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Gold und Eisen: Bismarck und sein Bankier Bleichröder PDF

873 Pages·2008·6.202 MB·German
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Fritz Stern Gold und Eisen Bismarck und sein Bankier Bleichröder * sehe beck reihe «Gold und Eisen», die meisterhafte Doppelbiographie Bismarcks und seines jüdischen Bankiers Gerson von Bleichröder, ist das Hauptwerk von Fritz Stern. Der inter­ m u ba national renommierte Historiker zeichnet darin ein Bild von hl O ©Isolde pJuodlietnistcuhme ri mM aacuhfts turnebde Hndoecnh fDineauntzs,c Pherenu Rßeeincthu mde ru znwd eiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zwei Welten treffen in seinem Buch aufeinander: die Welt des aristokratischen, agrarischen Junkertums und die moderne Industriegesellschaft. In glanzvoller Prosa erzählt Stern die Geschichte einer Wechselbeziehung von eminenter Wirkungsmacht: psychische Faktoren und materielle Interessen gewinnen in seinem Buch die oft vernachlässigte Bedeutung zurück, die sie in der historischen Wirklichkeit tatsächlich hatten. «...ein Triumph vorurteilsfreier echter Geschichtsschreibung.» Golo Mann, Neue Zürcher Zeitung Verlag C.H.Beck ISBN 978-3-406-56847-3 € 19,95 [D] 9 783406 568473 www.beck.de Gerson Bleichröder, der erste deutsche Jude, der ohne Übertritt zum Christen- tum geadelt wurde, war nicht nur der private Bankier Bismarcks, sondern auch sein Vertrauter in Politik und Diplomatie. «Diese Wechselbeziehung zwischen psychischen und politischen Faktoren hat mich fasziniert», erläuterte Fritz Stern einmal. «Es gibt nicht nur die sogenannten materiellen Interessen, son- dern ganz besonders auch psychische. Die einen sind meist klarer als die an- deren – verschwiegen werden oft beide.» Fritz Stern, geboren 1926 in Deutschland, emigrierte 1938 in die USA. Er war bis zu seiner Emeritierung Professor für Geschichte an der Columbia Univer- sity. Zu seinen zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen gehört der Frie- denspreis des Deutschen Buchhandels, den er 1999 erhielt. Bei C. H. Beck sind von ihm erschienen: Fünf Deutschland und ein Leben. Erinnerungen (820 07) sowie Das feine Schweigen (1999) und Verspielte Grösse (320 05). Titel der amerikanischen Originalausgabe «Gold and Iron», erschienen bei Alfred A. Knopf, New York © 1977 Fritz Stern Die deutsche Ausgabe erschien zuerst 1978 im Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt am Main/Berlin Mit 38 Abbildungen Erste Auflage der Neuausgabe in der Beck’schen Reihe © Verlag C. H. Beck oHG, München 2008 Gesamtherstellung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen Umschlaggestaltung: +malsy, Willich Printed in Germany ISBN 978 3 406 568473 www.beck.de Eingelesen mit ABBYY Fine Reader INHALT Einführung 9 1. Teil Der riskante Weg nach oben 1859-1871 1. Kapitel Erste Begegnung: Junker und Jude 25 2. Kapitel Bismarcks Kampf ums Überleben 48 3. Kapitel Zwischen Königsthron und Galgen 86 4. Kapitel Der Anteil eines Bankiers an Bismarcks Triumph 130 5. Kapitel Bismarcks Habe, Bleichröders Platz 150 6. Kapitel Der dritte Krieg 184 7. Kapitel Hybris in Versailles 217 2. Teil Bankier für ein Kaiserreich 8. Kapitel Ein neuer Baron in einem neuen Berlin 235 9. Kapitel Politischer und wirtschaftlicher Stil im Kaiserreich 257 10. Kapitel Habgier und Intrige 323 11. Kapitel Die Presse 372 12. Kapitel Ein Fürst wird reich 395 13. Kapitel Finanz und Diplomatie 427 14. Kapitel Rumänien: Sieg des Opportunismus 490 15. Kapitel Bleichröders Distanz zum Kolonialismus 548 16. Kapitel Bismarcks Sturz 604 3. Teil Die Versuchung der Assimilation 17. Kapitel Ein Jude als patriotischer Parvenü 637 18. Kapitel Die Geisel des neuen Antisemitismus 680 19. Kapitel Ein Ende in Bitternis 733 Epilog: Der Niedergang einer Familie 746 Danksagung 756 Anhang Verzeichnis der Abkürzungen 763 Bibliographie 765 Anmerkungen 769 Personenregister 846 Bildnachweis 861 Denn das Geld ist der Gott unserer Zeit, und Rothschild ist sein