M. AVI-YONAH GESCHICHTE DER JUDEN IM ZEITALTER DES TALMUD S T U D IA J U D A I CA FORSCHUNGEN ZUR WISSENSCHAFT DES JUDENTUMS HERAUSGEGEBEN VON E. L. EHRLI CH B A S EL BAND II 1962 W A L T ER DE G R U Y T ER & CO B E R L IN VORMALS G.J.GOSCHEN'S CHE VERLAGSHANDLUNG. J.G UTTE NTA G.VERLAG S- BUCHHANDLUNG . GEORG REIMER . KARL J. TRÜBNER • VEIT & COMP. GESCHICHTE DER JUDEN IM ZEITALTER DES TALMUD IN DEN TAGEN VON ROM UND BYZANZ VON MICHAEL AVI-YONAH 1962 W A L T ER DE G R U Y T ER & CO B E R L IN VORMALS G. J. GOSCHEN'SCHE VE R LAGSHANDLUNG. J. GUTTENTAG, VERLAGS- BUCHHANDLUNG • GEORG REIMER . KARL J. TRÜBNER . VEIT & COMP. 1962 by Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30 (Printed in Germany) Archiv-Nr. 33 J9622/II Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) 2u vervielfältigen. Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten, Satz und Druck: Walter de Gruyter ¿c Co., Berlin W 30 MEINEN ELTERN ZUGEEIGNET VORREDE ZUR DEUTSCHEN AUSGABE Das vorliegende Buch wurde in den Jahren 1944—46 geschrieben; es erschien auf hebräisch 1946 unter dem Titel: Bijimei Roma u-Bizan- tion („ In den Tagen von Rom und Byzanz"); eine zweite Auflage er- schien 1952, eine dritte ist im Druck. In der deutschen Ausgabe wurden, außer sachlichen Änderungen, die durch den Fortschritt der Wissenschaft bedingt waren, mehrere Stellen ausgelassen, entweder weil sie dem jetzigen Urteil des Verfas- sers nicht mehr entsprechen, oder weil sie Angelegenheiten berührten, die dem gebildeten europäischen Leser bekannt sind, deren Darstellung jedoch für das hebräisch sprechende Publikum notwendig war; es handelte sich besonders um breitere Ausmalungen des historischen oder religiösen Hintergrundes. Die allgemeinen Ansichten des Ver- fassers sind aus der S. XI-XII abgedruckten Teil der hebräischen Vor- rede ersichtlich. Da der nicht jüdische Leser mit dem talmudischen Schrifttum, auf dem ein großer Teil dieser Darstellung beruht, kaum sehr vertraut ist, mag es nützlich sein, einiges darüber zu sagen (im allgemeinen ver- weisen wir dabei auf H. L. Strack: Einleitung in Talmud und MidraS. 5. Aufl., München, 1921). Die talmudische Literatur besteht aus zwei Teilen: einem juridi- schen, der sogen. Halacha, und einem legendären, der Aggada. Der älteste Teil dieser Literatur ist die Mischna, die in sechs „Ordnungen", eingeteilt in 63 Traktate, die Resultate der Arbeit der Schriftgelehrten von der Zeit Ezras bis auf die des Patriarchen Juda I. (Anfang des 3. Jhs.) zusammenfaßt. Die Gelehrten, die an der Mischna arbeiteten, hießen Tannaim (Einzahl: Tanna). Sie werden in fünf Generationen eingeteilt, von denen nur die drei letzten: die dritte (ungef. 