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Gespräch Über Die Poesie PDF

113 Pages·1968·15.435 MB·German
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REALIENBÜCHER FÜR GERMANISTEN ABT. G: DOKUMENTATIONEN Reihe a: A-us der Geschichte der Literaturwissenschaft und Literaturkritik FRIEDRICH SCHLEGEL GESPRÄCH ÜBER DIE POESIE MIT EINEM NACHWORT VON HANS EICHNER J. B. METZLERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG STUTTGART JSBN 978-3-476-99750-0 1SBN 978-3-476-99749-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-99749-4 C 1968,Sprlnger-Verlag GmbH ))eutacbland UrsprOnglich erschienen bei J. B. Metzlcrsche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1968. „Ich bekenne es gern, daß ich nur gesagt habe, wie es mir vorkommt. Nämlich wie es mir vorkommt, nachdem ich aufs redlichste geforscht habe . . . " (Markus im »Gespräch über die Poesie«) VORBEMERKUNG Der im folgenden fotomechanisch nach der »Kritischen Aus gabe« (s. unten unter 4) einzeln gedruckte Text des »Gesprächs über die Poesie« bietet vier Ausgaben in einer Ausgabe zu sammengefaßt: 1. als Haupttext den Wortlaut des Erstdruckes aus dem >Athe näum<, Bd III (1800), Stück 1, S. 58-u8, Stück 2, S. 169-187. 2. als Fußnoten die Textänderungen der zweiten Fassung aus Schlegels »Sämmtliche Werke«, Bd V (1823), S. 219-330. 3. als Marginalien am Seitenrand in eckigen Klammern die Seitenzählung aus der von Jacob Minor edierten Ausgabe von Schlegels »Prosaische Jugendschriften«, Bd II (1882, 21906), die allerdings nur den Text des Erstdrucks bietet. 4. das Ganze als Faksimiledruck der Seiten 284-362 aus Bd II der »Kritischen Friedrich-Schlegel-Ausgabe« (1967). Das Nachwort stützt sich zum Teil auf die Einleitung zu Bd II der unter 4 genannten kritischen Ausgabe. Für die Erlaubnis, bei Text und Nachwort auf diesen Band zurückgreifen zu kön nen, sind Herausgeber und Verlag dem Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, zu lebhaftem Dank verpflichtet. VII t e n a e u m. ~c ~ 3eitfcijrift ~ine \'O R E?cf)legel ~ugufl rulil~elm unb ~ r i e b r i ~ C6 ~ ( e g e (. tu ~ritten Q) an b e~ ~ r fl' e~ <6 cf. e r ( i n , s o o. ~ 1 (> e i f) e i n r i d> ~ r o c i d). GESPRÄCH ÜBER DIE POESIE [1118} Alle Gemüter, die1 sie lieben, befreundet und bindet Poesie mit unauflöslischen Banden. Mögen sie• sonst im eignen Leben das Verschie denste suchen, einer gänzlich verachten, was der andre am heiligsten hält, sich verkennen, nicht vernehmen, ewig fremd bleiben; in dieser Region sind sie dennoch durch höhere Zauberkraft einig und in Frieden. Jede Muse sucht" und findet die andre, und alle Ströme der Poesie• fließen zusammen in das allgemeine große Meer'. Die Vernunft ist nur eine1 und in allen dieselbe: wie aber jeder Mensch seine eigne Natur hat und seine eigne Liebe, so trägt auch jeder seine eigne Poesie in sich. Die muß ihm bleiben und soll ihm bleiben, so gewiß er der ist, derl er ist, so gewiß nur irgend etwas Ursprüngliches in ihm war; und keine Kritik kann ~ darf ihm sein eigenstes Wesen, seine innerste Kraft rauben, um ihn zu einem allgemeinen Bilde ohne Geist und ohne Sinn zu läutern und zu reinigen, wie die Toren sich bemühen, die nicht wissen was sie wollen. Aber lehren soll ihn die hohe Wissen schaft echter Kritik, wie er sich selbst bilden muß in sich selbst, und vor allem soll sie ihn lehren, auch jede andre selbständige7 Gestalt der Poesie in ihrer klassischen Kraft und Fülle zu fassen, daß die Blüte und der Kern fremder Geister Nahrung und Same werde für seine eigne Fantasie. Nie wird der Geist, welcher8 die Orgien der wahren Muse kennt, auf dieser Bahn bis ans Ende dringen, oder wähnen, daß er es erreicht•: denn nie kann er eine Sehnsucht stillen, die aus der Fülle der Befriedi- 1 welche 1 die Menschen • ewigen Fantasie • Meer der Einen unteilbaren Poesie. • eine ... allen] Eine in allen und • welcher 7 selbstständige (und so durchwegs) • welcher, wie ein alter Dichter sagt, • erreicht habe; Gesprä<h über die Poesie gungen selbst sich ewig von neuem erzeugt. Unermeßlich und unerschöpf- !SJ lieh ist die Welt der Poesie wie der Reichtum der belebenden Natur an Gewächsen, Tieren und Bildungen jeglicher Art, Gestalt und Farbe. Selbst die künstlichen Werke oder natürlichen Erzeugnisse, welche die Form und den Namen von Gedichten tragen, wird nicht leicht auch der umfassendste alle umfassen1. Und was sind sie gegen die formlose1 und bewußtlose Poesie, die sich in der Pflanze regt, im Lichte strahlt, im Kinde lächelt, in der Blüte der Jugend schimmert, in der liebenden Brust der Frauen glüht? - Diese aber ist die ernte, ursprüngliche, ohne die es