Angela Wroblewski Udo Kelle Florian Reith Hrsg. Gleichstellung messbar machen Grundlagen und Anwendungen von Gender- und Gleichstellungs- indikatoren Gleichstellung messbar machen Angela Wroblewski · Udo Kelle Florian Reith (Hrsg.) Gleichstellung messbar machen Grundlagen und Anwendungen von Gender- und Gleichstellungsindikatoren HerausgeberInnen Angela Wroblewski Florian Reith Institut für Höhere Studien (IHS) Fakultät für Geistes- und Sozialwissen- Wien, Österreich schaften, Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg Udo Kelle Hamburg, Deutschland Fakultät für Geistes- und Sozialwissen- schaften, Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg Hamburg, Deutschland ISBN 978-3-658-13236-1 ISBN 978-3-658-13237-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-13237-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Korrektorat: Ulf Heidel Lektorat: Cori A. Mackrodt Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Inhaltsverzeichnis Einleitung: Gleichstellung messbar machen ....................... 1 Angela Wroblewski, Udo Kelle und Florian Reith Teil I Grundlagen Einführung in die Grundlagen der Entwicklung von Indikatoren ..... 15 Wolfgang Meyer Theoretische Grundlagen zur Operationalisierung von Gleichstellung ............................................. 39 Irene Pimminger Von geschlechtsdifferenzierten Daten zu Gender- und Gleichstellungsindikatoren .................................. 61 Irene Pimminger und Angela Wroblewski Präzise messbar, zuverlässig … und gültig? Statistische und methodische Probleme von Gender- und Gleichstellungsindikatoren ... 81 Udo Kelle Probleme bei der Interpretation von geschlechtersegregierten Daten am Beispiel von Simpsons Paradoxon ................................ 103 Florian Reith V VI Inhaltsverzeichnis Teil II Anwendungen Gender & Mobilität. Herausforderungen und Grenzen beim Messen des Unterwegs-Seins von Menschen aus einer Gender-Perspektive ..... 129 Bente Knoll Gleichstellungsindikatoren an Universitäten – von der Berichterstattung zur Steuerung ................................. 149 Kirstin Eckstein Gender-Indikatoren in der Wissensbilanz – Grundlage für ein Gleichstellungsmonitoring oder Datenfriedhof? .................... 171 Angela Wroblewski Indikatoren für ein kommunales Gleichstellungsmonitoring – Wiener Gleichstellungsmonitor .................................. 191 Andrea Leitner Wirkungsorientiertes Monitoring und Indikatoren als strategische Hebel zur Stärkung von Gender Mainstreaming in der Internationalen Zusammenarbeit .......................... 211 Karin Neck und Alexander Erich Inwiefern ist Geschlecht ein studienrelevantes Diversitätsmerkmal? ... 231 Hannah Leichsenring Gender-Indikatoren als Instrument von Diversity Management in der Privatwirtschaft ......................................... 249 Bettina Langfeldt Resümee: Prinzipien der Entwicklung von Gender- und Gleichstellungsindikatoren .................................. 269 Angela Wroblewski, Udo Kelle und Florian Reith Glossar ...................................................... 281 Autorinnen und Autoren Mag.a Kirstin Eckstein ist Mitarbeiterin der Koordinationsstelle für Geschlech- terstudien, Frauenforschung und Frauenförderung, Lektorin an der Universität Graz und externe Lektorin an der Universität Linz. Promotion über Gleichstel- lungsindikatoren für Hochschulen. Forschungsschwerpunkte: interdisziplinäre Verknüpfung von Forschungsmethoden, Statistik, Hochschulforschung und Gen- der Studies in Lehre und Forschung. [email protected] Dr. Alexander Erich arbeitet als Senior-Fachkonzeptionist in der Stabsstelle Evaluierung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Er hat im Fach Ethnologie zur Prävention häuslicher Gewalt gegen Frauen promoviert und arbeitet u. a. zum Thema Gender Mainstreaming in der Entwick- lungszusammenarbeit. [email protected] Dr. Udo Kelle ist Universitätsprofessor für Methoden der empirischen Sozialfor- schung und Statistik an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundes- wehr Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Quantitative und qualitative Methoden empirischer Sozial- und Evaluationsforschung, Methodologie und Wissenschafts- theorie. [email protected] Dipl.