ebook img

Geschichte des virtuellen Denkens PDF

214 Pages·2018·1.959 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Geschichte des virtuellen Denkens

Geschichte des digitalen Zeitalters Thomas Walach Geschichte des virtuellen Denkens Geschichte des digitalen Zeitalters Reihe herausgegeben von D. Gugerli, Zürich, Schweiz M. Heßler, Hamburg, Deutschland M. Tschiggerl, Wien, Österreich T. Walach, Wien, Österreich S. Zahlmann, Wien, Österreich D. Zetti, Zürich, Schweiz Digitale Wirklichkeiten haben neue Kommunikationsweisen, Handlungslogiken und Wissensordnungen hervorgebracht und sie veränderten das Selbstverständ- nis von Menschen und ihren Kollektiven. Damit einher ging eine Dynamisierung von Medienkonstellationen – es entstand eine neue mediale Kombinationsvielfalt sowie zahlreiche überraschende Verschaltungen von Analogem und Digitalem. In den letzten Jahren hat die geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Digitalisierung an Gewicht gewonnen. Die kulturwissenschaftlich-historische Buchreihe „Geschichte des digitalen Zeitalters“ soll Forscherinnen und Forschern Raum bieten für den Austausch wissenschaftlicher Forschung und innovativer Lehre. Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15763 Thomas Walach Geschichte des virtuellen Denkens Thomas Walach Wien, Österreich Dissertation Universität Wien, 2017 Geschichte des digitalen Zeitalters ISBN 978-3-658-21087-8 ISBN 978-3-658-21088-5 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-21088-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhaltsverzeichnis Einleitung........................................................................................................................................ 7 Was ist ein historischer Akteur? ........................................................................................ 7 Anmerkungen zu Methode und Forschungsstand .................................................. 20 Virtualisierung und Digitalisierung als historische Kategorien ............... 30 Fortschrittsheuristiken ...................................................................................................... 30 Vormoderne und Virtualisierung ................................................................................... 49 Die Virtualisierung des materiellen Lebens ..................................................... 49 Die mittelalterliche Wirtschaftsrevolution ....................................................... 54 Virtuelles Handels- und Finanzkapital in der Neuzeit ................................. 68 Moderne und Digitalisierung........................................................................................... 79 Was bedeutet Digitalisierung? ................................................................................ 79 Die Ordnung der Zeit als digitale Formverwandlung .................................. 99 Der Arbeiter als Cyborg ............................................................................................108 Subjekte und historische Akteure..............................................................................121 Subjekt – Medium – Alterität .........................................................................................121 Das Subjekt als historische Kategorie................................................................121 Geschichte und (digitale) Medien ........................................................................134 Computer als historische Akteure ...............................................................................151 Zur Geschichte virtueller Subjekte ......................................................................151 Computer handeln ......................................................................................................163 Rückschau und Ausblick ..................................................................................................174 5 Einleitung Was ist ein historischer Akteur? )n der (cid:883)(cid:891)(cid:888)(cid:886) erstmals erschienenen „Summa technologiae(cid:498) des polnischen staunliche Bemerkung über die ontologische Möglichkeit wissenschaftlicher Schriftstellers und Kulturtheoretikers Stanisław Lem findet sich eine er- tikern befaßt sich gegenwärtig mit 1 Wie stellte Lem sich Maschinen: „Eine ganze Reihe von Kyberne diese Hypothesenbildung vor? dem Problem der ‚automatischen (ypothesenbildung(cid:494).