Der Galaterbrief wird oft als reiner Angriff auf die judaistische Irrlehre betrachtet, dass das Halten des Gesetzes für das Heil notwendig sei und Heidenchristen beschnitten werden müssten. Im Anschluss an den Greifswalder Theologieprofessor Wilhelm Lütgert (1867–1938) begründet Schirrmacher ein alternatives Verständnis des Galaterbriefes: Paulus kämpft einerseits gegen Judaisten, andererseits aber auch gegen eine zweite Partei von Heidenchristen, die das Alte Testament verwarfen und aus der Freiheit vom Fluch des Gesetzes und aus dem Leben im Geist eine grenzenlose Zügellosigkeit ableiteten. Für Paulus sind Gesetzlichkeit und Grenzenlosigkeit gleichermaßen grundlegende Irrtümer. Der Geist Gottes führt Christen nicht in die Zügellosigkeit, sondern in ein richtiges Verstehen und Ausleben des von Ihm offenbarten Gesetzes.