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Geschichte der Flußkrebse in ihrer Beziehung zu Süßwasserkrabben PDF

4 Pages·1998·0.39 MB·German
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© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Geschichte der Flußkrebse in ihrer Beziehung zu Süßwasserkrabben G. PRETZMANN Abstract proposed. Probably the invasion of mioce- ne rivercrabs made a long time separation History and Relationship of Crayfish . . . . .. . . . otr crayfish in alpine mountains and so the and Rivercrabs. genus Austropotamobius developed. Cray- Rivercrabs and crayfish are almost fish in the mediterranean region may be a allopatric. On the base of the (few) fossile relict from the ice age. The origin of the documents and the recent distribution, a Potamon subspecies could have been in hypothesis of the historic development is small refugial districts. Stapfia 58, zugleich Kataloge des OÖ. Landesmuseums, Neue Folge Nr. 137 (1998), 221-224 221 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Einleitung delt, wird dadurch erhärtet, daß im Aquarium Krebse von Krabben getötet werden (VANNINI Leider sind Funde fossiler Süßwasserdeka- &. SARDINI 1971, VANNINI mündl. Min.). Die poden außerordentlich selten (COLOSI 1920; Tatsache, daß gelegentlich auch im Apennin PRETZMANN 1972). Es sind daher vorwiegend Süßwasserkrabben in höheren Regionen die heutigen chorologischen Daten (Verbrei- gefunden werden, ist wohl dadurch zu tung, Verteilung) für eine Rekonstruktion erklären, daß immer wieder einzelne Individu- ihrer Geschichte bedeutsam (PESTA 1926; en versuchen, über ihre Verbreitungsgrenze KARAMAN 1976; STAROBOGATO & VASSILEN- hinauszudringen; das ist wichtig für die opti- KO 1979; PRETZMANN 1982, 1983). Auch die male Verbreitung von Arten. Aber offensicht- Frage, ob etwa Flußkrebse bzw. Süßwasserkrab- lich sind dort eben die Bedingungen im Win- ben systematisch-stammesgeschichtliche Ein- ter für Dauerbesiedlung und erfolgreiche Ver- heiten sind, oder als Okotypen mehrmals als mehrung unzureichend. Süßwasseranpassungen entstanden sind, ist Die Astaciden (Flußkrebse) sind älteren von Bedeutung. Ursprungs als die Süßwasserkrabben. Nach Es fällt auf, daß zwischen bestimmten einem neuen Bericht (Univ. Wisconsin, zit. in Gruppen zehnfüßiger Krebse Allopatrie Kosmos 1/98) stammt die älteste Schere aus besteht, d. h. daß sie sich in bestimmten 285 Millionen Jahre alten antarktischen Gebieten ausschließen. Das betrifft nicht nur Gesteinen, die von einem flachen, von Glet- nahe verwandte Formen („Geographische schern umgebenen See stammen. Die ältesten Rassen") sondern auch Flußkrebse und Süß- europäischen Reste stammen aus dem Paleo- wasserkrabben. Zumeist wurde dieser zän des Pariser Beckens. ORTMANN (1896) trat Umstand aus unterschiedlichen Ansprüchen für eine gemeinsame Stammform (monophy- erklärt. Die Nordgrenze der Süßwasserkrabben letische Abstammung) der Astaciden ein. trifft recht genau die 0°C-Januarisotherme. Wenn wir dieser Meinung folgen, müssen wir Die Flußkrebse besiedeln Gebiete, die den annehmen, daß das heutige Vorkommen von Krabben offenbar zu kalt sind. Hingegen kann Flußkrebsen auf der südlichen Halbkugel dar- man Flußkrebse auch in Spanien, Portugal aufhinweist, daß die Flußkrebse einst weltweit und Südfrankreich finden, wo die Temperatur- verbreitet waren, und erst später durch die verhältnisse ausreichen würden für Süßwasser- Süßwasserkrabben aus den mediterran- tropi- krabben, diese aber aus offensichtlich histori- schen Regionen verdrängt wurden. Das erdge- schen Gründen fehlen. Auch erreichen im schichtlich spätere Auftreten der letzteren, Sommer Bereiche in Südosteuropa beachtli- sowie die obigen Befunde könnten das begrün- che Temperaturen, ohne daß das die dort zahl- den. reich vorkommenden Flußkrebse stören wür- BOTT (1972) und andere Autoren haben de. Die Höhenzone ergibt das gleiche Bild: die Auffassung vertreten, daß