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Geschlechterdifferenzierungen im Horizont der Gleichheit: Exemplarische Analysen zu Berufskarrieren und zur beruflichen Praxis im Familienrecht PDF

222 Pages·2003·11.38 MB·German
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Regine Gildemeister· Kai-Olaf Maiwald Claudia Scheid· Elisabeth Seyfarth-Konau Geschlechterdifferenzierungen im Horizont der Gleichheit Regine Gildemeister' Kai-Olaf Maiwald Claudia Scheid· Elisabeth Seyfarth-Konau Geschlechterdifferenzierungen im Horizont der Gleichheit Exemplarische Analysen zu Berufskarrieren und zur beruf/ichen Praxis im Familienrecht Westdeutscher Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage August 2003 Aile Rechte vorbehalten © Westdeutscher VerlaglGWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2003 Lektorat: Frank Engelhardt Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. www.westdeutscher-verlag.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzuHissigund strafbar. Das gilt insbesondere fur Ver vielfaltigungen, Dbersetzungen, Mikrovedilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diidten. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Biirkle, Darmstadt Gedruckt auf saurefreiem und chlodrei gebleichtem Papier ISBN-13:978-3-531-13896-1 e-ISBN-13:978-3-322-80448-8 DOl: 10.1007/978-3-322-80448-8 Inhaltsverzeichnis, 1. Einleitung• •...•.....•.................................•...•.................................................... 9 2. Das Berufsfeld FamiIienrecht: Fragestellung und methodischer Zugang 15 2.1 Binnen-und AuBenperspektive auf das Familienrecht: Die Komplexitiit der Fragestellung .................................................................................................... 15 2.2 Das Forschungsdesign ........................................................................................... 19 2.3 Methodisches Vorgehen ........................................................................................ 20 2.4 Exemplarische Analysen ....................................................................................... 26 3. Geschlechterbezogene Segregation: Juristische Werdegange und die Entwicklung des Frauenanteils im Familienrecht .................................... 28 3.1 Juristische Ausbildung und familienrechtliche Spezialisierung ........................ 28 3.2 Berufseinmiindung. ................................................................................................ 31 3.3 Examensabschliisse, Bewerbungen und Einstellungen in der Justiz ............... 33 3.4 Die Entwicklung des Frauenanteils im Studium und im Richter-und Anwaltsberuf. .......................................................................................................... 35 3.4.1 Die Friihphase yom Anfang des Jahrhunderts bis 1945 ............................ 35 3.4.2 Die Nachkriegsentwicklung bis 1960 ............................................................ 36 3.4.3 Die Entwicklung seit den 1960erJahren bis zur Gegenwart ..................... 38 3.5 Familienrechtliche Spezialisierung ....................................................................... 40 4. Alltagstheorien im Berufsfeld ...................................................................... 51 4.1 Stellenwert und methodischer Zugang. ............................................................... 51 4.2 Die Fragilitiit der Deutungen: ein Textbeispiel .................................................. 53 4.3 Der hohe Frauenanteil und die berufliche Praxis .............................................. 58 4.4 Die durchgreifende Prligung durch die Geschlechtszugehorigkeit ................. 62 4.5 Allgemeine Hintergriinde der Differenzannahmen und ihrer Fragilitiit ......... 