hegemonialen Staats zu begreifen tet, daß die subalternen Klassen und peripheren Staaten ideologisch und materiell (Röttger 1996; Marshall 1996, 212). In diesem Sinne präsentiert sich die neo in den hegemonialen Block eingebunden werden; zumindest insofern, als sie - gramscianische Hegemoniekonzeption hinsichtlich qualitativer historischer Brüche teils überzeugt, teils gezwungen - ihre Struktur,en der nationalen Akkumulation als prinzipiell offen und innovativ. und Regulation in die Organisation des global,en Kapitalismus einpassen. Zu Zweitens unterscheidet sich der Neo-Gramscianismus vom neorealistischen Pa gleich werden auf der anderen Seite all die Kräfte neutralisiert oder marginalisiert, radigma durch ein grundlegend anderes Staatsverständnis. Während letzteres davon die antagonistische Interessen und Projekte verfolgen. ausgeht, daß sich die Nationalstaaten bemühen, das anarchische internationale Um Fünftens schließlich - und hier spitzt sich im Unterschied zu einfachen feld durch d_ie Organisation von ökonomischer und politischer bzw. militärischer »Problemlösungstheorien« die kritische Stoßrichtung zu (Cox l 995a)- will der 732 }Jans-Jürgen Bieling I Frank Deppe Gramscianismus in der Internationalen Politischen Ökonomie 733 Neo-Gramscianismus in der I.nternationalen Politischen Ökonomie die Widersprü sozialen gegenüber den politischen Kräften auf: Konkreter formuliert: Während che der bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse aufspüren, um nach die Nationalstaaten an Gestaltungskraft verlieren, wächst die Definitionsmacht der Wegen zu suchen, wie die tradierten Strukturen aufgebrochen und überwunden transnationalen Managerklasse. Ihre intensivierte Kooperation stützt sich nicht werden können. Er bleibt also nicht bei der idealtypischen Rekonstruktion des zuletzt darauf, daß die Reorganisation der Produktions-und Finanzbeziehungen »hegemonialen Blocks« stehen. Sein spezifischer Ansatz wird erst darin erkenn zu einem transnationalen Akkumulationsregime überleitet (Gill 1990; 1995). Ab bar, daß er die transnationalen Umbrüche nicht als gesellschaftlichen Wandel le gestützt wird dieses zweitens durch die veränderte, neoliberal-monetaristisch aus diglich beschreibt, sondern diese als »Umbrüche in den gesellschaftlichen Macht gerichtete Funktionsweise der internationalen Regime. Der IWF, das GATT, die verhältnissen transparent machen« kann (Röttger 1996, 37). Darüber hinaus zeich G7 und die regionalen Prozesse wirtschaftlicher Integration (EU, NAFTA, ASEAN net sich dieser Ansatz dadurch aus, daß er in der Rekonstruktion von Prozessen der etc.) gelten als Ausdruck eines »new constitutionalism«, der die Vernetzung des Hegemoniebildung im Kontext der krisenhaften Erosion der alten Formation (hier: globalen Kapitals, die Intensivierung der Marktdisziplin und damit die Korn des Fordismus) zugleich deren innere Widerspruchsstruktur offenlegt. Damit wer- ·· modifizierung von Sozialbeziehungen vorantreibt (Gill 1992; 1995). Und drittens den zugleich die allgemeinen Voraussetzungen für die Entwicklung gegenhegemo betont Gill noch stärker als Cox die Rolle, die intellektuelle Führungseliten bei der nialer Potentiale in einer langfristigen Perspektive, für die Konstruktion eines Formulierung von politischen Projekten spielen. Die Verallgemeinerung neo gegenhegemonialen mehrheitsfähigen Blocks sozialer, politischer und kultureller liberaler Philosophien erfolgt demnach wesentlich über häufig private, bisweilen Kräfte beleuchtet. auch informelle transnationale Elitenzirkel wie die Mont-Pelerin Gesellschaft, die Heritage Foundation, die Trilaterale Kommission etc. Globalisierung und transnationale Hegemonie Auch der Amsterdamer Ansatz untersucht ähnlich wie Gill die diskursive und organisatorische Vernetzung von intellektuellen, ökonomischen und politischen Trotz des gemeinsamen Bezugs auf die Hegemoniekonzeption von Antonio Gramsci Eliten. In der Tradition von Poulantzas fragen van der Pijl (1984) und Holman werden bei der Analyse der Dynamiken und Strukturen - weniger hinsichtlich der (J 993) danach, inwiefern die formulierten Diskurse und politischen Visionen den Konsequenzen der Globalisierung - unterschiedliche Akzente gesetzt. Während Interessen bestimmter Kapitalfraktionen