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Globale Partnerwahl: Soziale Ungleichheit als Motor transnationaler Heiratsentscheidungen PDF

243 Pages·2011·2.197 MB·German
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David Glowsky Globale Partnerwahl David Glowsky Globale Partnerwahl Soziale Ungleichheit als Motor transnationaler Heiratsentscheidungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Dissertation Freie Universität Berlin, 2010 . 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesond ere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17672-7 Vorwort Die Idee zu dieser Arbeit entstand während einer Recherchearbeit, die ich als Studentische Hilfskraft am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig durchführte. Beim Sichten der Literatur zu Ehen zwischen deutschen Männern und ausländischen Frauen wunderte mich, dass über jene Männer zwar viel geschrieben wurde, aber nur wenig empirisch belegt war. Dieses Buch soll dazu beitragen, jene Forschungslücke zu erschließen. Entstanden ist das Buch in dem von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekt „Heiratsmarkt und Im- migration im Zeitalter der Globalisierung“. Während dieser Zeit erhielt ich ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Für vielfältige Unterstützung bin ich Jürgen Gerhards zu besonderem Dank verpflichtet. Er hat nicht nur diese Dissertation zuverlässig und gewinnbringend betreut, sondern mich auch in anderen wissenschaftlichen Bereichen fortwährend gefördert. Die Kollegen am Lehrstuhl für Makrosoziologie der Freien Universität Berlin, allen voran Jochen Roose und Silke Hans, haben mit Hinweisen und anregenden Diskussionen stets eine produktive Arbeitsumgebung geschaffen. Jürgen Schupp hat einen Entwurf des Fragebogens kommentiert und das zweite Gutachten verfasst. Weitere Kollegen haben Teile der Arbeit gelesen und mir mit wertvollen Kommentaren geholfen. Dazu gehören Antje Dresen, Kay-Uwe Kromeier, Mi- chael Mutz, Nicole Schmiade und Veronika Andorfer. Darüber hinaus haben Lisette Schneider und Teresa Zeckau mit ihrem Engagement als Studentische Hilfskräfte zum Gelingen des Projekts beigetragen. Wichtig für die Entstehung des Textes war auch die Gelegenheit, Vorträge auf Kongressen der American Sociological Association und der European Sociological Association sowie am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung zu halten. Mein größter Dank aber gilt Céline Glowsky, die mich während dieser Zeit in vielfältiger Weise unterstützt hat. David Glowsky Berlin im Dezember 2010 Inhalt 1 Einleitung ............................................................................................... 9 2 Ein Rational Choice-Modell der Partnerwahl ................................... 19 2.1 Das Entscheidungsmodell .............................................................. 19 2.1.1 Die Logik der Situation ...................................................... 21 2.1.2 Die Logik der Selektion ..................................................... 25 2.2 Theorien der Partnerwahl ............................................................... 31 2.2.1 Austauschtheorie ................................................................ 32 2.2.2 Ökonomische Theorie der Familie ..................................... 36 2.2.3 Suchtheorie ........................................................................ 40 2.2.4 Geschlechtsspezifische Präferenzen ................................... 45 2.2.5 Blau Space ......................................................................... 48 2.2.6 Fokustheorie ....................................................................... 50 2.3 Ein integriertes Rational Choice-Modell der Partnerwahl ............. 53 3 Nationale Heiratsmärkte, Heiratsmarktwechsel und Hypothesen .. 61 3.1 Die Unterscheidung von nationalen Heiratsmärkten ..................... 61 3.2 Wechsel des Heiratsmarkts als rationale Handlungsentscheidung . 