65 5. Generationendifferenzen in den berutlichen Werdegangen von Anwliltinnen und Richterinnen .................................................................. 70 5.1 Generationendifferenzen als Gegenstand berufsbiografischer Geschlechterforschung ......................................................................................... 70 5.2 Die Kontinuitiit der Identitiitsbedeutsamkeit des Berufs ................................. 72 5.3 Der historische Wandel dieser Bedeutung fUr Frauen: die methodische Konstruktion eines Generationenmodells .......................................................... 77 5.4 Die vier Generationen ........................................................................................... 84 5.4.1 Die 'Pioniergeneration' ................................................................................... 84 5.4.2 Die 'Exzeptionalitiitsgeneration' .................................................................... 85 5.4.3 Die 'Rechtfertigungsgeneration' .................................................................... 92 5.4.4 Die 'Generation der befristeten Normalitiit' .............................................. l03 5.5. Die Form der Darstellung des beruflichen Werdegangs ............................... 110 6 5.5.1 Kontrastierende Fallanalysen ....................................................................... 111 5.5.2 Fallvergleichende Diskussion ....................................................................... 124 6. Modi familienrechtlicher Spezialisierung ................................................. 127 6.1 Justiz ...................................................................................................................... 128 6.1.1 Familienrecht in der Justizlaufbahn ............................................................ 128 6.1.2 Modi der biografischen Integration des Familienrechts: 'Gelegenheitsstruktur' und 'nachtragliche Pas sung' .................................. 131 6.2 Anwaltschaft ......................................................................................................... 137 6.2.1 Familienrechtliche Spezialisierung im Anwaltsberuf ................................ 13 7 6.2.2 Modi der biografischen Integration in den Anwaltskarrieren: Chancenstrukturen und Eigenstrukturierung ............................................ 141 6.3 Schlussfolgerungen .............................................................................................. 148 7. Geschlechterdiff'erenzierende Muster im anwaltlichen und richterlichen Randeln .........................................................................................•........... 151 7.1 Fragestellung und Vorgehen ............................................................................... 151 7.2 Geschlechterdifferenzierende Muster ............................................................... 153 7.2.1 Das 'Mutter-Primat' ...................................................................................... 153 7.2.2 Das 'Frauenemanzipationsmuster' .............................................................. 160 7.2.3 Das 'Mannerschutzmuster' ........................................................................... 164 7.2.4 Das 'Vaterempathie-Muster' ........................................................................ 168 7.2.5 Geschlechterindifferentes V orgehen .......................................................... 174 7.3 Theoretischer Status der geschlechterdifferenzierenden Muster und Folgerungen .......................................................................................................... 178 8. 1st das Berufsfeld Familienrecht 'gendered'? ........................................... 183 Literatur ......................................................................................................... 