Anna Amalie Abert Geschichte der Oper Anna Amalie Abert Geschichte der Oper Bärenreiter J. B. Metzler Gemeinschaftsausgabe der Verlage Bärenreiter, Kassel und J. B. Metzler, Stuttgart und Weimar Die Deutsche Biliothek - eIP Kurztitelaufnahme Abert, Anna Amalie: Geschichte der Oper / Anna Amalie Abert. - Kassel: Bärenreiter ; Stuttgart ; Weimar: Metzler, 1994 ISBN 978-3-7618-1182-5 (Bärenreiter) Pp. ISBN 978-3-476-01261-6 ISBN 978-3-476-03564-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03564-6 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Verlage unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mirkoverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1994 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und earl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1994 Dem Andenken an Willi Schuh Inhaltsverzeichnis Vorwort........................................................................ 9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Die Oper in Italien Die barocke Adels- und Fürstenoper bis gegen 1700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Die barocke Unternehmeroper bis gegen 1700 ...................................... 47 Die Textreform um 1700 - Pietro Metastasio ...................................... 64 Die opera seria im 18. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Die opera buffa im 18. Jahrhundert ............................................... 87 Von der Nummernoper zur "scena ed aria" ........................................ 101 Giuseppe Verdi ................................................................. 114 Die italienische Oper um und nach Verdi - Opernprobleme des 20. Jahrhunderts...... 129 Die Oper in Frankreich Italienische Einflüsse und erste eigene Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 146 Die tragedie lyrique als Abbild des ancien regime .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 149 Die opera comique .............................................................. 162 Tragedie lyrique und opera comique zur Zeit der Revolution. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 169 Die tragedie lyrique auf dem Weg zur grand opera ..........' ........................ 176 Die grand opera. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 180 Die opera comique im 19. Jahrhundert ............................................ 191 Drame lyrique und späte "Große Oper" ........................................... 196 Das 20. Jahrhundert ............................................................. 206 Die Oper in Spanien und Portugal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 217 Die Oper in Deutschland Erste Anfänge einer deutschen Oper. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 220 Die Oper an den großen Höfen................................................... 221 Die "frühdeutsche Oper" an Höfen und in Städten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 221 Der Höhepunkt der Hamburger Barockoper ....................................... 227 Das Ende der deutschen Barockoper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 235 Das deutsche Singspiel ........................................................... 235 Das Melodram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 Klassizistische deutsche Opernversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 Das Wiener Singspiel ............................................................ 244 Beethoven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 249 Die deutsche romantische Oper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 250 Von Weber bis Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 263 Richard Wagner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 272 Die deutsche Oper zwischen Wagner und Strauss ................................... 297 Die deutsche Oper in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ......................... 319 7 Deutsche Kosmopoliten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 330 Georg Friedrich Händel ................................................... 