CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Matousek, Miroslav Gewährleistung der Sicherheit von Bauwerken - ein alle Bereiche des Bauprozesses erfassendes Konzept I von Miroslav Matousek; Jörg Schneider. -Basel; Boston; Stuttgart: Birkhäuser, 1983. (Bericht I Institut für Baustatik und Konstruktion ETH Zürich; Nr. 140) ISBN 978-3-7643-1591-7 NE: Schneider, Jörg:; Institut für Baustatik und Konstruktion <Zürich>: Bericht Nachdruck verboten. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Spra1 der Reproduktion auf photostatischem Wege oder durch Mikro~hen und vorbehalten. film, © 1983 Springer Basel AG Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel1983 ISBN 978-3-7643-1591-7 ISBN 978-3-0348-5348-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-5348-4 Gewährleistung der Sicherheit von Bauwerken- Ein alle Bereiche des Bauprozesses erfassendes Konzept von Dr. sc. techn. Miroslav Matousek Prof. Jörg Schneider Institutfür Baustatik und Konstruktion Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Zürich Oktober 1983 Vorwort Noch vor zehn Jahren hätte man unter dem Titel des Berichtes "Gewährleistung der Sicherheit von Bauwerken" im wesentlichen eine Abhandlung über die Festlegung oder die Wahl geeigneter Sicherheitsfaktoren, über Sicherheitsmargen oder über geeignete Verfahren zur Abschätzung der Tragwerkszuverlässigkeit erwartet. Heute ist das nicht mehr der Fall. Man hat erkannt, dass die Sicherheit von Bauwerken in oft entscheidendem Ausmass davon abhängt, was man in sehr frühen Phasen des Bauprozesses an ge danklicher Vorarbeit leistet, und was während der ganzen Ent stehungsgeschichte des Bauwerks und während seiner Nutzung ge gen Fehler getan wird. Dieser Bericht geht deshalb über die traditionellen Ansätze hinaus und beschreibt ein alle Bereiche des Bauprozesses erfassendes Konzept zur Gewährleistung der Sicherheit von Bauwerken. Wir haben uns um eine die Lesbarkeit fördernde Kürze bemüht, weil wir manche Teile dieses Berichtes, der die Forschungsergebnisse einer beinahe zehnjährigen Arbeit zusammenfasst, schon andernorts weit ausführlicher dargelegt haben. Die Ergebnisse sind auch bereits in einige parallel vor angetriebene Arbeiten auf nationaler und internationaler Ebene eingegangen und deshalb wirksam, bevor dieser Bericht erscheint. Die hier zusammengefassten Arbeiten wurden zu einem kleinen Teil aus ordentlichen Mitteln der ETH Zürich und von Versicherungs gesellschaften finanziert. Den weitaus grösseren Teil der For schung finanzierte die Kommission zur Förderung der wissen schaftlichen Forschung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes, der wir hier erneut unseren besten Dank aussprechen möchten. Die Verfasser glauben, dass mit dieser Förderung in der natio nalen und internationalen Fachwelt Denkvorgänge und Arbeiten in Gang gesetzt wurden, die sonst vielleicht noch länger auf sich hätten warten lassen. Die Zeichnungen wurden von den Herren G. Göseli und L. Sieger angefertigt, die Druckvorlagen schrieb Frl. S. Burki. Diesen Mitarbeitern unseres Institutes sei hier herzlich für ihre Mühe gedankt. Ein spezieller Dank geht an meinen Mitautor und ehe maligen Mitarbeiter Dr. M. Matousek, der nach langjähriger an regender und harmonischer Zusammenarbeit in die Praxis überge treten ist, um seine Einsichten und Ideen in die Wirklichkeit umzusetzen. Zürich, im Oktober 1983 Prof. Jörg Schneider Zusammenfassung Der Bericht legt in aller Kürze die wesentlichsten Forschungsergebnisse einer