Ralf Zoll (Hrsg.) Gesellschaft in literarischen Texten Ralf Zoll (Hrsg.) Gesellschaft in litera rischen Texten Ein Lese- und Arbeitsbuch Band 1: Raum und Zeit, soziale ungleichheit, demografische und biologische Aspekte I VS VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAFTEN Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage Oktober 2005 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2005 Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für vervielfältigungen, übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: Beate Glaubitz, Redaktion und Satz, Leverkusen Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN 978-3-8100-3745-9 ISBN 978-3-322-83416-4 (eBook) DOI 1O.l 007/978-3-322-83416-4 Inhalt Vorwort ...................................................................................................... 9 1. Raum Eingeleitet von Gabriele Sturm: Raum erschreiben - Darstellung und Interpretation gesellschaftlicher Riiume in literarischen Texten ........................... 15 mit Texten von: Brigitte Wormbs: Vorort 7 U hr .............................................................. 33 Marcel Proust: Aufd er Suche nach der verlorenen Zeit. In Swanns Welt. 35 Nazjm Hikmet: Eine Reise ohne Riickkehr ........................................... 39 Ware ich eine Platane.................................................... 39 Sie nahmen uns gifangen................................................ 39 In Prag.......................................................................... 40 Jack Kerouac: Unterwegs ......................................................................... 41 Robert Musil: Die Amsel............................................. ............. .............. 44 Um berto Eco: Grundziige einer S tadtpsychologie: Dresden .............. ......... 46 Joseph Roth: Berliner Norden .................................................................. 49 Stanislaw Lem: Der futurologische KongreJl............................................. 52 Rita Mae Brown: Goldene Zeiten ............................................................ 58 Erich Kastner: S ozusagen in der Fremde ................................................. 62 Gotifried Benn: Das Plakat .................................................................... 64 Rainer Maria Rilke: Das Buch von der Armut und vom Tode ................ 66 Adalbert von Chamisso: Reise um die Welt ............................................. 69 5 Johannes Gaitanides: Die Insel i)Vischen Paradies und Purgatorium ........ 72 Iso Camartin: Ober Grenzen .................................................................. 76 Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise ....................................... 80 Ben Hecht: 1001 Nachmittage in New York ......................................... 84 A la troisieme Avenue .. ........................................................ 85 Atifd em Weg nach Hause ..................................................... 87 Volker Braun: Bodenloser Satz .............................................................. 89 Franz Michael Felder: Aus meinem Leben ... .......................................... 92 Christiane Rochefort: Friihlingfur Anfanger .. ............................... .......... 96 John Ernst Steinbeck: Jenseits von Eden ................................................. 99 Detlev Freiherr von Liliencron: Aufe inem Bahnhof .... .......... .... ............... 102 Gunter Grass: Ein weites Feld ............................. ..... ...................... ........ 104 Kurt T ucholsky: Augen in der Groftstadt ....................................... ......... 107 Christine Briickner: Letijes J ahr auf Ischia ...................................... ....... 109 2. Zeit Eingeleitet von Hartmut Ludtke Die Zeit, eine paradoxe Dimension des Handelns und der sozialen Ordnung in wissenschaftlicher und literarischer Aneignung ........................... ......... ......... ................ ........ ....................... 115 mit Texten von: Marjorie Shostak: Nisa erzahlt .............................................................. 130 Umberto Eco: Wie man die Uhrzeit nicht wei} ....................................... 134 Die achtzjger Jahre waren grandios .................................... 136 Wie man seine Zeit nutij .................................................. 138 Carl Zuckmqyer: Der S eelenbrau ... ................. ........................................ 141 Robert Musil Das verzauberte Haus ...................................................... 143 Thomas Mann: Der Zauberberg .............................................................. 145 6 Lii Bu We: Friihling und Herbst des Lii Bu We .................................... 