© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Gesänge der Singzikaden aus Südost- und Mittel-Europa M. GOGALA Abstract Songs of most Central- and Southeast- European singing cicadas (Auchenorrhyn- cha: Cicadoidea) are described and presen- ted in the form of oscillograms and sona- grams (rsp. spectrograms). Shortly, the main song producing mechanisms are described. Description of the following species are included: Cicada omi, Lyristes plebejus, Tibicina haematodes, Cicadatra atra, Tettigetta argentata, T. dimissa, T. brullei, Cicadetta tibialis, C. mediterra- nea, C. montana and Pagiphora annulata. Added are some ethological data and remarks about geographic distribution. Key words: singing cicadas, songs, Auchenorrhyncha, Cicadoidea, tymbal, Cicada omi, Lyristes plebejus, Tibicina haematodes, Cicadatra atra, Tettigetta argentata, T. dimissa, T. brullei, Cicadet- ta tibialis, C. mediterranea, C. montana, Pagiphora annulata Denisia 04, zugleich Kataloge des OÖ. Landesmuseums, Neue Folge Nr. 176 (2002), 241-248 241 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Einleitung kein Tymbal, jenen paarigen Lauterzeugungs- mechanismus, der sich bei den Männchen an Zur Erinnerung an Urlaubstage am Mittel- der Basis des Abdomens befindet. Hier sind meer gehört die unvergessliche Klangkulisse zwei große und starke Tymbalmuskel einerseits der monotonen und rhythmischen Lautäusse- median an der Ventralseite des Abdomens rungen der Singzikaden. Trot: der für unsere und andererseits an der Tymbalplatte der bei- Gefühle nicht gerade wohlklingenden Gesän- den gewölbten Tymbalmembranen befestigt. Diese Membranen haben spangenartige Ver- ge, erwecken sie bei vielen Leuten doch ange- dickungen oder Verstärkungen (Rippen), die nehme Assoziationen. sich unter dem Druck der Tymbalmuskel schlagartig eindellen und danach durch die Elastizität dieser Strukturen wieder ruckartig in die ursprüngliche Lage zurückschnellen. Die Zahl dieser spangenartigen Rippen in den Tymbalmembranen ist bei den einzelnen Arten verschieden, die Tymbalen können kur- ze Schallpulse oder Klicks entweder bei der Eindellung und beim Zurückspringen, oder nur bei einseitiger Verformung produzieren. Zusätzlich können beide Tymbalen gleich- zeitig oder metachron bewegt werden, was in vielen Fällen zu einer Verdoppelung der Klick- trequenz führen kann. Die Gesangmuster sind deutlich artspezi- tisch, was für die Bedeutung im Werbeverhal- ten bei der Erkennung der Paarungspartner spricht. Trotzdem ist nicht geklärt, warum diese Tiere im Imaginalzustand bei uns in Europa tagsüber fast ununterbrochen singen. Wenigstens bei einigen Arten kennen wir neben den Lockgesängen auch bestimmte Werbe-Gesänge, zusätzlich erzeugen viele Arten auch unregelmäßige Protest- oder Alarm-Signale bei Berührung. Was man jedoch im allgemeinen hört, sind meistens Lockgesänge, die zum Beispiel bei der Eschenzikade (Cicada irmi) im Sommer gleich- mäßig durch viele Stunden in der Landschaft Abb. 1: Erzeuger dieser Laute sind Singzikaden ertönen. Durch die Gesänge angelockte Weih- Der russische Singzikadenforscher (Cicadoidea), verhältnismäßig große Insekten, A. Popov mit dem auf die Telinga- chen fliegen zu den singenden Männchen, Parabolantenne montierten Ultra- die Laute nicht wie