knapp zehnjährigen Arbeit dar. Ausgehend von einer Erörterung des Begriffs 'Sicherheit' als Qualitätsmerkmal wird im Bericht ein alle Bereiche und Phasen des Bauprozesses, von der Planung bis zur Nutzung, er fassendes Konzept zur Gewährleistung der Sicherheit von Bauwerken beschrieben. Es wird dann detaillierter auf die Frage der Bemessung von Tragwerken eingegangen, wobei speziell auf quali tative Unterschiede bei den die Sicherheit beeinflussenden Basisvariablen verwiesen wird. Der sich mit Massnahmen gegen Fehler im Bauprozess befassende Teil bleibt dabei - im Gegensatz zu deren entscheidenden Bedeutung - vergleichsweise kurz gehalten, da hierüber bereits in einem anderen Band dieser Reihe ausführlich berichtet worden ist. Resurne Le rapport presente de fa~on succinte les resultats les plus importants de pres de dix ans de recherches. Partant d'un expose qualitatif de la notion de securite, le rapport decrit un concept de securite relatif ~ l'ensemble des domaines lies a la construction (planification, execution, exploitation). Plus loin, le rapport traite en detail des problemes de dimensionnement des struc tures et plus particulierement des differences qualitatives entre les valeurs de base influen~ant la securite. Malgre son importance capitale, la partie consacree aux mesures ~ prendre contre les erreurs est comparativement assez courte, ce theme ayant dej~ traite de maniere exhaustive dans un autre volume de cette serie. Summary The report presents as briefly as possible the main results of approximately ten years of re search. Starting from some discussion of the notion 'Safety' seen in a more qualitative sense, the report describes a safety concept covering all areas and phases of the building process from planning to utilization of structures. Questions of dimensioning structures are dealt with in more depth with emphasis on the qualitative differences between the basic variables influencing structural safety. The Section covering measures against errors in the building process, despite its decisive practical importance, is kept rather short and refers to a more comprehensive publi cation issued in this series. Inhaltsverzeichnis Seite Seite 1. Ausgangspunkt und Ziel der Arbeit 1 5. Massnahmen gegen Fehler im Bauprozess 29 2. Sicherheit als Qualitätsmerkmal 2 5.1 Einleitung 29 2.1 Schaden und Gefahr 2 5.1.1 Vorbemerkungen 29 5.1.2 Der Bauprozess 29 2.2 Gefahren-Umwelt 2 5.1.3 Fehler und Fehlerursachen 29 2.3 Einstellung gegenüber Gefahren 3 5.1.4 Massnahmen gegen Fehler 30 2.4 Sicherheit 4 5.2 Fehlerquellen im technischen Ablauf 2.5 Einsatz von Mitteln 5 des Bauprozesses und deren Beseiti 3. Ein umfassendes Sicherheitskonzept für gung 32 Bauwerke 7 5.2.1 Ueberblick 32 5.2.2 Vorbereitungsphase 32 3.1 Erfordernis eines umfassenden 5.2.3 Planungsphase 33 Sicherheitskonzeptes 7 5.2.4 Ausführungsphase 34 5.2.5 Nutzungsphase 35 3.2 Sicherheitsziel für Bauwerke 8 5.2.6 Umbau und Instandstellung 36 3.3 Massnahmen gegen Gefahren 9 5.3 Fehlerquellen im organisatorischen 3.3.1 Gefährdungsbilder 9 Bereich und deren Beseitigung 36 3.3.2 Massnahmenwahl 9 3.3.3 Sicherheitsplan 10 5.3.1 Ueberblick 36 5.3.2 Organisations-Prinzipien 36 3.4 Bemessung von Bauwerkskomponenten 10 5.3.3 Zuständigkeiten und Verant- 3.5 Akzeptierte Risiken 10 wortung 37 5.3.4 Informationsfluss und Informa- 3.5.1 Risikodokumentation 10 tionssystem 37 3.5.2 Planung der Risikoüberwachung 11 5.3.5 Zusammenarbeit 38 3.5.3 Planung der Verhütung von Personenschäden 12 