Theodor Schieder 2., überarbeitete R. OLDENBOURG M 1968 © 1965 R. Oldenbourg München-Wien Druck: R. Spies & Co., Vvien INHALT 7 Der Ge:ge:nst:and der Geschichte 13 Die der Geschichte 33 III. Der "''"'"''"''""ucu"''" Zeit IV. Der Mensch in der Geschichte V. Die """'u'J'i'>"''v"u"ou der Geschichts- wissenschaft 115 Strukturen und Persönlichkeiten in der Geschichte 157 Möglichkeiten und Grenzen vergleichender Methoden in der Geschichtswissenschaft 195 Literaturhinweise und Anmerkungen 220 Nachwort 239 Zur zweiten Auflage 240 Register 241 ZUR E N G dem wird mancherlei an Themen Er kann sich über die der aPihn1·pn : Menschheit ebenso informieren wie über die Geschichte der Staaten von Amerika seit ihrer '""uu.f;cu schon wie sie zu ihren zu ihren "zu welchem Ende", wie Schiller man sie studiert. Die Geschichte scheint auf den ersten Blick eine Wissenschaft zu die ihrer Sache so sicher daß sie es nicht darüber zu oder darüber nachzudenken. Doch der Schein . Der Charakter der Ge schichte als Wissenschaft wird schon durch das sehr verschieden- Interesse in das sie zu erwecken vermag. Interesse wird hier als 1n'Nenourt2' der Aufmerksamkeit ver- standen und nicht etwa als eine sozial oder ökonomisch oder ir ".,.'""'"'"sonst bedingte Gebundenheit. Ich möchte zwischen po- schaftliebes Interesse an der Geschichte setzt bereits einen ho hen Stan.d der Reflexion voraus und erst voll seit dem 19. durch. Geschichte kann also aktiv widmen oder die von ihr nur tisches Erlebnis und pvuu""'"' _t;rzJ.eh·un;;:;:, uuuv.,uuu",~.mo Einsicht oder wissenschaftliche Erkenntnis ver mitteln. Die Neigungen, die sich ihr zuwenden lassen, sind da her sehr differenziert und führen auch sehr differenzierte Erwar- herbei: der literarisch der enga- und der philosophisch oder wissenschaftlich orientierte Leser erwartenjeder etwas anderes von einem historischen Werk. Zur Einführung Es ist offenbar allein schon aus diesen Gründen <><'11UJ''"'"' einen Konsens darüber herbeizuführen, was eigentlich die Auf gabe des Historikers ist und wie er ihr annähernd gerecht wer den kann. SoU er sich zu allererst auf seine politische · konzentrieren ? Soll er gesellschaftspolitische n""~·•uc;.u das heißt nicht nur die gesellschaftlichen und poJiltl:>cn,en nungen der sondern auch die der ~"'''"'rmr·>,.r durch Einsicht in die Gesetze der historischen Pro zesse zu verändern suchen ? Soll er im Stile von Literatur und Kunst betreiben ? Oder sollen ihn aus schließlich die Erkenntnisziele einer Wissenschaft u"'''cuuu.<<OH die sich ihre Aufgaben innerhalb ihres ohne Rücksicht auf Lebenswerte Art? Das sind Fragen über die nicht leichter beant wortet werden wenn man sie im Hinblick auf die all gemeinen geistigen, politischen und kulturellen Voraussetzun gen unter denen heute jede Geschichtswissenschaft steht. Dazu kommt noch etwas anderes: In den Wissenschaften - ich nehme diesen weitesten - sind die methodischen Grundlagen, das Objekt der Forschung unsicherer als in andern; beide sind seit der Begründung der modernen Geschichtswissenschaft zu Beginn des vorigen hunderts ständig im Fluß geblieben. Trotzdem wurden große und größte Werke der Geschichtsschreibung geschaffen, denen unsere Zeit wenig an die Seite setzen kann. Dies hindert nicht daran, daß die Meinung noch nicht ganz verstummt ist, die die Positivisten im 19. Jahrhundert ausgesprochen haben: Die Geschichte stehe noch in ihrem vorwissenschaftliehen Stadium und müsse noch zum Range einer Wissenschaft erhoben werden. Hier liegt schon ein auffälliger Widerspruch vor, der auf innere Spannungen schließen läßt; wir finden manche Belege für ihn, wenn wir den nicht seltenen Versuchen nachgehen, die Frage nach dem Wesen, dem Sinn der