Prophet. Heinrich Heine, Meine Autobiographie Die Geschichte des Hauses Rothschild ist für die Weltge- schichte von grösserer Bedeutung als die innere Geschichte des Staates Sachsen; und ist es gleichgültig, dass dies die Ge- schichte eines deutschen Juden ist? Theodor Mommsen, Reden und Aufsätze Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die grossen Fragen der Zeit entschieden – das ist der grosse Feh- ler von 1848 und 1849 gewesen-, sondern durch Eisen und Blut. Otto von Bismarck 1862 Das deutsche Kaiserreich ist eher auf Kohle und Eisen ge- baut als auf Blut und Eisen. Maynard Keynes EINFÜHRUNG Dies ist ein Buch über Deutsche und Juden, über Macht und Geld. Es ist ein Buch, in dessen Mittelpunkt Bismarck und Bleichröder stehen – Junker und Jude, Staatsmann und Bankier, die über dreissig Jahre zusammenarbeiteten. Die Szenerie ist ein Deutschland, in dem zwei Welten aufeinandertrafen: die neue Welt des Kapitalismus und eine frühere mit ihrem überkommenen feu- dalen Ethos; allmählich entstand eine erweiterte Elite, für deren Neugruppie- rung Bismarcks Verbindung mit Bleichröder symptomatisch ist. Es geht um die Geschichte der Gründung des neuen Reichs, in dessen Mitte eine jüdische Minorität sich stets umstrittene Prominenz errang; es ist ein Bericht über Er- eignisse und über die Interessen und Gefühle, die diese Ereignisse formten, ein Bericht, der von Zeitgenossen in Tausenden von bisher ungenutzten Brie- fen und Dokumenten ausgesagt wird. Es ist auch die Geschichte der Brüchig- keit dieses Reichs und der Schwäche seines Herrschers, von verborgenen Kon- flikten und der Heuchelei, die harte und brutale Tatsachen hinter einer glit- zernden Fassade verschwinden liess. Das Doppelgesicht des Reichtums – Be- drohung der Tradition, Verheissung sozialen Aufstiegs – gehört zu dem Be- richt wie die Ambiguität des jüdischen Erfolgs, der so überraschend, so offen- sichtlich, so trügerisch war. Es ist die Geschichte einer in Bewegung geratenen Gesellschaft, und Beweglichkeit war ihr bestimmender Zug und ihr Trauma. Bismarck war der Repräsentant des alten Preussentums – aristokratisch, ag- rarisch, hierarchisch –, aber er war es auch, der den Versuch unternahm, die modernen Elemente der Gesellschaft mit den alten Traditionen der Monarchie 10 EINFÜHRUNG zu kombinieren. Bei seinen Bemühungen brauchte er Bleichröder. Die zwei Männer personifizieren die historische Begegnung zwischen alter Feudalord- nung und neuem Selbstgefühl, zwischen Männern von Rang und Geburt und Männern mit Reichtum und Ehrgeiz. Beide Persönlichkeiten und die Form ih- rer Zusammenarbeit sind auch für die anachronistische Art und Weise der Mo- dernisierung Deutschlands charakteristisch. Die grossen Themen des 19. Jahr- hunderts spiegeln sich in ihrem Werk: die nachhaltige Einwirkung des Kapi- talismus, der Kampf zwischen Demokratie und autoritären Regierungssyste- men, Nationalismus und Imperialismus, der Aufstieg des Judentums und seine Nemesis, der neue Antisemitismus. Die Überschneidung ihrer Lebenswege vermittelt eine neue Perspektive ihrer Ära und einen Blick auf eine zeitgenös- sische Gesellschaft, die gegen die Verallgemeinerungen und Abstraktionen überkommener Ansichten abzusetzen ist. Bismarcks Werk ist bekannt – oder vermeintlich bekannt. Ein monumenta- ler Held, Generationen von Deutschen als düster brütende Figur gegenwärtig, wurde der Komplex Bismarck unzählige Male untersucht, aber seine Bezie- hungen zu Bleichröder sind bis in die jüngste Zeit nicht beachtet oder aus sei- nem Leben gestrichen worden. Der Name Bleichröder war für seine Zeitge- nossen ein geläufiger Begriff, der einen Beiklang von enormem Reichtum, Macht und geheimnisvollem Einfluss hatte. Mit seinem Tod schwand Bleich- röder aus dem Bewusstsein der Allgemeinheit, obwohl sich seine Laufbahn entscheidend auf Bismarcks Leben und den Gang der deutschen Geschichte auswirkte. Bleichröder war Bismarcks privates Band zum praktischen Leben, Bismarck für Bleichröder die Hauptverbindung