5.4 Fehlerquellen im Bereich des mensch 3.6 Massnahmen gegen Fehler im lichen Verhaltens und deren Beseiti- Bauprozess 12 gung 39 3.7 Rückkopplung der Erfahrung und 5.4.1 Ueberblick 39 5.4.2 Leistungsvoraussetzungen 39 Einfluss der Forschung 12 5.4.3 Störende Einflüsse 40 3.7.1 Rückkopplung der Erfahrung 12 5.4.4 Bewusstes Fehlverhalten 41 3.7.2 Auswertung der Erfahrung 12 5.4.5 Unbewusstes Fehlverhalten 41 3.7.3 Einfluss und Aufgabe der 5.5 Fehlerentdeckung durch Kontrolle Forschung 13 sowie Korrektur von Fehlern 42 4. Bemessung von Tragwerken 14 5.5.1 Ueberblick 42 4.1 Grundlagen 14 5.5.2 Merkmale der Kontrolle 42 4.1.1 Bemessungszustand und Basis 5.5.3 Kontrollprinzipien 43 variablen 14 5.5.4 Planung von Kontrolle und 4.1.2 Basisvariablen als streuende Korrektur 43 Grössen 15 5.5.5 Durchführung von Kontrolle 4.1.3 Bemessungsmodelle 15 und Korrektur 44 5.5.6 Kontrolle und Korrektur in den 4.2 Massnahmenorientiertes Bemessungs einzelnen Phasen des Baupro- modell 16 zesses 45 4.2.1 Drei Typen von Basisvariablen 16 4.2.2 Sicherheitsbedingung und Literatur 47 Bemessungswerte 17 4.2.3 Bemessungswerte für B-Variable 17 4.2.4 Bemessungswerte für N-Variable 19 4.2.5 Bemessungswerte für G-Variable 20 4.3 Wahrscheinlichkeitsorientierte Modelle 22 4.3.1 Zweck der wahrscheinlichkeits- orientierten Modelle 22 4.3.2 Wege zur Ermittlung der Ver- sagenswahrscheinlichkeit 23 4.3.3 Wahrscheinlichkeitsorientierte Festlegung der Bemessungswerte 25 4.4 Kritische Bemerkungen zu den Bemes- sungsmodellen 26 4.4.1 Vergleich zwischen den Be- messungsmodellen 26 4.4.2 Zum Begriff Sicherheit und Versagenswahrscheinlichkeit in der Bemessung 26 4.4.3 Einfluss von Fehlern auf die Versagenswahrscheinlichkeit 28 1. Ausgangspunkt und Ziel der Arbeit Bauschäden gibt es, solange der Mensch baut. als eine allgemeine, auf viele Bereiche an Sie werden jedoch mit steigender Komplexität wendbare und damit notgedrungen eher vage For der Bauwerke, Bauverfahren und Bauprozesse mulierung. häufiger und schwerer. Sie deuten in jedem Fall auf einen ungenügenden Sicherheitsbegriff im Bauwesen hin. Aus dieser Erkenntnis wurden auch am Institut für Baustatik und Konstruk tion der ETH Zürich (IBK) Forschungsarbeiten begonnen mit dem Ziel, einen allgemeinen, alle sicherheitsrelevanten Gebiete umfassenden Sicherheitsbegriff zu entwickeln und die not wendigen Grundlagen bereitzustellen. Die Er gebnisse erster Untersuchungen [46) bestäti gen, was bei unvoreingenommener Beobachtung des Schadengeschehens bereits vermutet werden kann: Schäden sind vorwiegend auf akzeptierte Risiken, überwiegend jedoch auf eigentliche Fehler der Beteiligten zurückzuführen. Es musste deshalb zunächst abgeklärt werden, bis zu welchem Grad die einzelnen Gefahren durch die Bemessung von Bauwerksteilen und Trag werken abgedeckt sind. Weiter war es nötig, das Akzeptieren von Risiken als ein sicher heitsrelevantes Element in die Sicherheits betrachtungen einzubeziehen sowie Massnahmen gegen Fehler zu entwickeln. Diese beiden Be reiche stehen gleichberechtigt neben einer ganzen Gruppe von Massnahmen zur Abwehr von Gefahren, in welcher die Tragwerksbemessung - auf die die traditiqnelle Sicherheitsforschung so grosses Gewicht legt - lediglich eine und nicht immer die naheliegenste und kosten günstigste Massnahme darstellt. Im Verlauf dieser Forschungsarbeit zeigte sich immer deutlicher dass die meisten sicher heitsrelevanten Massnahmen auch in bezug auf andere Qualitätsmerkmale von Bauw~rken wirk sam sind. Es schien deshalb zunäc~st sinnvoll, die Arbeit nicht nur auf das Qua.litätsmerkmal "Sicherheit" zu beschränk~n, sondern auf die Qualitätssicherung generell zu erweitern. