Smilla Ebeling · Sigrid Schmitz (Hrsg.) Geschlechterforschung und Naturwissenschaften Studien Interdisziplinäre Geschlechterforschung Band 14 Herausgegeben vom Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (ZFG),Zentrum für feministische Studien – Frauenstudien /Gender Studies der Universität Bremen (ZFS). Smilla Ebeling Sigrid Schmitz (Hrsg.) Geschlechterforschung und Natur- wissenschaften Einführung in ein komplexes Wechselspiel Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. . 1.Auflage Juni 2006 Alle Rechte vorbehalten ©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2006 Lektorat:Monika Mülhausen / Tanja Köhler Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN-10 3-531-14912-1 ISBN-13 978-3-531-14912-7 Inhalt Sigrid Schmitz, Smilla Ebeling Geschlechterforschung und Naturwissenschaften. Eine notwendige Verbindung ........................................................................7 Teil I T Sigrid Schmitz Geschlechtergrenzen. Geschlechtsentwicklung, Intersex und Transsex im Spannungsfeld zwischen biologischer Determination und kultureller Konstruktion.....................................................................................33 Smilla Ebeling Alles so schön bunt. Geschlecht, Sexualität und Reproduktion im Tierreich...........................................................................................................57 Smilla Ebeling Amazonen, Jungfernzeugung, Pseudomännchen und ein feministisches Paradies. Metaphern in evolutionsbiologischen Fortpflanzungstheorien..................................................................................75 Kristina Hackmann Professorinnen in der Mathematik. Karrierewege und disziplinäre Verortungen...............................................................................95 Ines Weller Geschlechterforschung in der Chemie. Spurensuche in der Welt der Stoffe...............................................................................................117 Kathrin Buchholz Genderrelevanz und Genderaspekte von Chemikalienpolitik...............139 Helene Götschel Die Welt der Elementarteilchen. Geschlechterforschung in der Physik..161 6 Sigrid Schmitz Jägerinnen und Sammler. Evolutionsgeschichten zur Menschwerdung...........................................................................................189 Sigrid Schmitz Frauen und Männergehirne. Mythos oder Wirklichkeit? ......................211 Smilla Ebeling Wenn ich meine Hormone nehme, werde ich zum Tier. Zur Geschichte der ‘Geschlechtshormone’...............................................235 Teil II Robin Bauer Grundlagen der Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung...247 Smilla Ebeling De/Konstruktion von Geschlecht und Sexualität....................................281 Smilla Ebeling, Jennifer Jäckel,Ruth Meßmer, Katrin Nicoleyczik, Sigrid Schmitz Methodenauswahl der geschlechterperspektivischen Naturwissenschaftsanalyse.........................................................................297 Sigrid Schmitz Entweder – Oder? Zum Umgang mit binären Kategorien......................331 Smilla Ebeling, Sigrid Schmitz, Robin Bauer Tierisch menschlich. Ein un/geliebter Dualismus und seine Wirkungen...........................................................................................347 Sigrid Schmitz, Christian Schmieder Popularisierungen. Zwischen Naturwissenschaften, Medien und Gesellschaft ............................................................................363 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren................................................379 Geschlechterforschung und Naturwissenschaften. Eine notwendige Verbindung Sigrid Schmitz, Smilla Ebeling 1 Eine individuelle Vorgeschichte von Sigrid Schmitz und Smilla Ebeling Einleitend möchten wir mit Blick auf die universitäre Lehre die Beson- derheiten der Geschlechterforschung zu naturwissenschaftlichen The- menbereichen im Vergleich zu der Geschlechterforschung der Kultur- und Gesellschaftswissenschaften hervorheben. Seit mehr als einem Jahr- zehnt beschäftigen wir uns beide mit feministischer Naturwissenschafts- forschung und lehren und forschen zur Geschlechterforschung und Na- turwissenschaften. Zwar begannen wir in unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten – Sigrid Schmitz in den 1980er Jahren in Mar- burg und Smilla Ebeling in den 1990ern in Hamburg –, doch haben wir ähnliche Erfahrungen gemacht: Verortet in der Biologie begannen wir beide die Auseinandersetzung mit der Biologie und genereller den Na- turwissenschaften aus einer Geschlechterperspektive durch unsere Teil- nahme in einer Arbeitsgruppe – Sigrid Schmitz in der Arbeitsgruppe Biofrauen am Fachbereich Biologie der Universität Marburg und Smilla Ebeling in dem interdisziplinären Arbeitskreis für feministische Naturwissen- schaftsanalyse und -kritik (afn). Diese Arbeit führte uns dazu, mit Kollegin- nen Lehrveranstaltungen an den jeweiligen Universitäten anzubieten.1 So bot Sigrid Schmitz eine Seminarreihe an der Fakultät für Biologie der Universität Marburg zu Themen der Geschlechterforschung an. Smilla Ebeling bot verschiedene Seminare zu geschlechterperspektivischen Ana- lysen der Naturwissenschaften in den Instituten der Biologie, Chemie 1 Die Lehrveranstaltungen von Smilla Ebeling und ihren Kolleginnen Helene Götschel, Dorit Heinsohn und Julia Lademann wurden dankenswerterweise in Form von Lehrauf- trägen durch die Gemeinsame Kommission und Koordinationsstelle für Frauenstudien/ Frauen- forschung der Universitäten Hamburg finanziert, diejenigen von Sigrid Schmitz und Imke Troltenier an der Universität Marburg vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst über die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Frauenforschung (IAG) der Universität Marburg (siehe hierzu Ebeling & Götschel 2000). 