entsprechen. Nach van der Pijl ( 1984) z.B. Cox ( 1987; 1993) eher die nicht-hegemonialen Dimensionen, d.h. die Insta favorisiert das Bankkapital das Konzept des »liberalen Internationalismus«, wäh bilität und Offenheit der derzeitigen Weltordnung betont, sehen Gill (1990) oder rend das produktive Kapital eher Formen der »staatsmonopolistischen Regulierung« van der Pijl (1995) infolge der transnationalen ökonomischen, sozialen und poli bevorzugt. Bestand nun in der fordistischen Ära bzw. der Pax Americana zwischen tischen Vernetzung bereits die Konturen eines neuen hegemonial strukturierten beiden Fraktionen ein annäherndes Kräftegleic.hgewicht, auf Grundlage dessen historischen Blocks. sich das Kompromißkonzept des »korporativen Liberalismus« ausgestaltete, so Die Differenzen haben unter anderem konzeptionelle Ursachen. Der dynamische gewinnt das transnationale Geldkapital in den siebziger und achtziger Jahren deut Strukturalismus von Cox ( 1987; 1989) konzentriert sich primär auf drei bzw. vier lich an Gewicht. Folglich erodiert der alte Kompromiß, und auch in Westeuropa Analyseebenen: auf die Struktur der Akkumulation, den dazu passenden Staats (van der Pijl 1989; Holman/van der Pijl 1992) zielen Strategien der neoliberalen typus, die Weltordnung und die Vermittlungen durch die Sphären der nationalen Restrukturierung auf die Deregulierung der Kapital-und Finanzmärkte sowie auf und internationalen Zivilgesellschaft (Cox 1995b). Strukturalistisch ist seine Ar die Neudefinition von Staatsfunktionen. gumentation insofern, als die sozialen Klassen und Akteure zumeist nur als Träger Die lnternationalisit:rung des Staates vollzieht sich komplementär zur Globa gesellschaftlicher Strukturen in Erscheinung treten. Für die Dynamik des sozialen lisierung der Produktions-, Finanz-, Dienstleistungs-und Sozialbeziehungen. Gut Wandels sind nahezu ausschließlich die global orientierten Eliten und die von ihnen begründet und empirisch nachvollziehbar ist die damit verbundene These vom produzierten Ideen und Philosophien zuständig. überdies bleiben die hegemonie Fun~tionswandel des Nationalstaats, d.h. die Aufwertung von relativ eng an den theoretischen Überlegungen recht eng der Pax Americana verhaftet. Die Unmög Weltmarkt gekoppelten Staatsapparaten (Finanzministerien, Zentralbanken etc.) lichkeit zukünftiger Hegemonie, die Perspektive einer post-hegemonialen Ära, ist und die Subordinantion von Ministerien für Beschäftigung und soziale Sicherheit damit vorgezeichnet: Denn obwohl der Nationalstaat tendenziell an Gestaltungs (Cox 1992; Gill 1995, 82). Umstritten ist jedoch, ob die Reorganisation der Staats spielraum verlie{t, folgt Cox noch immer der Vorstellung eines hegemonialen apparate zugleich einen fortschreitenden Kompetenzverlust des Nationalstaats Nationalstaats, d.h. einer »outward expansion ofthe internal (national) hegemony anzeigt. Cox (1992, 30f; 1995, 39) sieht diesen dadurch gegeben, daß der Staat established by a dominant social class« (Cox 1983, 171 ). nach dem Ende der Nachkriegsordnung zwischen den nationalen Sozialbeziehun Gill ( 1990, 89ft) spricht angesichts der Globalisierung und der Universalisie gen und der globalen Wettbewerbsdynamik nic.ht mehr als »mediator« fungiert, rung von neoliberalen Politikprojekten aktuell nicht mehr von der Herausbildung sondern zunehmend als »transmission belt« der globalen Ökonomie. In der Kritik eines internationalen, sondern eines transnationalen historischen Blocks. Kon des Cox'schen Ansatzes bezeichnet Panitch ( 1994, 67ft) die Unterscheidung von zeptionell verweist diese Akzentverlagerung darauf, daß Gill andere analytische nationaler und globaler Ökonomie zum einen als zu formal. Zum anderen bemän Schwerpunkte setzt: Erstens wertet er innerhalb des hegemonialen Blocks die gelt er vor allem aber-und dies richtet sich nicht nur gegen Cox - die »top down« 734 Hans-Jürgen Bieling/ Frank Deppe Gramscianismus in der Internationalen Politischen Ökonomie 735 bzw. »outside-in« Perspektive, aus der die Transformation des Staats globalistisch Epoche der »Turbulenzen« eingetreten (Rosenau 1990), in der vor allem in der abgeleitet wird. Demgegenüber betont er die zentrale Rolle, die der Nationalstaat ehemaligen »Dritten Welt« Gewalt eskaliert