193 Stichwortverzeichnis. ..................................................................................... 202 Anhang. .......................................................................................................... 205 Verwendete Abkiirzungen = BGB Biirgerliches Gesetzbuch = ZPO Zivilprozessordnung = EGBGB Einfiihrungsgesetz zum Biirgerlichen Gesetzbuch = FamRZ Zeitschrift fur das gesamte Familienrecht = DFGT Deutscher Familiengerichtstag = GVG Gerichtsverfassungsgesetz KJHG = Kinder-und Jugendhilfegesetz SorgeRG = Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge BRAK = Bundesrechtsanwaltskammer = BORA Allgemeine Berufsordnung der Rechtsanwalte = SGB Sozialgesetzbuch = FGG Gesetz iiber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit = OLG Oberlandesgericht 1. Einleitung Sind die Trennlinien zwischen den Geschlechtem in einem Umbruch? Diese Frage motiviert seit einigen Jahren Arbeiten der (empirischen) Frauen- und Geschlechter forschung und wird derzeit durchaus kontrovers beantwortet. Einer der augenfilli gen Indikatoren fur einen solchen 'Umbruch' kann in dem enormen Anstieg der Bil dungsbeteiligung von Madchen und jungen Frauen gesehen werden, vor allem im Bereich der Ausbildung fur hochqualifizierte Berufe, die fur Berufsfelder und Be rufspositionen vorbereiten, in denen Manner traditionell unter sich waren. Die Ver anderungen, so kann vermutet werden, betreffen kulturelle Deutungen der Ge schlechterbeziehungen sowie die Lebensformen und Lebensverlaufe von Frauen, lassen aber auch die Lebensverhaltnisse von Mannem nicht unberiihrt. Diese Aus gangslage bildete den Hintergrund fur ein Forschungsschwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Thematik "Professionalisierung, Organisation, Geschlecht - Zur Reproduktion und Veranderung von Geschlechter verhaltnissen in Prozessen sozialen Wandels" (Dolling et al. 1997), in dem auch die vorliegende Untersuchung entstand. Mit dem Anstieg der Frauenerwerbstatigkeit auch in hochqualiftzierten Berufen verscharft sich ein Prozess, den Georg Simmel zu Beginn des letzten Jahrhunderts als "Einbruch der Frauen in die Tatigkeitskreise der Manner" (Simmel 1902) kenn zeichnete und problematisierte. Zu dieser Zeit konnte er nicht absehen, welches AusmaB der Frauenanteil in der Wissenschaft und in den traditionellen Professionen Recht und Medizin einhundert Jahre spater erreichen wiirde. Er erkannte diesen Entwicklungen im Gefolge der Frauenbewegungen aber eine Bedeutsamkeit zu, die "die Zukunft der Gattung vielleicht tiefer beeinflussen wird, als selbst die Arbeiter frage" (Simmel 1902: 160). Fiir ibn - und die Mehrzahl seiner Zeitgenossen - war ein solcher "Einbruch" allenfalls dann akzeptabel, wenn es dabei gleichzeitig zu einer neuen Nuancierung der Berufe und in den Berufen kame: "Nicht dadurch, dass sie (die Frauen - d.V.) in demselben Sinn Naturforscher oder Techniker, Arzte oder Kiinstler werden wie die Manner es sind; sondern nur so, daB sie etwas leisten, was die Miinner nicht kiinnen. Es handelt sich zunachst urn eine weitere Arbeitsteilung, datum, daB die Gesamtleistungen ei nes Berufes von neuem verteilt werden und diejenigen Elemente seiner, die der weiblichen Leistungsart spezifisch angemessen sind, zu besonderen, differenzierten Teilberufen zusammengeschlossen werden. Womit dann nicht nur eine auBerordentliche Verfeinerung und Bereicherung des ganzen Tatigkeitsgebietes erreicht, sondem auch die Konkurrenz mit den Mannem sehr abgeienkt werden wiirde" (Sinunei1902: 163). Was Georg Simmel1902 als wiinschbare Entwicklung beschrieb, ist inzwischen zu ei nem stabilen Phanomen geworden, dass die Frauen- und Geschlechterforschung von Anfang an beklagt hat: Die Segregation des Arbeitsmarktes nach Branchen, Be rufen und Tatigkeitsfeldern. Geschlecht, so hellit es heute, sei eine Strukturkategorie, die eine soziale