331 Christoph Willibald Gluck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 351 Wolfgang Amadeus Mozart. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 373 Die Oper in der Schweiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 407 Die Oper in England und in den skandinavischen Ländern Die Oper in England ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 410 Die Oper in Schweden und Dänemark. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 417 Die russische Oper und die Oper in den Ländern Osteuropas - Oper in den USA Die Oper in Rußland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 422 Die Oper in den Ländern Osteuropas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 450 Oper in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 456 Verzeichnisse Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 460 Werkregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 469 Auswahlbibliographie zusammengestellt von Bernd Krause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 485 8 Vorwort Im Zeitalter des "teamwork", dessen Vertreter unter Zuhilfenahme des ihm angemessenen Computers eine ungeheurer Fülle an Material zusammentragen und bearbeiten und die mit einem gewissen Recht nach Vollständigkeit streben können, ist ein Buch, wie das vorliegende, offensichtlich ein Anachronis mus. Es ist in der klaren Erkenntnis dieser Tatsache geschrieben worden, zugleich in dem Wissen dar um, daß sein Wert auf keinen Fall in einer auch nur einigermaßen vollständigen Erfassung des schier unabsehbaren Materials bestehen kann, sondern im Gegensatz dazu gerade auf der Maßgeblichkeit der Auswahl beruhen muß. Diese zu treffen, ist eine sehr persönliche Angelegenheit, sie zu suchen, war die Haupt-Problematik der Arbeit, die dann wohl auch den meisten Anlaß zur Kritik geben wird. - Aber wie dem auch sei: Das Buch richtet sich ja außer an den Kreis der Fachkollegen auch an eine weitere, opeminteressierte Leserschaft, die ihm vielleicht ihre Zustimmung nicht ganz versagen wird Für sein Zustandekommen, das sich über viele Jahre erstreckt hat, bin ich sehr Vielen menschlich wie wissenschaftlich zu Dank verpflichtet. Zuvörderst und besonders nenne ich den verehrten Dr. Willi Schuh, der den Anlaß gab und dessen Namen die Widmung dieses Buches trägt. Sodann gilt mein herzlicher Dank Herrn Dr. Friedrich Lippmann, dem Leiter der musikwissenschaftlichen Abtei lung des Deutschen Historischen Instituts in Rom, der mir wochenlang seinen großen Bestand an Mi krofilmen italienischer Opern zur Verfügung gestellt und mich während der anstrengenden Arbeit daran verständnisvoll umsorgt hat, ferner dem Kollegen Professor Dr. Sieghart Döhring und seinen Mitarbeiterinnen aus dem Forschungsinstitut für Musiktheater in Schloß Thurnau, die mir unermüd lich mit den Reichtümern ihrer Opernbibliothek halfen. Gleiches gilt für die große Hilfsbereitschaft des Kollegen Professor Dr. Werner Breig und seiner tatkräftigen Bibliothekarin Frau Kurzhals-Reuter vom musikwissenschaftlichen Institut der Universität Bochum. Mit gerührter Dankbarkeit erfüllte mich auch jedesmal die herzliche Zuwendung, die mir zuteil wurde, wenn ich in meinem heimischen Kieler Institut Material suchte. Die größte wissenschaftliche wie menschliche, dankbarst empfundene Hilfe aber erhielt ich vom musikwissenschaftlichen Institut der Universität Münster und seinem lei ter, meinem einstigen Schüler und nunmehrigen Kollegen Professor Dr. Klaus Hortschansky, der nicht nur unablässig schwer erreichbares Material herbeischaffte, sondern mir auch in Zeiten der Ent mutigung hilfreich zur Seite gestanden hat. Nicht minder herzlich danke ich endlich dem mir seit vie len Jahren freundschaftlich verbundenen Bärenreiter-Verlag, durch dessen energisches Eingreifen die Odyssee dieses Manuskriptes zu einem guten Ende geführt wurde. Zur Anlage des Buches seien folgende Hinweise gegeben: Originale Titel von Opern oder anderen Bühnenwerken mit Musik erscheinen in Kapitälchen; soweit zum Verständnis erforderlich, sind den Originaltiteln deutsche Übersetzungen kursiv und in Klammern