FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Herausgegeben durch das Kultusministerium Nr.752 Prof. Dr. Walter Weizel Dipl.-Phys. Hermann Hornberg Institut für theoretische Physik der Universität Bonn Glimmentladungssäulen ohne Wandeinflüsse Als Manuskript gedruckt WESTDEUTSCHER VERLAG / KOLN UND OPLADEN 1959 ISBN 978-3-663-00595-7 ISBN 978-3-663-02508-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-02508-5 G 1 i e der u n g 1. Einlei tung • • • • • • • • • • S. 5 2. Die Entladungsanordnung •• · S. 6 3. Vorversuche. • • • • • • • · . s. 9 4. Die geometrischen Eigenschaften der Raumsäulen • • • • • S. 15 5. Gradient und Kennlinie der Säulen ••• • S. 23 6. Entladungen bei sehr schwachen Strömen • • • • • S. 27 7. Schwingende Entladungen bei kleinen Elektrodenabständen ••• S. 32 8. Entladungen ohne kathodische Entladungsteile •••••••• S. 44 9. Der Mechanismus der Erscheinungen bei kleinsten Strömen. S. 45 10. Versuche mit anderen Gasen. • • • • S. 48 11. Zusammenfassung. • • • • • S. 49 12. Literaturverzeichnis • • S. 52 Seite 3 1. Einleitung Die kathodischen Entladungsteile, das negative Glimmlicht, der HITTORF' sehe Dunkelraum und die erste Kathodenschicht, sind bekanntlich diejeni gen Entladungserscheinungen, welche für den Mechanismus einer Glimment ladung wesentlich und deshalb immer vorhanden sind. Die anodischen Ent ladungserscheinungen, das anodische Glimmlicht und die anodischen Perlen oder Blasen [1J sind dagegen Gebilde, die zwar regelmäßig oder wenigstens häufig auftreten, jedoch auch unterdrückt werden können. Wenn die Anode z.B. in das negative Glimmlicht eintaucht, fehlen alle diese Erscheinun gen. Außer diesen Entladungsgebilden, die gewissermaßen zum normalen Bestand einer Glimmentladung gehören, können noch zahlreiche Entladungserschei nungen beobachtet werden, welche ihr Entstehen besonderen Ursachen ver danken, wie etwa der geometrischen Form des Entladungsweges , der' Zusam mensetzung des Gases oder auch besonderen Bedingungen von Gasdichte, Brennspannung u.dgl. Zu diesem zwar auffallenden, aber doch zufälligen Erscheinungen gehört insbesondere die wohlbekannte positive Säule der Glimmentladung, welche sich immer dann einstellt, wenn die Elektronen vom negativen Glimmlicht zur Anode ein enges Rohr passieren müssen. Die ambipolare Diffusion der Ladungsträger zur Rohrwand und der damit ver bundene Trägerverlust, der durch Stoßionisation kompensiert werden muß, bildet die Ursache für die positive Säule in einem Rohr. Mit dieser wohlbekannten und gut untersuchten Erscheinung [2,3,4J beschäftigen wir uns jedoch hier nicht. Stehen sich zwei ausgedehnte Platten in einem großen Entladungsgefäß als Kathode und Anode gegenüber, so bringt die Geometrie der Entladungs anordnung noch keine besonderen Entladungserscheinungen hervor. Bei mitt leren Drucken von einigen Torr, mittleren Stromstärken (etwa 100 mA) und in Gasen wie Luft, Stickstoff, Wasserstoff oder den Edelgasen beobachtet man demgemäß außer den kathodischen und anodischen Entladungsteilen gewöhnlich keine besonderen Entladungsphänomene. In Gasen besonderer Zu sammensetzung, die gleichzeitig Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff enthalten, oder auch bei Anwesenheit von Halogenen in Wasserstoffentla dungen treten zwischen den kathodischen und anodischen Entladungsteilen leuchtende Schichten von sehr mannigfacher Gestalt auf, deren besondere Struktur stark von den Entladungsbedingungen