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Geschichtspolitik und Soziale Arbeit: Interdisziplinäre Perspektiven PDF

220 Pages·2017·2.527 MB·German
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Soziale Arbeit in Theorie und Wissenschaft Johannes Richter Hrsg. Geschichtspolitik und Soziale Arbeit Interdisziplinäre Perspektiven Soziale Arbeit in Theorie und W issenschaft Herausgegeben von E. Mührel, Emden, Deutschland B. Birgmeier, Eichstätt, Deutschland Johannes Richter (Hrsg.) Geschichtspolitik und Soziale Arbeit Interdisziplinäre Perspektiven Herausgeber Johannes Richter Hamburg, Deutschland Soziale Arbeit in Theorie und Wissenschaft ISBN 978-3-658-16721-9 ISBN 978-3-658-16722-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-16722-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhalt Geschichtspolitik und Soziale Arbeit . Eine Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I Wie Geschichte schreiben? „Gedächtnis der Konfl ikte“? Refl exion einer historiographiepolitischen Denkfi gur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Susanne Maurer „Ourstory is unwritten“ . Überlegungen zu einer kritischen Historiografi e Sozialer Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Carsten Müller II Politisch-akademische Positionierungen in der Geschichte Sozialer Arbeit „Aber das sind phantastische Ideen, die vor keiner Wirklichkeit Bestand haben“ . Alice Salomon und ihre Überlegungen zum Zusammenhang von Sozialer Arbeit und Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Dieter Röh „Akademiker zu sein, bedeutete damals sehr viel, Frau zu sein gar nichts“ . Elisabeth Busse-Wilsons (1890-1974) Konstruktion des ‚Akademischen‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Britt Großmann V VI Inhalt III Geschichtspolitische Angriffspunkte Mythos Sozialpädagogik? Zu den jugendbewegungsideologischen Hintergründen der Kritik Theodor Wilhelms an Klaus Mollenhauer am Ende des ‚sozialpädagogischen Jahrzehnts‘ (1965-1975) . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Christian Niemeyer Gab es einen „nationalsozialistischen Wohlfahrtsstaat“? Zur Rezeption der NS-Geschichte in der Sozialen Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Sven Steinacker Diakonie und Krankenmord . Christliche Fürsorgedienste im Schatten der oldenburgischen Hunger Euthanasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Ingo Harms Pädagogische Konzepte der 1950er Jahre . Ein Blick auf die Nachkriegsvergangenheit der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 153 Sabine Zohry Arbeit am Gedächtnis . Zugänge zur Geschichte der Heimerziehung in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Gisela Hauss Pädophilie . Anfragen an die geschichtspolitische Funktion eines prominenten Deutungsmusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Johannes Richter Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Geschichtspolitik und Soziale Arbeit Eine Einleitung Johannes Richter „Geschichte ist off enbar eine geeignete Mobilisierungs- ressource im politischen Kampf um Einfl uß und Macht. Sie kann als Bindemittel dienen, um nationale, soziale oder andere Gruppen zu integrieren. Sie kann ausgren- zen, Gegner diff amieren und gleichzeitig das eigene Handeln legitimieren. […] Wer [Benennungsmacht, J.R.] geltend machen kann, wem es gelingt, eine bestimmte Er- innerung zu aktualisieren und dadurch andere abzudrän- gen oder dem Vergessen anheimfallen zu lassen, vermag off enbar Orientierung zu geben und die Wahrnehmung der Realität zu steuern.“ (Wolfrum 2001, S . 5 f .) Das zum Allgemeinplatz gewordene Diktum Max Webers (1904, S . 155 f .), wonach Geschichtsschreibung niemals werturteilsfrei und interesselos erfolgen kann, kann sowohl selbstrefl exiv im Sinne einer Auff orderung zur Off enlegung und zum kritischen Umgang mit den eigenen Erkenntnisinteressen, als auch macht- theoretisch-affi rmativ im Sinne konstruktivistischer Beliebigkeit gelesen werden . Im letzteren Falle gerät dann, und eine solche Tendenz scheint gegenwärtig vor- zuherrschen, Geschichtsschreibung zum reinen Schauplatz von Kämpfen um die Deutung von historischer Wirklichkeit mit dem letztlichen Ziel, zu obsiegen . Auf der anderen Seite scheint es der Anspruch der Fachgeschichtsschreibung auch aktuell zu sein, gestützt auf eine breite Quellenbasis, ein möglichst diff erenziertes Bild von vergangenen Ereignissen und Zusammenhängen zu zeichnen . Mit anderen Worten: Es gibt eine begründete und vielfach geteilte Skepsis, sich aus dem Fundus der Fachgeschichte gleichsam zu bedienen, wie in einem Krämerladen oder mit einer anderen Metapher gesprochen: Wie aus einem Steinbruch das zu schlagen, was einem zur Untermauerung des eigenen Arguments und der eigenen (fach-) politischen Interessen gerade dienlich erscheint (Sachße 1995, S . 