Bemdt Lüderitz Geschichte der Herzrhythmusstörungen Von der antiken Pulslehre zum implantierbaren Defibrillator Unter Mitarbeit von Bruno Inhester Mit 114 zum Teil farbigen Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg NewYork London Paris Tokyo HongKong Barcelona Budapest Professor Dr. med. BERNDT LÜDERITZ Medizinische Universitätsklinik Sigmund-Freud-Straße 25, D-5300 Bonn 1 Dr. med. BRUNO INHESTER Burloer Straße 29, D-4280 Borken ISBN-13:978-3-642-77941-1 e-ISBN-13:978-3-642-77940-4 DOI:10.1007/978-3-642-77940-4 Die Abbildung aufdem Schutzumschlag [Frans van Mierisd. Ältere (1635-1681)"Der Besuch desArztes"] wurde vom Kunsthistorischen Museum, Wien,zur Verfügung gestellt. Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Lüderitz,Berndt:Geschichteder Herzrhythmusstörungen : von der antiken Pulslehrezum implantierbaren Defibrillator{ Bemdt Lüderitz. Unter Mitarb, von Bruno Inhester. - Berlin ;Heidelberg;New York ;London ;Paris;Tokyo ; Hong Kong ;Barcelona;Budapest:Springer,1993 DiesesWerkisturheberrechtlichgeschützt.DiedadurchbegründetenRechte,insbesonderediederÜbersetzung, desNachdrucks,desVortrags, der Entnahmevon Abbildungen und Tabellen,der Funksendung,der Mikro verfilmungoderderVervielfältigungaufanderen Wegen und der SpeicherunginDatenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nurauszugsweiserVerwertung, vorbehalten.EineVervielfältigung diesesWerkesoder von Teilen diesesWerkesistauchim Einzelfallnurinden Grenzender gesetzlichen BestimmungendesUrheber rechtsgesetzesder Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in derjeweilsgültigen Fassung zu lässig.Sieist grundsätzlich vergütungspflichtig.Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1993 Softcoverreprintofthehardcover1stedition1993 DieWiedergabevon Gebrauchsnamen.Handelsnamen,Warenbezeichnungenusw.indiesem Werk berechtigt auchohnebesondereKennzeichnungnicht zuder Annahme, daßsolcheNamenim Sinneder Warenzeichen und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Reproduktion derAbbildungen:GustavDreherGmbH,Stuttgart 23{3130-543210 Vorwort Diegroßen Begebenheiten inder Welt werdennichtgemacht, sondernfindensich ein. G.C. Lichtenberg (1742-1799) Diagnostik und Therapie der Herzrhythmusstörungen haben eine lange undfaszinierende Vorgeschichte. Seit altersherbeeindrucktkaumein klini sches Zeichen den Patienten (und den Arzt) mehr als der unregelmäßige Herzschlag. So hat Beethoven seine eigenen Herzrhythmusstörungen vertont (Klaviersonate op. 81a "Les adieux"), lange bevor Einthoven das Elektrokardiogramm als elektrischen Ausdruck der regelmäßigen und unregelmäßigen Herztätigkeit graphisch dokumentierte. - Obschon im 5. vorchristlichenJahrhundert die altchinesische Pulslehre den Grundstein der Rhythmologie legte, gelang der entscheidende Durchbruch in der Erkennung und Behandlung kardialer Arrhythmien erst in diesem Jahr hundert.Exponentiellentwickeltesichder pharmakologischeund elektro physiologische Erkenntniszuwachs in den letztenJahrzehnten. Dies wurde begünstigtdurchdieimmenseklinischeBedeutung, diedieHerzrhythmus störungen erfuhren: einmal durch die Verschiebung der Alterspyramide der Patienten in höhere Altersklassen, die naturgemäß häufiger von Ar rhythmien betroffen sind,zum anderendurch die erhebliche Zunahmeder Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäßealswichtigster Ursache der Herzrhythmusstörungen. Die koronare Hetzkrankheit ist nicht nur