63 3.3 Weniger entwickelte Länder als Zielheiratsmärkte ........................ 68 3.4 Drei Hypothesen ............................................................................ 78 Exkurs: Eheschließungen mit Frauen aus dem Ausland 1960-2007 83 4 Forschungsdesign ................................................................................. 89 4.1 Das Sozio-oekonomische Panel ..................................................... 90 4.2 Mikrozensus 2003 .......................................................................... 95 4.3 Berliner Paarstudie ......................................................................... 97 8 Inhalt 4.4 Operationalisierung ........................................................................... 104 4.4.1 Sozio-ökonomische Ressourcen ............................................ 104 4.4.2 Physische Attraktivität .......................................................... 107 4.4.3 Persönlichkeit ........................................................................ 112 4.4.4 Einbindung in soziale Kontexte ............................................ 114 4.4.5 Partnerwahlpräferenzen ........................................................ 116 4.4.6 Übersicht aller Indikatoren .................................................... 118 4.5 Besonderheiten und Probleme der verwendeten Daten ..................... 119 4.6 Vorgehensweise bei der Datenauswertung ....................................... 124 5 Empirische Überprüfung der Hypothesen ........................................... 127 5.1 Hypothese 1: Vermeidung von Opportunitätskosten ........................ 127 5.2 Hypothese 2: Misserfolg auf dem deutschen Heiratsmarkt ............... 129 5.2.1 Sozio-ökonomische Ressourcen ............................................ 129 5.2.2 Physische Attraktivität .......................................................... 134 5.2.3 Persönlichkeit ........................................................................ 142 5.2.4 Einbindung in soziale Kontexte ............................................ 145 5.2.5 Heiratsmarktengpass ............................................................. 152 5.2.6 Zusammenfassung ................................................................. 165 5.3 Hypothese 3: Umsetzung der Partnerwahlpräferenzen ..................... 167 5.3.1 Eigenschaften von Frauen auf fünf Heiratsmärkten .............. 168 5.3.2 Partnerwahlpräferenzen ........................................................ 171 5.3.3 Umsetzung der Präferenzen auf ausländischen Heiratsmärkten ...................................................................... 178 5.4 Gesamtmodelle ................................................................................. 199 6 Fazit und Ausblick .................................................................................. 217 7 Literaturverzeichnis ............................................................................... 227 8 Anhang ..................................................................................................... 241 1 Einleitung Die Soziologie ist keine Wissenschaft, die sich mit lebensfernen Inhalten be- schäftigt, ganz im Gegenteil. Gegenstand der Soziologie sind in der Regel ganz konkrete gesellschaftliche Umstände, die uns auch im Alltag begegnen. Auch diese Studie befasst sich mit einem Phänomen, das sich seit den 1980er Jahren tausendfach in Deutschland beobachten lässt. Ein Beispiel soll dies veranschau- lichen. Stellen wir uns einen Mann mittleren Alters vor, den wir auf der Straße oder in einem Park sehen. Er ist vermutlich zwischen 40 und 50 Jahre alt. Seine Kleidung und sein Habitus lassen auf gehobene Bildung und ein etwas über- durchschnittliches Einkommen schließen. Seine Figur zeigt einen leichten Bauchansatz. Soweit wird der Betrachter vermutlich nicht besonders überrascht sein und sein Auge nicht länger auf dem Mann ruhen lassen. An seiner Seite sehen wir jedoch eine Frau fremder Herkunft. Sie stammt offenbar aus