abhängt und deren Erschei nen an diese Zusammensetzung der Gase gebunden ist [5J. Auch diese Erscheinungen sind nicht Gegenstand unserer Untersuchung. interessant~n Sei te 5 In dieser Arbeit beschäftigen wir uns mit den sichtbaren Entladungsge bilden, welche sich in normalen Gasen (Luft, Stickstoff, Wasserstoff oder Edelgase) ohne die ltitwirkung benachbarter Wände bei größeren Elek trodenabständen, hohen Drucken und vielfach auch sehr kleinen Stromstär ken einstellen. Sie sind in mancher Hinsicht der positiven Säule ver wandt, die sich in einem Rohr ausbildet. Da sie aber im Gegensatz zur gewöhnlichen Säule nicht von der Nähe einer Wand herrühren, sondern im freien Entladungsraum erscheinen, wollen wir sie zur Unterscheidung von der normalen positiven Säule als "Raumsäulen" bezeichnen. Die Bezeichnung "Raumsäule" wurde wohl zum ersten Male von GÜNTHER SCHULZE und SCHNITTGER [6,7,8] eingeführt und dann von mehreren Autoren übernommen. Nach GÜNTHERSCHULZE ist die Raumsäule eine säulenartige, von der Anode aus entstehende, sich kegelförmig zur Kathode öffnende Entla dungserscheinung, die in Wasserstoff, Stickstoff oder Sauerstoff bei einer bestimmten ltindeststromstärke kurz vor dem Erlöschen der Entladung auftritt. Das Erscheinen der Säule soll die Brennspannung der Entladung bedeutend steigern (z.B. von 400 auf 1000 Volt). Nach GÜNTHERSCHULZE und SCIlliITTGER haben diese Entladungen Kippschwingungscharakter, während RICAMO [9,10] sinusförmige Schwingungen beobachtete. Diese älteren Beobachtungen erfassen aber nur einen kleinen Teil der yielgestaltigen, säulenartigen Entladungsformen, die man je nach den Versuchsbedingungen zwischen dem negativen Glimmlicht und den anodischen Entladungsteilen finden kann. Diese Gebilde hängen von so vielen Umstän den ab und sind so verschieden in ihrem Verhalten und Aussehen, daß es oft schwierig ist zu erkennen, ob die unter verschiedenen Bedingungen beobachteten Gebilde analog oder wesentlich verschieden sind. Deshalb ist es auch nicht leicht zu entscheiden, welche dieser verschiedenen Entladungsarten früheren Beobachtern vorgelegen haben. Aus diesen Grün den versuchen wir zuerst, eine systematische Zusammenstellung der Ent ladungsphänomene zu geben, die man z\vischen dem negativen Glimmlicht und der Anode erhalten kann. 2. Die Entladungsanordnung Es ist zweckmäßig, zum Studium der Raumsäule eine möglichst einfache Entladungsanordnung zu verwenden, damit die sowieso schon verwickelten Erscheinungen nicht außerdem durch die geometrischen Besonderheiten der Anordnung noch weiter kompliziert werden. Seite 6 Als Entladungsraum wurde ein Glaszylinder Z von 60 cm Höhe und 30 cm ~ benutzt (Abb.1). Seine beiden Stirnflächen oben und unten wurden mit· zwei eisernen Platten Pa und Pb abgedeckt, welche einen Durchmesser von 37 cm besassen. Hierdurch entstand ein geräumiges Gefäß, in welchem eine Entladung betrieben werden konnte, die nur in geringem Maße von der Ge fäßwand beeinflußt wurde. Die obere Platte besaß zwei Ansätze für den Gaseinlaß a und die Druckmessung b, die untere Platte war mit einem Pump stutzen c versehen. Die Anode A und die Kathode K waren zwei Eisenplat ten, denen der Strom durch zwei Eisenstangen St1 bzw. St2 zugeführt wur de. Diese beiden Stangen waren isoliert und in vertikaler Richtung ver schiebbar durch die Stirnplatten des EntladunBßgefäßes hindurchgeführt. - z - K R / Abbildung 1 A b b i I dun g 2 A b b i I