Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche, betriebliche und tarifliche Analysen zur Entgeltgleichheit Inhalt Einleitung 1. Entgeltgleichheit – ein vieldeutiger Begriff 2. Gesamtwirtschaftliche Analysen von Entgeltgleichheit 2.1 Der unbereinigte Gender Pay Gap 2.2 Die Analyse der Ursachen 2.3 Empirische Ergebnisse 2.4 Zur Aussagekraft des unerklärten Rests 2.5 Maßnahmen zur Verringerung des Gender Pay Gap 3. Betriebliche Analysen von Entgeltgleichheit 3.1 Betriebliche Analysen mit Logib-D 3.2 Betriebliche Analysen mit eg-check.de 3.2.1 Analyse des Grundentgelts 3.2.2 Analyse der Leistungsvergütung 3.3 Maßnahmen zur Beseitigung von Entgeltdiskriminierung 4. Tarifliche Analysen von Entgeltgleichheit 4.1 Analyse des tariflichen Geltungsbereichs 4.2 Analysen zur tariflichen Arbeitsbewertung 4.3 Analyse zu tariflichen Stufensteigerungen beim Grundentgelt 4.4 Maßnahmen zur Beseitigung von Entgeltdiskriminierung 5. Fragen zum Text 6. Links 7. Literatur 8. Endnoten 9. Angaben über die Autorin 1 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online Einleitung litischen Maßnahmen daraus abgeleitet werden (kön- Obwohl Deutschland zu den führenden Wirtschafts- nen). Um Verständnisproblemen vorzubeugen, sind nationen zählt, ist die Einkommenssituation von Frauen zunächst die Begriffe der Entgeltgleichheit und der noch immer deutlich schlechter als die der Männer: Die Entgeltdiskriminierung zu klären, denn sie werden un- Entgeltlücke - der sog. Gender Pay Gap (GPG) - beträgt terschiedlich ausgelegt. nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in den letzten Jahren nahezu konstant 23%. Mit Besorgnis wird seitens der Politik festgestellt, dass Deutschland 1. Entgeltgleichheit – ein vieldeutiger Begriff im EU-weiten Ranking nach wie vor einen der letzten In wissenschaftlichen Untersuchungen und poli- Plätze einnimmt. Angesichts dieser Ausgangslage stellt tischen Diskussionen zu Verdienstunterschieden der sich die Frage nach den Ursachen ungleicher Bezahlung Geschlechter haben die Begriffe „Entgeltgleichheit“ von Frauen und Männern. Damit rücken Analysen zur und „Entgeltdiskriminierung“ unterschiedliche Bedeu- Entgeltungleichheit der Geschlechter, d.h. ihre theore- tungsinhalte. Grob kann zwischen einem rechtlichen tischen Konzepte, Instrumente und Ergebnisse in den und einem ökonomischen Verständnis dieser Begriffe Mittelpunkt des Interesses gleichstellungspolitischer unterschieden werden: Akteurinnen und Akteure. Denn erst aus den Ursachen- analysen ergeben sich für sie Hinweise darauf, auf wel- Rechtliches Verständnis von Entgeltgleichheit und chen Ebenen gleichstellungspolitisches Handeln anzu- Entgeltdiskriminierung: setzen hat und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, Die Mitgliedstaaten der EU haben Entgeltgleichheit um die Einkommenssituation von Frauen gerechter zu für Männer und Frauen in Art. 157 des Vertrags über gestalten. die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (ex- Artikel 141 EG-Vertrag) sowie in Artikel 4 Richtlinie Mit Ursachenanalysen zur Entgeltgleichheit befassen 2006/54/EG definiert: In dem letztgenannten Artikel sich Wissenschaftler/innen unterschiedlicher Fachdiszi- heißt es: „Bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die plinen. Große Beachtung finden ökonomische Analysen als gleichwertig anerkannt wird, wird mittelbare und des Gender Pay Gap, wie sie vom Statistischen Bun- unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts desamt und von verschiedenen wirtschaftswissenschaf- in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und –bedin- tlichen Instituten1 vorgenommen werden. Diese öko- gungen beseitigt.“ Aus diesen Normen sowie aus dem nometrisch-statistischen Analysen beziehen sich nicht Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ergibt sich nur auf die Ebenen der Gesamtwirtschaft, der Branchen für den Staat die politische Verpflichtung, den Rechts- und Regionen, sie werden seit kurzem von der Bundes- grundsatz der Entgeltgleichheit zu gewährleisten. Zu- regierung auch für die betriebliche Ebene empfohlen.2 gleich sind sie verbindlich für einzelne Arbeitgeber und In der Diskussion zur Analyse von Entgeltgleichheit Tarifparteien. spielen jedoch auch rechtswissenschaftliche Arbeiten3, soziologische Untersuchungen4 sowie Beiträge aus der Aus dieser Definition folgt für die Analyse von Ent- Managementforschung5 und der Arbeits- und Organisa- geltgleichheit, dass die konkreten Arbeiten von Frauen tionspsychologie6 eine bedeutende Rolle. Sie wählen und Männern und das hierfür gezahlte Entgelt in Be- einen anderen analytischen Zugang zum Problem des ziehung zu setzen sind. Die zentralen Begriffe dieses ungleichen Arbeitsentgelts der Geschlechter. Diese