einem Land, das wirtschaftlich deutlich schlechter gestellt ist als Deutschland, mögli- cherweise ein Land in Südostasien, Lateinamerika oder Afrika. Ihre Erscheinung ist darüber hinaus nicht weiter auffällig. Sie ist ebenfalls gut gekleidet, schlank und etwa zehn Jahre jünger als der Mann. An ihrem Umgang miteinander erken- nen wir, dass es sich um ein Paar handelt. Dabei machen sie einen sehr routinier- ten, vertrauten Eindruck. Wenn wir den Mann und die Frau allein sähen, würden wir sie vielleicht nicht weiter beachten, doch als Paar fallen sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft auf. Diese Kombination von zwei Personen, die aus verschiedenen Herkunftsländern und -kulturen stammen, ist in Deutschland im- mer noch verhältnismäßig selten. Deutsche Partnersuchende heiraten in der Re- gel einen deutschen Partner, und in Deutschland lebende ausländische Personen finden ihren Partner vorwiegend in ihrer jeweiligen Migrantengruppe (Schroed- ter/Kalter 2008). Diese Regel der Homogamie, der Heirat von Menschen mit gleichen Eigenschaften, lässt sich nicht nur in Bezug auf die geografische und kulturelle Herkunft, sondern für viele weitere Merkmale wie Alter, Bildung, Religion, Hautfarbe, Freizeitinteressen etc. beobachten (Klein 2001; Kalmijn 1998). Das beschriebene Paar, bestehend aus einem deutschen Mann und einer Frau aus dem ärmeren Ausland, weicht von dieser Regel ab, und dies zudem D. Glowsky, Globale Partnerwahl, DOI 10.1007/978-3-531-93050-3_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 10 1 Einleitung äußerlich sichtbar.1 Bei der Beobachtung drängt sich eine Frage auf: Warum ist das Paar in dieser Konstellation zusammen? Anders formuliert: Warum haben die beiden Partner ihre Stammgruppe verlassen und einen Partner aus einer ande- ren sozialen Gruppe, bzw. sogar aus einem anderen Land gewählt? Und wenn man den wirtschaftlichen Unterschied zwischen den beiden Herkunftsländern in die Frage einbezieht, lässt sich auch fragen: Warum hat die Frau einen Mann aus dem reichen Ausland gewählt und warum hat sich der Mann für eine Frau aus dem ärmeren Ausland entschieden? Im Folgenden werden zwei Erklärungen vorgestellt, die erstens aus dem alltäglichen Verständnis von Partnerwahl und zweitens aus der frühen Literatur über diese Paarkombination hervorgehen. Bei- de Erklärungen werden jedoch verworfen. Drittens werden Ergebnisse der Part- nerwahlforschung dargestellt, denen wir entnehmen können, warum Frauen aus dem ärmeren Ausland deutsche Männer heiraten.2 Erstens: Liebe. Eine Erklärung dafür, dass ein deutscher Mann und eine Frau aus dem ärmeren Ausland als Paar zusammen sind, könnte beiderseitige Zuneigung sein. Das Paar liebt sich einfach und aus dieser affektiven Zuneigung heraus möchten sie beieinander sein. Dass beide unterschiedlichen Ländern und Kulturen entstammen und dass das Herkunftsland des Einen reicher ist als das der Anderen, ist für die Paarbildung demnach nicht relevant. Sie lieben sich, und Liebe ist schließlich grenzenlos. „Wo die Liebe hinfällt …“ lautet ein Ausspruch, der andeutet, dass die Liebe für alle potenziellen Liebesobjekte gleich wahr- scheinlich ist. Amor verschießt seine Pfeile wahllos und unvorhersehbar. Aus zwei Gründen ist diese Erklärung für eine soziologische Arbeit allerdings unbe- friedigend. Denn die Erklärung nimmt an, dass a) Liebe in allen Fällen der ent- scheidende Auslöser für eine Paarbeziehung ist und dass b) Liebe zufällig ent- steht. a. Die Vorstellung, Liebe sei das einzig entscheidende Partnerwahlkrite- rium, hat sich in Europa erst vor sehr kurzer Zeit durchgesetzt. Jahrhundertelang spielte Liebe eine untergeordnete Rolle für die Wahl von langfristigen Partnern, 1 Der Begriff „ärmeres Ausland“ dient der sprachlichen Vereinfachung und bezieht sich hier nicht allein auf die wirtschaftliche Stärke des Landes. Die Länder werden insgesamt nach dem Modernisie- rungsgrad, gemessen am Human Development Index, differenziert. Zusammen mit dem Bruttoin- landsprodukt pro Einwohner in Kaufkraftparität gehen in den HDI auch Variablen der Gesundheit und der Bildung ein. Sie beschreiben zusammen den Wohlstand der Bevölkerung (vgl. ausführlich Kapitel 3). 