und Chaos statt Ordnung vorzuherr nach wie vor sowohl hinsichtlich der Globalisierung als auch der Organisation und schen scheint (Amin 1992). Legitimierung von Klassenbeziehungen und Herrschaftsverhältnissen spielt. Die Allerdings lassen sich sehr wohl einige strukturelle Determinanten dieser kri konstitutive Bedeutung von innergesellschaftlichen Macht-und Kräfteverhältnissen senhaften Transformation ausmachen. Auf der ,einen Seite handelt es sich dabei sollte demzufolge nicht unterschätzt und der Nationalstaat als Terrain gesellschaft um die »entfesselte« bzw. »entgrenzte« kapitalistische Ökonomie (Neyer 1995), licher, auch gegenhegemonialer Kämpfe nicht vorschnell verabschiedet werden. die nunmehr auch die ehemals nicht-kapitalistischen Räume in den Weltmarkt inte Etwas anders gelagert ist die Kritik von Drainville ( 1992). Dieser bemängelt griert und zugleich neue räumliche Verschiebungen erzeugt. Dabei deutet sich eine neben der problematische_n, da theoretisch unterentwickelten und begrifflich un Verlagerung des Zentrums der kapitalistischen Weltwirtschaft in den ostasiatisch scharfen Verwendung der Klassenterminologie, nämlich der Gleichsetzung von pazifischen Raum an, ohne daß schon die Frage nach einer neuen Hegemonial Klassenfraktionen und Kapitalcliquen, insbesondere die defizitäre Konzeptionali ordnung beantwortet werden köruite; denn dabei wäre von der Seite der Akku sierung der Artikulation von Politik in der Weltökonomie: »However, the failure to mulationsbedingungen her das Problem der strukturellen Überakkumulation von distinguish from the start between structurally-rooted fraction of capital and Kapital zu »lösen«, das die Wachstumsschwäche des globalen Kapitalismus seit political cliques and alliances, is revealing of open marxism's a-priorism. The den siebziger Jahren ebenso determiniert wie den Druck, überschüssiges Kapital transnational unity of a neo-liberal political clique is taken as a political mani in den spekulativen Finanzsektor umzulenken. festation ofthe global coherence ofmoney capital, and neo-liberalism appears to Auf der anderen Seite ist dieser Übergang offenkundig mit einer politischen be as weil integrated as the global circuits of social capital from which it was Schwächung der Nationalstaaten verbunden. »The uncontainability of violence in dragged out by transnational elites. A monetarist manna falling from the skies the contemporary world is closely associated with the withering away ofthe mo above the Mont Pelerin society.« (Drainville 1992, 10) Vor allem die Amsterdamer dern system of territorial states as the primary locus of world power« (Arrighi Arbeiten seien insofern problematisch, als sie eine faktisch nicht gegebene innere 1994, 331 ). Diese Prozesse betreffen nicht allein die ehemals staatssozialistischen Kohärenz des Neoliberalismus suggerieren. Der partielle, vorläufige und fragmen Systeme und weite Teile der ehemaligen Dritten Welt, sondern sie wirken auch in tarische Charakter neoliberaler Hegemonie bleibt dadurch ebenso unerkannt wie den kapitalistischen Metropolen selbst. Die Debatten in der Disziplin der Interna die vielfältigen Ansatzpunkte gegenhegemonialer Blockbildung. Ungeachtet der tionalen Beziehungen haben seit den frühen 80er Jahren diesen Prozessen insofern Kritikpunkte hebt Drainvil le jedoch als Verdienst des Neo-Gramscianismus hervor, Rechnung getragen, als sie die Analyse der Entstehung neuer, transnationaler Or daß dieser die national beschränkte Sichtweise von Klassenkämpfen überwindet ganisationsformen jenseits der Staatlichkeit in d,en Mittelpunkt gestellt haben. Die und den transnationalen Charakter der gegenwärtigen sozioökonomischen und schleichende Aushöhlung nationaler wie internationaler politischer Regulierungs machtpolitischen Restrukturierung untersucht. versuche hat freilich auch das Bewußtsein von der Paradoxie geschärft, »daß sich in einer Zeit des notwendigen politischen Gestaltungsbedarfs ... die Weltwirtschaft, Globale Unordnung und Hegemonie oder zumindest ihr Kern, die Triade USA, Japan/Pazifik, Westeuropa, immer mehr ökonomisch integriert und politisch desintegriert« (Esser 1993, 41 Of). Letztlich enden die neo-gramscianischen Analysen in einer paradoxen Situations Die Fixierung auf