die Heuschrecken und vie- Einzelheiten des Werbe- und Paarungsverhal- schall-Mikrophon und Detektor bei le andere Insekten durch Reibung zweier rau- tens sind aber bei vielen Arten nicht genauer Feldaufnahmen in Slowenien. DAT - her Skelettstrukturen, sondern durch Knicken digitales Kassettenrekorder, USD - bekannt. Ultraschalldetektor, TLG - Telinga von gewölbten Membranen erzeugen. In Euro- Bevor mit der Beschreibung einzelner parabola mit einem Ultraschallmikro- pa gibt es etwa 40 Arten, von denen in dieser phon. (Nach POPOV et al. 1997). Arten begonnen wird muss festgehalten wer- Übersicht nur ein Drittel vorgestellt wird. Bei den, dass im mittleren Teil des nördlichen Mit- den meisten Singzikadenarten singen nur die telmeerraums und in Mitteleuropa für das Männchen, und soweit bekannt, sind die menschliche Ohr laut und für jedermann hör- Weibchen meistens stumm, nicht jedoch taub, bar nur drei bis vier grössere Arten singen, alle es sind nur einige wenige Arten imstande, ein anderen erzeugen Laute im höheren Frequenz- kurzes, klickartiges „Ja" im Paarungsverhalten bereich und sind deshalb nicht so leicht zu auszusenden. Die Weibchen besitzen nämlich erkennen. Zu letzteren sind besonders die 242 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Zwergzikade (Tettigetta brullei) und einige oder Silben, die nur selten durch eine längere Arten des Bergzikadenkomplexes :u zählen. unterbrochen wird. Viele Tiere versammeln Der Hauptfrequenzhereich der Zwergzikade sich oft an einzelnen Bäumen und singen syn- liegt zum Beispiel zwischen 15 und 25 kHz, chron oder auch alternierend zusammen also an der oberen Hörgrenze eines jungen, (Abb. 2). Der rhythmische Gesang ertönt in gesunden Menschen. Deshalb ist der den Sommermonaten von Ende Juni bis Ende Gebrauch von Ultraschalldetektoren oder August in voller Lautstärke, vorausgesetzt die sogenannten Fledermausdetektoren zu emp- Sonne scheint und die Temperatur ist hoch fehlen. Damit und in der Kombination mit einem parabolischen Reflektor (Abb. 1) kann genug. man auch kleinere, hoch singende Arten aut Cicada orni Abb. 2: grössere Entfernung von einigen zehn Metern Gesang der Eschenzika- hören, lokalisieren und aufnehmen. Genauere de (Cicada orni). Oszil- Hinweise darüber sind in der angeführten lograme (b, c) und Literatur zu finden (GOGALA et al. 1996, Sonagram oder Spek- trogram (a) des Lockge- POPOV et al. 1997). sangs. In c Wechselge- Zur Entwicklung ist zu sagen, dass die Lar- sang (Alternierung) von zwei Männchen. ven der Singzikaden in der Erde leben und pflanzliche Säfte aus den Wurzeln verschiede- ner Bäume und Sträucher saugen. Die Ent- wicklung dauert bei den meisten Arten meh- rere Jahre, so z. B. bei den Bergzikaden 4- 5 Jahre, bei anderen Arten - soweit man weiß 3 [s] - auch weniger, und bei den amerikanischen Arten der Gattung Magicicada sogar 1 3 oder 17 Jahre. Am Ende ihres Larvaldaseins gräbt sich die ausgewachsene Larve mit den starken Grabbeinen an die Oberfläche, und aus der alten Haut schlüpft nach einer kurzen Pause ein adultes, geflügeltes Insekt. Weibchen Abb. 3: legen die Eier in die weichen Äste verschiede- Lyristes plebejus Gesang der Großen ner Pflanzen, nach einigen Wochen schlüpfen Zikade {Lyristes a die Larven und vergraben sich in die