(cid:498) „Die Maschine erlangt )nformationen aus der Umwelt und bildet gewisse so lange miteinander konkurrieren, bis sie entweder ‚Konstrukte(cid:494) bzw. (ypothesen aus, die im Verlaufe einer ‚Evolution(cid:494), eines 2 ‚Erkenntnisprozesses(cid:494) vernichtet oder stabilisiert worden sind.(cid:498) Die konzeptuelle Nähe dieser Idee zur Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus ist frappierend. An sich mag das nicht weiter überraschen, da Lem die Arbeiten Karl Poppers kannte und rezipierte.3 Erstaunlich daran bleibt zunächst, mit welcher Selbstverständlichkeit Lem Kategorien men- schengemachter Wissenschaft auf vorgestellte maschinelle Akteure übertrug. Wenige Absätze später muss der Leser jedoch feststellen, dass Lem seinen hypothesenbildenden Maschinen jegliche wissenschaftliche Kreativität ab- spricht. Eine solche Maschine wäre nicht mehr als ein „universeller Plagia- zung echter Theoriebildung sei.4 tor(cid:498), ihr w“rde „jedwede schöpferische Tätigkeit verwehrt(cid:498), die Vorausset- Während in diesem hypothetischen Fall die menschliche Wissenschaft noch einmal an ihrer Kontingenz vorbeigeschrammt ist, schlüpften Computer in ei- nem anderen Feld von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt in die Rolle historischer Akteure: Etwa seit der Wende zum 21. Jahrhundert machte 1 2 Lem 1981, S. 399. 3 SVtgaln. Lisełmaw 1 L9e8m1,, SS.u ImI. ma technologiae, Frankfurt a. M. (cid:883)(cid:891)(cid:890)(cid:883), S. (cid:885)(cid:891)(cid:890). 4 Lem 1981, S. 402. © S pringer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 7 T. Walach, Geschichte des virtuellen Denkens, Geschichte des digitalen Zeitalters, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21088-5_1 sich an den digitalisierten Börsen eine Praxis bemerkbar, in der Computer autonom handeln und dabei Einfluss auf die globale Ökonomie nehmen das sogenannte High Frequency Trading (HFT). Im Jahr 2013 machte es etwa die – Hälfte des Gesamtvolumens im weltweiten Aktienhandel aus, wobei gerade sein Einfluss auf die meistgehandeltsten Positionen noch weitaus stärker sein dürfte.5 Während HFT im Jahr 2000 noch den Status einer Geheimwissen- schaft hatte und die Mehrheit der Aktienhändler und Ökonomen noch nichts von seiner Existenz ahnten, sind autonom agierende Computer (nicht nur) im Bereich des Börsenhandels in den letzten Jahren zum Gegenstand anhalten- der Debatten geworden6, wohl auch, weil sie sich innerhalb ihres Aktions- raums gegenüber menschlichen Akteuren als überlegen erwiesen haben. Die Emergenz von HFT mag aus wirtschaftshistorischer Sicht ein interessan- tes Thema sein schließlich werden weite Teile weltwirtschaftlichen Han- delns nicht länger von menschlichen, sondern von elektronischen Akteuren – gesteuert. Dennoch ist sie nicht eigentlicher Gegenstand dieser Arbeit. Das Phänomen des Computers als Aktienhändler bildet nicht mehr als den Anlass- fall für eine Untersuchung, die ins Feld der Historik oder Metahistory, also 7 gehört und sich mit geschichtstheo- retischen Fragestellungen beschäftigt. Es geht darin ebenso viel oder wenig des „Wissens vom historischen Wissen(cid:498) 8 von konkreten Fällen der Geisteskrankheit im 17. Jahrhundert han- um Computer an sich wie Michel Foucaults Buch “ber „Wahnsinn und Gesell- delt. Die Provokation, die der handelnde Computers darstellt, wirft aber eine schaft(cid:498) unhintergehbare Frage für die Geschichtswissenschaft auf und fordert sie heraus, ein kohärentes Narrativ seiner historischen Wurzeln zu entwickeln. Die angesprochene Frage lautet: Was ist ein historischer Akteur? 5 Vgl. Peter Gomber/Martin Haferkorn, High-Frequenc-Trading. Hochfrequente Handelstech- nologien und deren Auswirkungen auf den elektronischen Wertpapierhandel, in: Wirt- schaftsinformatik 2 (2013) (S. 99-102), S. 99. 6 Vgl. Hu Yong (u. a.), Application of Evolutionary Computation for Rule Discovery in Stock Algorithmic Trading: A Literature Review, in: Applied Soft Computing 36 (2015) (S. 534- 551), S. 534. 7 Vgl. Gerhard Gamm, Der Deutsche Idealismus. Eine Einführung in die Philosohie von Fichte, Hegel und Schelling, Stuttgart 2012, S. 24 8 Vgl. Michel Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft, Frankfurt a. M. 1969. 