Un- Rechtsprinzip werden wie folgt ausgelegt: tersuchungen beziehen sich vorrangig auf die betrieb- liche und tarifliche Ebene. Mit „Arbeit“ ist der Arbeitsplatz oder die Stelle gemeint, unabhängig von der Person, die die Arbeit Im Folgenden werden unterschiedliche analytische verrichtet. Eine „gleiche“ Arbeit ist durch weitgehend Ansätze zur Entgeltgleichheit auf gesamtwirtschaft- identische Aufgaben und Entgeltbedingungen gekenn- licher, betrieblicher und tariflicher Ebene vorgestellt. zeichnet (z.B. Zugführer/Zugführerin). Als „gleichwer- Es wird jeweils erörtert, welche konzeptionellen An- tig“ gelten inhaltlich verschiedene Tätigkeiten, die nahmen von Entgelt(un)gleichheit diesen Analysen hinsichtlich ihrer Anforderungen und Belastungen von zugrunde liegen, welche Instrumente sie anwenden, gleichem Wert sind, d.h. ein gleiches Anforderungs- und zu welchen Ergebnissen sie gelangen und welche po- Belastungsniveau aufweisen. Allerdings zeigt sich nur 2 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online bei geschlechtsneutraler Betrachtung der Vergleichsar- tung als potentiell diskriminierend befunden.9 beitsplätze (z.B. Kraftfahrer/in – Sekretär/in), ob sie gleichwertig sind. Eine geschlechtsneutrale Arbeitsbe- In rechtlicher Perspektive wird zwischen Entgelt- wertung kann nicht als gegeben vorausgesetzt werden. und Beschäftigungsdiskriminierung unterschieden (Vgl. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass Geschlechter- § 2 AGG). Diese Unterscheidung ist auch für die recht- stereotypen, tradierte Rollenvorstellungen, Gruppenin- lich orientierte Analyse von Bedeutung, denn in diesen teressen und Kostenkalküle die Bewertung von frauen- Bereichen wirken unterschiedliche Diskriminierungsme- und männerdominierten Tätigkeiten beeinflussen. chanismen, die durch unterschiedliche Maßnahmen zu Daher gelten tarifliche und betriebliche Arbeitsbewer- beseitigen sind. Die Analyse von Entgeltgleichheit be- tungssysteme nicht per se als diskriminierungsfrei. zieht sich nur auf die (direkte) Entlohnung, d.h. es wer- den keine Entgeltdifferenzen untersucht, die indirekt Mit „Entgelt“ sind alle Entgeltbestandteile gemeint, aus einer Beschäftigungsdiskriminierung resultieren. die der Arbeitgeber unmittelbar oder mittelbar als Geld oder Sachleistung zahlt (Artikel 2 Richtlinie 2006/54/ Ökonomisch-statistisches Verständnis von Entgelt- EG). Potentiell kann jeder einzelne Entgeltbestandteil gleichheit und Entgeltdiskriminierung: - sei es die Leistungsvergütung, der Erschwerniszu- In ökonomisch-statistischen Analysen zum Ge- schlag oder die Abfindung – aufgrund des Geschlechts nder Pay Gap wird Entgeltgleichheit zwischen den Ge- diskriminieren, sei es, dass gleiche oder gleichwertige schlechtern angenommen, wenn Männer und Frauen Leistungen von Frauen schlechter beurteilt werden als mit gleichen Strukturmerkmalen ein gleich hohes die von Männern, oder dass gleiche oder gleichwertige durchschnittliches Bruttostundenentgelt erhalten. Zu Erschwernisse an Arbeitsplätzen von Frauen gar nicht diesen Merkmalen gehört die Struktur des Humanka- bewertet und bezahlt werden. Daher ist jeder Entgeltbe- pitals von Frauen und Männern: die Ausbildung, die standteil entsprechend seiner spezifischen Bewertungs- potentielle Berufserfahrung und das Dienstalter. Grund- logik separat zu prüfen. Bei pauschaler Betrachtung des legend wird davon ausgegangen, dass Frauen und Män- Gesamtarbeitsentgelts ließe sich die Quelle der Diskri- ner in ihr Humankapital investieren und hierfür einen minierung nicht erkennen und nicht beseitigen. Diese entsprechend hohen Lohn erhalten (vgl. Becker 1971). Analysemethode ist auch rechtlich geboten.7 Die Investitionen in Humankapital gelten als Ergebnis rationaler Entscheidungen. Das heißt: Frauen, die fami- Eine unmittelbare Entgeltdiskriminierung läge lienorientiert sind, investieren bewusst weniger in ihre vor, wenn „eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine Ausbildung und Berufserfahrung und nehmen entspre- weniger günstige Behandlung als eine andere Person chende Lohnkürzungen in Kauf. Die Humankapital-Va- in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat riablen beschreiben die betriebliche Produktivität der oder erfahren würde“. Ein Beispiel: Bei der Firma Sü- Arbeitskräfte. Im Rahmen ökonometrischer Analysen derelbe verrichteten Frauen dieselbe Arbeit wie ihre kann sichtbar gemacht werden, ob Männer und Frauen männlichen Kollegen, sie wurden jedoch nach dem un- mit gleichem Humankapital unterschiedlich entlohnt günstigeren Angestelltentarifvertrag entlohnt.8 werden. Dann wird von einer Ungleichbewertung von Humankapital ausgegangen. Eine mittelbare Entgeltdiskriminierung wird „durch dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Krite- Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtergrup- rien oder Verfahren“ verursacht, die schwer zu erkennen pen können auch durch horizontale und vertikale sind, weil sie keine erkennbare Differenzierung nach Segregation auf dem Arbeitsmarkt bedingt sein. Da- Geschlecht aufweisen, jedoch benachteiligend auf Per- her werden weitere Erklärungsfaktoren wie Beruf, Wirt- sonen des einen Geschlechts auswirken. Ein Beispiel: schaftsbranche, Betriebsgröße sowie berufliche Hierar- Bei der Leistungsvergütung erscheint das Bewertungs- chieebene in die Analysen einbezogen. (Einen Überblick kriterium „zeitliche Flexibilität“ geschlechtsneutral. Es über die vom Statistischen Bundesamt verwendeten kann jedoch Frauen (oder Männer) diskriminieren, die Strukturmerkmale gibt Kapitel 2.2). aufgrund von Familienpflichten weniger flexibel sind als ihre Kollegen ohne Familienpflichten. Daher hat der In der Humankapitaltheorie werden nicht nur die EuGH dieses Kriterium im Rahmen der Leistungsvergü- Investitionen in das Humankapital, sondern auch Ent- 3 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online scheidungen für bestimmte Berufe oder Branchen als und Akteurinnen, die aktiv werden sollen: Nach der Selbstselektion interpretiert: Familienorientierte Logik der Humankapitaltheorie sind es im Wesentlichen Frauen wählen vor allem Berufe und Beschäftigungs- die Frauen selbst, die für Entgeltgleichheit sorgen kön- verhältnisse, die sich am besten mit Familienaufgaben nen, indem sie hinsichtlich der Ausbildung, der Be- vereinbaren lassen. Aufgrund dieser Präferenzen kon- rufserfahrung und der Dauer der Betriebszugehörigkeit zentrieren sie sich in beruflichen Bereichen und auf mit den Männern gleichziehen. Würden sie häufiger Hierarchieebenen, die durch weniger anspruchsvolle gut bezahlte männerdominierte Berufe und Branchen und mit geringeren Aufstiegschancen verbundene Tä- auswählen, könnte sich ihr Einkommen ebenfalls erhö- tigkeiten gekennzeichnet sind. hen. Der Staat kann diese Angleichungsprozesse durch bessere Rahmenbedingungen (z.B. durch mehr Betreu- Entgeltunterschiede, die nicht mit der unterschied- ungsplätze) unterstützen. Nach dem AGG und dem Uni- lichen Produktivität von Frauen und Männern erklärbar onsrecht sind es in erster Linie die Arbeitgeber und die sind, gelten als Diskriminierung und können nach der Tarifparteien, die für eine diskriminierungsfreie Ent- klassischen Wirtschaftswissenschaft durch persönliche lohnung und Beschäftigung von Frauen und Männern Vorurteile und Zuschreibungen von Fähigkeiten und zu sorgen haben. Dabei sind gesellschaftlich bedingte Eigenschaften hinsichtlich der Kooperation gegenüber ungleiche Ausgangssituationen und Möglichkeiten von Arbeitskräften verursacht sein („taste for discrimina- Frauen und Männern, wie sie etwa durch Übernahme von tion“, nach Gary Becker 1971). Da von einer weiblichen Familienpflichten entstehen, tendenziell zu berücksich- Arbeitskraft eine geringere Produktivität erwartet wird, tigen. Nur in der rechtlichen Definition von Entgelt(un) z.B. wegen einer vermeintlich geringeren Berufsorien- gleichheit wird die Problematik der Unterbewertung tierung, wird sie zu einem geringeren Lohn beschäf- von frauentypischen Tätigkeiten berücksichtigt. Da tigt. Unterbewertung vielfach durch Geschlechterstereotype und tradierte Rollenvorstellungen entsteht, werden bei Nicht mit Produktivitätsunterschieden begründ- einer rechtlich orientierten Betrachtung auch diese Ur- bare Entgeltunterschiede werden von Arrow (1973) sachen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts und Phelps (1972) mit einer „statistischen Diskri- in den Blick genommen. minierung“ erklärt. Es wird davon ausgegangen, dass Arbeitgeber aufgrund mangelnder Information über 2. Gesamtwirtschaftliche Analysen von Entgelt die einzustellenden Arbeitskräfte von empirischen Er- gleichheit fahrungen und statistischen Daten ausgehen, die auf Es liegen vielfältige statistische Analysen zu den deren Produktivität schließen lassen. Zum Beispiel Verdienstdifferenzen der Geschlechtergruppen vor, könnte unterstellt werden, dass eine junge Bewerbe- die sich unterschiedlicher Datenquellen bedienen. Die rin später schwanger werden und ihre Erwerbstätigkeit wichtigsten sind: unterbrechen wird, obgleich dies in diesem Einzelfall nicht zutreffen muss. Er entlohnt sie entsprechend Die Vierteljährliche Verdiensterhebung (VVE) und der angenommenen niedrigeren Produktivität. Aus der die Verdienststrukturerhebung (VSE) des Statistischen Perspektive des Arbeitgebers stellt sich diese Diskrimi- Bundesamtes basieren auf Daten der Arbeitgeber. nierung jedoch als rationales ökonomisches Kalkül dar. Das Sozioökonomische Panel (SOEP) enthält Daten Dies erschwert die Anerkennung und Beseitigung dieser von Haushalten. Form von Diskriminierung. Das Linked Employer-Employee-Panel des IAB (LIAB) basiert ebenfalls auf Arbeitgeber-Daten. (Eine ausführliche Darstellung dieses Ansatzes und Das Online-Portal des WSI-Archivs „Frauenlohnspie- der Kritik sowie Literaturhinweise hierzu finden sich in gel“ präsentiert Angaben von Erwerbstätigen. dem Beitrag von Andrea Jochmann-Döll.) Von zentraler Bedeutung sind die Analysen zum Ge- Aus den unterschiedlichen Verständnissen von Ent- nder Pay Gap des Statistischen Bundesamtes. Berech- geltgleichheit und Entgeltdiskriminierung folgen unter- net werden zwei Indikatoren: schiedliche Einschätzungen hinsichtlich des gleichstel- der unbereinigte Gender Pay Gap: Er bildet den pro- lungspolitischen Handlungsbedarfs und der Akteure zentualen Unterschied im durchschnittlichen Brutto- 4 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online stundenverdienst von Männern und Frauen ab. Durch die Berechnung von Bruttostundenverdiensten der bereinigte Gender Pay Gap: Er stellt den pro- wird es ermöglicht, unterschiedliche Arbeitszeiten zu zentualen Unterschied im durchschnittlichen Brutto- berücksichtigen. stundenverdienst dar, der nach Abzug der mit verschie- Hinsichtlich der Beschäftigtengruppen fließen An- denen Strukturmerkmalen erklärten Anteile verbleibt. gaben von Vollzeit- und (Alters-)Teilzeitbeschäftigten, geringfügig Beschäftigten sowie Auszubildenden und Untersuchungen über die ursächlichen Faktoren des Praktikant/inn/en ein. Gender Pay Gap in Deutschland wurden letztmalig auf Hinsichtlich der Wirtschaftszweige werden prinzi- Basis der Verdienststrukturerhebung 2006 durchgeführt piell nur Betriebe in den Wirtschaftsabschnitten A bis (vgl. Statistisches Bundesamt 2011). Ergebnisse für O (ohne den Wirtschaftsabschnitt L: Grundstücks- und die Folgejahre sind aus dieser Erhebung abgeleitet. Die Wohnungswesen) einbezogen.10 Der Öffentliche Dienst nachfolgende Abbildung zeigt die Zerlegung des Gender ist hierbei nicht berücksichtigt, Vergleiche zwischen Öf- Pay Gap für das Jahr 2006. fentlichem Dienst und Privatwirtschaft können jedoch auf Basis gesonderter Berechnungen gezogen werden (siehe unten). Abb. 1: Zerlegung des Gender Pay Gap in Deutschland 2006 Verdienst- unterschied Anteil % Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland in % Im Ost-West-Vergleich zeigen sich gravierende Un- Unbereinigter GPG 22,2 100 terschiede: Während der geschlechtsspezifische Ver- Erklärter Teil des GPG 13,9 62,7 dienstunterschied im früheren Bundesgebiet im Jahr Unerklärter (bereinigter) 2010 bei 25% lag, betrug er in den neuen Ländern le- 8,3 37,2 Teil des GPG diglich 6%. Die Ergebnisse zeigen keine nennenswerten Quelle: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Veränderungen gegenüber den Vorjahren (s. Abb. 2). 2011 Abb. 2: Unbereinigter Gender Pay Gap in Deutschland, 2.1 Der unbereinigte Gender Pay Gap Früheres Bundesgebiet und Neue Länder Für die Mitgliedstaaten der EU ist der unbereinigte Unbereinigter Gender Pay Gap in Deutschland (in %) GPG einer der strukturellen Indikatoren, der zur Über- Früheres Jahr Deutschland Neue Länder wachung der europäischen Strategie für Wachstum und Bundesgebiet Beschäftigung herangezogen wird. Das Bundesministe- 2006 23 24 6 rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) 2007 23 24 6 2008 23 25 5 bezeichnet ihn als „Kernindikator fortbestehender ge- 2009 23 25 6 sellschaftlicher Ungleichbehandlungen von Frauen im 2010 23 25 6 Erwerbsleben“ (BMFSFJ 2010 b, S. 2). In dieser Mess- Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland, Pressemittei- größe verdichteten sich (fast) alle Facetten der Pro- lung Nr.120 vom 24.03.2011 bleme, mit denen Frauen im Erwerbsleben konfrontiert werden. Das BMFSFJ beabsichtigt, den unbereinigten GPG bis 2020 auf 10% zu senken (ebd., S. 3). Unterschiede zwischen Öffentlichem Dienst und Pri- vatwirtschaft in West- und Ostdeutschland Bei der Berechnung des unbereinigten Gender Pay Daten über Verdienstunterschiede von Frauen und Gap orientiert sich das Statistische Bundesamt an den Männern liegen auch für den öffentlichen Bereich und europaweit einheitlichen Vorgaben von Eurostat (vgl. die Privatwirtschaft für den Zeitraum 2007 bis 2008 vor Statistisches Bundesamt 2011 b). Das bedeutet: (vgl. BMFSFJ 2009 a).11 Zwischen den beiden Bereichen Ermittelt wird der Bruttostundenverdienst der Be- sowie zwischen Ost- und Westdeutschland zeigen sich schäftigten abzüglich der erzielten Sonderzahlungen. deutliche Unterschiede: In der Privatwirtschaft ist der Nettoverdienste werden nicht ermittelt, da ansonsten Verdienstunterschied mit 22,6 % wesentlich höher als steuerlich