gewiß keine Poesie der Worte geben würde. Ja wir alle, die wir Menschen sind, haben immer und ewig keinen andern Gegenstand und keinen andern Stoff aller Tätigkeit und aller Freude, als das eine Gedicht der Gottheit, dessen Teil und Blüte auch wir sind8 - die Erde. Die Musik des4 unendlichen Spielwerks zu vernehmen, die Schönheit des6 Gedichts zu verstehen, sind wir fähig, weil auch ein Teil• des Dichters, ein Funke seines schaffenden Geistes in uns lebt und tief unter der Asche der selbst gemachten Unvernunft mit heimlicher Gewalt zu glühen niemals aufhört. Es ist nicht nötig, daß irgend jemand sich bestrebe, etwa durch ver nünftige Reden und Lehren die Poesie zu erhalten und fortzupflanzen, oder gar sie erst hervorzubringen, zu erfinden, aufzustellen und ihr strafende' Gesetze zu geben, wie es die Theorie der Dichtkunst so gern möchte. Wie der Kern der Erde sich von selbst mit Gebilden und Ge wächsen bekleidete, wie das Leben von selbst aus der Tiefe hervorsprang, und alles voll ward von Wesen die sich fröhlich vermehrten; so blüht auch8 Poesie von selbst aus der unsichtbaren Urkraft der Menschheit hervor, wenn der erwärmende Strahl der göttlichen Sonne sie trifft und befruchtet. Nur Gestalt und Farbe können es nachbildend ausdrücken, wie der Mensch gebildet ist; und so läßt sich auch eigentlich nicht reden von der Poesie als nur in Poesie. Die Ansicht eines jeden von ihr ist wahr und gut, insofern sie selbst Poesie ist. Da nun aber seine Poesie, eben weil es die seine ist, beschränkt sein muß, so kann auch seine Ansicht der Poesie nicht anders als be schränkt sein. Dieses kann der Geist nicht ertragen, ohne Zweifel weil ' begreifen. • formlose und] innre • sind-die Erde.] sind; die irdische Schöpfung dieser schönen Sternen- welt. • dieses • dieses göttlichen •Teil des Dichters, ein Funke] Funken des ewigen Dichters, und ' strafende Gesetze] warnende Gesetze und strafende Vorschriften •auch die 286 Gespräch über die Poesie er, ohne es zu wissen, es dennoch weiß, daß kein Mensch schlechthin nur ein Mensch ist, sondern zugleich auch die ganze Menschheit wirklich und in Wahrheit' sein1 kann und soll. Darum geht der Mensch, sicher sich selbst immer wieder zu finden, immer von neuem aus sich heraus, um die Ergänzung seines innersten Wesens in der Tiefe eines fremden zu suchen und zu finden. Das Spiel der Mitteilung und der Annäherung ist das Geschäft und die Kraft des Lebens, absolute• Vollendung ist nur im Tode. Darum darf es auch dem Dichter nicht genügen, den Ausdruck seiner (8'01 eigentümlichen Poesie, wie sie ihm angeboren und angebildet wurde, in bleibenden Werken zu hinterlassen. Er muß streben, seine Poesie und seine Ansicht der Poesie ewig zu erweitern, und sie der höchsten zu nähern die überhaupt auf der Erde möglich ist; dadurch daß er seinen Teil an das große Ganze auf die bestimmteste Weise anzuschließen strebt: denn die tötende Verallgemeinerung wirkt gerade das Gegenteil. Er kann es, wenn er den Mittelpunkt gefunden hat, durch Mitteilung mit denen, die ihn gleichfalls von einer andern Seite auf eine andre Weise gefunden haben. Die Liebe bedarf der Gegenliebe. Ja für den wahren Dichter kann selbst das Verkehr mit denen, die nur auf der bunten Ober fläche spielen, heilsam und lehrreich sein. Er ist ein geselliges Wesen. Für8 mich hatte es von jeher einen großen Reiz mit Dichtern und dichterisch Gesinnten über die Poesie zu reden. Viele Gespräche der Art habe' ich nie vergessen, von andern weiß ich5 nicht genau, was der Fantasie und was der Erinnerung angehört; vieles ist wirklich darin, andres ersonnen. So das gegenwärtige, welches ganz verschiedene An sichten gegeneinander stellen soll, deren jede aus ihrem Standpunkte den unendlichen Geist der Poesie in einem neuen Lichte zeigen kann, und die alle mehr oder minder bald von dieser bald von jener Seite in den eigent lichen Kern zu dringen streben. Das8 Interesse an dieser Vielseitigkeit erzeugte den Entschluß, was7 ich in einem Kreise von Freunden bemerkt und anfänglich nur in Beziehung auf sie gedacht hatte, allen denen mit zuteilen, die eigne8 Liebe im Busen spüren und gesonnen sind, in9 die 1 in sich umfassen und selbst sein • unbedingte • Für ...e s] Wohl hatte es darum •habe ich] mag man 1 man 1 Das ... Vielseitigkeit] Die befriedigende Vollständigkeit, welche aus dieser Mannichfaltigkeit der Ansichten hervorging, 7 was ich ... gedacht hatte,] was ... gedacht war, 8 eine eigne · •in ... einzuweihen.] in das Heiligtum der Natur und in die Geheimnisse der Poesie, kraft ihrer innem Lebensfülle, durch sich selbst einzudringen.

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