Geschichte zu stel len. Überraschend oft haben sich Historiker bemüht, eine Ein führung in das Studium der Geschichte zu geben und mit ihr sehr viel mehr, nämlich eine Wesensbestimmung der Geschich te und der Geschichtswissenschaft zu verbinden. Das eine Zur Einführung scheint das andere eine nur didaktische Ein- nicht möglich zu sein. Am nen steht Schillers berühmte Arltrittts>vorlesmlg hält er nicht viel: Dieser richte seinen ganzen Fleiß nach den die von dem Herrn seines Schicksals und dann nur seine zusammenge- Gedächtnisschätze zur Schau. Der aber Strebe nach einer !JilUU<oU~JlU;~<.,ltiOU .C.Ul<>l...·U<>UUIHJ". nach das heißt Geschichte der Menschheit und ihres Fortsehreheus zur Sittlichkeit und Freiheit. Von Methodik der Geschichte weiß Schiller zu sagen als auf dem Gebiete der die er zu betrei- ben berufen wurde. Um so mehr steht darüber in den gen, die noch etwas von den idealistischen .u"'~-'u"'"'u <0.uu1'"''"'1' wie sie in Schillers Rede wirksam waren: in J. G. zuerst 1857 gehaltener und Methodo logie der Geschichte, die erst 1937 unter dem Namen Histo- rik veröffentlicht wurde. Auch diese wenden sich an ein akademisches Publikum und waren als El.Jnfi:ihrung in das Studium der Geschichte gedacht: darin aber weit über das was man mit dem einer verbindet. Er gibt vielmehr einen großartigen Aufriß der Geschichtswissenschaft auf der ersten Höhe ihrer Geltung und ihres Ruhmes. Was hier unter dem Dreiklang Methodik- Systematik - der Geschichte geboten wird, ist eine Art Selbstverständnis der Geschichte im Geiste des Idealismus. Noch ganz im mit Schiller wird die Geschichte als die rastlose und fortschreitende Be wegung der Menschheit, als Weiterführung der sittlichen Mächte verstanden. Nur mischt sich in den idealistischen Glauben schon ein leichter ob das letzte Ziel der Ge schichte, die Ve rsittlichung der Welt in der Geschichte, wirklich erkennbar ist: " ... wenn unsere Forschung die sitt- 10 Zur Einführung liehe Welt als eine rastlose Kontinuität erkennt oder au.H«wc, Zweck an Zweck zu erreichen," Ganz dominierend ist die memes wohl berühmtesten Ve rsuch einer Burckhardts noch eine Burckhardt verzichtet auf ""'V"''"~"'"'~ und sucht eine der Geschichte immanente Glie- So kommt er zu der Lehre von den drei Potenzen: der drei Potenzen entstehen. Bei Burckhardt hat die Geschichte kein erkennbares Ziel - sind nicht in die Zwecke der Weisheit und kennen sie nicht" -, es sei denn das, dem Menschen zu allen Zeiten ein Mindestmaß an Der .n.''"'l5""'5"- seiner bende und handelnde Mensch", er ist und immer war und sein wird", wie er mit fast biblisch klingenden Worten sagt. Geschichte ist der Raum der menschlichen Existenz. Nicht lange nach Burckhardts Vorlesungen erschien ein Lehrbuch der historischen Methode und der sophie von Ernst Bernheim, zuerst 1889 und dann noch in mehreren Es kann sich nicht mit dem Tiefsinn von und Burckhardt messen, ist aber das wirksamste Lehrbuch unserer Wissenschaft geblieben und vermittelt einen ausgezeichneten Überblick über ihre Probleme um die hundertwende. Damals tobte der große Methodenstreit um die Geschichte, der sich vor allem an den Namen von Karl Lam precht knüpfte: der Gegenschlag gegen die idealistische und Zur Einführung individualistische der einst vom Positivismus ausgegangen vvar, erreichte nun auch das Mutterland der großen Historie des 19. Geisteswissenschaften gehen in Abwehr gegen die Naturwissen schaften und ihre sie suchen sich theoretisch zu wie das vor allem durch den Heinrich ""'"'""'"'~u", All das der zwischen der individualistischen kollektivistischen Methode eine vermittelnde Position einnimmt. Auch er - halten wir das noch fest - verbindet Ein in die Methode mit dem Versuch