bedingte Effekte in die Berechnung des Ge- im Öffentlichen Dienst. Dort beträgt er bei den Tarifbe- nder Pay Gap einfließen würden. schäftigten 7,8% und bei den Beamten 1,7%. Als we- 5 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online sentlicher Grund hierfür werden die stärkere Tarifbin- Versicherungsdienstleistungen“ (29%). Dagegen betrug dung im öffentlichen Dienst und die damit verbundene der Gender Pay Gap in den Wirtschaftszweigen „Berg- komprimierte Verdienststruktur genannt (vgl. BMFSFJ bau, Gewinnung von Steinen und Erden“ nur 3% und 2009 a, S. 17). Darüber hinaus seien Frauen und Män- im Wirtschaftszweig „Verkehr und Lagerei“ 7%. Worauf ner im öffentlichen Dienst gleichmäßiger über die hie- werden diese gravierenden Differenzen zurückgeführt? rarchischen Ebenen verteilt als in der Privatwirtschaft Sie resultieren nach Auffassung des Statistischen Bun- (ebd.). desamtes unter anderem aus der Qualifikationsstruktur der Beschäftigten. So sind in den Branchen mit hohem Bemerkenswert sind die Ergebnisse für den Öffent- Gender Pay Gap tendenziell häufiger Männer in leiten- lichen Dienst: Während für Westdeutschland eine ge- der Stellung beziehungsweise unter den höher qualifi- schlechtsbezogene Entgeltdifferenz von etwa 8% be- zierten Fachkräften anzutreffen als Frauen (vgl. Stati- steht, kann in Ostdeutschlands kein Unterschied zwi- stisches Bundesamt 2009). schen den Geschlechtern festgestellt werden (BMFSFJ 2009 a, S. 14). Dies wird auf bessere strukturelle Mög- Unterschiede zwischen EU-Mitgliedstaaten lichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, kür- In den Mitgliedstaaten der EU zeigen sich gravie- zere familienbedingte Erwerbsunterbrechungen sowie rende Unterschiede im unbereinigten Gender Pay Gap eine allgemein stärker ausgeprägte Erwerbsorientierung (s. Abb. 4). Während Deutschland im Jahr 2009 mit insbesondere von Müttern in den neuen Ländern zu- 23,2% zu den „Schlusslichtern“ gehört, belegen Slowe- rückgeführt (ebd.). nien mit 3,2% und Italien mit 5,5% die ersten Plätze der Rangliste. Abb. 3: Verdienstunterschied von Frauen und Männern im Allerdings werden Ländervergleiche durch eine sta- öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft in den alten tistische Verzerrung, den sog. sample selection bias, und neuen Bundesländern erschwert. Er kommt durch die Auswahl der Stichprobe Verdienstunterschied in % zustande. Ist die Frauenerwerbsquote in den Ländern gering und gehen nur wenige, jedoch insbesondere Öffentlicher Dienst Privatwirtschaft hoch qualifizierte Frauen in die Stichprobe ein, fällt Ost- West- Ost- West- deren Durchschnittsverdienst relativ hoch aus. Geht deutsch- deutsch- deutsch- deutsch- auf Seiten der Männer die gesamte Bandbreite an Qua- land land land land lifikationsniveaus in die Stichprobe ein, beeinflusst Verdienst- 0 8 13 23 dies deren Durchschnittsverdienst entsprechend (vgl. unterschied Maier 2008). In den meisten Ländern mit einer gerin- von Frauen gen Frauenbeschäftigungsquote (z. B. Malta, Italien, und Män- nern Griechenland, Polen) sind die Lohnunterschiede gerin- Quelle: BMFSFJ 2009 a, S. 14 ger als im Durchschnitt, worin sich der kleine Anteil ge- ring- oder unqualifizierter Frauen bei den Arbeitskräf- ten widerspiegeln kann. Große Lohnunterschiede sind in der Regel typisch für einen Arbeitsmarkt mit hoher Segregation (z.B. Zypern, Estland, Slowakei, Finnland) Unterschiede innerhalb privatwirtschaftlicher Wirt- oder mit einem signifikanten Anteil von Frauen in Teil- schaftszweige zeitarbeitsverhältnissen, wie z. B. Deutschland, Verei- Innerhalb der Privatwirtschaft sind ebenfalls große nigtes Königreich, Niederlande, Österreich, Schweden Unterschiede festzustellen: So bestand der höchste (vgl. Ziegler/Gartner/Tondorf 2010, S. 282). Gender Pay Gap im Wirtschaftszweig „Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ mit 34% im Jahr 2008 (vgl. Stati- stisches Bundesamt 2009). Große Unterschiede gab es auch in den Wirtschaftszweigen „Kunst, Unterhaltung und Erholung“ (31%) sowie Erbringung von Finanz- und 6 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online Abb. 4: Unbereinigter Gender Pay Gap im EU-Vergleich12 hebung des Jahres 2006. Land GPG 2009 Slowenien 3,2 Die Zerlegung des Gender Pay Gap erfolgt mit dem Italien1 5,5 statistischen Verfahren der sog. Oaxaca-Blinder-Dekom- Malta 6,9 position (Oaxaca 1973, Blinder 1973).13 Dabei werden Rumänien 8,1 zwei nach Geschlecht differenzierte semilogarithmische Belgien … Regressionsanalysen14 durchgeführt: Zunächst wird für Polen 9,8 Frauen und für Männer der Einfluss verschiedener Struk- Portugal 10,8 turmerkmale auf den logarithmierten Bruttostundenver- Luxemburg 12,5 dienst (abhängige Variable) berechnet. Als