Platzierungsfunktion habe ('Platzanweiser,) und iiber die sich die so ziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtem immer neu herstelle (Dolling et al. 1997: 3ft). Die erhohten Erwerbsquoten von Frauen und ihre inzwischen vergleichs- 10 1. Einleitung weise gute Qualifikation sei daher nicht mit einem Abbau von Ungleichheit verbun den, sondern habe vor allem zu einer Abwertung jener Berufe und Berufsbereiche gefiihrt, in die Frauen verstiirkt Eingang fanden. Bezogen auf die Organisationen der Erwerbsarbeit ist bekannt, dass der Frauenanteil in den h6heren Positionen massiv absinkt. Ein wichtiger Ansatz, diesen als weitgehend gesichert unterstellten Sachverhalten auf die Spur zu kommen, richtet den Blick auf Prozesse der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern: diesen Prozessen komme ein eigenstandiger Stellenwert in der Reproduktion asymmetrischer Geschlechterverhiiltnisse zu (z.B. Wetterer 1995, Lor ber 1999). Indem Arbeit mit einem Geschlecht assoziiert - 'vergeschlechtlicht' - wird, tritt sie den Handelnden als 'mannlich' oder 'weiblich' konnotierte entgegen. Genau darin reproduziere sich die differente Wertung der Geschlechter: 'weibliche' Arbeit werde instrumentalisiert und subordiniert. Folge sei auch in hochqualifizier ten Berufen eine Marginalisierung von Frauen in jenen Segmenten, die in diesem Sinne vergeschlechtlicht ('gendered,) werden. Anders als in den klassischen Konzep ten 'geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung', in denen im (biologischen) Geschlecht selbst eine ausschlaggebende (und objektivierbare) Grundlage (eben: 'Spezifik') fiir die Arbeitsteilung gesehen wird, wird in diesen neueren Ansatzen betont, dass die Vergeschlechtlichung (das 'gendering,) von Arbeit selbst ein StUck Arbeit erfordert und eben nicht selbstverstiindlich oder 'natiirlich' gegeben ist. Dafiir hat sich der Begriff der 'geschlechterdifferenzierenden Arbeitsteilung' verbreitet, der auf diese grundlegende Annahme einer aktiven Herstellung der Arbeitsteilung und der Ge schlechter verweist. Diese Perspektive nimmt zu dem im Zitat von Georg Simmel aufscheinenden Be harrungsverm6gen naturalisierender Geschlechterkonstruktionen eine dezidiert kriti sche Haltung ein. Die entsprechenden Arbeiten aber zeigen in erster Linie an, dass diese bislang nicht auGer Kraft gesetzt sind. Wie sieht es dann aber mit der These des 'Umbruchs' in den Trennlinien zwischen den Geschlechtern aus? In diesem Zusammenhang wird argumentiert, dass in modernen Gesellschaften die Kategorie Geschlecht im Zuge sozialer Differenzierung als Ordnungskategorie Funktionen verloren habe und die Geschlechterdifferenz neuttalisiert und kontextu alisiert werde. Mitgliedschaftsrechte und Teilnahmechancen etwa seien nicht langer auf Geschlechtszugeh6rigkeit bezogen. Es sei zu einem Wandel der Reproduktions bedingungen der Geschlechterdifferenz gekommen, in deren Verlauf an die Stelle der Differenzsemantik ein Modell der Gleichberechtigung getteten sei, in dem (auch) Gemeinsarnkeiten zwischen den Geschlechtern betont werden. In der neueren De batte hat die These einer 'De-Institutionalisierung' der Geschlechterdifferenz viel Aufmerksarnkeit auf sich gezogen (Heintz/ Nadai 1998): die geschlechtliche Diffe renzierung sei in modernen Gesellschaften nicht langer in grundlegenden Institutio nen und Institutionalisierungen routinemaBig verankert, sondern miisse im Handeln aktiv und gezielt hergestellt werden. Mit der theoretischen Figur einer 'De-Institutio nalisierung' wird jedoch nicht von einem einfachen 'Bedeutungsverlust' der Katego rie Geschlecht ausgegangen. Vielmehr wird hier die These vertteten, dass die ge schlechtliche Klassifikation von Personen ein 'Angebot' sei, das im Prozess sozialer Differenzierung genutzt werden kann, aber nicht muss und dass demzufolge die