55) . Allerdings 1 © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 J. Richter (Hrsg.), Geschichtspolitik und Soziale Arbeit, Soziale Arbeit in Theorie und Wissenschaft, DOI 10.1007/978-3-658-16722-6_1 2 Johannes Richter zeigt sich in der Sozialen Arbeit wie in anderen sozialen Teilsystemen auch, dass geschichtliche Deutungen angesichts wachsender gesellschaftlicher Komplexität und unklarer eigener Verortung verstärkt umkämpft sind . Zeitgeschichtliche Beispiele für eine von (fach-)politischen Interessen geleitete Indienstnahme von Geschichte gibt es zur Genüge . So wird inzwischen nicht nur unter verschiedenen politischen Akteuren und Betroffenengruppen, sondern auch zwischen unterschiedlichen Fachrichtungen – etwa Sozialpädagogik vs . Diakonie- wissenschaften – über die „richtige“ Deutung der Vorgänge in der Heimerziehung der 1950er – 60er Jahre gestritten . Ähnliches gilt verschärft für das Themenfeld „sexueller Missbrauch in Institutionen“ (vgl . dazu Frommel 2014) . Unter gänzlich anderen Vorzeichen werden auch an die Zeit des Nationalsozialismus aktuell neue, durchaus streitbare Erkenntnisinteressen herangetragen (vgl . die Artikelserie in der Zeitschrift „Soziale Arbeit“ des DZI, Hefte 11/2012-12/2013 und Niemeyer 2013) . Die Frage nach einer sozialpädagogischen resp . sozialarbeiterischen Geschichts- politik reicht aber über zeitgeschichtliche Zusammenhänge deutlich hinaus und kann, weil historische Gründungsmythen besonders politikträchtig sind, auch für die Zeit vor dem „Ursprung der Sozialpädagogik in der industriellen Gesellschaft“ (Mollenhauer 1959) nutzbar gemacht werden . Vom 19 .-21 .03 .2015 fand unter dem Obertitel „Historische Sozialpädagogik/ Soziale Arbeit als ‚Waffe‘? – Wie in und mit Sozialer Arbeit Geschichtspolitik betrieben wird“ die XI . Jahrestagung der AG Historische Sozialpädagogik/Soziale Arbeit an der Ev . Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie in Hamburg statt . Den Ausschlag für die Wahl des Oberthemas, das wie gewöhnlich weniger als Auftrag, denn als Diskussionsanregung gedacht war, gaben folgende Beweggründe und Überlegungen: 1 . Zum einen traten auf der Vorgängertagung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und auch schon auf früheren Tagungen der AG mehr implizit als offen sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber zu Tage, welche Aspekte der Geschichte Sozialer Arbeit stärker hervorzuheben sind und welche „Ge- schichtsbilder“ korrigiert oder gar „zu Grabe getragen“ werden müssen . Dabei wurden die Fragen nach dem Gegenwartsbezug und der identitätsstiftenden Funktion, die im Raum stand, selbst nicht näher diskutiert . Dieser lose Faden sollte aufgegriffen und den damit verbundenen Fragen auf der Hamburger Tagung angemessen Raum gegeben werden . 2 . Zum anderen hatte sich das Kollegium der Ev . Hochschule Hamburg im Herbst 2013, als die Wahl des Ortes für die Folgetagung anstand, gerade erst von der sogenannten Mannschatz-Debatte erholt, die die Hochschule im Jahr zuvor auf Trab gehalten hatte (vgl . Richter u . a . 2014) . Es ist hier nicht der richtige Platz, Geschichtspolitik und Soziale Arbeit 3 um auf Details der Auseinandersetzung einzugehen . Zum besseren Verständnis soll hier nur kurz in Erinnerung gerufen werden, worum es seinerzeit ging: Eine Interessentin des berufsbegleitenden Studiengangs „Soziale Arbeit“, die in der DDR-Bürgerrechtsbewegung sozialisiert worden war, hatte im Frühjahr 2012 ihren Studienplatz entrüstet zurückgegeben, weil sie festgestellt hatte, dass Timm Kunstreichs „Grundkurs“ im Kurrikulum als Lehrbuch ausgewiesen war, in dessen zweitem Band bekanntlich ein Vortrag des DDR-Sozialpädago- gik-Professors und ehemaligen Jugendhilfefunktionärs Eberhard Mannschatz enthalten ist, den dieser Mitte der 1990er Jahre an der Hochschule gehalten hatte . In den Augen der Studentin, und bald schlossen sich dieser Meinung auch viele ehemalige Heimkinder der DDR an, wurde hier ein „Täter“ hofiert, der die Hauptverantwortung für jahrelange Menschenrechtsverletzungen in den DDR-Spezialheimen und Jugendwerkhöfen trug . Das „Skandalon“ wurde schnell von der konservativen Presse und der Politik aufgegriffen . Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag und damals am Runden Tisch Heimerziehung Ost mit der Entschädigungsfrage befasst, wandte sich an den Bischof, der diese „unhaltbaren Zustände“ abstellen sollte . Die Anschuldigungen gerieten zum Tribunal . Der Rektor der Hochschule, Andreas Theurich, wurde von der „Bild“ zur „Unperson des Tages“ erklärt, Timm Kunstreich riet man, seinen Grundkurs einzustampfen . Eine differenzierende Erörterung hatte bald keinen Platz mehr . Eine Hochschule und ihre Vertreter_innen, die sich jahrzehntelang und bis heute engagiert für die Abschaffung der „Geschlossenen Unterbringung“ eingesetzt hatten, wurden als bestenfalls naive Dienstlanger von Funktionären des DDR-Unrechtsstaates hingestellt . Mehr noch, es gab Versuche, die nicht gerade rühmliche Geschichte der evangelischen Heimerziehung mit Verweis auf die groben Rechtsverletzungen in den Jugendwerkhöfen in besseres Licht zu rücken . – Pure „Geschichtspolitik“ mit konservativ-reaktionärem Gepräge also? Mit einigem Abstand ist die Frage nach dem wozu bzw . dem parteipoliti- schen Zweck wieder etwas in den Hintergrund gerückt und zumindest Sabine Zohry und mir als Organisator_innen der Tagung hat sich die Frage nach dem wie aufgedrängt . Wie wird mit Bezug auf die Geschichte Sozialer Arbeit Politik betrieben, auf welchen Foren? Und wem dient die „Geschichte“ als eine Art Steinbruch, mit welchen Argumenten wird dieses Tun und Reden gerechtfertigt? In welchem Verhältnis steht das Diktum, wonach Geschichte – im Sinne eines gegenwärtigen Berichts über Vergangenes – notgedrungen positionsabhängig ist, zum Anspruch, wissenschaftlich ans Werk zu gehen und nicht jede Deutung gelten lassen zu können? Aus diesem Fragebündel ergab sich dann … 3 . Drittens, die Überlegung, ob es nicht sinnvoll sein könnte, den innerhalb des geschichtswissenschaftlichen Diskurses von einem Kampfbegriff zu einem 4 Johannes Richter analytischen Konzept weiterentwickelte Terminus „Geschichtspolitik“ einmal an die Geschichte von Sozialpädagogik und Sozialer Arbeit anzulegen . Die auf der Hamburger Jahrestagung vortragenden Wissenschaftler_innen und anwesenden (Fach-)Kolleg_innen diskutierten theoretische Zugänge und aktuelle Forschungsbefunde unter recht unterschiedlichen geschichtspolitischen Aspekten . Mit Heinrich und Kohlstruck (2008, S . 9) können diesbezüglich vor allem drei Fra- genkomplexe unterschieden werden: Welche identitätsstiftende, integrative Funktion besitzt die Fachgeschichtsschreibung und welche Zustimmungen und Ablehnungen werden durch sie präformiert; inwiefern werden aktuelle Aufgabenstellungen im Rückgriff auf in der Vergangenheit getätigte Weichenstellungen bestimmt und – last but not least – welche instrumentelle Bedeutung kommt der Geschichte Sozialer Arbeit zur Durchsetzung (fach-)politischer Interessen zu . Nicht alle Vorträge der Hamburger Tagung haben Eingang in den vorliegenden Band gefunden und andere Beiträge wurden zusätzlich aufgenommen . Zum Teil sind diese bereits vorab in der Zeitschrift für Sozialpädagogik erschienen . Dennoch hat die oben skizzierte, sowohl metatheoretisch wie interdisziplinär erweiterte geschichtspolitische Perspektive in der Zusammenstellung ihren Niederschlag gefunden . Der Tagungsband ist thematisch und chronologisch gegliedert . Die ersten beiden Beiträge von Susanne Maurer und Carsten Müller gehen sowohl auf einer historio- grafietheoretischen als auch forschungsmethodologischen Ebene der Frage nach, wie sich der Anspruch kritischer geschichtspolitischer Selbstreflektion mit dem Grundsatz dialogischer Parteilichkeit sowie einem Festhalten an emanzipativen Absichten in Disziplin und Profession verbinden lassen . Susanne Maurer entwickelte noch einmal ihre vor mehr als zehn Jahren in die Diskussion eingeführte Figur der Geschichte als „Gedächtnis gesellschaftlicher Konflikte“ und verortete diese im Kontext des Streits um „die“ Geschichte Sozialer Arbeit im benannten Zeitabschnitt . Dabei zeichnet sie nicht nur den historiografi- schen und geschichtspolitischen Diskurs der vergangenen dreißig Jahre, angefan- gen von der oral-history-Bewegung über feministische Theorieimpulse bis hin zu zentralen philosophischen und gedächtnistheoretischen Problemstellungen nach . Sie liefert zugleich auch eine Genealogie ihres eigenen historiografischen Denkens, das sich sowohl als machtanalytisch, konflikt- und bewegungstheoretisch fundiert als auch erfahrungsgestützt und subjektorientiert versteht . Abschließend skizziert Maurer, welche Folgen ihre Positionierung für Darstellungsweise und – alternative – Erarbeitungs- und Vermittlungsformen von Fachgeschichte im Rahmen der Hochschullehre hat . Ähnlich gelagert ist das Erkenntnisinteresse im Folgebeitrag von Carsten Müller . Sich am Projekt kritischer, linker Geschichtspolitik orientierend und den

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