die globalen Prozesse einer hegemonialen Reorganisation beschreibung: Weru1 sie von neoliberaler Hegemonie in der post-hegemonialen von Ökonomie und Politik vermag derzeit solche Paradoxien nicht aufzulösen. Sie Ära sprechen, bringen sie zum Ausdruck, daß auf der einen Seite die Struktur und bleibt oftmals spekulativ (z.B. Cox 1993) und muß sich angesichts veränderter öko die Regulation der Weltordnung eher instabil erscheint, andererseits jedoch über nomischer und politischer Konjunkturen immer wieder korrigieren. Die Arbeit mit all neoliberale Strategien auf dem Vormarsch sind. Unseres Erachtens sollte dies einer heuristischen neogramscianischen Konzeption der Internationalen Politi dazu Anstoß geben, die präsentierte Hegemoniekonzeption zu überdenken: Pro schen Ökonomie sollte daher stärker den Projektcharakter von Hegemonie heraus blematisch scheint, zumindest insofern sie die Pax Americana zum Vorbild nimmt, arbeiten. Entsprechend sollte sich das Hauptanliegen der Analyse weniger auf die vor allem ihre Fixierung auf eine international stabile Ordnung, wodurch der Formierung global strukturierender »historische:r Blöcke« konzentrieren, als viel Blick auf die Dynamik der derzeitigen hegemonialen Kämpfe eher versperrt als mehr auf die Machtpotentiale und Handlungsoptionen der sozialen und politischen eröffnet wird. · Kräfte, mithin auf die Prozesse hegemonialer bzw. gegenhegemonialer Block Eine neue, tragfähige hegemoniale Konstellation, die sich sowohl auf ein glo bildung. Um den strukturalistischen bias und di.e Elitenfixierung zu überwinden, bales Akkumulationsregime, auf die Herausbildung einer globalen konsortialen wären darin zugleich die zivilgesellschaftlichen Basisprozesse - die alltäglichen Führungsstruktur sowie auf ein ausstrahlungsfähiges hegemoniales Gesellschafts Konflikte und Definitionskämpfe - stärker zu gewichten. projekt stützen könnte, ist derzeit nicht erkennbar. Niemand vennag vorauszusagen, welche Ordnungssysteme an die Stelle der Befestigungen und Abschreckungs mechanismen des Kalten Krieges treten werden. Die globale Politik ist in eine 736 Hans-Jürgen Bieling I Frank Deppe Gramscianismus in der Internationalen Politischen Ökonomie 737 Das Projekt »Europäische Union« Arbeitsrecht), das die institutionellen Rahmenbedingungen jener Macht gebildet hatte (»Klassenkompromiß«). Am Beispiel der Entwicklung der europäischen Integration seit den frühen acht Schließlich hat das neoliberale Projekt seit den frühen achtziger Jahren über die ziger Jahren läßt sich die stufenweise und systematische Durchsetzung des Entwicklung der EU-Politik massiven Einfluß auf die Gestaltung der europäischen hegemonialen Projektes einer neo-liberalen Restrukturierung von Wirtschaft, Ge Rahmenbedingungen für die Transfonnation von Ökonomie und Politik genommen sellschaft und Staat als Abkehr von der keynesianisch-wohlfahrtsstaatlichen Regu (Bieling/Deppe 1996a). Die wichtigsten Weichenstcllungen erfolgten mit dem lation und als »Öffnung« zur Wettbewerbsordnung des Weltmarktes sowie zu einer Binnenmarktprojekt sowie mit den einzelnen Schritten auf dem Weg zur Wäh restriktiven Wirtschafts-und Finanzpolitik ziemlich genau verfolgen. Als Reaktion rungsunion (seit der Gründung des EWS 1978). Die Liberalisierung der Güter-, auf die Krisenprozesse der siebziger Jahre, den Machtzuwachs der Gewerkschaften Kapital-und Arbeitsmärkte sowie die Anerkennung des Primats monetärer Stabi und die neuen Wettbewerbsverhältnisse auf dem Weltmarkt (z.B. der Aufstieg lität für die Wirtschafts-und Fiskalpolitik bilden die Hauptstützen dieser Politik, Japans) begann sich im Sinne eines Strategiewechsels ein Block politischer, sozialer, die durch die Verträge von Maastricht ( 1991) den Weg zur Währungsunion bis zum aber auch kultureller Kräfte zu formieren. Dabei werden Projekte lanciert, infolge Jahre 1999 festgeschrieben haben. Über die sogenannten »Konvergenzkriterien« derer sich auf unterschiedlichen Ebenen, betrieblich, regional, national und euro ist nicht allein die führende Rolle der D-Mark und der Deutschen Bundesbank für päisch, Wettbewerbsgemeinschaften im Sinne weltmarktbezogener »Produktivi die EU festgeschrieben worden. Sie fungieren zugleich als Bezugspunkt, um die tätspakte« formieren. einzelstaatliche