dun g 3 Dies geschah durch folgende relativ einfache Konstruktion (Abb.2). In eine Bohrung in der Mitte der Platten wurde zunächst ein Porzellankör per 11 eingesetzt und mit einem Dichtungsring V1 abgedichtet. Auf ihn wurde ein schiverer Eisenklotz K mit einem zHei ten Dichtungsring V2 auf gesetzt. An ihm war eine Halterung H befestigt, welche einen zweiten Porzellankörper 12 auf der Innenseite des Vakuumgefäßes festhält. Durch die Bohrung des Klotzes K wurde die Stromzuführungsstange St mit Hilfe eines Simmering V3 beweglich eingebracht, welche in der Bohrung des Sei te 7 Klotzes eine gute Führung besitzt. Die Stange ihrerseits kann von außen durch einen Radantrieb aus dem Entladungsgefäß herausgezogen oder in dieses eingeschoben werden. Der Abstand der beiden Elektroden kann durch eine Meßvorrichtung außen an den Stangen abgelesen werden. Die Elektroden waren Kreisscheiben, die aber seitlich und auf der Rück seite durch ein Gehäuse R abgedeckt waren (Abb.3). Das Schutzgehäuse war durch einen engen Spalt X und zwei Porzellankörper von der eigentlichen Elektrode E isoliert. Hierdurch wurde die Entladung gezwungen, an beiden Elektroden auf der einander zugekehrten Stirnfläche allein anzusetzen. Dies mußte geschehen, weil die Entladung besonders bei höheren Drucken die Neigung hat, nach einiger Betriebsdauer von der Mitte an den Rand der Elektrode zu wandern, was zu schwer kontrollierbaren Einflüssen auf die beobachteten Erscheinungen führt. Eine Säule, welche in der Nähe des Elektrodenrandes steht, biegt sich nämlich bei größeren Elektrodenabstän den wegen der Wärmekonvektion seitlich durch (Abb.15-18). Hierdurch wird der Stromweg verlängert, die Brennspannung bei gleicher Stromstärke er höht, ja, die Entladung kann bei kleinen Strömen und niedriger Spannung sogar abreißen und erlöschen. Leider konnte die Konzentration der Entla dung am Rande der Elektrode insbesondere an der Anode auch durch das Schutzgehäuse nicht in allen Fällen gänzlich verhindert werden. Aber auch andere Maßnahmen, um die Entladung genau in der Mitte zu halten, z.B. eine leichte Wölbung der Elektrode, versagten gelegentlich. Als Versuchsgas wählten wir in den meisten Fällen technischen Stickstoff. Wir verzichteten damit bewußt darauf, in hochgereinigtem Gas zu arbei ten, d.h. festzustellen, ob geringe Verunreinigungen einen bedeutenden Einfluß auf die beobachteten Erscheinungen haben. Diese Frage bleibt also noch völlig offen. Andererseits sind in technischem Stickstoff we nigstens keine groben Veränderungen der Elektrodenoberfläche durch star ke Oxydation zu erwarten. tlberwiegend wurden die Untersuchungen bei einem Druck von 40 Torr durchgeführt, weil sich bei diesem Druck sehr leicht eine ausgeprägte Raumsäule entwickelt, andererseits aber die lofärmekonvektion des Entladungsgases noch nicht so mächtig ist, daß sie bestimmenden Einfluß auf die Entladung gewinnt. Natürlich wurden auch Versuche bei anderen Drucken angestellt, hauptsächlich um sicherzustel len, daß in anderen Druckbereichen keine grundsätzlich neuen Entladungs phänomene auftreten. Bei der großen Zahl der Parameter, von denen die Entladung abhängt, würde eine systematische Variation des Druckes so viele Meßreihen erfordern, daß der Zeitaufwand für die Untersuchungen Sei te 8 sehr bedeutend wäre, andererseits würden so viele experimentelle Daten anfallen, daß sie nur schwer zu verarbeiten wären und zur Veröffentli chung zu viel Raum