unabhän- Lettland 14,9 gige Variablen werden bei den Analysen die in Abb. 5 Bulgarien 15,3 aufgeführten Merkmale berücksichtigt. Diese Abbildung Litauen 15,3 zeigt außerdem, wie die einzelnen Erklärungsfaktoren Irland1 15,7 Schweden 16,0 codiert werden. Spanien1 16,1 Frankreich1 16,5 Die zwei erstgenannten individuellen Variablen Dänemark 16,8 betreffen die Humankapitalfaktoren Ausbildung und Ungarn 17,1 Berufserfahrung/Alter. Bei den Ausbildungsabschlüssen EU Durchschnitt (27 werden jeweils die schulischen und beruflichen Zeiten 17,1 Länder)1 von Frauen und Männern erfasst, berufliche Weiterbil- Niederlande 19,2 dungszeiten werden nicht berücksichtigt. Unter Berufs- Finnland 20,4 erfahrung wird nicht die einschlägige Erfahrung in dem- Vereinigtes Königreich 20,4 selben Beruf verstanden, sondern die potentielle (rein Zypern 21,0 rechnerische und altersabhängige) Erwerbserfahrung. Slowakei 21,9 Sie wird ermittelt, indem vom Alter sechs Vorschuljahre Griechenland1 … Deutschland 23,2 und die Ausbildungsjahre abgezogen werden. Österreich 25,4 Tschechische Republik 25,9 Zu den arbeitsplatzbezogenen Variablen zählen Estland … die Leistungsgruppe, der Beruf, die Beschäftigungsart, 1 Vorläufige Angaben = Angabe fällt später an das Dienstalter, die Art des Arbeitsvertrags, die Tarif- Quelle: Eurostat Online Datenbank vom 14. März 2011 bindung und der Gebietsstand. Die Leistungsgruppe kennzeichnet die hierarchische berufliche Position von Männern und Frauen, wobei zwischen sieben Niveaus 2.2 Die Analyse der Ursachen unterschieden wird. Die Berufshauptgruppe gliedert die Da der unbereinigte Gender Pay Gap lediglich den Berufe in neun Untergruppen entsprechend der Inter- Lohnunterschied zwischen männlichen und weiblichen national Standard Classification of Occupations (ISCO) Arbeitskräften abbildet, wird im Rahmen von Ursa- der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Mit dem chenanalysen versucht, nähere Aufschlüsse über den Dienstalter wird die Betriebszugehörigkeitsdauer er- sachlich gerechtfertigten Anteil an der Entgeltlücke fasst. Dabei wird ein ununterbrochener Erwerbsverlauf zu erhalten. Der nicht sachlich zu rechtfertigende Re- unterstellt, d.h. Erwerbsunterbrechungen von Frauen stanteil stellt den bereinigten Gender Pay Gap dar. Als werden nicht berücksichtigt. sachlich gerechtfertigte Faktoren gelten verschiedene Strukturmerkmale, u.a. unterschiedliche Strukturen des Zu den unternehmensbezogenen Variablen werden Humankapitals von Frauen und Männern. Wirtschaftzweig, Unternehmensgröße und der Einfluss der öffentlichen Hand gezählt. Nachfolgend wird beschrieben, wie das Statistische Bundesamt bei der Ursachenanalyse der Verdienstun- Ergänzende Variablen betreffen Zulagen, Ballungs- terschiede vorgeht (Statistisches Bundesamt 2011). räume (Kreistypen). Die Datenbasis bildet hierbei die Verdienststrukturer- 7 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online Abb. 5: Erklärungsfaktoren des Gender Pay Gap - Verdienststrukturerhebung 2006 Erklärungsfaktoren des Gender Pay Gap und ihre Codierung Ausbildungsabschluss (1) Hauptschule, mittlere Reife ohne Berufsausbildung 10 Jahre (2) Hauptschule, mittlere Reife mit Berufsausbildung 13 Jahre (3) Abitur, Hochschulreife ohne Berufsausbildung 13 Jahre (4) Abitur, Hochschulreife mit Berufsausbildung 15,5 Jahre (5) Fachhochschulabschluss 17 Jahre (6) Hochschul-/Universitätsabschluss 19 Jahre (7) Ausbildung unbekannt 12 Jahre Berufserfahrung / Berufserfah- Berufserfahrung = Alter – Ausbildungsjahre – 6 rung quadriert Dienstalter Berichtsjahr – Eintrittsjahr (Betriebszugehörigkeitsdauer) Leistungsgruppe (1) Arbeitnehmer in leitender Stellung (2) herausgehobene Fachkräfte (3) Fachangestellte (4) angelernte Arbeitnehmer (5) ungelernte Arbeitnehmer (6) geringfügig Beschäftigte (7) Auszubildende (8) keine Angabe Berufshauptgruppe (nach (ISCO 1) Angehörige gesetzgebender Körperschaften, leitende Verwaltungs- ISCO-88) bedienstete und Führungskräfte in der Privatwirtschaft (ISCO 2) Wissenschaftler (ISCO 3) Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe (ISCO 4) Bürokräfte, kaufmännische Angestellte (ISCO 5) Dienstleistungsberufe, Verkäufer in Geschäften und auf Märkten (ISCO 6) Fachkräfte in der Landwirtschaft und Fischerei (ISCO 7) Handwerks- und verwandte Berufe (ISCO 8) Anlagen- und Maschinenbediener sowie Montierer (ISCO 9) Hilfsarbeitskräfte Arbeitsvertragsart Unbefristet / befristet Beschäftigungsumfang Vollzeitbeschäftigt / teilzeitbeschäftigt Altersteilzeit keine Altersteilzeit / Altersteilzeit Tarifbindung ohne Tarifbindung / mit Tarifbindung keine Zulagen für Schicht-, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit / Zulagen Zulagen für Schicht-, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit Gebietsstand früheres Bundesgebiet und Berlin/neue Länder Ballungsraum kein Ballungsraum / Ballungsraum Unternehmensgröße (1) 10 bis 49 Arbeitnehmer (2) 50 bis 249 Arbeitnehmer (3) 250 bis 499 Arbeitnehmer (4) 500 bis 999 Arbeitnehmer (5) 1 000 Arbeitnehmer und mehr Einfluss der öffentlichen Hand (1) kein oder eingeschränkter Einfluss der öffentlichen Hand auf die Unter- nehmensführung durch Kapitalbeteiligung (50 % und weniger), Satzung oder sonstige Bestimmungen, (2) beherrschender Einfluss der öffentlichen Hand auf die Unternehmens- führung durch Kapitalbeteiligung (mehr als 50 %), Satzung oder sonstige Bestimmungen Wirtschaftsgruppe Wirtschaftsgruppen C101 bis O930, ohne N851 Wirtschaftsgruppe N851 (Ge- sundheitswesen) Quelle: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Januar 2011, S. 39 2.3 Empirische Ergebnisse 8 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online Eine detaillierte Zerlegung des unbereinigten Gender zuungunsten von Männern. Dies sind insbesondere Al- Pay Gap auf Basis der Verdienststrukturerhebung 2006 tersteilzeit, Tätigkeit, Dienstalter und geringfügige Be- zeigt, dass insgesamt 13,9 Prozentpunkte des unberei- schäftigung. nigten Gender Pay Gap mit strukturellen Unterschieden bei den o.g. Merkmalen erklärt werden (siehe Abb. 6). Damit gelten 62,7 % der gesamten Entgeltlücke als Abb. 6: Detaillierte Zerlegung des unbereinigten Gender Pay Gap 2006 sachlich gerechtfertigt. Besonderes Gewicht haben da- bei folgende drei Erklärungsfaktoren: Erklärter Teil Unerklärter Erklärungsfaktoren des GPG Teil des GPG Prozentpunkte Prozentpunkte • 5,3 Prozentpunkte des Lohnabstands sind auf Konstante X 7,6 Unterschiede in den Leistungsgruppen zurückzufüh- Gebietsstand 0,5 1,9 ren, Ballungsraum 0,1 0,0 • 4,2 Prozentpunkte auf den höheren Anteil von Tätigkeit 4,2 - 2,3 Frauen in eher niedrig bezahlten Tätigkeiten (d.h. Dienstalter 0,4 - 1,7 Berufsgruppe und Wirtschaftszweig) und Unternehmensgröße - 0,1 - 0,1 • 2,1 Prozentpunkte auf einen höheren Anteil von Ausbildungsabschluss 0,6 - 0,3 Frauen bei den geringfügig Beschäftigten. Leistungsgruppen 1 bis 5 5,3 2,2 Geringfügige Beschäftigung 2,1 -1,1 Unerklärt bleiben 8,3 Prozentpunkte des Gender Pay Auszubildende - 0,5 - 0,3 Tarifbindung 0,0 0,3 Gap; dies entspricht 37,3 % der gesamten Entgeltlücke. potenzielle Berufserfahrung 0,0 2,9 Die in der Abbildung 6 dargestellten Erklärungsfaktoren Art des Arbeitsvertrags 0,0 1,3 mit positivem Wert wirken zu Lasten von Frauen. Be- Beschäftigungsumfang 0,6 0,0 sonders ins Gewicht fallen dabei: Einfluss der öffentlichen 0,1 0,4 Hand auf die Unternehmens- • die Konstante: sie verdeutlicht, dass „Frauen unab- führung hängig von den berücksichtigten Einflussfaktoren Altersteilzeit 0,1 - 2,9 einen im Durchschnitt um 7,6 Prozentpunkte ge- Zulagen 0,4 0,2 ringeren Verdienst erhalten würden.“ (Statistisches Gesamt 13,9 8,3 Bundesamt 2011, S. 45); Quelle: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Januar 2011, S. 44 • die potentielle Berufserfahrung mit 2,9 Prozent- punkten, wobei kritisch angemerkt wird, dass der Wert u. U. höher ausgefallen wäre, wenn wegen 2.4 Zur Aussagekraft des unerklärten Rests der häufigeren Erwerbsunterbrechungen von Frauen Mitunter wird der unerklärte Restanteil in wissen- statt der rein rechnerischen Erwerbserfahrung die schaftlichen Studien als Ausmaß von Diskriminierung tatsächliche Berufserfahrung erfasst worden wäre interpretiert. Dagegen werden jedoch seitens des Sta- (ebd.); tistischen Bundesamtes Bedenken geltend gemacht: • 2,2 Prozentpunkte sind auf die unterschiedliche „Bei der Interpretation sollte jedoch beachtet werden, monetäre Bewertung der Leistungsgruppe zurück- dass die Verteilung von Männern und Frauen nach be- zuführen. Hierzu wird angemerkt, dass bei diesem stimmten Ausstattungsmerkmalen (z.B. Qualifikation Merkmal die grobe Gliederung in 5 Stufen zu Un- oder Wirtschaftsbranche) möglicherweise bereits selbst schärfen führen kann (ebd.); das Ergebnis gesellschaftlich benachteiligender Struk- • der Gebietsstand (Bundesgebiet/Neue Länder) und turen sein könnte, und somit das Ausmaß von Benach- die Art des Arbeitsvertrages (unbefristet/befri- teiligung gegebenenfalls unterschätzt würde.