8 Der erste Teil dieser Frage, der sich auf den Begriff der Historizität als vorge- stellte Summe vergangenen Geschehens bezieht, ist der Geschichtswissen- schaft seit dem 18. Jahrhundert vertraut und dabei ungelöst: Wie ist Histori- zität beschaffen? Wie wird sie erzeugt?9 Zu der Natur dieser Frage ist anzu- merken, dass sie als solche nicht ein für alle Mal lösbar ist, sofern sie auf eine metaphysische, allgemeingültige Antwort zielt. Sie ist allerdings produktiv nutzbar und vielleicht sogar unverzichtbar, wenn man sie sich im Sinne einer 10 vorstellt. Diese Spannung ent- steht aus dem umstrittenen Verhältnis von historischem Geschehen und Ge- „ständige(cid:523)n(cid:524) epistemologischen Spannung(cid:498) schichte. Siegfried Kracauer, der gegen Ende seines Lebens die Geschichts- paradoxen Beziehung zwi- wissenschaft gleichsam als umfassend vorgebildeter und talentierter „Anfän- schen der Kontinuität des geschichtlichen Prozesses und seiner inneren Brü- ger(cid:498) f“r sich entdeckte, konnte das Problem der „ che 11 nicht mehr für sich lösen, ja er verwies die Lösung zum Schluss seiner gar an ein vorge- (cid:498) 12. Skizzen zur „Geschichte als letzte Dinge vor dem Letzten(cid:498) Das zugrundeliegende Problem deutet sich schon im eigenwilligen Titel von stelltes „Ende der Zeit(cid:498) Kracauers Arbeit als plurales Geschehen (die letzten Dinge) und ganzheitli- che Kategorie (das transzendente Letzte, die axiomatische Letztbegründung) an: Ist es die Summe historischer Fakten, die das geschichtliche Narrativ bil- det, oder umgekehrt? Diese Frage ist auch deshalb bedeutend, weil die vor- liegende Ursuchung sich ihr zu entziehen versucht, indem sie die Antinomie in ihrem Innersten nicht als Provokation zur Lösung auffasst. Zweifellos ist die Frage an sich von überragender Bedeutung für die Geschichtswissen- schaft, aber das bedeutet nicht notwendigerweise, dass es die Antwort darauf ebenfalls ist. Völlig zurecht hielt Kracauer dem Neohegelianer Benedetto Croce posthum vor, dieser habe bei dem Versuch, einen Ausweg aus der epistemologischen 9 Vgl. Johann Martin Chladenius, Allgemeine Geschichtswissenschaft, Leipzig 1752 (repr. Wien/Köln/Graz 1985), S. 2. 10 Arnd Hoffmann, Der Stachel des historischen Ereignisses, in: Alexandra Kleihues (Hg.), Wirk- lichkeitseffekte. Ästhetische Repräsentation des Alltäglichen im 20. Jahrhundert, München 2008 (S. 153-170), S. 158. 11 Siegfried Kracauer, Geschichte Vor den letzten Dingen (Werke, Bd. 4), Frankfurt a. M. 2009, S. 174 12 Kracauer 2009, S. 180. – 9 Zwickmühle zu finden, Hegel zuerst mit selbstbewusster Geste aus der Ge- schichtsphilosophie geworfen um ihn sogleich durch die Hintertür wieder herein zu lassen.13 Croces Vorhaben, der Spannung von Geschehen und Ge- schichte mit Hegel beizukommen, hat sehr wohl etwas für sich man müsste nur versuchen, sich Hegels auf andere Art und Weise zu bedienen. Die Suche – nach einer unorthodoxen Hegel-Lesart führt in der Gegenwart beinahe un- weigerlich “ber Slavoj Žižek. die Vorstellung von der Dialektik als geschlossenem System, das auf der Idee Reinhard (eil versteht Žižek als radikalen Theoretiker der Negativität, der der Versöhnung von Widersprüchen beruht, ins Gegenteil verkehrt.14 Er schließt damit unmittelbar an Gerhard Gamm an, der Hegels Kritik an Kants skeptischer Methode an die (post-)moderne Wissenschaft umadressiert. sie an sich ist, vertagt aus Furcht vor dem Irrtum die Wahrheit auf den St.- „Denn der Dualismus, der die Welt aufteilt in eine f“r uns [...] und eine, wie Nimmerleinstag 15 arin, gar keine Lösung zu suchen, sondern die Spannung, die ein unlösbares Prob- .(cid:498) Žižeks ebenso triviale wie radikale Lösung besteht d lem erzeugt, als Triebkraft für die Auseinandersetzung damit zu verstehen. Friedrich W. J. Schelling betrachtete das Ich als die Summe jener Wahrneh- mungen und Vorgänge des Selbstbewusstseins Das Ich ist also selbst eine zusammengesetzte Tätigkeit, das Selbstbewusstsein selbst , die es konstituieren: „ ein synthetischer Akt. 16 In diesem Sinn lässt sich auch das dialektische Ver- hältnis von Geschichte und Geschehen als Impetus für eine Geschichte als per- (cid:498) formativer Akt verstehen. Daraus folgt die Notwendigkeit, sich dem historischen Geschehen undogma- tisch von der jeweiligen Fragestellung aus zu nähern, ohne eine bestimmte Auffassung grundsätzlich zu privilegieren Reinhart Koselleck verlangte von – 13 Kracauer 2009, S. 176. 14 2010, S. 32. 15 GVagml. mRe 2in0h1a2r,d S .( 9e6i l(, HZeurrv oArkhteubaulintägt imvo On rSiglainvaolj) .Ž ižek. Einf“hrung in sein Werk, Wiesbaden 16 Friedrich W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, Hamburg 1957 (repr. 1962), S. 58 (Hervorhebungen im Original). 10

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.