die Flußkrebse Flußkrebse kommen in höheren Lagen des erst vor geologisch sehr kurzer Zeit vom Meer Apennin vor, desgleichen in Nordwestgrie- ins Süßwasser eingedrungen seien. Das Auf- chenland, auf Madagaskar, während die umge- treten von Astacus in brackigem, sogar benden tieferen Lagen von Süßwasserkrabben marinem Wasser beim Schwarzen Meer und bevölkert werden. Sympatrie (Auftreten im im Kaspischen Meer wurde als Indiz dafür gleichen geographischen Gebiet) konnte nur angegeben. Das stünde aber im Widerspruch in einigen größeren Seen der Türkei festge- zur Auffassung ALBRECHTS (1982, 1983), daß stellt werden (Sapancasee, Egerdirsee, Alba- die Morphologie des Astacus-Carapax als nersee) wobei es sich aber möglicherweise um Anpassung an das Süßwasserleben zu verste- ein Vorwiegen in unterschiedlichen Tiefenzo- hen sei. Danach würden die genannten Vor- nen handeln könnte (PRETZMANN 1971). kommen in Salzwasser eher als Rückzugser- gebnis zu werten sein. Sichere Astacus-Reste stammen aus dem Zwischenartliche Konkurrenz? Oligozän Deutschlands, die ersten Süßwasser- Der Schluß, daß es sich hier also um einen krabben stammen aus dem Miozän der Süß- Fall echter zwischenartlicher Konkurrenz han- wasserablagerungen von Oeningen und Sig- 222 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at maringen, sind also wesentlich jünger (BOTT Abb. 1: Fossilfunde von zehnfüßigen Krebsen 1950; Abb. 1). (Dekapoden). 1 Astacus (Oligozän) 2 Süßwasserkrabben {Potamonauti- nenl) (unteres Miozän) Krabben als Verbreitungsbarriere 3 Süßwasserkrabben {Potamon) Pliozän Nach MAYR (1973, 1975) spielt geogra- 4 Süßwasserkrabben (Pontipotamon) phische Isolation („Separation") eine sehr (Pliozän) 5 Süßwasserkrabben (Potamon s. str.) wichtige Rolle bei der Artbildung. Nun kön- (Pliozän) nen wir aus den Befunden einer Konkurrenz 6 Centropotamon (Pliozän) zwischen Süßwasserkrabben und Flußkrebsen folgern, daß auch Krabben Verbreitungsbarrie- ren für Flußkrebse darstellen können, daß der- artige Grenzen infolge von Wanderungen und Abb. 2: Klimaverschiebungen dynamisch waren und Eindringen von Süßwasserkrabben im der heutige Zustand historische Rückschlüsse Miozän (in Anlehnung an RÖGL und erlaubt. STEININGER 1983). 1 (Potamonautinel) Man könnte sich vorstellen, daß die im 2 Potamiden-Ursprung Miozän nach Mitteleuropa einwandernden Krabben (Abb. 2) die Flußkrebse in Süd- deutschland in eine ähnliche Isolation brach- ten, wie gegenwärtig Potamon den Austropota- mobius pallipes im Apennin (vgl. RöGL & STEI- NINGER 1983). Durch eine langanhaltende Abtrennung könnte so die Gattung Austropo- tamobius (unser Steinkrebs und Dohlenkrebs) Abb. 3: aus Astacus entstanden sein, als Kleinform in Bewegungen von Süßwasserkrabben Anpassung an die kleinen höhergelegenen im Pliozän. 1 Pontipotamon Bäche. 2 Potamon Die Krabbengattungen Potamon und Ponti- powmon dürften erst im ausgehenden Pliozän, aus Osten kommend, im Süd- und Mitteleuro- pa eingewandert sein (SZOMBATHY 1916) (Abb. 3). Jedenfalls kann man in den Süßwas- serablagerungen des Eichkogels bei Baden (NÖ) Scherenreste finden, deren statistische Auswertung die Zuordnung zu Pontipotamon erlauben (BACHMAYER & PRETZMANN 1971). Potamon wurde in der gleichen Zeit aus Nor- Abb. 4: ditalien nachgewiesen (Abb.l). Somit dürften Wanderungen höherer Krebse in der Eiszeit: Eisgrenze, bis zur Eiszeit an Stelle der Flußkrebse Süß- Grenze des ständig gefrorenen Bodens wasserkrabben die Bäche und Flüsse unserer Refugien von Süßwasserkrabben Ebenen bevölkert haben; in den höheren (Grenzziehung hypothetisch) Lagen gab es vermutlich den kleinen Stein- 1 Ausbreitung von Austropotamobius (Steinkrebs, Dohlenkrebs) krebs. 