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass damit die Aussagen unscharf werden, die Be griffe zu allgemein bleiben und ganz generell die konkrete Anwendbarkeit des Dargestellten leidet. So wird deshalb in der vorliegenden Arbeit die Sicher,heit von Tragwerken ins Zen trum gestellt. Der Baufachmann wird selbst merken, wo Aussagen verallgemeinert und auf andere Qualitätsmerkmale von Bauwerken über tragen werden können. Der Verfasser ist über zeugt davon, dass die konkrete Aussage auf einem engeren Gebiet eine bessere Wirkung hat 2 2. Sicherheit als Qualitätsmerkmal 2.1 Schaden und Gefahr Als Schaden lässt sich generell die Verminde die Bedürfnisse nach Anerkennung durch andere rung des Vermögens bezeichnen. Der Begriff und schliesslich das Bedürfnis nach Selbst "Vermögen" ist dabei im weiten Sinn als Ge verwirklichung. samtheit von finanziellen Mitteln, Grund und Boden, Sachwerten und Immobilien, Kulturgütern, Das Sicherheitsbedürfnis hat im Rahmen dieser Arbeitskraft sowie Leib und Leben zu verstehen. Betrachtung eine besondere Stellung. Es be Dabei muss jedoch grundsätzlich zwischen Sach zieht sich zuerst auf Gefahren, die als schä schäden und Personenschäden unterschieden wer digende Einflüsse in der direkten Umwelt des den, denn Sachschäden lassen sich in der Regel Menschen zu suchen sind, wie Hochwasser, La durch den Einsatz von finanziellen Mitteln be winen, Erdrutsch, aber auch Krieg, Krankheiten, heben, während bei Personenschäden allenfalls usw. Zu diesen kommen weitere Gefahren, die finanzielle Konsequenzen gemildert werden kön während oder durch Aktivitäten des Menschen nen, der Schaden jedoch irreparabel bleibt. selbst entstehen, wie Verseuchung von Landge bieten durch Chemikalien, Versehrnutzung des Ein Schaden ist stets auf einen unerwünschten, Grundwassers, Bauwerkseinstürze, Verkehrsun d.h. dem Ziel entgegenwirkenden Vorgang zu fälle, Flugzeugabstürze, usw. Alle diese Ge rückzuführen. Die in einem betrachteten Zu fahren bilden zusammen die Gefahren-Umwelt, stand vorhandene Möglichkeit, dass infolge welcher der Mensch ausgesetzt ist (Abb. 1). eines unerwünschten Vorgangs das Ziel nicht Allen diesen Gefahren gemeinsam ist, dass sie erreicht werde, wird als Gefahr definiert [46]. zunächst, direkt oder indirekt, Leib und Leben Diese Definition bindet den Begriff Gefahr an des Menschen bedrohen. das jeweils angestrebte Ziel. Folgerichtig ist damit Regen z.B. für einen Bauunternehmer ein unerwünschter Vorgang und damit eine Ge fahr im Gegensatz zur Beurteilung eines Land wirts, der diesen Vorgang als wünschenswert ansieht. Ein Büroangestellter beispielsweise wieder wird dem Vorgang Regen indifferent Bedürfnis nach gegenüberstehen. 2.2 Gefahren-Umwelt Der Mensch ist aufgrund seiner Bedürfnisse motiviert, Ziele zu formulieren und danach Anerkennung zielgerichtete Aktivitäten zu entwickeln. So werden Nahrungsmittel produziert, Verkehrs wege angelegt, Wohnhäuser erstellt, Industrie Bedürfnisse anlagen gebaut, usw. Zwischen den Bedürfnissen des Menschen und da bedürfnisse mit auch in bezug auf die entsprechenden Ak tivitäten besteht eine hierarchische Ordnung [40]. Zuerst muss der Mensch ganz elementar physiologische Bedürfnisse wie : Wasser, Nahrung seine physiologischen Bedürfnisse befriedigen. Kleidung u. a. Zu diesen für die Erhaltung des Lebens not