Per sistenz der geschlechtlichen Differenzierung (und der Geschlechterungleichheit) ein 1. Einleitung 11 erkliirungsbediirfriges Phiinomen sei (Heintz/ Nadai 1998: 80). Ihre Aufrechterhal tung sei an kontextspezifische Bedingungen geknupft und daher instabil (Heintz 2002: 16). Die Institutionalisierung der 'Gleichberechtigungsnorm' bliebe in keinem Fall ohne Wirkung auf die Geschlechterverhiiltnisse und damit auf die Trennlinien zwischen den Geschlechtem. Die Fragen nach der 'Vergeschlechtlichung' von Arbeit und die nach einer 'Neu tralisierung und Kontextualisierung' der Geschlechterdifferenz standen auch im Hin tergrund der im Folgenden dargestellten Untersuchung. Gegenstand ist das Berufs feld des Familienrechts, das einen hohen Frauenanteil aufweist und sich daher fUr eine exemplarische Untersuchung in diesem Zusarnrnenhang in besonderer Weise anbietet. Mit dem Familienrecht haben wir es mit einem Berufsfeld zu tun, das in einem traditionellen Sinn als 'weiblich affin' gelten kann, das aber gleichzeitig an An spruch und Tradition des Rechtsuniversalismus (und der Gleichberechtigungsnorm) partizipiert. Die Ausdifferenzierung des Familienrechts als eigenes Arbeitsfeld im Zivilrecht (als Geschiiftsbereich fUr Richter seit der Scheidungsrechtsreform 1977, fUr Anwiilte als Fachanwaltsspezialisierung erst seit 1997, als Interessengebiet und Tiitigkeits schwerpunkt seit liingerem) fiel zeitlich mit der zunehmenden Priisenz von Frauen in Juristenberufen zusammen. Die vermehrt in den Beruf driingenden Frauen verteilten sich nicht gleichmiifiig, sondem mit unterschiedlicher Hiiufung auf die verschiede nen Tiitigkeits- und Rechtsbereiche, so dass man annehmen konnte, dass in den ju ristischen Berufen eine auf Geschlecht bezogene Arbeitsteilung wirksam geworden ist. Fiir uberdurchschnittlich viele Juristinnen mundet auch heute die berufliche Kar riere im Tiitigkeitsbereich des Familienrechts. Auf der Basis des bisherigen For schungsstandes konnte man sogar von einem Trend zu einer zunehmenden 'Femini sierung' ausgehen, folgt man den Schlussfolgerungen verschiedener empirischer Un tersuchungen zur beruflichen Situation von Frauen in der Justiz und der Anwalt schaft in Deutschland (Hassels/ Hommerich 1993, Boge 1994, 1995, Costas 1992, 1995, Wetterer 1993, 1999). Das Berufsfeld bietet sich aber noch aus einem anderen Grund in besonderer Weise fUr eine Untersuchung der moglichen Folgen einer 'Feminisierung' bzw. der 'Gendering-Prozesse' in der beruflichen Praxis an. Es handelt sich hierbei ja un terstelltermafien nicht nur urn Bereiche, deren eigene berufliche Organisation durch eine geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung und darauf bezogene 'Gendering Prozesse' gekennzeichnet ist, sondem deren Arbeitsgegenstand - Familien- und Part nerbeziehungen - selbst gewissermafien den 'paradigmatischen' gesellschaftlichen Ort einer geschlechterdifferenzierenden Arbeitsteilung und polarisierenden Typisie rung darstellt. Das Familienrecht hat wie kaum ein anderes Berufsfeld in seiner Pra xis mit Geschlechtskategorien zu tun und partizipiert durch seine Praxis am Wandel der gesellschaftlichen Geschlechtskategorien. Man kann sagen, dass das Familien recht einer der zentralen Orte der Formulierung und Reformulierung gesellschaftli cher 'Geschlechtsrollenkonzeptionen' ist.1 In der gegenwlirtigen Debatte besteht weitgehend Einigkeit, dass Geschlecht keine Rolle ist, sondem als eine Art 'sozialer Superstruktur' (vgl. Schelsky 1955) oder 'Masterstatus' (vgl. Hughes 1984) wirkt, die oder der in allen oder doch nahezu allen Interaktionen prasent ist. 12 1. Einleitung Es sind hier also durchaus unterschiedliche Dimensionen und Effekte einer auf Geschlecht bezogenen, geschlechterdifferenzierenden Arbeitsteilung angesprochen - darauf bezieht sich der Untertitel des