“ (Stati- stet) sind weitere Erklärungsfaktoren, die mit 1,9 stisches Bundesamt 2011, S. 41). bzw. 1,3 Prozentpunkten zuungunsten von Frauen wirken. Zugleich wird die Auffassung vertreten, „dass der Nutzen des bereinigten Gender Pay Gap weniger in der Die Ergebnisse mit negativem Vorzeichen wirken Erfassung sämtlicher, d.h. auch vorgelagerter Diskrimi- nierungsmechanismen zu sehen ist, als vielmehr in der 9 Karin Tondorf Gesamtwirtschaftliche...Analysen zur Entgeltgleichheit ISSN 2192-5267 August 2011 gender...politik...online Ermittlung von Lohndiskriminierung, also der Prüfung nahmen zur Verringerung des Verdienstabstands zwi- von „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ (ebd.). Aller- schen Männern und Frauen aufgeführt. Dabei erschei- dings ergebe sich bei der Prüfung von Lohndiskrimi- nen vorrangig Maßnahmen als erfolgversprechend, die nierung das Problem, dass der bereinigte Gender Pay zu einem veränderten Erwerbsverhalten von Frauen Gap auch nicht beobachtete Unterschiede zwischen den führen: Geschlechtergruppen beinhalte. Da nicht alle lohnde- • Veränderung des Berufswahlverhaltens von Frauen terminierenden Eigenschaften in der Analyse berück- und Männern: Das begrenzte Berufswahlspektrum sichtigt werden können, „sollte das Ergebnis zum be- von Frauen soll durch eine Veränderung der tra- reinigten Gender Pay Gap nicht als „fester Wert“ inter- dierten Rollenverständnisse erweitert werden. pretiert werden, sondern eher als eine Art „Obergrenze“ Hierdurch sollen auch Karrierechancen verbessert der Lohndiskriminierung.“ (ebd.). werden. Maßnahmen sind Projekte der Bundesregie- rung, die in Kooperation mit verschiedenen Part- Diese Überlegung ist aus folgenden Gründen kritisch nern durchgeführt werden, so u.a. der „Girl’s Day“, zu hinterfragen: „Komm, mach Mint“ zur Gewinnung von Frauen für Da der sachlich gerechtfertigte (erklärte) Anteil gut bezahlte Berufe in den Bereichen Mathematik, an der Entgeltlücke nicht nach rechtlichen Katego- Informatik, Naturwissenschaft und Technik, sowie rien ermittelt wird, kann der unerklärte Rest nicht als „Neue Wege für Jung’s“ und der „ Boy’s Day“ (ab rechtliche Lohndiskriminierung interpretiert werden. 2011). Es findet sich in der ökonomischen Analyse keine Va- • Familienpolitische Maßnahmen zur Verbesserung riable, die bis auf die Ebene des Arbeitsplatzes reicht, der Rahmenbedingungen: Die Bundesregierung setzt geschweige denn bis auf die Ebene der Anforderungen diesbezüglich am Ausbau der Kinderbetreuung und des Arbeitsplatzes (an Qualifikation, Verantwortung, an einer Verbesserung der steuerlichen Absetzbar- psycho-soziale und physische Anforderungen), auf die keit der Kinderbetreuungskosten an. Elterngeld als es bei der Analyse von gleicher und gleichwertiger Ar- Lohnersatzleistung und seine Partnermonate sollen beit ankommt.15 Ein weiterer Aspekt: Im Rahmen der dazu beitragen, Beruf und Familie besser miteinan- beschriebenen ökonomischen Analyse kann mittelbare der zu vereinbaren. Eine Angleichung der Biografien Entgeltdiskriminierung, die insbesondere durch Unter- von Männern und Frauen soll durch die geplante bewertung von Arbeit entsteht, nicht geprüft werden. Erweiterung der Vätermonate und die Möglichkeit Dies liegt nicht nur daran, dass diese detaillierten ar- des Teilzeitelterngeldes erreicht werden. beitsplatzbezogenen Daten auf gesamtwirtschaftlicher • Förderung des Wiedereinstiegs: Durch das Akti- Ebene nicht zur Verfügung stehen. Es bedarf auch an- onsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ sol- derer Analyseinstrumente als der Regressionsanalyse, len Frauen unterstützt werden, die nach längerer um mittelbare Entgeltdiskriminierung sichtbar zu ma- familienbedingter Erwerbsunterbrechung wieder in chen, wie in Kapitel 3 gezeigt werden soll. Daher kann die Erwerbstätigkeit einsteigen wollen. In Koope- der unerklärte Rest weder Aufschlüsse darüber geben, ration mit der Bundesagentur für Arbeit werden ob gleiche Arbeit gleich entlohnt wird, noch kann er im Rahmen eines ESF-Programms lokale Träger an als Obergrenze von Lohndiskriminierung im rechtlichen 17 Modellstandorten gefördert, um Netzwerke und Sinn gelten. Mit anderen Worten: Die Zerlegung des Ge- einen qualifizierten Wiedereinstieg zu gestalten. nder Pay Gap ist kein erfolgversprechender Weg, um Ein Internetportal und spezielle Infotage stellen unmittelbare und mittelbare Entgeltdiskriminierung zu weitere Maßnahmen dar. Ein zusätzliche Modul „Zeit erkennen und zu beseitigen (Tondorf/Jochmann-Döll für Wiedereinstieg“ zielt auf Unterstützung der 2011). Partner bei der vorübergehenden Verringerung der Arbeitszeit und auf die Förderung haushaltsnaher 2.5 Maßnahmen zur Verringerung des Gender Dienstleistungen für Wiedereinsteigerinnen. Pay Gap • Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungsposi- Welche Maßnahmen können aus den Ergebnissen der tionen: Hierzu hat das BMFSFJ einen Stufenplan Analysen des Gender Pay Gap abgeleitet werden? Und erarbeitet, der im Kern eine gesetzliche Pflicht zur welche nicht? Im „Ressortbericht des BMFSFJ 2010“ Selbstverpflichtung („FlexiQuote“) der Unternehmen werden Ziele und bereits laufende sowie geplante Maß- vorsieht. 10
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