130—160), vierte (160—200) und fünfte (200—220) für uns von Wichtigkeit sind. Die Mischna enthält fast nur halachisches (juridisches) Material. Die Entscheidungen, die in der Mischna keinen Platz fanden, wurden in die ungefähr gleichzeitige Tosephta („Zusatz") in derselben Ordnung aufgenommen. Die gelehrte Arbeit nach Abschluß der Mischna wurde von den Amoraim (Einzahl: Amora) in Palästina und Babylonien fortgesetzt. Sie gliedern sich ebenfalls in fünf Generationen: die erste (220—250), VIII Vorrede zur deutschen Ausgabe zweite (250—280), dritte (280—320), vierte (320—360) und fünfte (360—400). Ungefähr um 400 wurde in Palästina die dortige Gemara (Mischnakommentar) abgeschlossen; diese bildet zusammen mit der Mischna den (fälschlich so genannten) Jerusalemer Talmud (abgekürzt: j). Die parallelen Resultate der Arbeiten der babylonischen Gelehrten wurden (ebenfalls zusammen mit der Mischna) als Babylonischer Tal- mud (abgekürzt: b) um 525 abgeschlossen. Beide Kommentare umfas- sen nur Teile der Mischna. Die Gemara in beiden Talmuden enthält neben juridischen Diskus- sionen eine aggadische Legendensammlung. Die Gemara ist in ihren Teilen als Protokoll einer langjährigen Diskussion aufzufassen, und die darin angeführten Meinungen gehören zwar zur jüdischen Geistes- geschichte, sind aber keinesfalls alle verbindlich. Dies ist nur die zum Schluß festgelegte Halacha. Falls im Text von „gesetzlichen" Ent- scheidungen oder Verfügungen der Rabbiner gesprochen wird, betrifft das die Halacha, der sich die unter römischer Herrschaft lebenden Juden freiwillig unterwarfen. Die Midraschim (Einzahl: Midrasch) sind rein aggadische Sammlun- gen von Bibelkommentaren. Sie sind nach den Büchern der Bibel geordnet und haben zum Teil besondere Namen, wie Siphre, Siphri, Mechilta, Schoher Tob, Tanhuma, Pesikta usw. Besonders wichtig ist der Midrasch Rabba (der große Midrasch), der mit hinzugefügtem R zitiert wird: z. B. Gen(esis) R, HL R (= Hoheslied), KL R (= Klage- lieder), Koh.(elet) R (= Prediger), Prov.R (= Sprüche) usw. Die Mischna und Tosephta werden nach Traktat, Kapitel und Halacha zitiert, mit vorgesetztem M oder Tos. (M BK IV, 5 = Mischna Baba Kama, Kapitel IV, Halacha 5). Der babylonische Talmud nach Traktat, Blatt und Seite (a oder b) (b Jebam 47 b = Traktat Jebamot, Blatt 47, Seite b). Der jerusalemer Talmud wird zitiert nach Traktat, Kapitel und Halacha und außerdem nach Blatt und Spalte (a—d) des Erstdruckes Venedig 1523—4 (j Bikk 1,4—64 a = Traktat Bikkurim, Kapitel 1, Halacha 4, Blatt 64, Spalte a). Die „Ordnungen und Traktate mit ihren Abkürzungen sind wie folgt: Seraim: Berachot (Berach.), Pea, Demai, Kilajim (Kil.), Schebiit (Schebii.), Terumot (Terum.), Maasrot (Maas.), Maaser Scheni (Maas. Sch.), Halla, Orla, Bikkurim (Bikk.). Moed: Sabbat (Sabb.), Erubbim (Erubb.), Pesahim (Pesah.), Schekalim (Schek.), Joma, Sukka, Beza, Rosch ha-Schana (RH), Taanit (Taan.), Megilla (Meg.), Moed Katan (MoK), Hagiga (Hag.). Naschim: Jebamot (Jebam.), Ketubbot (Ket.), Nedarim (Nedar.), Nasir, Gittim (Gitt.), Sota, Kidduschim (Kidd.). Vorrede zur deutschen Ausgabe IX Nesikim : Baba Kamma (BK), Baba Mezia (BM), Baba Batra (BB), Sanhedrin (Sanh.), Makkot (Makk.), Schebuot (Scheb.), Edujjot (Eduj.), Aboda sara (AZ), Abot, Horajot (Hör.). Kodaschim: Sebahim (Seb.), Menahot (Men.), Hullin (Hui.), Bechorot (Bech.), Arachim (Arach.), Temura (Tem.), Keritot (Ker.), Me'ila, Tamid, Middot, Kinnim. Toharot: Kelim (Kel.), Ohalot (Ohal.), Negaim (Neg.), Para, Toharot (Toh.), Mikwaot (Mikw.), Nidda, Machschirim (Mach.), Sabim, Tevul Jom (Tev.), Ukzin (Uk.). Da im Buch die Patriarchen aus dem Hause Hillels oft erwähnt wer- den, geben wir hier eine Liste der Mitglieder dieser Dynastie: Hillel I. (oder „der Alte") zur Zeit des Herodes Gamaliel I. (Lehrer des Paulus) Simeon I. (zur Zeit des Krieges von 66—73) Gamaliel II. (in Yavne; dritte Generation der Tannaim) Simeon II. (eingesetzt in Uscha, vierte Generation der Tannaim) Juda I. (kurz „Rabbi" genannt) fünfte Generation der Tannaim Gamaliel III. (erste Generation der Amoraim) Juda II. (zweite Generation der Amoraim) Gamaliel IV. (dritte Generation der Amoraim) Juda III. (vierte Generation der Amoraim) Hillel II. (vierte Generation der Amoraim) Gamaliel V. (fünfte Generation der Amoraim) Juda IV. (fünfte Generation der Amoraim) Gamaliel VI. (400—425) Die Transkription der hebräischen und aramäischen Namen und Ausdrücke entspricht der modernen hebräischen Aussprache und macht keinen Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit. Die bibli- schen Namen folgen der Bibelübersetzung Luthers. Die griechischen, römischen und byzantinischen Eigennamen sind in der lateinischen Form wiedergegeben. Ein besonderes Problem war die deutsche Bezeichnung der Schrift- gelehrten, d. h. der Schicht, die in den hier beschriebenen Jahrhunder- ten unter den Juden die herrschende war und deren Aussprüche in den talmudischen Quellen aufgezeichnet sind. Wir haben die Bezeichnung „Rabbiner" für das hebräische Hachum (wörtlich: „Weiser") oder Saken (wörtlich: „Alter") gewählt. Dabei darf man keinesfalls an einen modernen Rabbiner, d. h. einen religiösen Gemeindebeamten und Seel- sorger denken. Die Gelehrten, die den alten Rabbinerstand bildeten, lernten in den großen dem Sanhedrin angegliederten Schulen oder bei einzelnen Lehrern und wurden dann „ordiniert" (erhielten die semicha), worauf sie berechtigt waren, selber zu lehren und Fragen des religiösen Rechts zu entscheiden: aber die Ordination selber war noch keine X Vorrede zur deutschen Ausgabe Ernennung zu einem Amt. Auch durften nur die ordinierten Gelehrten an den Sitzungen des Sanhédrin (des großen rabbinischen Rates) teil- nehmen. Im großen und ganzen glich ihre Stellung der eines von einer Universität promovierten Doktors im Mittelalter. Eine weitere Bezeichnung, die hier anders als üblich verwendet wird, ist die von „Hellenen" für die Anhänger der altgriechischen Religion im christlich-römischen Reich. Dieser Gebrauch entspricht einerseits dem der byzantinischen Quellen, und andererseits ist die Bezeichnung passender, als der Ausdruck „Heiden", der etwas Herabsetzendes hat. Bei der Übersetzung half mir meine Frau Eva mit großer Umsicht und Tatkraft; Frl. Margarethe Wallner besorgte die Abschrift des Manuskripts; Frl. Anni Katzenstein las die Korrekturbogen; allen dreien sei hiermit bestens gedankt. Dem Herausgeber der „Studia Judaica", Herrn Dr. E. L. Ehrlich, Basel, bin ich für seine stilistischen und sachlichen Ratschläge zu besonderem Dank verpflichtet. Hebräische Universität, Jerusalem Mai, 1962