wendigen Bedürfnissen gehören Nahrung, Klei Abb. 1: Grundbedürfnisse [40], Aktivitäten dung, Schlaf, usw. Diesen Bedürfnissen über und Gefahren-Umwelt des Menschen lagert sich in der Bedürfnishierarchie das sog. Sicherheitsbedürfnis, sich vor Gefahren In diesem Bericht steht die Gefahr eines Bau zu schützen. Weitere Schichten in der Hierar werkversagens und im engeren Sinn des Trag chie der Bedürfnisse sind soziale Ansprüche werkversagens im Vordergrund. Die Ursachen (Zugehörigkeit, Zuneigung, Liebe, usw.) sowie des Bauwerkversagens sind zunächst in schädi- 3 genden Einflüssen zu suchen. Diese sind uner - adäquates Har.deln des Menschen wünscht und stellen demnach in bezug auf das - eigentliche materielle, vom Handeln des Bauwerk wiederum Gefahren dar. Einige dieser Menschen unabhängige Massnahmen. Gefahren, die sich allgemein in drei Gruppen gliedern lassen, zeigt die Abb. 2. Beide Kategorien haben Voraussetzungen: adäquates Handeln verlangt die Bereitschaft zu handeln und adäquate Fähigkeiten der Han delnden, materielle Massnahmen (im vorliegen den Zusammenhang bauliche Massnahmen) , die nötigen Mittel zu ihrem Einsatz. adäquat Abb. 2: Das Bauwerk bedrohende Gefahren (einige Beispiele) Die letzte Ursache des Bauwerkversagens ist jedoch stets beim Menschen zu suchen. Von ihm Abb. 3: Pole extremer menschlicher Einstellung hängt es ab, ob die schädigenden Einflüsse als gegenüber Gefahren Gefahren richtig, fehlerhaft, überhaupt nicht oder bewusst als akzeptierte Risiken berück sichtigt werden. Aufgrund der Einstellung gegenüber einzelnen Gefahren sowie der für die Schaffung von 2.3 Einstellung gegenüber Gefahren Sicherheit verfügbaren Mittel müssen bestimm te Gefahren als Risiko akzeptiert werden. Welche Risiken der Mensch bei den einzelnen Es lassen sich drei Pole der menschlichen Ein seiner Aktivitäten eingeht und damit offen stellung gegenüber Gefahren beobachten [46] sichtlich akzeptiert, zeigt Abb. 4. (Abb. 3). Aus Abb. 4 lässt sich erkennen, dass bei den Die Einstellung des Menschen bzw. der Gesell vom individuellen Verhalten abhängigen Akti schaft liegt im Raum zwischen diesen drei vitäten vergleichsweise höhere Risiken ak Polen. So könnte z.B. die möglicherweise zu zeptiert werden. Einerseits ist die Beteili einem Dacheinsturz führende Ueberbelastung gung an solchen Aktivitäten oft freiwillig, infolge Schnee als Risiko akzeptiert ("höhere andererseits lassen sich solche Risiken durch Gewalt"), durch Wegräumen des Schnees besei- ein der Gefahr adäquates Handeln reduzieren. tigt (adäquates Handeln) oder durch Verstär Unter Berücksichtigung dieser zwei Merkmale kung der Konstruktion unschädlich gemacht wer lassen sich einzelne Risikogruppen unter den. Aufgrund der Einstellung des Menschen scheiden, welchen akzeptierbare Risiken [71] gegenüber Gefahren lassen sich zwei grund zugeordnet werden können (Abb. 5). sätzlich unterschiedliche Kategorien von Massnahmen unterscheiden: 4 die eigentliche Nutzung des Bauwerks (z.B. Tote I Jahr Tote I Stunde Risikogruppe über die Exposition der Heimunfälle) eher zu der Risikogruppe mit 10-4. Betroffenen Betroffenen Alle Risiken 2.4 Sicherheit Kinder 5 + 15 Jahre 5 · w-4 6 . 10-8 30 jährige 1 • 10-3 4 . 10-7 50 jährige 6 . 10-3 6 . 10-7 Sicherheit und Gefahr können als Gegensatz paar verstanden werden. Allgemein [12] wird Berufsrisiken Sicherheit definiert als: "objektiv das Nicht im Mittel 2 . 10-4 1 . 10-7 vorhandensein von Gefahren, subjektiv als die Metall Industrie 1 . 10-4 6 . 