Politik an die Ziele der monetären Stabilität und der daraus abge Auf der betrieblichen Ebene sollen Wettbewerbsgemeinschaften von »ver leitetenAusteritätspolitik anzubinden. schlankten« Belegschaften gebildet werden, die sich für das Ziel der betrieblichen Die Durchsetzung dieser Politik auf den verschiedenen Ebenen der gesellschaft »Standortsicherung« durch Kostensenkung und Steigerung der Arbeitsproduktivität lichen Reproduktion wie des politischen Mehrcbenensystems der EU schließt eine engagieren. Der Druck der internationalen Konkurrenz soll solche Gemeinschaften Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse mit ein. Das weltmarkt ebenso zusammenschweißen wie die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, orientierte Industrie- und Geldkapital europäisiert sich; spekulative Währungs die durch Personalabbau, Verjüngung, aber auch durch den Druck der Massen und Finanzanlagen gewinnen gegenüber Realinvestitionen an Bedeutung; die alten arbeitslosigkeit »von außen« beständig reproduziert wird. Das Betriebskollektiv korporatistischen Arrangements erodieren. Während sich die strukturelle Macht soll auch kulturell zu einer unternehmerischen »Wertschöpfungsgemeinschaft« des transnationalen Kapitals z.B. über den »European Round Table of lndustria integriert werden (Schulten 1995). lists« (ERT) in den europäischen Integrationsprozeß politisch übersetzt (Holman/ Auf der regionalen bzw. lokalen Ebene intensivieren sich die Bemühungen, die van der Pijl l 992, 21 f), lösen sich innerhalb der Arbeiterklasse, und hier vor allem infrastrukturelle Modernisierung auf die Standortbedürfnisse des anlagesuchenden auf segmentierten Arbeitsmärkten im Dienstleistungsbereich, die tradierten Formen Kapitals möglichst gut abzustimmen (Jessop 1995a; Tömmel 1995). Dabei sollen der Solidarität und Verhandlungsmacht unweigerlich auf (Cox 1993, 266ff; Gill politische Verhandlungssysteme und Netzwerke etabliert werden, die sowohl 1992, l 72f). Zugleich werden über materielle Konzessionen (Strukturfonds, In lokale wie transnationale, öffentliche und private Akteure verbinden als auch den dustriepolitik, selektiv-korporatistische Verteilu11gskoalitionen) wichtige politische direkten Zugang des Kapitals zu politisch gesteuerten Investitionsentscheidungen Akteure und soziale Gruppen (Ingenieure, Yuppies, Angestellte, industrielle Kern und Modernisierungsprojekten optimieren. belegschaften etc.) neu in den neolibcralen Block eingebunden. An die Stelle des Die verschiedenen nationalen Standortdebatten seit Beginn der neunziger Jahre relativ umfassenden korporatistischen »Klassen«-Deals treten somit zusehends zeigen zudem, daß die Transformation vom keynesianischen Wohlfahrtsstaat zum partikularistische Arrangements. »nationalen Wettbewerbsstaat« (Altvater 1994; Hirsch 1995) schnell voranschreitet. Die Herausbildung und schließliche Festigung eines »hegemonialen Blocks« Die neo liberale Deregulierungspolitik richtet sich vor allem auf drei Bereiche: 1. die im Sinne Gramscis erfordert freilich auch ein ideologisches Projekt, das die Be Durch-und Umsetzung der transnationalen Liberalisierung des Güter-und Kapi herrschten oder zumindest große Teile der »Subalternen« an die Herrschenden talverkehrs (z. 8. im Rahmen der Vereinbarungen des GATT oder des europäischen bindet bzw. diese Herrschaft erträglich gestaltet. Vor dem Hintergrund der sozialen Binnenmarktes); 2. Durchsetzung der Privatisierung im Bereich von Fernsehen und ökonomischen Probleme der späten siebziger Jahren und vor allem angesichts und Telekommunikation, Post und Bahn; Entwicklung und Implementation von der Krise der keynesianischen Steuerungssysteme im Hinblick aufWachstum und Privatisierungsmaßnahmen im Bereich der großen Sozialversicherungssysteme Beschäftigung konnte die »neoliberale Wirtschaftstheologie« (Hobsbawm) diese (Gesundheit,Alter, Arbeitslosigkeit); »Verschlankung« und Privatisierung weiter Funktion weitgehend erfüllen. Mit dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Bereiche der öffentlichen Verwaltung und von Dienstleistungen bei gleichzeitigem Systeme wurde die ideologische Breitenwirkung des »Entstaatlichungs«-Pro Ausbau der staatlich-repressiven Sicherheitssysteme (Gefängnisse, Polizei, Über