Erde. iiL plebejus). Oszillograme (a, b, d) und Sonagram Nähere Angaben über die Systematik, (c) des Lockgesangs. In Morphologie und Verbreitung der im folgen- W a, b und d sind die cha- den angeführten Arten findet man in der rakteristischen Teile einer Sequenz und Arbeit von ScHEHL (2000). Eine gute Darstel- 0 1 2 3 [s] Spektrogram vom Aus- lung der Gesänge der westmediterranen Sing- b schnitt d vorgezeigt. zikaden ist in den Arbeiten von BoULARli UM liiiliiiiiiiimtmMl (1995) und BOULARD & MONIXW (1995) zu finden. I? fw» i'i 12 13 Die „großen" Arten 20 c . Die bekannteste Art der Singzikaden, die 10- fast jedermann aus den Mittelmeerländern • • • • •• • • • • •• Ü« und warmen Gebieten von Mitteleuropa IkHz)" kennt, ist die Eschen- oder Mannazikade 18 19 20 21 [s] (Cicada ami). Sie ist die häufigste und auch d eine der grösseren und lautesten Arten in die- • sem Gebiet. Die Tiere erkennt man anhand ™ der dunklen Flecken an den Flügelrändern. Der Gesang ist eine monotone Wiederholung (5-8mal pro Sekunde) der kurzen Echemen 18 19 20 21 [s) 243 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Die zweite große, laute und auch häufige Eine weitere Spezies, ebenso vom Alt- Art am Mittelmeer ist die Große Zikade (L\ri- meister der Entomologie SCOPOLI (1763) beschrieben, ist die Blutrote Zikade (Tibicina stes pkbejus), die durch den bekannten Ento- haematodes), die häufigste Art der Gattung im mologen J.A. SCOPOLI im Buch Entomologia westlichen und östlichen Mediterranraum. camiolica (1763) beschrieben wurde. Diese Das Gesangmuster besteht :u Beginn aus :wei Zikade hat ein komplizierteres Gesangmuster, bis vier Schallintensitätschwankungen, die beginnend mit einer schnellen Folge von kur- dann unmittelbar in ein gleichmässiges Sum- zen Echemen, an den Gesang der Eschenzika- men übergehen. Dieses Geräusch kann von de erinnernd, und danach in ein gleichmässi- etwa fünfzehn Sekunden bis :u einer halben Minute dauern, die vollständige Sequen: wird Abb. 4: Gesang der Blutroten Tibicina haematodes nach einer etwa gleich langen Pause wieder- Zikade (Tibicina haema- holt (Abb. 4). Diese Zikade erscheint im todes). Oszillograme 20- Mittelmeergebiet früher als beide oben (b, c) und Sonagram a genannten Arten, und zwar schon in der -wei- (a) des Lockgesangs. In ten Junihälfte. b und c sind der Anfang 10- •i und das Ende einer sich [kH2|. wiederholenden Phrase Die „kleineren" Arten und Spektrogram vom Ausschnitt b vorgezeigt. C i 2 3 [s] jjyi Nachfolgend finden sich Beschreibungen b kleinerer Singzikaden und ihrer Lautäusserun- gen, die bei vielen Arten sehr hochfrequent und daher vom Menschen nur schwer wahr- nehmbar sind. 0 1 2 3 [s! Die Schwarze Zikade {Cicadatra atra) ist in ^^ Südeuropa stellenweise sehr häufig und Mi kommt auch an einigen Stellen im kontinen- talen Mitteleuropa vor. Von dieser Gattung findet man im nördlichen Mittelmeerraum noch drei weitere Arten, Cicadatra platyptera, C. persica und C. hyalina, die hier jedoch 14 15 16 [s] unberücksichtigt bleiben. Für diese Arten ist Abb. 5: charakteristisch, dass sie die Schallsignale Gesänge der Schwarzen Cicadatra atra Zikade (Cicadatra atra). nicht nur mit den Tymbalen, sondern auch Oszillograme (b, d) und mit den Flügeln erzeugen. Das gilt auch für die Sonagrame (a, c) der Schwane Zikade, die beim Werbegesang zwi- Gesänge. Werbegesang schen dreimal pro Sekunde wiederholenden (a, b) mit kurzen Flü- gelklicken zwischen den langen Echemen deutliche Klicks mit beglei- Tymbalsilben. In c und d tenden Flügelbewegungen aussenden. Ausser- ist der kontinuierliche dem kennt man bei dieser Art noch ein ähnli- Gesang dargestellt. ches Gesangmuster ohne Klicks sowie einen kontinuierlichen Gesang (Abb. 5). Eine westmediterrane bis Slowenien ver- breitete Art ist die Silbrige Zikade (Tettigetta argentata). Kurze, tickartige Silben des Ge- sangs werden 10 bis 12 mal pro Sekunde wie- derholt, dieser Rhythmus wird nach einigen Sekunden langen Sequenzen kurzfristig ver- ges Summen übergehend. Darauffolgend langsamt und wieder beschleunigt (Abb. 6). beginnt die gan:e, etwa 20 Sekunden lange Sequenz ohne Pause mit schneller Silbentolge Im Gegensatz zu T. argentata ist die Art wieder vom Anfang an (Abb. 3). Auch diese Tettigetta dimissa ostmediterran verbreitet. Sie Art kommt in manchen Gegenden oft in ist viel häufiger als manchmal angenommen. großer Zahl vor und singt dort gemeinsam im Oft sitzen die Tiere nämlich an denselben Chor. Bäumen, an denen auch die für uns vom Fre- 244 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at quenzband her gut wahrnehmbaren Eschenzi- kurzen und einem längeren Echem, der zweite kaden (Cicada omi) und Großen Zikaden Gesang hat jedoch eine komplizierte, aus vier Segmenten bestehende Struktur mit steigen- (Lynstes plebejus) singen. Mit dem oben der Schallintensität, die im Bild vorgestellt ist erwähnten Ultraschalldetektor lässt sich diese (Abb. 7) (siehe auch GOGALA & POPOV Art jedoch recht häufig entdecken. Diese 2000). Das Vorkommen dieser Art beschränkt Singzikade zeichnet sich durch zwei Gesänge sich nicht nur auf die Nähe von Meeres- aus, einer besteht aus einer gleichmäßigen küsten, sondern ist stellenweise auch an sonni- Wiederholung kurzer Sequenzen mit 4 bis 5 gen Stellen im Inneren des Landes feststellbar. Tettigetta argentata Tettigetta brullei 20- ii *l 20- a a HIHIHI IIIIIIIHIIIIIIIIIIII Hl! 10 *aa !*=• pm 10- IkHl] (kHz] 0 1 2 Is) 0 1 2 3 |s b b |i II 0 1 2 3 [s] 20- J <• pli i i«II •H2I wm' [s] c Abb. 6: Gesang der Silbrigen Zikade {Tettigetta argentata). Oszillogram (b) 10. und Sonagram (a) des Lockgesangs. Beachte die charakteristische [kHz! Verlangsamungen der Wiederholungsrate bei der 1. und 3. Sekun- de. D 1 2 Is] ^ ^| <l <l 4 d Tettigetta imissa j i 2 (si Abb. 8: Gesänge der Zwergsingzikade (Tettigetta brullei). Oszillograme (b, d) und Sonagrame (a, c) der Gesänge. Die Hauptenergie der Signale liegt im Frequenzband zwischen 16 und 22 kHz, also schon im Ultraschall. Beide Gesangsmuster werden ohne Unterbrechung abgewechselt. Abb. 7: Gesänge von Tettigetta dimissa. Oszillograme (b, c, e) und Sonagrame (a, d) der Gesänge. Erster Gesang (d, e) mit monotoner Wiederholung des Grundmusters. In a bis c ist komplexer, aus vier Segmenten bestehender zweiter Gesang dargestellt. 