John A. T. Robinson' Gott ist anders' Honest to God lOHN A. T. ROBINSON GOTT IST ANDERS HONEST TO GOP CHR. KAISER VERLAG MüNCHEN 1963 Titel der Originalausgabe: Honest [0 God. SCM Press, London. 1963. Die übertragung aus dem Englischen besorgten Christoph und Gertrud Hahn. Englische Ausgabe, 1.-4. Auflage: 300000. Zweite Auflage Alle Rechte für die deutsche Ausgabe, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe vorbehalten. - Umschlag von Claus J. Seitz. Foto von Galen Sayers, nach einer Plastik von Wilhelm Lehmbruck: Sitzender Jüngling, 1918. Satz und Druck: Buchdruckerei Georg Wagner, Nördlingen. INHALT EINFüHRUNG. Von Eberhard Bethge 7 VORWORT 18 1. REVOLUTION WIDER WILLEN Gott über oder außerhalb der Welt? 21 Fragen werden gestellt. 28 Theologie und Welt. . . . . 34 2. üBERWINDUNG DES THEISMUS? Ist der christliche Glaube supranaturalistisch? 38 Ist der christliche Glaube mythologisch? 41 Ist der christliche Glaube religiös? . . . 44 Transzendenz für den modernen Menschen 47 3. DER GRUND UNSERES SEINS Tiefe in der Mitte des Lebens. 52 Mensch und Gott. . . . 57 Gott in der Bibel. . . . 63 Der Weg des U nreligiösen . 68 4. DER MENSCH FüR ANDERE Weihnacht und Wahrheit . 71 Christus im Neuen Testament 77 Wer ist Christus für uns heute? 81 5. WELTLICHE HEILIGKEIT Das Heilige im Profanen 89 Engagement und Disengagement. . . . 95 Das ,nichtreligiöse' Verständnis des Gebets 103 6. DIE NEUE MORAL Revolution in der Ethik 109 Die Lehre Je su 114 Nichts vorgeschrieben - außer Liebe 120 7. IM SCHMELZTIEGEL Bilder, die wir nicht mehr brauchen. 126 Christlicher Glaube und Naturalismus. 131 Christlicher Glaube und Supranaturalismus 133 Konsequenzen für die Kirche. 137 EINFüHRUNG Eberhard Bethge "Daß es auch für mich ein trostreiches Buch ist und gleichsam die Tür in eine Zeit öffnet, in der Leute wie ich sich in der Kirche nicht mehr als Außenseiter fühlen müssen, werden Sie mir glauben." "Das kann ich endlich verstehen. Ich wußte garnicht, daß man bei Euch solche Gedanken denken darf." "Wenn die anfangs so konfuse publicity bewirkt, daß dieses Buch gelesen wird und zum Nachdenken darüber führt, dann wird es ein gutes Buch - ja, wenn es wirklich dazu kommt, dann wird es sogar ein sehr gutes Buch gewesen sein." Das erste steht im Brief einer englischen Professorin, das andere ist die Stimme einer jungen englischen Journalistin und das dritte schreibt das anglikanische Blatt "Prism". "Da ist aber auch nicht ein bißchen Neues dran." "Wenn ich den Titel (Artikel zur Ankündigung in T he Observer) ,Unsere Vorstellungen von Gott müssen weg!' sehe, dann kann ich mich nur noch damit trösten, daß sich das Wort ,Unsere Vorstellun gen' auf diejenigen des Verfassers bezieht!" "Robinsons Ansichten lassen sich unmöglich mit der Lehre der Kirche vereinbaren, in der er noch immer ein bischöfliches Amt be kleidet." Ersteres sagte der anglikanische Erzbischof von Wales, das zweite ein Professor für christliche Dogmengeschichte in London, das dritte die ehrwürdige konservative "Church Times" . Der "Daily Herald" rieb sich die Augen: "Was für ein auf regendes und ungewohntes spectaculum: ein Bischof schnappt nach Wahrheit wie nach Luft; er gibt zu, keineswegs alle Antworten zu wissen. " Und der Verleger des Bischofs bemerkte achselzuckend, Robinson sei nun wohl