einnä.hmen. 3. Vorversuche Eine erste Orientierung über die Raumsäule und ihr Verhalten ergibt sich schon aus sehr einfachen Versuchen. Bei einem Druck von 2 Torr und einem Strom von 100 mA bedeckt sich die Kathode vollständig mit negativem und die Anode mit anodischem Glimm licht. Bei Elektrodenabständen zwischen 2 cm und 40 cm beobachtet man außer den Glimmlichtern keine besonderen Entladungserscheinungen. Nur bei dem größten Abstand kann man eine erste Andeutung einer Raumsäule daran erkennen, daß vor der Anode ein etwas dickeres Plasma, als das gewöhnliche anodische Glimmlicht liegt. Bei einem Druck von 8 Torr und einem Strom von 100 mA war zwar nicht mehr die ganze Kathode, aber noch ein erheblicher Teil von ihr mit ne gativem Glimmlicht bedeckt. Beträgt der Elektrodenabstand 0,15 cm, so beobachtet man außer dem negativen und anodischen Glimmlicht keine Ent ladungserscheinungen. Vergrößert man den Abstand auf 1,5 cm, so bildet sich vor der Anode ein Plasmapolster, das man als erste Andeutung einer Raumsäule betrachten muß. Bei einem Elektrodenabstand von 6 cm haben wir vor der Anode eine deutliche Säule, deren visueller Durchmesser nur wenig kleiner als der des anodischen Glimmlichts und bedeutend kleiner als der des kathodischen Glimmlichts ist (Abb.4). Rückt man die Elek troden auf 15 bzw. 20 cm auseinander (Abb.5, 6), so verlängert sich die Säule, wobei der Abstand zwischen dem negativen Glimmlicht und dem kathodenseitigen Säulenende ungefähr der gleiche bleibt. Diese Säule ist ein ziemlich homogenes nahezu zylindrisches Gebilde. Aus schwer kontrollierbaren Umständen setzt es jedoch meist unsymmetrisch an der Anode an, besonders wenn der Elektrodenabstand groß ist (Abb.1). Die Un symmetrie und damit verbundene Kontraktion an der Anode ist nicht leicht zu vermeiden und verändert die Erscheinung erheblich. Gelingt es, die Säulen homogen zu halten, so wird sie bei größerem Elektrodenabstand schwächer. Fast immer zieht sich die Säule bei Elektrodenabständen von 30 bis 40 cm an der Anode auf einen engen Bezirk zusammen, aus dem dann ein säulenartiges Büschel hervorwächst, das sich auf die Kathode hin er streckt. Durch diese Zusammenziehung gewinnt die Säule erheblich an Intensität bei großer Länge. Seite 9 Abbildung 4: Abbildung 5: Maßstab 1 :4 Maßstab 1:4 Stromstärke 100 mA Stromstärke 100 mA Brennspannung 400 V Brennspannung 620 V Elektrodenabstand 6 ein Elektrodenabstand 15 cm Druck 8 Torr Druck 8 Torr Gasatmosphäre N Gasatmosphäre N 2 2 Anodendurchmesser 4 cm Anodendurchmesser 4 cm Kathodendurchmesser 10 cm Kathodendurchmesser 10 cm Elektrodenmaterial Fe Elektrodenmaterial Fe Abbildung 6: Abbildung 7: Maßstab 1:4 Maßstab 1:4 Stromstärke 100 mA Stromstärke 100 mA Brennspannung 785 V Brennspannung 1130 V Elektrodenabstand 20 cm Elektrodenabstand 30 cm Druck 8 Torr Druck 8 Torr Gasatmosphäre N Gasatmosphäre N 2 2 Anodendurchmesser 4 cm Anodendurchmesser 4 cm Kathodendurchmesser 10 cm Kathodendurchmesser 10 cm Elektrodenmaterial Fe Elektrodenmaterial Fe Abbildung 8: Abbildung 9: 11aßstab 1:4 Maßstab 1:4 Stromstärke 50 mA Stromstärke 200 mA Brennspannung 1380 V Brennspannung 980 V Elektrodenabstand 30 cm Elektrodenabstand 30 cm Druck 8 Torr Druck 8 Torr Gasatmosphäre N2 Gasatmosphäre N2 Anodendurchmesser 4 cm Anodendurchmesser 4 cm Kathodendurchmesser 10 cm Kathodendurchmesser 10 cm Dlektrodenmaterial Fe Elektrodenmaterial Fe Seite 10 Abb.4 Abb. 5 Abb. 6 Abb.7 Abb.8 Abb.9