245 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Zur gleichen Gattung gehört die Zwerg- (Porov et al. 1997). Die Tiere erscheinen singzikade (Teuigetta brullei). Ihr Gesang schon am Anfang Juni und sit:en oft hoch in erscheint wieder in :wei verschiedenen Eichen und anderen Bäumen. Mustern und beide werden abwechselnd aus- Etwas grosser ist die Art Cicadetta tibialis, Abb. 9: gesandt. Die Hauptenergie beider Gesangmu- die man als Hühnerzikade bezeichnen könnte, Gesänge der „Hühnerzikade" ster liegt zwischen 15 und 25 kH:, also schon da einer der :wei Gesänge stark an das (Cicadetta tibialis). Oszillograme (b, d) und Sonagrame (a, c) der Gesänge. hauptsächlich im für Menschen unhörbaren Gackern von Hühnern erinnert. Der zweite Erster (a, b) und zweiter Gesang (c, d) Ultraschall (Abb. 8), der Gebrauch eines Gesang ist wiederum eine gleichmäßige Wie- werden ohne Unterbrechnung abge- wechselt. Ultraschalldetektors ist deshalb angebracht derholung der gleichen kurzen Echeme, beide Cicadetta tibialis Cicadetta montana - kurzer Gesang ItaiiiiiiiitiijMii 20 - WHtf a 10 10- (kHz! [kHz] 3 [sj • 3 1 2 3 !i] b I I I M I I M I I I 0 1 2 3 [s] Cicadetta montana - langer Gesang 3 is] 20- fH c 10- [kHz] 20 40 60 |s) d Cicadetta mediterranea ) 20 40 60 [s] Abb. 11: Lockgesänge der beiden Taxone der Bergzikade {Cicadetta montana). Oszillograme (b, d) und Sonagrame (a, c) der Gesänge. In a und b ist der Gesang mit kurzen, einige Sekunden langen Phrasen mit noch kürzerem Abschlußechem dargestellt. In höheren Lagen sind die Bergzikaden mit um eine Minute langen Phrasen ohne Abschlußechem (c, d) häufig (Beachte verschiedene Zeitachsen in a, b gegenüber c und d!). 20- c 10 Abb. 10: [kHzl Gesänge der Mittelmeerzikade (Cicadetta mediterranea). Oszillograme (b, d) und Sonagrame (a, c) der Gesänge. Der erste Gesang (a, b) ähnelt dem ersten Gesang der Hühnerzikade, der zweite (c, d) ist jedoch deutlich verschie- den. Beide Gesänge werden ohne Unter- brechung abgewechselt. 246 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Schallmuster werden ohne Unterbrechung kürzere, meistens 3-10 Sekunden dauernde etwa minutenweise abgewechselt (Abb. 9) und in der Intensität steigende Silben, die am (GOGALA et al. 1996). Auch diese Art kommt Ende durch einen kurzen und lauten Echem stellenweise im Landesinneren mittel- und abgeschlossen sind (Abb. lla,b). Letztes südeuropäischen Regionen vor, besonders Gesangmuster hat schon M. Boulard in sei- massenhaft an vielen Orten des Mittelmeer- nem bekannten Buch (BOULARD &. MoNPON raumes. 1995) und in einem Artikel (BOULARP 1995) Durch einen dem Gackergesang ahnli- beschrieben. Im vergangenen Jahr haben For- chen Gesang, mit einem Grundmuster, beste- scher aus Frankreich und Slowenien noch ein hend aus vier oder fünf kunen und einem län- geren Echem, charakterisiert sich auch die Mediterrane Zikade (Cicadetta mediterranea). Papiphora annulate Im Gegensatz zur vorigen Art ist jedoch das 20 - zweite Gesangmuster vollkommen abwei- a chend, es besteht aus einer sehr schnellen Fol- 10- • t f- ge vieler (10-12) kurzer und einem längeren Echem, wobei dieses Muster wiederholt wird IkHz] • if" (Abb. 10) (GOGALA & POPOV 1997). Diese 0 2 3 Is) Zikade lebt nur direkt im Nahbereich von Meeresküsten an niedrigen Pflanzen in der b Brandungszone, nur einige zehn Meter vom i A A g Wasser entfernt. 