der letzte, den man aus jener revolutionären Cambridgegruppe zum Bischof gemacht habe. 7 'Was war geschehen? Vorgeschichte: Seit gut anderthalb Jahrzehnten haben englische Verleger, voran die Londoner Student Christian Movement Press (SCM) unter der Initiative von R. Gregor Smith, die Herausgabe theologischer Literatur aus Deutschland, Amerika und der Schweiz bemerkenswert gefördert. J. H. Oldham's "Christian News Letter" ließ die besten ökumeniker zu Wort kommen und scharte Unzu friedene aus vielen Denominationen um sich. Alec Vidler aus die ser Gruppe, seit Jahren Dean am Kings College in Cambridge, faßte seine fortgesetzten Angriffe auf den Stand des "establishment" - jene Größe, die sich weder mit Staatskirchenturn noch mit Volks kirchenturn umfassend genug übersetzen läßt - in einem vielbeach teten Buch "Soundings" zusammen. Seit sechs Jahren redigieren ein paar sehr junge Anglikaner, unter ihnen der jetzige Editor der SCM Press, David Edwards, ein Monatsblatt "Prism" und finden mit ihrer munteren Kritik ein rapide wachsendes Echo. Tausende von Studenten besuchten die publica für Hörer aller Fakultäten in Cambridge, die A. Vidler mit seinen Kollegen D. M. Mackinnon, H. A. Williams und J. S. Bezzant gemeinsam durchführte. Diese Vorlesungen sind unter dem Titel "Objections to Christian Belief" erschienen. Sie analysieren die ethischen, psychologischen, histo rischen und intellektuellen Schwierigkeiten des Glaubens. Die kirch liche und die säkulare Presse lobt die Sensibilität, die Leidenschaft und Integrität, mit der sie die christliche Botschaft - in ihrem über kommenen und in ihrem heutigen Gewand - befragen. In dieser Nachbarschaft und im Zusammenhang mit der relativ beschränkten Arbeit des SCM-Verlages unter Studenten, plante der Verleger mit John A. T. Robinson, die persönliche Rechenschafts ablage, die Robinson während eines Krankenlagers 1962 geschrie ben hatte, in einer Paperback-Edition mit begrenzter Auflage unter dem Titel "Honest to God" zu veröffentlichen. Überraschend ist es nun das Buch geworden, das "weit mehr in Bewegung gesetzt hat, als sein Autor ahnte" (The Observer)j ja, das "die Theologie gradeswegs aus ihrem akademischen Getto herausgeholt hat". 8 Vorspiel: Der Sturm erhob sich nicht einmal über das Büchlein selbst. Zum Sonntag vor dem Erscheinungstag hatte der Observer den Bischof kurzfristig um einen hinweisenden Artikel gebeten. Die Zeitung wählte - in großen Lettern - die überschrift "Unsere Vorstellungen von Gott müssen weg!" - eigentlich ja eine gute bib lische Wahrheit und dem zweiten Gebot gemäß. Aber das klang dem Normalchristen und erst recht dem Nichtchristen - gegenüber dem, was nach seiner Vorstellung der christliche Glaube sein müsse, wie unerhörte Ketzerei aus dem Munde eines Bischofs. Rundfunk und Presse bemächtigten sich der Zeitungsthese und konfrontierten die Welt mit begeisterten und entsetzten Stellungnahmen dazu. Die Tatsache, daß England wie kaum ein anderes Land über eine nationale Presse und einen zentralen Funk verfügt, bewirkte, daß im Nu der Name des Bischofs und seine Außerungen in alle Straßen der Insel gedrungen waren. Aber das Buch selbst war beim Er scheinen schon ausverkauft - und nur wenige kannten es darum. So vergingen vier Wochen größter publicity, in denen manch einer voreilig