-Ing.in Dr.in Bente Knoll ist Geschäftsführerin im Büro für nachhaltige Kompetenz B-NK GmbH, Landschafts- und Verkehrsplanerin, Genderexpertin und Universitätslektorin u. a. an der Technischen Universität Wien und der Fach- hochschule Technikum Wien. Forschungsschwerpunkte: Gender in den Planungs- und Ingenieurwissenschaften. [email protected] Dr.in Bettina Langfeldt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für empirische Sozialforschung und Statistik der Helmut-Schmidt-Universität/Uni- versität der Bundeswehr Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Methoden empi- rischer Sozialforschung, Gendersensible Arbeits- und Organisationssoziologie, VII VIII Autorinnen und Autoren Karriereverlaufsforschung, empirische Bildungs- und Hochschulforschung. [email protected] Hannah Leichsenring M.A. ist Senior Strategic Project Manager an der Uni- versität Brighton, UK. Zuvor war sie als Hochschulberaterin in Deutschland und Finnland sowie im Kontext von EU-Projekten tätig. Arbeitsschwerpunkte: Strategieentwicklung und -implementierung, Diversität und Gleichstel- lung, Internationalisierung, Projektmanagement im Hochschulkontext. [email protected] Dr.in Andrea Leitner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für höhere Studien, Wien. Forschungsschwerpunkte: Gleichstellungspolitik im Beschäf- tigungs- und Bildungssystem, Erwerbssituation von Frauen, Schnittstellen zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit, familien- und sozialpolitische Rah- menbedingungen der Erwerbsarbeit. [email protected] Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Meyer ist stellvertretender Leiter des Centrums für Evaluation (CEval) an der Universität des Saarlandes, adjunct Professor an der Uganda Technological and Management University (UTAMU) in Kampala. Forschungsschwerpunkte: Methoden der empirischen Sozialforschung und Sozialindikatorenforschung; Evaluation in den Bereichen Arbeitsmarkt, Regional- entwicklung und Umwelt. [email protected] Karin Neck M.A. ist Mitarbeiterin in der Abteilung Methodische Ansätze der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Forschungs- schwerpunkte: Monitoring und Evaluierung sowie Methoden und Ansätze des Kooperations- und Projektmanagements. [email protected] Dr.in Irene Pimminger ist Sozialwissenschaftlerin und leitet defacto – Sozial- wissenschaftliche Forschung & Beratung. Forschungsschwerpunkte: Geschlech- terforschung und Gleichstellungspolitik, Arbeitsmarkt und Beschäftigung, Sozialpolitik, EU-Strukturfonds. [email protected] Dr. Florian Reith ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für empirische Sozialforschung und Statistik der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Methoden empirischer Sozial- forschung, Hochschulforschung. [email protected] Dr.in Angela Wroblewski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für höhere Studien, Wien und externe Lektorin an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: Evaluation von Gleichstel- lungspolitiken in Wissenschaft und Bildung sowie Situation von Frauen in Wis- senschaft und Forschung. [email protected] Einleitung: Gleichstellung messbar machen Angela Wroblewski, Udo Kelle und Florian Reith Mit dem Vertrag von Amsterdam 1998 fand der Paradigmenwechsel von der „Frauenpolitik“ zum „Gender Mainstreaming“, wie er von den UN-Weltfrauen- konferenzen in Nairobi 1985 und in Peking 1995 angestoßen worden war, in der Europäischen Union eine feste institutionelle Form. Damit wurde der gesetzli- che Auftrag begründet, das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit nicht mehr nur als Sonderaufgabe abgegrenzter Politikressorts zu behandeln, sondern als eine Querschnittaufgabe, die in allem staatlichen Handeln zu berücksichtigen ist. Und tatsächlich konnte seit der Jahrtausendwende eine Ausweitung von Gleich- stellungspolitiken in zahlreichen Politikfeldern auf Ebene der Union wie auf der Ebene der Mitgliedstaaten verzeichnet werden. Diese wurde begleitet von entsprechenden Entwicklungen in der Zivilgesellschaft wie auch in der Privat- wirtschaft, wo mit der Implementierung von „Diversity-Management“ ein wach- sendes Augenmerk auf die Vielfalt in Unternehmen (nicht nur, aber auch) im Hinblick auf Geschlechterverhältnisse gelegt wurde. Der durch diese Prozesse stark gestiegenen Bedeutung von Gleichstellungs- politiken in allen Politik- und Lebensbereichen entspricht ein stetig wachsendes A. Wroblewski (*) Institut für höhere Studien, Wien, Österreich E-Mail: [email protected] U. Kelle · F. Reith Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg, Hamburg, Deutschland © Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 1 A. Wroblewski et al. (Hrsg.), Gleichstellung messbar machen, DOI 10.1007/978-3-658-13237-8_1 2 A. Wroblewski et al. Bedürfnis nach empirischen Informationen über Geschlechterverhältnisse – zumindest dann, wenn man sich an der regulativen Leitidee einer „evidenz- basierten Politik“ (Pawson 2006) orientiert. Unter diesem Begriff wird ein Politikverständnis gefasst, bei welchem politische Maßnahmen nicht aufgrund von Machtkalkülen beteiligter Akteurinnen und Akteure oder als Folge des Aus- tarierens divergierender Interessen im politischen bargaining (oder gar auf der Basis ideologisch verfestigter Vorannahmen) getroffen werden, sondern auf der Basis sachbezogener Evidenzen, das heißt beispielsweise auf Grundlage einer empirischen Bestandsaufnahme eines Istzustandes oder der Evaluation von poli- tischen Maßnahmen. Aus dieser Perspektive stellt sich unmittelbar die Frage nach den Instrumen- ten, mit deren Hilfe Geschlechterverhältnisse empirisch, auf wissenschaftlich korrekte, objektive und zuverlässige Weise beobachtet und beschrieben werden können. In politischen Diskursen geprägte Begriffe wie „Gleichberechtigung“, „Chancengleichheit“, „Gleichstellung“ und „Geschlechtergerechtigkeit“ müs- sen in theoretisch fundierte und empirisch erfassbare Konstrukte übersetzt wer- den, die sozialwissenschaftlichen Messmethoden zugänglich sind. Was aber sind empirisch beobachtbare Sachverhalte, anhand derer Unterschiede in der Lebens- situation und den Lebensverhältnissen von Männern und Frauen beschrieben werden können und die helfen, das Ausmaß (oder das Fehlen) von Gleichstellung anzuzeigen? Oder anders gefragt: Mit welchen Informationen lässt sich die Wirk- samkeit von Förder- und Gleichstellungsmaßnahmen anzeigen bzw. „indizieren“? 1 S oziale Indikatoren und Gleichstellung In den Sozialwissenschaften, insbesondere in der Wirtschafts- und Sozialstatis- tik, gibt es eine lange Tradition im Umgang mit „sozialen Indikatoren“. Soziale Indikatoren (oder auch „Sozialindikatoren“) sind statistische Maßzahlen, mit denen gesellschaftliche Entwicklungsprozesse und Strukturen erfasst werden sollen. Das Grundproblem dieser Art von Beschreibung von Merkmalen ganzer Gesellschaften besteht nun darin, dass zwar an zahlreichen Stellen (etwa in sta- tistischen Ämtern) Daten wie z. B. Geburts- und Sterblichkeitsziffern, Zahlen zu Erkrankungen, Bildung und Einkommen in einer Population verfügbar sind. Diese Daten können aber die eigentlich interessierenden Sachverhalte – etwa die „Lebensqualität“ der Menschen oder die „soziale Ungleichheit“ in einer Gesellschaft – nicht direkt abbilden, sondern nur indirekt anzeigen. Auf diesen Aspekt von Sozialindikatoren geht schon Lazarsfeld im Jahr 1970 ein (ohne aller- dings diesen Begriff zu gebrauchen): „Die Erscheinung mag nicht unmittelbar