Buches. Mit der Bezeichnung 'exemplarische Analysen' wird darauf hingewiesen, dass es hier nicht urn eine 'geschlossene' Analyse eines konkreten Berufsfeldes geht, so~dern dass diese in verschiedener Hinsicht ge Offn et wurde und darnit zwar keine Ubertragung im engeren Sinne aber doch eine Reflexion der Bedeutung geschlechtsbezogener Arbeitsteilung auch in anderen (ver wandten) Berufsfeldern anleiten kann. Denn in der Hinwendung zu 'exemplarischen Analysen' ist implizit auch ein wichtiges Ergebnis der empirischen Arbeit enthalten, dass lliimlich die Bedeutsamkeit von 'Geschlechtszugeh6rigkeit' nicht einfach durch die verschiedenen Ebenen sozialer Wirklichkeit hindurch dekliniert werden kann, sondern in jeder Dimension, auf jeder Ebene eine verschiedene Gestalt annimmt und die Wirkrichtung nicht so eindeutig ist, wie vielfach unterstellt wird. Die Zusammenarbeit in einer Forschergruppe mit unterschiedlichem theoreti schen und methodischen Hintergrund stellte hohe Anforderungen und bef6rderte produktive Auseinandersetzungen. Obwohl die Befunde und die Darstellungen ge meinsam erarbeitet bzw. redigiert wurden, hat die Autorengruppe nicht beabsichtigt, die individuellen Handschriften in den einzelnen Textteilen zu vereinheitlichen. Un terschiedliche Auffassungen zu Materialinterpretationen im Detail und ihr Nieder schlag in den Darstellungen wurden belassen. Wenn die Leserinnen und Leser also mitunter auf differierende 'Lesarten' von Befunden stoBen, sollte das weniger irritie ren, als vielmehr zur aktiven Lektiire Anlass geben - darin spiegelt sich nicht zuletzt die Vielschichtigkeit sozialer Realitiit wider. Nach der Einleitung, im zweiten Kapitel werden Forschungsfragen und methodi scher Zugang der zugrundeliegenden Untersuchung vorgestellt und die verschiede nen Datentypenwerden knapp charakterisiert. An dieser Stelle m6chten wir darauf hinweisen, dass wir bei der Beschaffung und Interpretation feldbezogener Daten sowie bei der Auswahl der befragten FarnilienrechderInnen und Expertlnnen die Sachkenntnis und die Expertise einer Juristin in Anspruch nehmen konnten, die in beratender Funktion in die Projektarbeit eingebunden war: Frau Verena Knott Thiemann. Diese Beratung war natiirlich vor allem dort unverzichtbar, wo es in der Untersuchung um die rechtliche Problematik als solche ging, aber sie hat auch sehr zu einem vertieften Verstiindnis des Berufsfeldes auf Seiten der Soziologlnnen bei getragen. 1m dritten Kapitel ist das Familienrecht alS Berufsfeld fUr Juristen und Juristinnen thematisch; dabei geht es zurn einen urn Rahmenbedingungen von juristischen Wer degangen in Justiz und Anwaltschaft sowie zurn anderen urn statistische Daten zur Entwicklung des Frauenanteils. Ein Exkurs gilt den Ergebnissen einer Umfrage auf dem 'Deutschen Familiengerichtstag', einer Institution mit eigener Tradition und Aufgabenstellung im Bereich der Farniliengerichtsbarkeit, die im Zusammenhang unserer Untersuchung deshalb aufgefallen ist, weil in dem Teilnehmerkreis der An teil der Frauen in den letzten Jahren stetig gewachsen ist. 1m vierten Kapitel wird die Frage verfolgt: Wie sehen Anwhltinnen und Anwiilte selbst den hohen Frauenanteil im Farnilienrecht, wie erkliiren und bewerten sie ihn? Wird das Farnilienrecht von ihnen als ein 'Frauenarbeitsbereich' wahrgenommen? Welche Bedeutung messen sie der Geschlechtszugeh6rigkeit von Professionellen in farnilienrechtlichen Prozessen

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Welche Bedeutung haben Geschlechterdifferenzierungen im Berufsfeld Familienrecht? Die Befunde zu Verteilungsdaten und Segregationseffekten, zu Berufsbiografien und Karriereverläufen sowie zur familienrechtlichen Fallbearbeitung zeigen, dass Geschlecht als differenzierende Dimension von ubiquitärer
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