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Gewalt und religiöser Konflikt: Studien zu den Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin ... II.) PDF

348 Pages·2014·25.119 MB·German
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Johannes Hahn Gewalt und religiöser Konflikt KLIO Beiträge zur Alten Geschichte Beihefte Neue Folge Band 8 Unter Mitarbeit von Manfred Clauss und Hans-Joachim Gehrke herausgegeben von Hartwin Brandt und Martin Jehne Johannes Hahn Gewalt und religiöser Konflikt Studien zu den Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.) Akademie Verlag Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ISBN 3-05-003760-1 ISSN 1438-7689 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2004 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: Jochen Baltzer, Berlin Druck: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Printed in the Federal Republic of Germany Inhalt Einleitung 9 Alexandria . .. 15 Alexandria ad Aegyptum: Strukturmerkmale der Metropolis Ägyptens unter dem Imperium Romanum 15 Das Heidentum im spätantiken Alexandria 22 Heidnische Infrastruktur und kultisches Leben 22 Sarapis- und Isis-Verehrung 26 Die Stellung des alexandrinischen Christentums 32 Die Anfänge der Gemeinde bis zum Ende der Verfolgungen 32 Das melitianische Schisma und die Suprematie Alexandrias 36 Die Kirche im Wirtschaftsleben des 4. Jahrhunderts 40 Das Mönchtum und Bischof Athanasius 43 Athanasius: Persönlichkeit und Position in Alexandria 46 Politische Intervention, religiöser Konflikt und städtisches Leben unter dem Episkopat des Athanasius 48 Erste Unruhen und arianische Agitation in der Stadt 48 Die Eskalation der Auseinandersetzungen im Frühjahr 339 51 Die Politik Gregors von Kappadokien (339 - 345) 55 Die .goldene Dekade' des Athanasius (346 - 356) 56 Die Bemühungen des Kaiserhofes in Alexandria (353 - 356) 58 Der Sturm auf die Theonas-Kirche (8./9. Februar 356) 60 Die Unterdrückung der Anhänger des Athanasius 64 Die Ermordung Georgs von Kappadokien 361 : religiös motivierte Gewalt? . .. 66 Georgs Amtsführung in Alexandria 68 Täter und Opfer: Politische Perspektiven 71 Heiden und Christen unter Julian und die letzte Phase arianischer Dominanz 74 Die Zerstörung der heidnischen Kulte in Alexandria 78 Die Zuspitzung des christlich-heidnischen Konflikts 78 Cod. Theod. 16,10,11 und die Zerstörung des Sarapeions 81 Der Fall des Sarapis als Paradigma christlicher Geschichtsschreibung 85 Die Zerstörung des Sarapeions nach anderen Quellen 89 Die Teilnehmer an den Auseinandersetzungen 92 Tempel, Götter, Schätze - und ihr Schicksal 95 Die neue Identität: Alexandria, die christusliebende Stadt 97 Die Eroberung des suburbanen Raums: Kanopos, Menuthis 101 Die Machtübernahme der Kirche in Gesellschaft und Politik der Stadt 106 Die Vertreibung der Novatianer und Juden durch Bischof Kyrill 106 Kyrill, Orestes und die Ermordung der Hypatia 110 Der Einfluß der Hypatia - politische Opposition gegen Bischof Kyrill 114 Antiochia 121 Antiochia, caput Syriae et Orientis: Strukturen und innere Entwicklung 121 Konflikte im spätantiken Antiochia 121 Geographie, Topographie und Bevölkerungssituation 123 Grundzüge des wirtschaftlichen und politischen Lebens 127 Das Heidentum in Antiochia 130 Die Situation der Tempel 130 Heidnische Feste 134 Antiochenische Oberschicht und Heidentum 136 Juden in Antiochia 139 Die Juden in der Geschichte und in der Gesellschaft der Stadt 139 Die Predigten des Chrysostomos gegen judaisierende Christen 143 Das antiochenische Christentum 