10-8 Gewissheit eines einzelnen, einer Gruppe von Holzindustrie 1 . 10-4 6 . 10-8 Textilindustrie 3 . 10-5 1 . 10-8 Menschen oder eines Staates, vor möglichen Chemische Industrie 2. 10-4 1 . 10-7 Gefahren geschützt zu sein". Bezeichnender Engeres Baugewerbe 9. 10-4 4 . 10-4 weise kennen manche Sprachen nur einen der Bahnen 4 . 10-4 2 . 10-7 beiden Begriffe und ersetzen den anderen durch Büros 3. 1o-• 2 · 10-e die Verneinung des einen (Sicherheit - Nicht • Verkehrsrisiken 2 . 10-4 4 . 10-7 sicherheit, Ohne Gefahr - Gefahr). • Freizeitrisiken Sicherheit anstreben heisst Gefahren eliminie im Mittel 4 . 10-4 7 . 10-8 Sport und Spiel 4 · w-• 1 . 10-7 ren. Nicht alle Gefahren werden jedoch durch Wandern, Spazieren 4 . 10-· s · 1o-• Massnahmen eliminiert, sie sind oft auch gar Aufenthalt zu Hause 2 . 10-5 5 . 10-9 nicht vollständig eliminierbar. Gewisse Ge Nebenbeschäftigung 2 · 1o-• 3 . 10-8 fahren werden individuell bewusst als Risiko • akzeptiert oder müssen als Risiko bewusst ak Vermischte Risiken Ertrinken 3 · 1o-• 3 . 10-7 zeptiert werden, will man in volkswirtschaft Brand 4 . 1o-• 6 • 10-10 lich vertretbarem Umfang Sicherheit anstreben. Daneben bleiben sog. Restgefahren ohne Zwei Einstürzende Tragwerke 1 . 10-· 1 . 10-10 fel bestehen, die auf eigentliche Fehler der BI itzschlag 1 • 10-7 1 . 10-9 am Bau Beteiligten zurückzuführen sind. Zu • Die Dauer der Exposition wurde geschötzt diesen gehören objektiv unbekannte, subjektiv unerkannte, unberücksichtigte sowie infolge unzweckmässiger oder falsch angewendeter Mass Abb. 4: Todesfallrisiken in der Schweiz (einige Beispiele) nahmen nicht abgewehrte Gefahren (Abb. 6). Das akzeptierbare Risiko in bezug auf Aufent Wegen akzeptierter Risiken und der erwähnten halt in Bauwerken und damit das Risiko in be Restgefahren kann deshalb von Sicherheit im zug auf Bauwerksversagen bzw. Tragwerksver absoluten Sinn nicht die Rede sein. Sicher sagen lässt sich nach Abb. 5 am ehesten der heit besteht nur gegenüber den durch geeigne Risikogruppe mit 10-5 zuordnen. Dagegen ge te Massnahmen eliminierten Gefahren. Sicher hört das akzeptierbare Risiko in bezug auf heit lässt sich demnach definieren als die Eigenschaft eines Zustandes, welche dadurch charakterisiert ist, dass ganz bestimmte, be Freiwilligkeit des Betroffenen bei nennbare Gefahren nicht vorhanden sind. Ein der Akt' VI· ta t 100% solcher Zustand ist nicht sicher, sondern gilt 10-4 0.5·10-3 10-3 lediglich nach dem Stand von Wissenschaft und volle Technik und im Rahmen der volkswirtschaftli z.B. Versogen z.B. Unfall z.B. Selbst· von Sportgerölen beim Fussboll uWnofoldlll obuefi m chen Möglichkeiten als sicher. Der Sicherheits begriff ist demnach stets relativ, d.h. be 0.5·10-4 10-4 0.5·10-3 mittlere zieht sich lediglich auf die eliminierten Ge z. B. Flugzeug- z.B. Zusammen- z.B. Selbstun- obsturz stoss im Autover toll in der Arbeit fahren. kehr 10-5 0.5·10-4 10-4 Sicherheit ist in diesem Sinn ein Qualitäts keine z.B. Trogwerk- z.B.Unfoll bei z.B. Selbstun- merkmal und entzieht sich weitgehend der einsturz ~~~ loH ~i der Möglichkeit der Risikoobwelr Mllitdrübung durch odöquotes Handeln Quantifizierung. Entweder kann ein Zustand o• keine mittlere volle 100% dee Betroffenen gegenüber ganz bestimmten Gefahren als sicher bezeichnet werden oder nicht. Versuche, den Abb. 5: Beispiel von akzeptierbaren Risiken Begriff "Sicherheit" durch Zahlen bzw. einen (Todesfallwahrscheinlichkeit im Jahr) für die einzelnen Risikogruppen Wahrscheinlichkeitsbegriff zu ersetzen, kön-