zur erhabenen Welt der preus- sischen Politik. Gerson Bleichröder, Bankier des Kanzlers, stieg aus der Obskurität zur Spitze der deutschen Gesellschaft auf. Oft der deutsche Rothschild genannt, war er der erste preussische Jude, der ohne Übertritt zum Christentum geadelt wurde. Sein Aufstieg ist ein Schaustück von der Macht des Geldes und den Grenzen dieser Macht und zeugt von der Feindseligkeit, die Geld und Wen- digkeit im Gefolge haben. Er baute seine Position allmählich auf, schlug zuerst Kapital aus seinen engen Beziehungen zu den Rothschilds und verbesserte seine Situation mit geschäftlichen und persönlichen Diensten für Bismarck, den Staat und die deutsche Elite. In Bleichröders Karriere spiegelt sich die Schlagkraft des Kapitals: Ein- flussnahme auf die öffentliche Meinung, Anreiz für eine Elite, die Geld scheinbar geringschätzte. Als Vertrauter Bismarcks hatte Bleichröder unmit- telbaren Zugang zu ihm. Er verwaltete Bismarcks Vermögen, er suchte und fand politische Aufgaben, die eine ihm eigene Mischung von fachmännischem Wissen und Verschwiegenheit erforderten. Europa kannte ihn als geheimen EINFÜHRUNG 11 Agenten Bismarcks; Bleichröders verschiedene Funktionen werfen ein neues Licht auf Bismarcks Herrschaft, bei deren Betrachtung vordem manches ver- nachlässigt oder ignoriert wurde. Es stellt sich heraus, dass Bismarck im öf- fentlichen und im privaten Bereich die Wichtigkeit von Geld vollauf begriff und dass auch in seiner vielgerühmten und oft untersuchten Diplomatie wirt- schaftliche Waffen als Instrumente der Politik seinen Überlegungen nie fern- standen. Er hatte seine Lektion früh gelernt: er brauchte Geldmittel, um die zwei ersten Kriege zu führen, die die Einheit bringen sollten, Mittel, die das von ihm verachtete Parlament verweigerte, die Bleichröder dann beschaffen half. Bleichröder war auch Bismarcks Umgebung und der alten preussischen Elite ganz allgemein zu Diensten. Bei ihm bekannten sie sich zu ihren Be- drängnissen, Neigungen und Ambitionen. Sie taten es im geheimen, denn Geld war und blieb das grosse Tabu. Sie appellierten an seinen Einfluss, den sie ihm verübelten. Er war ihre Bequemlichkeit und ihre Verlegenheit; auch er hätte seufzen können. «Warum sind unsre Bemühungen so geliebt, und unser Aus- gang so getrübt?»1 Bismarck machte sich über sein Interesse am Geld am we- nigsten Gedanken; er hätte den Wissensdurst eines Historikers an seiner Rolle eines der grössten deutschen Grundbesitzer, an seinen Investitionen in poli- tisch empfindlichen Wertpapieren, an seiner ‚Verschwiegenheit’ als Steuer- zahler gut verstanden. Die Sichtung der diesem Buch zugrunde liegenden Do- kumentation bestätigt weder die unschuld volle Naivität, die ihm deutsche Hi- storiker zuschrieben, noch die Profitmacherei, deren ihn Lästermäuler des Kai- serreichs beschuldigten. Er machte keine gesetzwidrigen Gewinne, war aber auch nicht der Ansicht, dass geheime Nachrichten, die in seinem Amtszimmer einliefen, ausserhalb seiner Überlegungen als Kapitalanleger verbleiben soll- ten. Das Band Bismarck – Bleichröder zeigt die Verflechtung von Regierung und Kapital, Diplomatie und Geldwesen, öffentlicher und privater Interessen. In Bleichröders Beziehungen zu seinen Klienten einschliesslich der oberen Zehntausend Deutschlands gab es keine klare Trennung dieser Belange; es war ein grosses Netz von wechselseitigen Interessen, Vorteilen, Bedürfnissen. Die grossen Romanciers des 19. Jahrhunderts erfassten intuitiv die Glieder dieser Kette, Marx leitete sie geistreich ab, analytisch gefolgert, nicht empirisch do- kumentiert. Diese Glieder und Querverbindungen, von den Hauptakteuren und dem Ethos der Zeit getarnt, abgeleugnet oder verkleinert, wurden von den spä- teren Historikern ignoriert, und so ist dieser unorthodoxe Aspekt im Buch der deutschen Vergangenheit fast ganz unbeschrieben geblieben. Es war mir möglich, in Bleichröders Leben manche dieser Glieder zu rekon-

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