2 Ausbreitung von Astacus astacus Durch den Eiszeiteinbruch müssen diese (Edelkrebs) 3 Ausbreitung von Astacus Fronten in Bewegung geraten sein: Den Süß- leptodactylus (Sumpfkrebs) wasserkrabben wurde es zu kalt und sie starben 4 Rückzug der Süßwasserkrabbe in diesen Regionen aus. In die frei werdenden Potamon edule Bereiche drangen die Flußkrebse vor, nach 5 Rückzug der Süßwasserkrabbe Potamon ibericum Italien, in den Balkan und in die Türkei, 6 Rückzug der Süßwasserkrabbe während Süßwasserkrabben in südlichen Potamon potamios 223 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Refugien überdauerten. Dort bildeten sich, in BOTT R. (1950): Die Flußkrebse Europas. — Abh. Sen- geschützten Vorkommen isoliert, wohl die kenberg. Nat. Ges. 483: 1-36. heutigen Unterarten heraus. Nach der Eiszeit BOTT R. (1955): Die Süßwasserkrabben von Afrika lief das in umgekehrter Richtung ab. Die Süß- und ihre Stammesgeschichte. — Ann. Mus. Roy wasserkrabben verdrängten die Flußkrebse aus Congo Beige 3/3: 212-349. den Ebenen, und das heutige Vorkommen der BOTT R. (1972): Besiedlungsgeschichte und Systema- Astaciden im Mediterrangebiet (Italien, Grie- tik der Astaciden Europas unter besonderer chenland, Türkei) kann man als Eiszeitrelikt ansehen. Nach Südfrankreich und auf die ibe- Berücksichtigung der Schweiz. — Rev. Suisse rische Halbinsel konnten - infolge des Alpen- Zool. 17/1: 387-408. bogens - die Krabben offensichtlich noch COLOSI G. (1920): I Potamonidi del R. Museo Zoologi- nicht nachrücken (Abb. 4). co di Torino. — Boll. Mus. Zool. Anat. Comp. 35/734: 1-39. KARAMAN M. (1976): Decapoda. — Fauna Makedoni- Zusammenfassung ja, Skopje. Süßwasserkrabben und Flußkrebse MAYR E. (1973): Animal species and evolution. — Harvard Univ. Press, Cambridge. schließen einander im Vorkommen nahezu aus. Auf der Basis der wenigen vorhandenen MAYR E. (1975): Grundlagen der zoologischen Syste- Fossilfunde und der aktuellen Verbreitungs- matik. — Parey, Hamburg. daten wird folgende Hypothese der histo- ORTMANN F. (1896): Die Verbreitung der Astaciden. — rischen Entwicklung aufgestellt: Die im Zool. Jb. 9: 585-595. Miozän nach Mitteleuropa einwandernden PESTA O. (1926): Carcinologische Mitteilungen. — Krabben führten vermutlich zu einer lange Arch. Hydrobiol. 16: 605. andauernden Isolation von Flußkrebsen in PRETZMANN G. (1971): Werden die Flußkrebse in der alpinen Regionen. Durch diese Separation Türkei durch Süßwasserkrabben verdrängt? — könnte die Gattung Austropotamobius ent- Vivarium Wien 1/1: 9-10. standen sein. Flußkrebse im Mediterran PRETZMANN G. (1972): Some fossile chelae of river stellen Reliktvorkommen aus der Eiszeit dar. crabs and the distribution of Potamon. — Tha- lassia Jugoslavica 9/1: 71-74. Literatur PRETZMANN G. (1982): Die Süßwasserkrabben der Tür- ALBRECHT H. (1982): Das System der europäischen kei. — Ann. Nat. Mus. Wien 84B. 281-300. Flußkrebse (Decapoda, Astacida). Vorschlag und PRETZMANN G. (1983): Die Süßwasserkrabben der Mit- Begründung. — Mitt. hamb. zool. Mus. Inst. 79: 187-210. telmeerinseln und der westmediterranen Län- ALBRECHT H. (1983): Die Protastacidae, n. fam., fossile der. — Ann. Nat. Mus. Wien 84B: 369-387. Vorfahren der Flußkrebse? — N. Jb. Geol. Palae- RÖGL F. S F. STEININGER (1983): Vom Zerfall der Thethis ontol. Mh. 1: 5-15. zu Mediterran- und Parathethys. — Ann. Nat. BACHMAYER F. & G. PRETZMANN (1971): Krebsreste aus ' den altpliozänen Süßwasserablagerungen des Mus. Wien 85A: 135-163. Eichkogels bei Mödling, Niederösterreich. — STAROBOGATOV J. & S. VASSILENKO (1979): Zur Systematik Ann. Naturhistor. Museum Wien 75: 283-291. der Süßwasserkrabben der Familie Potamidae (Crustacea Decapoda, Brachyura) des Mittel- meergebetes und Vorderasiens. — Zool. I. Ler- ningrad 58/12: 1790-1801. SZOMBATHY K. (1916): Tertiäre Formen der Gattung Anschrift des Verfassers: Potamon. — Ann. Hist. nat. Mus. Hist. Nat. Hun- Dr. Gerhard PRETZMANN garici 14: 405. Naturhistorisches Museum Wien Burgring 7 VANNINI M. & A. SARDINI (1971): Aggressivity and domi- A-1014 Wien nance in river crab Potamon fluviatile (HERBST). — Austria Monitore Zool. Ital. (N.S.) 5: 173-213. 224

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