zur bedeutendstenErkrankung desHerzensgeworden, sondernauch zur wich tigsten Krankheit überhaupt- gemessen an der Todesursachenstatistik der westlichen Industrieländer. Unter den Komplikationen der ischämischen Herzkrankheiten spielen Arrhythmien die größte Rolle, besteht doch ein unmittelbarer Zusammenhang zu dem so häufigen plötzlichen (arrhyth mogenen) Herztod als mutmaßlich vermeidbarem "elektrischem Unfall" des Herzens. Ebenso wie andereGebieteder Medizinhatauch die Rhythmologieihre Geschichte. Der aktuelle Wissensstand ist nicht das Ergebnis einer konse quenten Entwicklung,genausowenigwie dasFacheinen statischen,mono lithischen Gedankenkomplex darstellt. Die heutige Rhythmologie ist viel mehr dasResultat zahlreicherkompetitiver wissenschaftlicher Ansätze, oft zufälliger Natur, von denen einzelne sich alsbrauchbar erwiesen, weiter verfolgt wurden, und so zu einem Erkenntniszuwachs ftihrten. Der- häufig reizvolle- Blickin die Vergangenheiterleichtertnichtnur die Beurteilung zahlreicher Details und dadurch die Orientierung in der Fülle wichtiger und weniger wichtiger Fakten, sondern erschließt auch V Vorwort demBetrachterden ZeithorizontdesgesamtenFachgebiets. Die Rhythmo logie ist also kein geschichtsloses Faktenwissen, sondern eine evolutionäre ausdem Wettstreit unterschiedlicherLösungsansätzeentstandenesdynami sches Fachgebiet, für das das vorliegende Buch nur eine Zwischenbilanz darstellt. Mitder vorgelegten geschichtlichen Abhandlung istnichtbeabsichtigt, in einen Wettstreit mit den Medizinhistorikern zu treten. Vielmehr soll versucht werden, die historische und chronologische Entwicklung der Rhythmologie nachzuzeichnen, so wie sie der Autor in fast 30jähriger klinisch-wissenschaftlicher Beschäftigung mit der Materie erfahren hat. Dabeikann trotz allen Bemühenskein Anspruch aufVollständigkeiterho ben werden. Ebensowenig sind subjektive Wertungen in der Betrachtung von Ereignissen und Personen auszuschließen. Grundlage dieser Schrift sind die eigenen Arbeiten zur Gesamtproblematik der Herzrhythmusstö rungen einschließlich der elektrischen Stimulation des Herzens, des Herz schrittmachersund der pharmakologischenTherapie,begleitetvoneinigen historischenBetrachtungen zumThema.ZahlreicheErgänzungen ergaben sich durch die Dissertation von B. Inhester, der durch Bibliotheksbesuche im In- und Ausland das Quellenmaterial wesentlich erweitern konnte. Um demnichtständigmit Herzrhythmusstörungen befaßtenLeserden gedanklichen Zugang zu erleichtern, haben wir dem historischen Teil eine kurze aktuelle Systematik der Herzrhythmusstörungen vorangestellt. Hier finden sich auch für den praktischen ärztlichen Alltag geeignete Hinweise zur Diagnostik und Therapie. Zugleich bildet dieses Kapitel die Basis für den nachfolgenden geschichtlichen Abriß. - Als Anhang sind ein Glossar mitStichworten zur Rhythmologie (Begriffe undDefinitionen) sowieeine Synopsis beigefügt.Nebendem Sachindexdientein Namenverzeichnisder Orientierung. Wir hoffen, daß das Buch damit nicht nur für den Kardiologen und kardiologisch ausgerichteten Internisten, für den Herzchirurgen, den Kin derkardiologen, den Anästhesisten und Intensivmediziner von Belang ist, sondern für alle ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die mit Herzrhyth musstörungenim weitesten Sinne zu tunhaben,und vielleichtauch für den interessierten Nichtmediziner. Zu Anregungen und Hinweisen aus dem Leserkreis sei herzlich eingeladen. - Dem Springer-Verlag ist wieder für vielfältigenRat und allseitige Unterstützungzu danken, besondersaber für dieBereitschaft,die Geschichteder Herzrhythmusstörungenalsbibliophile Ausgabe erscheinen zu lassen. Bonn, Winter 1992/93 BERNOT LÜDERITZ VI Inhaltsverzeichnis Teil I Kurze Systematik der Herzrhythmusstörungen Rhythmusstörungen des Herzens . . 