146 Die Anfange der Gemeinde und ihre Geschichte bis ins 4. Jahrhundert 146 Wachstum oder Stagnation? Aspekte der Situation des antiochenischen Christentums im 4. Jahrhundert 148 Das Mönchtum vor der Stadt 152 Das antiochenische Schisma 157 Die Zuspitzung des religiösen Konflikts unter Julian 161 Die Überführung der Reliquien des Babylas durch Gallus 161 Julian in Antiochia: Der Versuch der Restauration des Heidentums 163 Die Auseinandersetzung um den Kultort Daphne 168 ,Martyrien' in Antiochia unter Kaiser Julian 173 Die späteren Auseinandersetzungen 178 Antiochia nach dem Tode Julians: Der Brand des Traianeums 178 Die Übernahme der Grabstätte der makkabäischen Märtyrer durch die Kirche . 180 Spuren im Dunkeln 185 Gaza 191 Palästina im 4. Jahrhundert: Kräfte des Wandels 191 Gaza: Stadt und Territorium im Zeichen der Christianisierung 193 Hilarión, Gaza, Marnas 198 Bischof Porphyrios und die christliche Gemeinde in Gaza 202 Patronage und Macht 209 Das Ende der Tempel 212 Die neue Identität: Legitimation und Herausforderung 215 Schernite von Atripe & das Heidentum in Panopolis 223 Schenute und die Überlieferung 223 Die Anfange des Klosterwesens bei Panopolis 227 Die Eigenart des monastischen Lebens unter Schenute 232 Schenute als Patron der Landbevölkerung: Sein Kampf gegen heidnischepossessores in Panopolis 237 Heidentum und Kultur in Panopolis 242 Christen in Panopolis 246 Der Mönch und der Bischof: Schenute und die Kirche 250 Schenute und die Tempel 254 Die Haltung der römischen Provinzialverwaltung 257 Theologie und Gewalt? Zur Vorstellungswelt Schenutes 260 Die Klosterkirche Schenutes: Monument des Triumphs über das Heidentum 263 Schenutes Bedeutung 266 Zusammenfassende Betrachtungen 271 Religiöser Konflikt, Gewalt und lokale Gesellschaft 271 Der Bischof als Schlüsselfigur 276 Die Gläubigen: Religiosität oder Loyalität? 281 Die Zentraladministration: Tätigwerden und Passivität 285 Ausblick 292 Literaturverzeichnis 295 Register 333 Quellen 333 Gesamtregister 343 Vorwort Diese Arbeit ist ursprünglich an der Universität Heidelberg entstanden und im Frühjahr 1993 dort vom Fachbereich Orientalistik und Altertumswissenschaften als Habilitations- schrift angenommen worden. Den Anstoß zur Beschäftigung mit dem Themenfeld verdanke ich - ebenso wie vielfaltige Förderung am Heidelberger Institut für Alte Geschichte - Géza Alföldy. Daneben habe ich in Heidelberg von weiteren Seiten Anregung und konstruktive Kritik erfahren. Ich nenne nur Albrecht Dihle, Bärbel Kramer, Adolf Martin Ritter und Helmuth Schneider. Ihnen allen und zahlreichen weite- ren, hier namentlich nicht genannten Personen sei herzlich gedankt. In den zurückliegenden Jahren in Münster, in denen einzelne Fragestellungen der Arbeit im Zusammenhang des Forschungsprojektes „Tempel und Tempelzerstörungen - Verlust religiöser Zentren: Gründe, Wirkung und Bewältigung" am Sonderforschungs- bereich 493 vertieft weiterverfolgt werden konnten, habe ich aus Diskussionen mit Kollegen und Mitarbeitern Gewinn ziehen dürfen. Mein Dank gilt besonders Stephen Emmel, Ulrich Gotter und Bernd Isele. Weder die ursprüngliche Schrift noch die jetzt vorliegende Monographie wären allerdings ohne die Unterstützung, Sympathie und Ermunterung eines Kreises von Heidelberger Freunden zum Abschluß gekommen. Ihnen widme ich dieses Buch. Einleitung Die Bedeutung von inneren Unruhen für die Geschichte der Spätantike steht außer Frage. Geschehnisse dieser Art stellten eine der verbliebenen Möglichkeiten der von politischer Partizipation ausgeschlossenen