158 Heinrich Droege: Da bleibst du auf der Strecke. AIle haben Schifl .......... 161 Karl Martell.-Der Zweikampf......... ........................................................ 165 Martin Walser: Ein springender Brunnen ............................................... 167 Marcel Proust: Aufd er Suche nach der verlorenen Zeit. In Swanns Welt. 170 Michael Ende: Momo ...................... ............................... ......................... 172 Stefan Zweig: Unvermutete Bekanntschcift mit einem Handwerk .............. 179 Heinrich Boll.-Anekdote zur S enkung der Arbeitsmoral.......................... 182 William Faulkner: Wilde Palmen ........................................................... 185 3. Soziale Ungleichheit, soziale Integration, sozialer Ausschluss Eingeleitet von Thorsten Bonacker Soziale Integration, soziale Ungleichheit und sozialer Ausschluss. Dimensionen sozialer Differenzierung....................... 193 mit Texten von: Leo Tolstoi: Anna Karenina .................................................................... 213 Johann Wo!fgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werther.................. 217 Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter.............................................. 220 Joachim Nowot'!Y: Der gliickselige Stragula .............................................. 224 Franz Weifel.· Eine blajfblaue Frauenschrift............................................. 229 Matifred Bieler: Maria Morzeck oder Das Kaninchen bin ich................... 233 Max Frisch: Andorra .............................................................................. 236 Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor.. ........................................................ 241 Christa Wolf: Kindheitsmuster..... ........... ................ ... .......... .................... 244 Anna Wimschneider: Herbstmilch............................................................ 250 Wo!fgang Koeppen: Tauben im Gras ........................................................ 253 Doris Lessing: England gegen England ................................................... ~56 7 Alejo Carpentier: Le sacre du printemps .................................................. 268 Vicki Baum: Der Weg ........................................................................... 271 Barbara Frischmuth: Unzeit ................................................................... 274 Hans-Christian Kirsch: Verbrennung einer spanischen Witwe ................. 282 Robert Schneider: Dreck .......................................................................... 285 Juan Gqytisolo:Johann ohne L:md .......................................................... 289 4. Biologische/ demographische Aspekte Eingeleitet von Andreas Nebelung Zwischen Leben und Tod Leibliche Erfahrungen, ihre kulturelle Einrichtung und moderne Normierung ................................................................ 295 mit Texten von: Aldous Huxlry: S cMne neue Welt .. ......... ............................................... 311 Merci Rodoreda: Atijd er Pla[a del Diamant ........................................ :. 319 Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor ............. .... ........... .................... ......... 322 Franz Xaver Kroetz: Oberiisterreich ........................................................ 325 Ulla Berkewicz: Das Geheimnis von Fraulein Doktor Fauft ................. 340 Anna Wimschneider: Herbstmilch ........................................................... 343 Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter ............................................. 345 Gerd Brantenberg: In aile Winde ..... .... ................................. .... .......... ..... 347 Kenzaburo Oe: Eine persiinliche Eifahrung ............................................. 353 Christopher Davis: Philadelphia .............................................................. 357 Cordula Zickgraj: Ich Ierne leben) weil Du sterben muft .......................... 361 Eva Demski: Scheintot ........................................................................... 367 Hugo von Hofmannsthal.· Jedermann ....................................................... 373 Glossar ......................................................................................................... 379 Verzeichnis der Mitarbeiter ............................... ................................... .... 