nachgestellt. Alle anderen Werktitel, z. B. von Dramen, Schauspielen etc., sind kursiv ohne Anführungszeichen gesetzt. Bei russischen Komponisten und Werktiteln und bei solchen aus den Ländern der ehemlaigen Sowjetunion orientiert sich die Umschrift an dem Handbuch der russischen und sowjetischen Oper von Sigrid Neef (Kassel 1989). Für die Erstellung des Personen- und Werkregisters danke ich Melanie Determann und Miriam Stumpfe, und Bemd Krause danke ich für die Erarbeitung der Bibliographie. Der Verlag ist mir bei der Realisierung der vorgesehenen zahlreichen Notenbeispiele weitgehend entgegengekommen, wobei er sich allerdings die Ausgestaltung, in vielen Fällen auch Kürzungen und Reduktionen, vorbehalten hat. Zum Schluß danke ich meinen beiden Lektoren, meiner Schülerin Dr. Ruth Blume-Baum und Dr. Dietrich Berke, für die sorgsame Betreuung des Buches und der Herstellungsabteilung des Bärenreiter Verlages für die umsichtige, techniche Realisierung. AnnaAmalieAbert 9 Einleitung Die Stellung der Oper in der Gesellschaft Wenige musikalische Gattungen sind so in das gesellschaftliche Leben ihrer Zeit eingeordnet, ja, von ihm abhängig, wie die Oper. Ein extremes Symbol hierfür ist die schicksalsträchtige Tatsache, daß es die Wirren und Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges waren, die Deutschland auf der Opernbühne gegenüber Italien und Frankreich ins Hintertreffen brachten. Fehlten doch unter den damaligen Verhältnissen sowohl den Höfen und den städtischen und privaten Unternehmern oder Wandertruppen als auch dem jeweiligen denkbaren Publikum die Mittel zur Finanzierung bzw. zum Besuch derartig kostspieliger Darbietungen. Die Oper war, wie auch ihre nicht minder aufwendigen Vorläuferl, eben in ihren Anfängen ein Statussymbol, mit dessen vor allem szeni scher Pracht und Einfallsreichtum sich die einzelnen Höfe gegenseitig den Rang abzulaufen such ten, wobei sie auch hinsichtlich des Sängerpersonals keine Kosten scheuten. Die Aufführungen waren also primär gesellschaftliche Ereignisse, bei denen man nur zwischen Veranstaltern und Gä sten, aber nicht zwischen Darstellern und Publikum unterscheiden konnte, denn erstens waren sie vollständig oder doch fast ranggleich, und zweitens fehlte den "Gästen" das Recht des "Publi kums" zur Stoffwahl und zur Kritik. Mit der Verwandlung der Einheit"V eranstalter/Gäste" in den Gegensatz "Darsteller/Publi kum" erfolgte gesellschaftlich eine entscheidende Wende innerhalb der Gattung, die sich auch auf ihre künstlerische Haltung auswirkte. Sie machte sich, als eine völlige Neuerung, besonders kraß am Anfang, in den ersten von Impresarii geleiteten öffentlichen Opernhäusern von 1637 ab2 be merkbar, verlor aber ihre Fanal-Wirkung in dem Maße, in dem diese regelmäßig einem zahlenden Publikum dargebotenen und von dessen Geschmack abhängigen Unternehmeropern mehr und mehr in allen Ländern, in denen die Oper heimisch wurde, das Feld eroberten. Gleichzeitig gingen sie allerdings überall auch Verbindungen mit anderen Institutionen ein, die zur Pflege der Oper bestimmt ~aren, und zwar einerseits (so vor allem in Deutschland) mit den Hoftheatern, die ihre ursprüngliche Exklusivität aus pekuniären Gründen zugunsten des zahlenden Publikums aufge ben mußten, andererseits aber mit den immer mehr überhandnehmenden Wandertruppen. Aus der reichhaltigen Literatur über diesen Vorgang ergibt sich das bunte Bild eines häufigen zeitlichen Nebeneinanders von Opernaufführungen in großen Hoftheatern, auf kleinen Vorstadtbühnen und an verschiedenen Örtlichkeiten durch mehr oder weniger angesehene Wandertruppen, die auch in Residenzen nicht nur ihr Publikum, sondern oft auch pekuniäre Unterstützung fanden. Vielfach kam es dabei auch künstlerisch zu einer Zusammenarbeit und somit zu einer mitunter recht wirkungsvollen Konsolidierung des Opernwesens. Wie immer aber dessen Organisation auch gestaltet war - künstlerisch waren seine Träger in erster Linie die Komponisten, die Librettisten und die Bühnenbildner. Der alte Brauch, bei Zitie rung einer Oper immer nur den Namen des Komponisten zu nennen, hat zu einer