8 Sigrid Schmitz, Smilla Ebeling und Physik der Universität Hamburg an. Alle Veranstaltungen sollten einen umfassenden Blick auf Theoriebildung und Methodik der Natur- wissenschaften unter geschlechterperspektivischem Blickwinkel vermit- teln und damit das eigene Fachgebiet und weitere naturwissenschaftliche Fächer sowie deren Forschungspraxen von einer Meta-Ebene her be- leuchten. Unsere Erfahrungen zeigten, dass Studierende der Naturwis- senschaften entsprechend ihrer fachspezifischen Ausbildung und Soziali- sation an solche geschlechterperspektivische Analysen herangeführt werden müssen. So waren die Studierenden zunächst überfordert, wenn sie theoretische Arbeiten textanalytisch bearbeiten, verstehen und dann auf das eigene Fachgebiet anwenden sollten. Eine kritische und reflexive Betrachtung auf das eigene Fachgebiet wird in den Naturwissenschaften in der Regel nicht gelehrt, geschweige denn innerhalb der eigenen Fach- kultur betrieben. Erschwerend kam die erkenntnistheoretische Position hinzu, die Naturwissenschaftler/innen erlernen. Nach naturwissen- schaftlichem Paradigma können naturwissenschaftliche Tatsachen erfasst und beschrieben werden, wenn sie durch wiederholte Experimente re- produziert wurden. Dies wird als ein nach rein rationalen Erwägungen objektives und wertneutrales Vorgehen angesehen, das vor allem unab- hängig von der Position und Sichtweise der Experimentierenden zu er- folgen habe. Aus dieser Perspektive erscheint es zunächst überflüssig, nach soziokulturellen Wechselwirkungen zwischen Naturwissenschaften und Gesellschaft zu fragen. Es erwies sich für die Vermittlung der Ge- schlechterforschung der Naturwissenschaften daher als erfolgreich, zu- nächst konkrete biologische Themengebiete zu behandeln, in denen Ge- schlechtskörper behandelt und Geschlechterzuschreibungen vorgenom- men werden, und deren Begründungen zu untersuchen. Die Studieren- den lernten dabei, die jeweiligen naturwissenschaftlichen Befunde und Theorien kritisch zu hinterfragen, und Gründe für die Etablierung einer bestimmten Theorie oder Bewertungen von Geschlecht im gesellschaftli- chen und historischen Kontext zu ermitteln. Deren Auswirkungen auf die weitere Theoriebildung innerhalb und außerhalb der Naturwissen- schaften sowie das Objektivitätspostulat der Naturwissenschaften konn- ten dann ebenfalls thematisiert werden. In den letzten Jahren haben wir zunehmend interdisziplinäre Lehr- veranstaltungen zur Geschlechterforschung der Naturwissenschaften mit Studierenden der Gender Studies und der Naturwissenschaften durchge- führt. Dabei stellte sich heraus, dass Studierende der Gesellschafts- und Geschlechterforschung und Naturwissenschaften 9 Kulturwissenschaften zwar einen leichteren Zugang zu komplexen femi- nistischen Theorien zeigen, doch überfordert es sie, den ‘Wahrheits- gehalt’ naturwissenschaftlicher Aussagen über Geschlechterdifferenzen in den Genen, in den Hormonen, im Gehirn oder im Körper kritisch zu beurteilen. Häufig fallen dann Sätze wie “ich glaube das mit den biologi- schen Unterschieden zwar nicht so ganz, aber ich weiß auch nicht, was ich dagegen sagen soll”. Hier hilft es unserer Erfahrung nach, sowohl die Grundlagen der naturwissenschaftlichen Disziplinen im Detail als auch Brüche des scheinbar logischen Argumentationsgebäudes zu den angeb- lich natürlichen Geschlechterdifferenzen aufzuzeigen, die erst bei genau- erer Kenntnis der Disziplin sichtbar werden können. In der interdisziplinären Arbeit mit den Studierenden der Naturwis- senschaften und der Gesellschafts- und Kulturwissenschaften wird im- mer wieder der Mangel an Einführungsliteratur zu diesem Themenbe- reich deutlich. In unserer Arbeit haben wir darüber hinaus gelernt, die verschiedenen Ausgangspunkte unserer interdisziplinären Studierenden einzubeziehen und einen kritischen Dialog aufzubauen. Unser Vorgehen von der wissenschaftsimmanenten Ebene eines bestimmten Themenge- bietes zur Meta-Ebene der Geschlechterforschung erweist sich für uns bis heute als erfolgreich für die Vermittlung der Geschlechterforschung der Naturwissenschaften. Beides mündet nun in einen Leitfaden für dieses Buch. 2 Etablierung der geschlechterperspektivischen Analysen der Naturwissenschaften Im deutschsprachigen Raum kursieren viele Bezeichnungen für das noch recht junge Forschungs- und Studiengebiet, das die Geschlechterfor- schung mit den Naturwissenschaften verbindet. So wird es beispielswei- se “Geschlechterforschung in den Naturwissenschaften”, “feministische Naturwissenschaftsanalyse”,“feministische Naturwissenschaftsforschung” oder “feministische Naturwissenschaftskritik” genannt. Entsprechendes gilt für die Technik-, Medizin- und Ingenieurswissenschaften. In diesem Buch konzentrieren wir uns auf die Verknüpfung der Geschlechterfor- schung mit den Naturwissenschaften. Zunächst gehen wir auf die zentra-
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