3 Elektrophysiologische Grundlagen . . . . 3 Pathogenese der Herzrhythmusstörungen 3 Bradykarde Rhythmusstörungen 5 Tachykarde Rhythmusstörungen 5 Fokale Impulsbildung . . . . . 6 Kreisende Erregung (Reentry, Circus movement) 6 Differentialdiagnose der Herzrhythmusstörungen 9 Oberflächenelektrokardiographie 10 Ruhe-EKG 10 Ösophagus-EKG . . . . . . 10 Telemetrie . 10 Automatische EKG-Auswertung 10 Langzcit-EKG (Holter-Monitoring) 11 Spätpotentiale . . 11 Tachyarrhythmien 12 Extrasystolie . . . 13 Bradyarrhythmien 15 Intrakardiale Ableitungen 19 Klinik spezieller Syndrome . 20 Sinusknotensyndrom . 20 Wolff-Parkinson-White-(WPW-)Syndrom 23 Lown-Ganong-Levine-(LGL-)Syndrom 25 Karotissinussyndrom . . . . . 26 Therapie der Herzrhythmusstörungen 27 Allgemeiner Behandlungsplan . . . 27 Medikamentöse Therapie . .. . 30 Nebenwirkungen der Antiarrhythmika . 31 VII Inhaltsverzeichnis Elektrotherapie (Herzschrittmacher) . . 35 Indikation zur Schrittmachertherapie . 35 Schrittmachertypen, Herzschrittmachercode, Schrittmacher-EKG 36 Stimulationsarten mit besonderer klinischer Bedeutung 37 Notfallbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Teil II Historische Entwicklung der Rhythmologie Pulslehre - Beginn der Rhythmologie 47 Altchinesische Pulslehre . . . . . 47 PIEN Ts'Io (ca. 5.Jh. v. Chr.) . . 47 WANG SHu-Ho (ca. 3.Jh. n. Chr.) 47 Pulslehre im alten Ägypten . . . . 49 Papyrus EBERS (ca. 1550 v. Chr.): Zusammenhang zwischen Herzschlag und peripherem Puls . . . . 49 Pulslehre im antiken Griechenland . . . . . . . . . . . . 50 HEROPHILOS von Chalkedon (ca. 300 v. Chr.): Messung der Pulsfrequenz nach Herophilos . . . . . . . . 50 Pulslehre der Spätantike . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Claudius GALENUS (ca. 129-199 n. ChL): Pulslehre des Galenus. 50 Pulslehre im 16./17.Jahrhundert . . . . . . . . 52 William HARVEY (1578-1657): Blutzirkulation . 52 Santorio SANTORIO (1561-1636): Pulsilogium . 54 Pulslehre im 17./18.Jahrhundert . . . . . . . . 55 Michael Bernhard VALENTINI (1657-1729): Valentinis Pulsschema 56 Pulslehre im 19./20.Jahrhundert. . . . . . . . . . . . 56 Von der ersten Aufzeichnung eines menschlichen Elektro kardiogramms bis zur bipolaren Extremitätenableitung: Augustus Desire WALLER (1856-1922), Willem EINTHOVEN (1860-1927) . . . . . . . . . 56 Karel Frederik WENCKEBACH (1864-1940): Wenckebachs Werke als Grundlage für die modeme Arrhythmiediagnostik 62 VIII Inhaltsverzeichnis Zur Geschichte der Pathogenese undSymptomatik der Herzrhythmusstärungen . . . . . . . . . 67 Kardial und neurologisch bedingte Synkopen: Geronimo MERCURIALE (1530-1606) . . . . . . . . . . . . 67 Bradykardie und synkopaler Anfall: Marcus GERBEZIUS (1658-1718), Giovanni Battista MORGAGNI (1682-1771) . . . . . . 67 Kardial bedingte Synkopen: Robert ADAMS (1791-1875), William STOKES (1804-1878) . . . . . . . . . . . 70 Stannius-Ligaturen: Hermann Friedrich STANNIUS (1808-1883) 74 Paroxysmale Tachykardie: Leon BOUVERET (1850-1929), August HOFFMANN (1862-1929), Louis Benedict GALLAVARDIN (1875-1957) . . . . . . . . . 