1 i ll Eine problematische Singzikaden-„Art", nämlich die Bergzikade (Cicadetta montana), 3 1 2 3 [s] soll hier nicht unbehandelt bleiben. Die Art kommt an geeigneten Stellen in ganz Europa drittes, vollkommen verschiedenes Muster bei Abb. 12: vor, dabei hat es sich aber gezeigt, dass sich Gesang von Pagiphora annulata. Oszil- „Bergzikaden" festgestellt, es handelt sich hinter dieser Sammelart ein Artenkomplex logram (b) und Sonagram (a) des Lock- dabei offensichtlich um die Lautäusserung gesangs. Der Frequenzbereich der Sig- verbirgt. Vor kurzem wurde ein Taxon als einer bislang unbeschriebenen Art. Solange nale ist ähnlich wie bei den großen Unterart aus Mazedonien, C. montana macedo- Singzikaden (Abb. 2-4). Der Abschluß- dieses Thema nicht gründlich erforscht und mca beschrieben (SCHEDL 1999, GOGALA & teil der drei letzten Silben hat breit- publiziert ist, können keine fundierten Artbe- bandiges Spektrum als Folge der Flü- TRILAR 1999) und ein anderes aus den zeichnungen gemacht werden. Anhand dieses gelklicken. Pyrenäen als eigene Art C. cerdaniensis Beispiels kann der unersetzbare Stellenwert benannt (PUISSANT 6k BOULARD 2000). Beide der Bioakustik in der taxonomischen For- Berg-Singzikaden sind von den „typischen" schung untermauert werden. Bergzikaden (C. montana) morphologisch nur schwer unterscheidbar, die Gesänge sind Am Schluss soll die besondere kleine jedoch vollkommen verschieden. Damit nicht Singzikade Pagiphora annulata nicht uner- genug, kommen doch in Slowenien, in der wähnt bleiben. Diese Art ähnelt in der Größe Schweiz und wahrscheinlich noch in vielen und im Vorkommen der Hühnerzikade Cica- anderen Ländern mindestens drei verschieden detta tibialis. Pagiphora annulata wurde von mir singende Bergzikaden vor; an manchen Loka- selbst nur in Mazedonien gefunden, gehört litäten zudem sympatrisch! In dieser Arbeit sowie die Gesänge aufgenommen (GOGALA & werden wir nur noch jene Bergzikaden, die TRILAR 2000), sie kommt aber natürlich auch lang, ungefähr 1 Minute dauernd gleichmäßig in Griechenland und anderen Gegenden vor. singen und solche, deren Grundmuster kurz, Vom bioakustischen Standpunkt aus stellt sie nur einige Sekunden dauert, erwähnen (siehe eine besondere Kuriosität dar: Die meisten auch GOGALA 6k TRILAR 1999). Die ersteren Singzikaden folgen einer umgekehrten Pro- beginnen mit einem leisen Summen, das portionalität zwischen Körpergröße und Fre- allmählich in der Intensität ansteigt und quenzbereich (BENNETT-CLARK & YOUNG am Ende ohne Besonderheiten ausklingt 1994). Kleine Arten singen also höher, die (Abb. llc,d). Die zweite Bergzikade hat viel grösseren tiefer. Das ist physikalisch verständ- 247 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at lieh, weil die Resonanzräume für tiefere Literatur Frequenzen grosser sein müssen. Pagiphora BENNETT-CLARK H. & D. YOUNG (1994): The scaling of annulata will jedoch nichts von Physik wissen song frequency in cicadas. — J. exp. Biol. 191: und singt im selben Bereich zwischen 3 und 291-294. 4 kHz wie die viel grösseren Arten Cicada omi, BOULARD M. (1995): Postures de cymbalisation, cym- Lyrist« plebejus oder Tibicina haematodes balisations et cartes d'identite acoustique des cigales. 1.