warnte oder applaudierte, schimpfte oder pries. Die eng lische und bald auch die deutsche Presse verführte ehrenwerte Fach männer, sich mit voreilig errichteten Warnungstafeln zu exponieren, das ungeprüfte Opfer und seinen Gegenstand zu patronisieren - ehe sie wissen konnten, ob Robinson nicht vielleicht auch selbst die gefährlichen Abirrungsmöglichkeiten und Verfälschungen klar bezeichnet und sein Verhältnis zu Alt und Neu, zu seinen Quellen dargelegt hatte. Erst als das alles geschehen war, kam die Riesen auflage (bis jetzt seit dem Erscheinen im März 1963: über 300 000). So geriet das Buch in eine hochgespannte Atmosphäre, in der Vorurteile bereits jede Unbefangenheit ersetzt hatten. Wenn aber etwas das Buch auszeichnet, dann ganz gewiß die persönliche Un befangenheit seines Autors! Augenblicklich gibt es keine Kirche, welcher Denomination auch immer, einschließlich der römischen, die nicht von den höchsten Chargen bis zur abgelegensten Kanzel Stellung zu nehmen versucht. Die Westminister Abtei kündigte eine Vortragsreihe des Archdeacon Carpenter unter dem Thema "Honest 9 to Goodness" an, die die Themen der Robinson'schen sieben Kapitel abhandelt. Julian Huxley griff in die Debatte ein; er machte frei lich aus Robinsons "Gott ohne Religion" seine eigene "Religion ohne Gott". In St. Mary-Ie-Bow in der Londoner City diskutierte eine Gruppe, vom römischen Priester (der eine Lanze für den Supranaturalismus bricht) über den Politiker (Anthony Wedgwood Benn, den Labourabgeordneten, der kein Lord werden will) bis zum Romanschriftsteller und Psychiater. Keine Schule, in der nicht nach Robinson gefragt wird. Die "Church Times" veröffentlichte in jeder Nummer die Stellungnahmen immer weiterer anglikanischer Bischöfe und Geistlicher; am 6. April waren acht gegen Robinson (darunter der Vorwurf gegen die seM Press, daß sie ein solches Buch dem normalen Leser nie hätte zugänglich machen dürfen) und zwei für ihn. Nachdem die Encyclopaedia Britannica vor vier Jahren strikt abgelehnt hatte, in einen kurzen Artikel über Bonhoeffer das Stich wort vom "religionslosen Christentum" aufzunehmen (es sei barer Unsinn für englische Ohren), geistert es mit diesem Buch nun durch alle Blätter der Insel, und selbst der Erzbischof von Canterbury hat es in seine Reden übernommen. Die englische Tradition hat es damit schwer, da in ihr die genuine Unterscheidung von Glaube und Religion bei Luther und Barth nicht existiert hat. In jedem englischen Buchladen liegt inzwischen - mit leuchtend rotem Um schlag - eine vorsichtige Stellungnahme Canterburys auf, mit dem Titel "Image old and new". Indem er die letzten Kapitel Robinsons kritisiert, versucht er doch - entgegen den Briefpetitionen, diszipli narisch vorzugehen -, in fairer Weise Verständnis für die Frage stellung Robinsons zu wecken. Das geschieht freilich ohne daß für den kontinentalen Geschmack genügend die hinter dem Problem der "Religion" liegende Feuerbach'sche Frage anvisiert wird (Feuer bach: die Religion als Spiegelung menschlicher Wünsche). Canter bury sieht hinter Robinson fast ausschließlich Tillich stehen, nicht ganz mit Unrecht. Aber er bekommt nicht in den Blick, daß für Robinson ein starker, wenn nicht im Grunde sogar stärker beun ruhigender und weitertreibender Faktor Bonhoeffer geworden ist. 10