76 Wolff-Parkinson-White-(WPW-)Syndrom: Louis WOLFF (geb. 1898), John PARKINSON (1885-1976), Paul Dudley WHITE (1886-1973). 80 Lown-Ganong-Levine-(LGL-)Syndrom: Bemhard LOWN (geb. 1921), W.F. GANONG (geb. 1924), Samuc1 Albert LEVINE (1891-1966) 85 Romano-Ward-Syndrom: Cesarino ROMANO (geb. 1924), Owen Conor WARD (geb. 1923);Jervell- und Lange-Nielsen- Syndrom: AntonJERVELL, Fred LANGE-NIELSEN 86 Sinusknoten-Syndrom (siek sinus syndrome): Bernhard LOWN (geb. 1921) . . . . . . . . 88 Zur Geschichte der Entdeckung des Reizbildungs- undErregungsleitungssystems 91 Chronologische Übersicht 91 Purkinje-Fasern:Johannes Evangelista PURKINJE (1787-1869) 91 His-Bündel: Wilhelm HIS derJüngere (1863-1934) . . . 93 Kent-Paladino-Bündel: Giovanni PALADINO (1842-1917), Albert Frank Stanley KENT (1863-1958) 95 AV-Knoten: Ludwig AscHoFF (1866-1942), Suano TAwARA (1873-1952) . . . . . 98 Sinusknoten: Arthur Berridale KEITH (1866-1955), Martin William FLACK (1882-1931) . . . . . 102 Bachmann-Bündel:Jean George BACHMANN (1877-1959) 106 James-Bündel: Thomas NaumJAMES (geb. 1925) 107 Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen: Mauricio B. ROSENBAUM . . . . ... 109 IX Inhaltsverzeichnis Diagnostik kardialer Rhythmusstörungen . 111 Nichtinvasive Untersuchungsverfahren . . . . . . . 111 Elektrokardiographie . . . . . . . . . . . . . 112 Standard-EKG, Ösophagus-EKG, Langzeit-EKG . 112 Ventrikuläre Spätpotentiale . . . . . . . . 113 Invasive Untersuchungsverfahren . . . . . . . 114 Intrakardiale Ableitung und Elektrostimulation: Dirk DURRER (1918-1984) 115 Kreisende Erregung . . . . . . . . . . . . 117 Historische Entwicklung der antiarrhythmischen Pharmakotherapie 119 Herzglykoside 119 Antiarrhythmika 123 Chinidin 123 Cocain als Lokalanästhetikum . 126 Procainamid . 127 Lidocain 127 Disopyramid . 129 Ajmalin. . . 129 Phenytoin (Diphenylhydantoin) 131 Flecainid . . . . . 132 Propafenon . . . . 132 ß-Rezeptorenblocker 133 Amiodaron . . . . 133 Sotalol . . . . . . 134 Kalziumantagonisten (Verapamil, Gallopamil, Diltiazem) 134 Magnesium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Zur Geschichte der Elektrotherapie vom 16. biszum 20.Jahrhundert 139 Fortschritte der modernen Elektrotherapie . 148 Bradykardc Herzrhythmusstörungen . 148 Indikation zur Schrittmachertherapie 148 Tachykarde Herzrhythmusstörungen . 149 KardioversionjDefibrillation 149 Antitachykarde Schrittmachertherapie 150 Ablationsverfahren . . . . . . . . 151 Implanticrbare KardioverterjDefibrillatoren (ICD) 153 x Inhaltsverzeichnis Antiarrhythmische Kardiochirurgie 157 Supraventrikuläre Arrhythmien 157 Ventrikuläre Arrhythmien 158 Herztransplantation . . . . . 159 Glossar: Begriffe undDefinitionen, Stichwörter zur Rhythmologie . . . 161 Synopsis . 167 Diagnostik. . . . . . 167 Anamnese und Klinik 167 EKG-Registrierung . 168 Elektrophysiologische Untersuchung 168 Tachykardie mit schmalem QRS-Komplex 168 Tachykardie mit breitem QRS-Komplex 168 Therapie . . . . . . . . . . . . 169 Sinustachykardie . . . . . . . 169 Paroxysmale atriale Tachykardie . 169 Vorhofflimmern/-flattern . 169 Präexzitationssyndrome 170 Ventrikuläre Extrasystolie 170 Ventrikuläre Tachykardie 170 Therapiekontrolle nach Einleitung antiarrhythmischer Maßnahmen 171 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Namenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 XI
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