gramms und der globalen Entfesselung der Marktfreiheiten - als Bedingung für wachungssysteme); 3. Austeritätspolitik und Abbau des Sozialstaates mit dem erneutes Wachstum, individuelle Wohlstandsmehrung, Erweiterung der Konsum politischen Ziel der Schwächung der Gewerkschaftsmacht und der Auflösung je möglichkeiten und damit von mehr individueller Freiheit - noch einmal gestärkt. nes Systems kollektiver Regelungen (Tarifverträge, Sozialrecht, kollektives Doch in den neunziger Jahren konzentrieren sich die öffentlichen Diskurse und DAS ARGUMENT 217/1996 C) 738 Hans-Jiirgen Bieling I Frank Deppe Gramscianismus in der Internationalen Politischen Ökonomie 739 die sozialpolitischen Auseinandersetzungen mehr und !1)ehr auf die »Grenzen der ders., 1987: Production, Power and World Order. Social Forces in the Making of History. New York Globalisierung« (Altvater/Mahnkopf 1996) sowie auf die Folgen der neoliberalen ders., 1989: »Production, the State, and Change in World Order«. In: E.-O.Czempiel, Politik: » Weltweit mehr Arbeitslosigkeit, strukturelle Wachstumsprobleme, Ver J.N.Rosenau (Hg.), Global Changes and Theoretical Challenges: Approaches to World tiefung der Spaltung zwischen dem Norden und der großen Mehrheit des Südens, Politics for the 1990s. Toronto, 37-50 Erosion der sozialen Sicherheit, steigende Verschuldung sowie ausbleibende Maß ders., 1992: »Global Perestroika«. ln: Miliband/Panitch (Hg.), 26-43 ders., 1993: »Structural lssues of Global Governance: lmplications for Europe«. In: Gill (Hg.), nahmen zum dauerhaften Schutz der Umwelt und Ressourcen« (Müller 1996; vgl. 259-89 ausführlich Kennedy 1993; Rifkin 1995; Thurow 1996; Kapstein 1996). ders. 1995a: »Critical Political Economy«. In: Hettne (Hg.), 31-45 In bezug auf die EU, die wir als Beispiel für die Konstruktion und Implemen ders.'. 1995b: »Civilizations: Encounters and Transformations«. In: Studies in Political tation neoliberaler Hegemonie ausgewählt haben, konkretisieren sich diese · Economy 47, Summer, 7-31 Deppe, Frank, und Michael Felder, 1993: Zur Post-Maastricht-Krise der Europäischen Gemein Widerspruchskonstellationen auf den verschiedenen Ebenen. Der Legitimations schaft (FEG-Arbeitspapier Nr. 10). Marburg verlust des europäischen Projektes nach Maastricht (Deppe/Felder 1993) ist auch Drainville, Andre C., 1992: International Political Economy in the Age of Open Marxism und vor allem Ausdruck der Tatsache, daß Massenarbeitslosigkeit, Armut und (working paper no. 27). Amsterdam Marginalisierung von Jugendlichen in der EU beständig zugenommen haben und Esser, Josef, 1993: »Die Suche nach dem Primat der Politik«. In: S. Unseld (Hg.), Politik ohne die herrschende Politik, vor allem die Einbindung der nationalen Wirtschafts-und Projekt? Frankfurt/M, 409-30 Gill, Stephen, 1990: Arnerican Hegemony and the Trilateral Commission. Cambridge Fiskalpolitik durch die Orientierung auf die »Konvergenzkriterien«, solche Wider ders., 1992: »The Emerging World Order and European Change: The Political Economy of sprüche eher noch verstärkt als zu ihrer Lösung beiträgt (Bieling/Deppe 1996b). European Economic Union«. In: Miliband/Panitch (Hg.), 157-96 . Dazu kommt, daß sich die neoliberale Politik keineswegs homogen und gleichge ders. (Hg.), 1993: Gramsci, Historical Materialism and International Relations. Cambridge richtet durchsetzt. Noch besteht zwischen den Mitgliedstaaten der EU ein be ders., 1995: »Theorizing the Interregnum: The Double Movemcnt and Global Poht1cs m the 1990s«. In: Hettne (Hg.), 67-99 trächtlich es Gefälle nicht nur der Wirtschaftskraft, sondern auch in der Dynamik Gilpin, Robert, 1987: The Political Economy oflnternational Relations. Princeton, Ne":' Jersey und Reichweite neoliberaler Restrukturierung. Mit anderen Worten: es gibt nach Hettne, Björn (Hg.), 1995: International Political Economy. Understanding Global D1sorder. wie vor eine Vielfalt von Optionen und Entwicklungspfaden auf den verschiedenen London Ebenen. Deren Resultate sind keineswegs eindimensional vorprogrammiert, son Hirsch, Joachim, 1993: »Internationale Regulation. Bedingungen von Dominanz,Abhängigkeit und Entwicklung im globalen Kapitalismus«. ln: Das Argument 198, 195-222 dern immer auch institutionell und ideologisch durch die