384 8 Vorwort Die Idee zur vorliegenden Arbeit ist iiber dreillig Jahre alt. Sie griindet auf der Beobachtung, die Andreas Dorner und Ludgera Vogt (Literatursozio logie, Opladen 1994, S. 8) so zusammengefasst haben: " ... viele soziale oder politische Grundkonstellationen sind tatsachlich in der Literatur der art gut auf den Punkt gebracht, dass kein Einfuhrungsbuch so anschaulich in das sozialwissenschaftliche Denken einfuhren konnte." Bei den ersten sporadischen Recherchen Anfang der 70er Jahre des vorigen J ahrhunderts stellte ich dann fest, dass auch andere etwa zur gleichen Zeit ahnliche Ide en gehabt hatten. Innerhalb von drei J ahren erschienen Coser: Sociology Through Literature (N.Y. 1972), I<:nuckman: The Mind's Eye-Readings in Sociology (Hinsdale 1973) und Milstead/Greenberg/Olander/Warrick: Sociology Through Science Fiction (N.Y. 1974). Durch diese Werke eher ermutigt, denn abgehalten, verhinderten allerdings die "hauptberuflichen" Belastungen lange Jahre eine systematische Beschaftigung mit dem V orha ben. Erst Mitte der 80er Jahre griff ich die Idee wieder auf, urn mich dann vor etwa acht Jahren intensiver mit der Realisierung zu befassen. Das Ergebnis sind zwei Lese- und Arbeitsbiicher, eine andere Art Einfiihrung in das, was Gesellschaft charakterisiert. Es handelt sich also weder urn eine literatursoziologische noch gar urn eine literaturwissen schaftliche Arbeit, sondern urn ein didaktisches Unterfangen, das sich in sehr bescheidenem Umfang literatursoziologischer und literaturwissen schaftlicher Erkenntnisse bedient. Gut zwei Jahrzehnte habe ich, zu Beginn vollig unsystematisch, litera rische Texte gesammelt, in denen meiner Ansicht nach soziale Strukturen und Prozesse deutlich aufscheinen. Diese Texte sind fur mich nicht einfa che Widerspiegelungen gesellschaftlicher Verhiiltnisse, sondern durch die vielfaltigen Einfliisse vermittelt, denen die Produktion und Verbreitung von Literatur unterliegen. Texte stellen komplexe symbolische Gebilde dar. Komplexitat beinhaltet in dies em Zusammenhang auch die Un gleichzeitigkeiten und Widerspriiche von Werk, Entstehungskontext, so- 9 zialer Herkunft von Autorin und Autor sowie der ideologischen Aus rich tung und Rezeption. Literatur reprasentiert soziale Situationen und Zusammenhange, soziale und ideologische Milieus in ihren jeweils spezi fischen Ausdrucks- und Redeformen. Texte enthalten Zeichen, Merkma Ie, Charakteristika, die eine Identifikation des sozialen Ortes der han delnden Figuren und ihrer Beziehungen erlauben. Aus den vielen Moglichkeiten, sich mit literarischen Texten zu befas sen, habe ich also eine begrenzte Perspektive ausgewahlt: Ich suche nach sozialen Strukturen und Prozessen. Ein solches Vorhaben klingt einfacher als es dann tatsachlich ist. Zwar wird wohl kaum jemand behaupten, es ga be "gesellschaftsfreie" Literatur. Viele Werke erschlieBen sich jedoch hau fig erst nach langwieriger Beschaftigung mit Autorin oder Autor, den Zeit umstiinden etc., und zudem uberwiegen in der Mehrzahl der Texte psy chologische Komponenten. Demgemass erwies sich die Suche nach so zialen Strukturen und Prozessen in der "schongeistigen" Literatur als nur begrenzt ergiebig, zumal nicht ein ganzes Werk, sondern Textausschnitte benotigt wurden, wo auf relativ klein em Raum entsprechende gesellschaft liche Phanomene reprasentiert sind. Hinzu kommt, dass es ab einer be stimmten Phase notwendig wurde, die Suche zu systematisieren. Dabei waren Gliederungsprinzipien verschiedener Einfuhrungen in die Soziolo gie weniger praktikabel und zwar vor ailem, weil viele Texte sich gegen ei ne weitergehende Differenzierung sperrten und die Absicht des Projektes ja darin bestand, in sozialwissenschaftliches Denken und nicht in die So ziologie einzufuhren. Dafur schienen mir "grobere" Betrachtungsperspek tiven geeigneter zu sein. Letztlich entschied ich mich fur eine Zweiteilung. Zum einen wahlte ich Dimensionen mit gleichsam ubergreifender quer schnitthafter Relevanz wie "Raum", "Zeit", "Soziale Ungleichheit, soziale Integration und sozialer Ausschluss" (Band 1). Zum anderen sollten wich tige gesellschaftliche Teilbereiche wie "Okonomie", "Politik" und "Kul tur" im soziologischen Sinne abgedeckt werden (Band II). Lange Zeit war ich unschlussig, an welcher Stelle jene Aspekte wie Geburt und Tod, Se xualitat, Krankheit, Behinderung oder Alter zur platzieren seien, Aspekte, denen sich die Soziologie nicht gerade mit besonderer Intensitat widmet. Einerseits kann man im Sinne von Foucault den gesellschaftlichen Um gang mit den leiblichen Lebenserfahrungen als Biomacht definieren und als sozialen Teilbereich begreifen. Andererseits kommt diesen Aspekten ebenfails querschnitthafte Relevanz zu, d.h. sie betreffen aile gesellschaftli chen Teilbereiche. Die Entscheidung fiel schlieBlich pragmatisch, durch eine Begrenzung der Seitenzahl, die der Verlag fur beide Bande vornahm. 10
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