breiten Bevölkerung dar, ihren Willen öffentlich kundzu- tun und das Handeln der politischen Entscheidungsträger zu beeinflussen. Auch öffnen die zeitgenössischen Berichte über diese Unruhen eines der wenigen in der spätantiken Überlieferung bewahrten Blickfenster auf die Lebensumstände und Einstellungen der überwältigenden Mehrheit der Reichsbevölkerung. Und schließlich muß die Frage nach der inneren Stabilität der spätrömischen Gesellschaft und ihres politischen Systems zur Frage nach den Wurzeln und der Bedeutung der Unruhen in ihrem Gefüge führen.1 In seiner klassischen Darstellung der Spätantike unterschied A.H.M. Jones drei Ursa- chenfelder für Ausbrüche öffentlichen Aufruhrs: religiöse Konflikte, Lebensmittelknapp- heiten und Rivalitäten der Zirkusparteien. Diese Typologie hat ihre wissenschaftliche Fruchtbarkeit erwiesen.2 Lebensmittelversorgung und Hungeraufstände sowie Zirkuspar- teien und -revolten haben dabei in der neueren Forschung ein reges Interesse gefunden.3 Das weitgehende Fehlen von systematischen Studien4 zu den religiös motivierten Unru- hen in der Spätantike muß hingegen angesichts der zeitgenössischen Aufmerksamkeit für diese Vorfalle erstaunen: Für keine der genannten Kategorien besitzen wir nach Zahl und Dichte so ausführliche Informationen wie für die mit gewaltsamen Mitteln in der Öffent- lichkeit ausgetragenen Auseinandersetzungen religiösen Hintergrundes.5 Dabei zeigen religiös motivierte Unruhen gegenüber Hunger- oder Zirkusrevolten in mancher Hinsicht eine größere Komplexität. Zunächst: Schauplatz der Zirkus- und Hun- gerrevolten ist die Stadt. Unruhen, die vom Zirkus, dem wichtigsten Unterhaltungsort und Treffpunkt der Stadtbevölkerung ausgehen oder aus Problemen der Lebensmittelversor- gung erwachsen, stellen damit ein spezifisches Problem der Urbanen Kultur im Imperium Entsprechende Erklärungsansätze fur den Niedergang des spätantiken Imperiums etwa bei AlfÖldy 1984, 172ff.; Demandt 1984, 274ff. 333ff.; MacMullen 1990; Liebeschuetz 2001, 249ff. Jones 1964, 694. Siehe Cameron 1976, 271 mit den Einschränkungen bei Whitby 1999, 232. Hungerunruhen: Teall 1959, Martindale 1960, Kohns 1961, Tengström 1974, Gregory 1983, Wie- mer 1995a, 269ff., Aja Sanchez 1998. Allgemein Gamsey 1988, Garnsey - Humfress 2001, llOff. und Durliat 1990. Zirkusrevolten: Browning 1952, Martindale 1960, 63ff., Jariy 1968; grundlegend Cameron 1976 (vgl. Cameron 1974 und 1980), weiterhin Kneppe 1979, Gregory 1983, French 1985, Aja Sanchez 1998, zuletzt Whitby 1999 und Liebeschuetz 2001, 213ff. 250ff. Gregory 1979 behandelt die Vorfälle um Johannes, Nestorius und Dioskoros in Konstantinopel, Ephesos u.a. sowie Alexandria. Ähnlich McLynn 1992 zur Eigenart des religiösen Konflikts in der Reichshauptstadt. Reiches Material, v.a. Einzelstudien, bei Trombley 1993/94. Alexandria: Haas 1997; Aiston 2002,287: Liste. Sauer 2003 fokussiert auf Ikonoklasmus im archäologischen Befund. Martindale 1960, 107; Cameron 1976, 290. So formuliert MacMullen 1990, 266 zur Geschichte des 4. und 5. Jh.s: „... there is no denying that history during all that long period consisted more in reli- gious disputes than in anything else." Brown 1995a, 118; Garnsey - Humfress 2001, 150. 