- Generalites et especes mediterranee- (GOGALA & TRILAR 2000). Die gleich große nes (Homoptera Cicadoidea). — EPHE, Biol. Cicadetta tibialis singt im Frequenzband zwi- Evol. Insectes 7/8: 1-72. schen 14 und 20 kHz. Dazu ergänzt Pagiphora BOULARD M. & B. MONDON (1995): Vies & Memoires de annulata ihr Gesang noch mit Flügelklick-Sig- Cigales. — Equinoxe, Barbentane. nalen (Abb. 12), ähnlich wie die Schwarze GOGALA M. & A. GOGALA (1999): A checklist and pro- visional atlas of the Cicadoidea fauna of Slove- Zikade Cicadavra acra. nia (Homoptera: Auchenorrhyncha). — Acta Aus dieser kurzen Vorstellung der Singzi- entomologica slovenica 7: 119-128. kaden kann man ersehen, dass selbst in Euro- GOGALA M. a A.V. POPOV (1997): Bioacoustics of sin- ging cicadas of the western Palaearctic: Cicadet- pa noch viel Interessantes zu entdecken ist. ta mediterranea (PANZER) (Cicadoidea:Tibici- Wer jedoch einmal die Gelegenheit hatte, nidae). — Acta entomologica slovenica, 5(1): abwechselnd ohrenbetäubende und melodiöse 11-24. Gesänge der tropischen Zikaden zu hören, GOGALA M. & A.V. POPOV (2000): Bioacoustics of sin- ging cicadas of the Western Palaearctic: Tetti- kann sich vorstellen, welche Biodiversität in getta dimissa (HAGEN) (Cicadoidea: Tibicinidae). Lautäusserungen und dem akustischen Verhal- — Acta entomologica slovenica 8(1): 7-20. ten dort noch zu erforschen ist. GOGALA M. & T. TRILAR (1999): The song structure of Cicadetta montana macedonica SCHEDL with remarks on songs of related singing cicadas Zusammenfassung (Hemiptera: Auchenorrhyncha: Cicadomorpha: Tibicinidae). — Reichenbachia 33: 91-99. Die Gesänge der meisten mittel- und GOGALA M. & T. TRILAR (2000): Sound emissions of südosteuropäischen Singzikadenarten werden Pagiphora annulata (Homoptera: Cicadoidea: textlich und in Form von Oszillogrammen und Tibicinidae) - a preliminary report. — Acta ento- mologica slovenica 8(1): 21-26. Sonagrammen beschrieben. Die wesentlichen GOGALA M, POPOV A.V. & D. RIBARIC (1996): Bioacou- Mechanismen der Lauterzeugung werden kurz stics of singing cicadas of the western Palaearc- vorgestellt. Folgende Arten finden Berück- tic: Cicadetta tibialis (PANZER) (Cicadoidea:Tibici- nidae). — Acta entomologica slovenica 4(2): sichtigung: Cicada omi, Lyristes pkbejus, Tibici- 45-62. na haematodes, Cicadatra atra, Tettigetta argenta- POPOV A.V., BEGANOVICE A. & M. GOGALA (1997): Bioa- ta, T. dimissa, T. bruliei, Cicadetta tibialis, coustics of singing cicadas of the western Palae- C. mediterranea, C. montana und Pagiphora arctic: Tettigetta bruliei (FIEBER 1876) (Cica- doidea: Tibicinidae). — Acta entomologica annulata. Anmerkungen zur Ökologie und slovenica 5(2): 89-102. Verbreitung der Arten werden beigefügt. PUISSANT S. & M. BOULARD (2000): Cicadetta cerdanien- sis, espece jumelle de Cicadetta montana decryptee par I'acoustique (Auchenorrhyncha, Cicadidae, Tibicinidae). — EPHE, Biol. Evol. In- sectes 13: 111-117. SCHEDL W. (1999): Eine neue Unterart der Bergsingzi- kade im Balkan, Cicadetta montana macedonica ssp. n. (Hemiptera: Auchenorrhyncha: Cicado- morpha: Tibicinidae). — Reichenbachia Mus. Tierkd. Dresden 33(1): 87-90. SCHEDL W. (2000): Taxonomie, Biologie und Verbrei- Anschrift des Verfassers: tung der Singzikaden Mitteleuropas (Insecta: Homoptera: Cicadidae et Tibicinidae). — Ber. nat.-med. Verein Innsbruck 87: 257-271. Prof. Dr. Matija GOGALA SCOPOU J.A. (1763): Entomologia carniolica. — J.T. Prirodoslovni muzej Slovenije Trattner, Wien. Preäernova 20 SI-1000 Ljubljana 248