2 Eheschließungen zwischen deutschen Staatsbürgern und Personen aus dem ärmeren Ausland sind kein geschlechtsspezifisches Phänomen. In dieser Studie werden jedoch spezifisch solche Ehen untersucht, bei denen der ausländische Partner erst im Zusammenhang mit der Heirat nach Deutsch- land zieht. Diese Eheschließungen sind bei deutschen Frauen seltener. Sie heiraten in den meisten Fällen einen Partner, der bereits in Deutschland lebt (Klein 2000a), weshalb sich dieses Buch sich auf Eheschließungen zwischen deutschen Männern und Frauen aus dem ärmeren Ausland konzentriert. 1 Einleitung 11 zumindest für die Ehe. Die eheliche Beziehung sollte nicht auf Leidenschaft, sondern auf Zuverlässigkeit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung fußen. Anstelle von Liebe waren der Besitz des potenziellen Partners sowie sein Arbeitsvermögen und seine Gesundheit legitime Partnerwahlkriterien (Nave- Herz 2006: 41). Bei der Heirat ging es weniger um das Glück des Einzelnen, sondern sie hatte dem Gemeinwohl des Kollektivs zu dienen. So war auch die Wahl des Partners weniger dem Individuum, sondern vielmehr dem Familien- oberhaupt überlassen (Hill/Kopp 2001: 13f.). Die modernen Vorstellungen von Liebe und die damit verbundenen Ansprüche an eine Paarbeziehung kamen erst mit der Entstehung des romantischen Liebesideals auf. Der „kulturelle Code der romantischen Liebe“ (Lenz 2009: 275) wurde in Westeuropa im 18. Jahrhundert geformt. Von den sieben Merkmalen der romantischen Liebe, die Karl Lenz (2009) herausarbeitet, seien hier drei genannt: In der romantischen Liebe entsteht der Anspruch einer grenzenlos steigerbaren Individualität (Lenz/Ramil-Weiss et al. 1993: 278). Nach diesem Ideal ist es nicht legitim, allein einen Partner zu suchen und in ihm die Qualitäten des anderen Geschlechts zu lieben. Der Su- chende muss genau den richtigen, einzigartigen und dann unersetzbaren Partner finden. „Ein jeder und eine jede [wird] für sich einmalig, prinzipiell unersetzlich und sie füreinander zu einem Zentralerlebnis ihres Lebens, von dem aus ihr Le- ben erst Sinn und Bedeutung gewinnt“ (Lenz/Ramil-Weiss et al. 1993: 278). In der romantischen Liebe liegt weiterhin eine Einheit von sexueller Leidenschaft und affektiver Zuneigung vor (Lenz 2009: 276). Diese beiden zuvor getrennten Bereiche der Paarbeziehung kommen im Ideal der romantischen Liebe zusam- men. Mit der Verschmelzung der körperlichen Begierde und des reinen Gefühls findet eine zentrale Veränderung der Liebessemantik statt: Was zuvor nicht un- bedingt zusammengehörte, wird nun untrennbar in den gleichen Kontext gestellt, was zu der Erwartung führt, das Eine dürfe nicht ohne das Andere stattfinden. Sexualität ohne Liebe, aber auch Liebe ohne Sexualität widerspricht dem Liebes- ideal. Damit geht schließlich auch das Postulat der Einheit von Liebe und Ehe einher (Lenz 2009: 277). Im romantischen Liebesideal übernimmt Liebe die Stelle des primären und später einzigen legitimen Partnerwahlkriteriums (Nave- Herz 2006: 51; Neidhardt 1975: 40). Im 19. Jahrhundert setzte sich das Liebes- ideal in breiten Bevölkerungsschichten durch und gewann eine „milieuübergrei- fende kulturelle Dominanz“ (Lenz 2009: 280). Seine Wirkung war aber vor al- lem auf der Diskursebene spürbar, während in der Praxis die traditionellen Part- nerwahlkriterien noch üblich blieben. Etwa bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich der Liebescode dann vollständig durchgesetzt. Liebe gilt heute in Europa – zumindest auf der Diskursebene – als einzig akzeptabler Grund für eine Paarbe- ziehung und für eine Heirat (Nave-Herz 2006: 51). Zwar geben breite Bevölke- rungsschichten an, sie wählten ihren Partner danach aus, ob sie ihn lieben; doch

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