10 Einleitung Romanum dar. Unruhen, denen religiöse Konflikte zugrunde liegen, sind zwar für viele Städte bezeugt, doch ist das Phänomen nicht auf sie beschränkt: Ländliche Regionen erlebten ebenso gewaltsame religiöse Auseinandersetzungen; weitere Fälle sind topogra- phisch oder sozial gerade in der Übergangszone von Stadt und Land festzustellen. Die Ausgangssituationen von Zirkus- und Hungerrevolten lassen sich genau bestim- men: Erstere waren Ausfluß der Erregung über den Ablauf der Spiele - nicht aber durch politische oder religiöse Überzeugungen des Publikums bestimmt.6 Mit Hungerunruhen reagierte die niedere städtische Bevölkerung auf tatsächliche oder vermeintliche Engpässe in der öffentlichen Lebensmittelversorgung. Aufgrund dieser klar umrissenen Bedingun- gen waren Zirkus- wie Hungerrevolten zu einem gewissen Grad voraussehbar. Die Aus- gangskonstellationen religiös motivierter Gewaltausbrüche waren weit vielfaltiger. Bi- schofswahlen konnten ebenso Krawalle auslösen wie Übergriffe von Personen oder orga- nisierten Gruppen auf sakrale Orte anderer Religionsgemeinschaften; latente Feindselig- keit zwischen Glaubensgruppen vermochte aus geringen Anlässen in offene Gewalt um- zuschlagen. Solche Eruptionen von Gewalt dürften selten vorauszusehen gewesen sein. Für die Beurteilung von Unruhen als Indikatoren sozialer, wirtschaftlicher oder religiö- ser Spannungen ist die Frage nach dem Kreis und der Rekrutierung der Beteiligten von schlüsselhafter Bedeutung. Die Zeugnisse zu Hungerrevolten lassen keinen Zweifel dar- an, daß die von Versorgungsengpässen bedrohte städtische Bevölkerung für Interventio- nen der öffentlichen Organe zu demonstrieren begann, die Zusammenrottungen aber zu Krawallen ausarten konnten. Bei Zirkusrevolten agierten die in den Zirkusparteien organi- sierten Anhänger der unter verschiedenen Farben antretenden Rennställe und Schauspie- ler. Die für die Parteien geläufige Bezeichnung δήμοι markiert ihre soziale Basis: Es ist die niedere Bevölkerung, die sich hier sammelte und bei den von Spielen ausgehenden Unruhen aufeinanderstieß oder sich Straßenschlachten mit Ordnungskräften lieferte.7 Die Teilnehmer an Hunger- wie Zirkusrevolten rekrutierten sich somit aus denselben Urbanen Schichten. Zudem gilt: Die sich hier artikulierenden Gruppen waren immer klar bestimm- bare Bestandteile derselben Lokalgesellschaft, die sie mit ihrer Gewalt überzogen. Demgegenüber ist es nicht möglich, klare gesellschaftliche Linien festzustellen, nach denen sich Teilnehmer an religiös motivierten Unruhen rekrutierten. Christen, Orthodo- xe', 'Häretiker', Heiden, Juden etc., mithin Gruppen, die hier allenfalls nach ihnen ge- meinsamen religiösen Überzeugungen zu bestimmen sind, lassen sich im Einzelfall als Urheber und Opfer von Gewaltausbrüchen erfassen, die erklärtermaßen oder faktisch aus Glaubensgründen erfolgten. Doch eine Zugehörigkeit der Beteiligten oder Betroffenen zu spezifischen gesellschaftlichen Schichten ist - sieht man von bestimmten Gruppen auf Seiten der Kirche ab - nicht generell, allenfalls im Einzelfall zu erkennen. Für eine Einschätzung der Bedeutung religiöser Unruhen ist es entscheidend, die betei- ligten Gruppen näher zu fassen und die konstitutiven Faktoren ihres Zusammenhaltes zu bestimmen. Vor allem stellt sich die Frage nach den treibenden Kräften hinter den gewalt- tätigen Auseinandersetzungen. Wie aktiv, ja offensiv - oder passiv - waren die einzelnen religiösen Gruppen? Welche Personen oder Gruppen beanspruchten die Führung? Ange- Cameron 1974 und ders. 1976, 126ff. sowie 1980 gegen Jarry 1968 und die ältere Forschung. Die periodischen Exzesse der Zirkusparteien zeigen regelrecht rituelle Züge; Cameron 1976, 296 sprach deshalb von einem durch sie bewirkten Abbau sozialer und politischer Spannungen.

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