je nationalen Besonder ders., 1995: Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapi heiten und Traditionen sowie durch den Druck sozialer und politischer Ausein talismus. Berlin, Amsterdam andersetzungen bestimmt. Genau hier wäre zunächst einmal jener Brückenschlag Holman, Otto, 1993: lntegrating Southern Europe. EC Expansion and theTransnationalization zwischen Formen des praktischen Widerstands gegen die herrschende Politik und ofSpain (Diss.). Univ. Amsterdam . . . jenen »Expertendiskursen« zu verorten, die die Erkenntnisse der Internationalen ders., und Kees van der Pijl, 1992: Restructuring the Ruling Class and European Umf1cat1on (working paper no. 28). Amsterdam Politischen Ökonomie nutzen. Ein solcher »Brückenschlag« ist Voraussetzung für Hübner, Kurt, 1990: >»Wer die Macht hat, kann sich alles erlauben!< Anmerkungen zu den Kon eine Strategie der Schaffung eines Blocks progressiver Kräfte, der zum Träger zepten Hegemonie - Dominanz - Macht - Kooperation in der globalen Ökonomie«. In: einer Politik der Rückeroberung der Kontrolle der Gesellschaft über die im kapita Prokla, 20.Jg., Nr. 4, 66-90 . listischen Profitinteresse entfesselte Entwicklung der Produktiv- und Marktkräfte Jacobitz, Robin, 1991: Antonio Gramsci - Hegemonie, historischer Block und mtellektuelle Führung in der internationalen Politik (FEG-Arbeitspapier Nr. 5). Marburg werden könnte. Jessop, Bob, 1995a: »Die Zukunft des Nationalstaats: Erosion oder Reorganisation? Grund- . sätzliche Überlegungen zu Westeuropa«. In: ders., u.a., 9-47 · ders., 1995b: »The Regulation Approach. Governance and Post-Fordism: Alternative Perspec Literaturverzeichnis tives on Economic and Political Change?« In: Economy and Society, vol. 24, no. 3, 307-33 ders., u.a., 1995: Europäische Integration und politische Regulierung (FEG-Studie Nr. 5). Mar- Altvater, Elmar, 1994: »Operationsfeld Weltmarkt oder: Die Transformation des souveränen burg . Nationalstaats in den nationalen Wettbewerbsstaat«. In: Prokla, 24.Jg., Nr. 4, 517-47 Kapstein, Ethan B., 1996.: »Workers and the World Economy«. In: Foreign Affairs, vol. 75, ders., und Birgit Mahnkopf, 1996: Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Poli- no.3, 16-37 tik in der Weltgesellschaft. Münster Kennedy, Paul, 1989: Aufstieg und Fall der großen Mächte. Frankfurt/M Amin, Samir, 1992: Das Reich des Chaos. Hamburg ders., 1993: In Vorbereitung auf das 21. Jahrhundert. Frankfurt/M .. Arrighi, Giovanni, 1994: The Long Twentieth Century. London, New York Keohane, Robert 0., 1984: After Hegemony. Cooperation and Discord in the World Pohttcal Bieling, Hans-Jürgen, und Frank Deppe, 1996a: »Internationalisierung, Integration und politi Economy. Princeton, New Jersey ·. sche Regulierung«. ln: M.Jachtenfuchs, B.Kohlcr-Koch (Hg.), Europäische Integration. Marshall, Don D., 1996: »Understanding Late-Twenti1:th-Ccntury Capitalism: Reassessmg the Opladen, 481-51 1 Globalization Theme«. ln: Government and Opposition, vol. 31, no. 2, 193-215 dies. (Hg.), 1996b: Arbeitslosigkeit und Wohlfahrtsstaat in Westeuropa. Neun Länder im Ver Meyers, Reinhard, 1989: »Wie viele Schwalben machen einen Sommer? (Re-)Naissance der gleich. Opladen (i.E.) Internationalen Politischen Ökonomie?« In: Neue Politische Literatur, 34. Jg., H. I, 5-40 Cox, Robert W., 1983: »Gramsci, Hegemony and International Relations: An Essay in Miliband, Ralph, und Leo Panitch (Hg.), 1992: TI1e New World Order. Socialist Register, London Method«. In: Millennium, vol. 12, no.2, 162-75 DAS ARGUMENT 217/1996 C 740 Hans-Jürgen Bieling/ Frank Deppe 741 dies. (Hg.), I 994: Between Globalism and Nationalism. Socialist Register, London Hans-Jürgen Burchardt Müller, Michael, 1996: »Die Ökonomie frißt die Demokratie«. In: Frankfurter Rundschau, 18.9., 12 Neyer, Jürgen, 1995: »Globaler Markt und territorialer Staat«. In: Zeitschrift für internationale Die Globalisierungsthese - von der kritischen Analyse zum Beziehungen, 2.Jg., H.2, 287-315 politischen Opportunismus Panitch, Leo, 1994: »Globalization and the state«. In: Miliband/Panitch (I Ig.), 60-93 Pijl, Kees van der, 1984: The Making of an Atlantic Ruling Class. London ders., 1989: »Ruling Classes, Hegemony, and the State System: Theoretical and Historical Considerations«. In: International Journal of Political Economy, vol. 19, no. 3, 7-35 Während konservative Denker und Politiker noch feiern, daß sich das Gespenst ders., 1995: »The Second Glorious Revolution: Globalizing Elitesand Historical Change«. In: des Weltkommunismus offensichtlich ins Exil mach Kuba zurückgezogen hat, geht Hettne (Hg.), 100-28 in der Wissenschaft und in der Linken längst ein ganz anderer Geist um, und er hat R.ifkin, Jeremy. 