emer Sinn u"'"H'"'"''u.u.r; der Geschichtswissenschaft. Und schließlich noch ein ; auch dieser ist aus akademischen und wendet sich an den Studenten der Geschichte: Reinhard Witt rams Schrift Das Interesse an der Geschichte dem Untertitel: sischen Geschichtsverständnisses". liches war seit den von Burckhardt und Bernheim hen. Der Glaube an ein Ziel der ja an ihre Kontinui- tät, ihren inneren und schließlich sogar an den Sinn der Geschichte war erschüttert. Es war daß der historische Sinn, der die Leidenschaft des Denkens bedeu tet, alle Phänomene der Menschenwelt in aufzu war. Interesse an der Geschichte ist nicht werden; lH<olH'"u, es müsse gar neu af"'mrPrl<t andere wie der Hiatus zwischen der verlorenen als ~nmnenm und der "Geschichte als Wissenschaft" lasse sich nicht mehr überwinden. Geschichte als die unseres Selbst in der wissenschaftliche Geschichte mit ihren autonomen Entwick lungsantrieben, mit ihrem Institutionen und Projekten bleibt dabei eine ·"'~'""''-"''"• nur scheint sie mit dem andern fast nichts mehr zu tun zu haben, sie lebt aus sich und für sich selbst. Unter 12 Zur Einführung solchen Vorzeichen nach dem Gehalt unserer Wissenschaft zu heißt so gut wie alles in stritten schien. Es heißt, mühsam von vorn u"''"'u"'u~.u stäbe suchen, wo keine mehr vorhanden der Ge- schichte verzweifeln und sein als ausweg- los ansehen möchte. Dies ist die in der das im übri- ""''n'"'"v'""" ""'"''-z"'lJT'"' Buch von Wittram ist. gen oe:l;m,nen 'Nollen. scllö!Jte:n. aber sie wollen überaU da """''""''"'"""'n unserm Verhältnis zur Geschichte un,aeutJL!Cll, wir sie an deutschen Universitäten bisher immer noch l"mcnc•rn scheint hier unserem Vorhaben besonders Alle Vor- auf unserem Felde haben ihr Thema als Lehrer '"'"''""'"'""' delt. Sie gingen von der Absicht aus, ihre Schüler in ein Feld der Wissenschaft das sie selbst seit be """''"'"''"' aber ohne daß sie sich die Methode ihres selber ganz bewußt gemacht hatten. Sie fanden sie sozusagen, indem sie darüber dozierten, andere die ersten Schritte tun lehr ten. -Unter den Fragen, die wir stellen lautet die erste: was ist der Gegenstand, mit dem sich die Geschichte befaßt ? I. DER GEGENSTAND GESCHICHTE Als akademisches Fach steht die Geschichte neben den lm.un;p;l'"' neben den Ktmstwiss,em;c.b,att:en, aber hl.Iosc>pl::ae. Innerhalb dieses Svs:tenJs Geisteswissenschaften hat sich ihre 1m Laufe des letzten wesentlich verändert. Mit keiner Wissenschaft lebte die Geschichtswissenschaft ihren in engerer als mit der "'"'"'"''u.vu.._, die die der Echtheit und '-"'~"''"''"" '~...~!'«'''''"" als historische zum Ziele ist zuerst von Wolf entwickelt worden und bei frühen kritischen Historikern wie Barthold Nie buhr bestimmte sie noch ganz den Duktus der Gedanken und den als der hat sie Niebuhr ge- die uns durch Grammatik und Historie mit den Geistes werken und der Geschichte der Völker des Altertums so ver traut "als ob keine Kluft von ihnen trennte". Gramma tik und Historie stehen hier wie zwei Geschwister nebeneinan- die aber immer weiter voneinander wurden. Aus dem Verhältnis zu ihr werden der Geschichtswissenschaft von heute aber kaum mehr entscheidende Probleme die von einst haben sich zu modernen Literatur- und Sprachwissenschaften entwickelt, in denen die von historischen Prinzipien immer geutlicher wird. Die Ge- schichtswissenschaft, so sehr sie wie eh auf der kritischen schriftlicher hat sich doch ihrerseits andere Formen der Kritik angeeignet, je weiter sie den Begriff der als Bezeichnung für alle Arten von einer Vergangenheit faßte. Die kritische Methode nach dem klassi schen Modell, wie es Ranke im Anhang seines ersten Werkes Zur Kritik neuerer Geschichtsschreiber gegeben hat, erwei-