sträflichen Ver kennung der Wichtigkeit seiner beiden Mitarbeiter geführt, denn wenn die Oper auch zu Recht zur Musikgeschichte gerechnet wird, so ist sie doch nicht erst seit Wagner ein "Gesamtkunst werk", sondern grundsätzlich bereits als solches konzipiert worden. Der Text war von Anfang an, völlig unabhängig von seinem literarischen Wert, von ausschlaggebender Bedeutung, sei es als 1 Siehe weiter unten 2 Vgl. Die barocke Unternehmer-Oper, S. 47ff. 10 Anreger oder als Ausdeuter der Musik. Bühnenbild (und Regie) aber haben für das Auge die glei che nicht minder wichtige, oft recht problematische Aufgabe zu erfüllen3• Voraussetzungen der Oper Richard Wagner hat einmal in einem Brief vom 1. Januar 1847 an Eduard Hanslick aus der Zeit des LOHENGRIN geschrieben, seine Arbeiten gälten dem Versuch, "ob die Oper möglich sei". Wenn dieses Wort auch einer Zeit entstammt, in der der Meister mit der Gattung rang und auf das revolutionäre Stadium seines Schaffens zusteuerte, so umreißt doch allein schon die Tatsache, daß es überhaupt gesprochen werden konnte, die in der Gattung selbst beschlossene Problematik. Denn im Grunde gleicht ja die ganze Geschichte der Oper einem Kampfplatz, auf dem in immer neuen Wellen begeisterte Anhänger und schärfste Gegner zusammenprallen. Aus jedem Kampf aber ist die Gattung bis jetzt noch immer verjüngt und bereichert hervorgegangen. Oft schon ist ihr Ende prophezeit worden. Oscar Bie bezeichnet sie in seinem Buch Die Oper (Berlin 1913) als "die unmöglichste aller Kunstgattungen" und als "Kunst der Widersprüche" schlechthin, und sie sei nicht wert, daß man nur einen Funken kritischen Verstandes auf sie anwende, aber, fährt er fort, sie sei überwältigend in ihrer produktiven Kraft und Intensität. Als "Kunst der Widersprüche", als ersehntes Abbild der antiken Tragödie und bzw. aber als er reichte Manifestation einer nuova musica ist die Oper in der Tat schon zur Welt gekommen. Ihre Geburtsstunde, die Aufführung der DAFNE von Peri 1597, läßt sich mit einer in der Geschichte seltenen Einhelligkeit bestimmen, aber fragt man, was alles unmittelbar oder mittelbar zu diesem folgenschweren Ereignis zusammengewirkt hat, so sieht man sich einem Gewirr von mannigfa chen, sich vielfach widersprechenden geistigen Strömungen gegenüber, die bis zur Antike und ins Mittelalter zurückreichen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Leitbild, das rein geistig den Anstoß gab und aus den humanistischen Bestrebungen der Zeit erwuchs, und Vorläufern, die praktisch auf die verschiedenste Weise die Entstehung ermöglichten. Dazu gesellen sich als dritte Gruppe ferner stehende Geistesverwandte, deren Bestrebungen in einer anderen Zeit und in ande rem Rahmen zu vergleichbaren Ergebnissen geführt haben. Vom Leitbild, der griechischen Tragödie, stammte das hohe Ethos und die Tendenz zu mytho logischen Stoffen sowie grundsätzlich das Streben nach einer wie immer gearteten Durchdringung eines Dramas mit Musik. Wie weit deren Beteiligung im griechischen Drama über die Chöre hin ausging, war damals unbekannt und ist auch heute noch umstritten. Auf jeden Fall dürften sich auch die solistischen Äußerungen weitgehend zu einer rezitativischen und selbst ariosen Vortrags weise gesteigert haben. Von den Vorläufern stammt die Verwirklichung dieser humanistischen Gedanken mit zeitgemäßen Mitteln. Eine greifbare Brücke vom Leitbild zu den Vorläufern bildet die Aufführung der ins Italienische übersetzten Tragödie EDIPO TIRANNO (Oedipus der Tyrann) von Sophokles, mit der 1585 das Teatro Olimpico in Vicenza eröffnet wurde. Hierzu hat Andrea Gabrieli, der Organist an S. Marco in Venedig, die die Tragödie gliedernden vier großen Chöre komponiert. Bestimmend war für den strengen Satz Note gegen Note der Deklamationsrhyth mus, wobei jedoch auch die im Text enthaltenen "affetti" nicht aus den Augen gelassen wurden. 3 Vgl. zu letzterem vor allem H. ehr. Wolff, Szene und Darstellung von 1600 bis 1900 (Musikgeschichte in Bildern, Band IV, Leipzig 1968) - in den folgenden Ausführungen ist leider der dritte Mitarbeiter oft zu kurz gekommen. 11