1995: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Frankfurt/M, ew York auch einen Namen: Globalisierung. Damit sollen in der Regel die weltweiten Röttger, Bernd, 1996: »Hegemonie und Weltmarktmacht. Kritische Theorie global-kapitalisti scher Regulation«. In: H.-J. Bieling, F.Deppe, B.Röttger: Weltmarkt, Hegemonie und euro Strukturveränderungen in den achtziger und neunziger Jahren beschrieben wer päische Integration (FEG-Arbeitspapier Nr. 15). Marburg, 5-44 den. Meist wird dabei eine Reihe von typischen Strukturmerkmalen angeführt. Rosenau, James N., 1990: Turbulence in World Politics. Princeton Das erste ist die Expansion des Welthandels, die den Weltmarkt in einen »globa Ruggie, John Gerard, 1982: »International Regimes, Transactions and Change: Embeddcd len Basar«(Altvater 1994a, 196) verwandelt-nach neueren Angaben betrug z.B. Liberalism in the Postwar Economic Order«. In: International Organization, vol. 36, no. 2, der internationale Handelszuwachs zwischen 1990-1995 durchschnittlich 6% pro 379-416 Schulten, Thorsten, 1995: »Auf dem Weg zu einem neuen transnationalen Unternehmenskor- Jahr und für 1996/97 werden jeweils rund 7% erwartet (WTO 1996, 3; DIW 1996a, poratismus?« In: Jessop u.a., 97-114 292). Damit verbunden ist ein enormes Wachstum der Weltdirektinvestitionen. Strange, Susan, 1988: States and Markets. London Während das Weltexportvolumen zwischen 1980 und 1989 um jährlich ca. 5% Thurow, Lester C., 1996: The Future of Capitalism. New York wuchs, lag der entsprechende Anteil von Direktinvestitionen bei etwa 20 % (Rall Tömmel, Ingeborg, 1995: »Die Europäische Integration: ökonomische Regulierung und Politik gestaltung zwischen Staat und Markt«. In: Jessop u.a., 49-63 1991, 101 ); in diesem Zusammenhang wird von einer »Globalisierung der Stand Tooze, Roger, 1984: »In Search of >International PoliticaI Economy«<. In: Political Studies orte« gesprochen. XXXll, 637-46 Zweitens wird auf die relative Bedeutungszunahme von transnationalen Unter nehmen (TNCs) hingewiesen, die als »global players« von Nationalstaaten zuneh mend unabhängiger werden. Schon 1990 wurde geschätzt, daß im Laufe dieses Jahrzehnts »rund die Hälfte der (weltweiten) Wertschöpfung von multinationalen Produktionsunternehmen und Dienstleistungsanbietern bestimmt wird« (Welfens 1990, 91), und eine UN-Studie von 1994 kommt immerhin zu dem Ergebnis, daß zu jenem Zeitpunkt ca. ein Drittel des Weltsozialproduktes unter der Aufsicht transnationaler Konzerne hergestellt wird (UN 1994, 135).' Ein dritter Punkt, dessen Erwähnung heute fast schon wieder als Banalität erscheint, ist der Zusammenbruch der staatssozialistischen Systeme, der erst die globale Durchsetzung des kapitalistischen Weltmarktes erlaubte. Ein vierter Punkt, der besonders ab Beginn der neunziger Jahre an Bedeutung gewonnen hat, ist das Wachstum des internationalen Finanzwesens und die hohe Dynamik von Finanztransaktionen. Täglich sollen auf den internationalen Finanz märkten rund eine Billion US-Dollar verschoben werden (z.B. Menzel 1995, 38). Hier hat angeblich eine Entkoppelung der monetären und produktiven Sphären stattgefunden, die gerne als »Kasinokapitalismus« bezeichnet wird.2 Eng mit dem Finanzwesen verbunden ist die »Tertiärisierung« der Weltwirtschaft, also die glo bale Ausweitung der Dienstleistungen, die gekgentlich als »Entstofflichung« des Handels umschrieben wird.3 Nimmt man noch die kulturwissenschaftliche Interpretation einer totalen Kom munikation und fnformation im »global village,1< und die ökologische Interpretation einer »Entgrenzung« von Problemlagen hinzu, haben wir die wichtigsten Elemente und neuen Wortschöpfungen von Globalisierungsszenarien zusammen, die die These der weltweiten Durchsetzung kapitalistischer Zwänge untermauern sollen.

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