3. Quartal 2017; ISSN 1435-4098; Einzelpreis: € 5,– aktuell 3|2017 Ausgabe 114 Invasoren der besonderen Art Das Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan Inhalt Quarantäneschädlinge Wald & Mehr 6 Invasiv, gebietsfremd oder was? 39 Der Wald braucht die Genetik Ralf Petercord Interview mit Dr. Monika Konnert 8 Was wäre wenn …? 43 Elsbeeren im Fünfseenland Gritta Schrader und Ernst Pfeilstetter Gero Brehm, Andreas Brem, Jörg Ewald und Gerhard Huber 10 Unter Beobachtung 46 Praxis zum Anfassen Josef Metzger Michael Wolf und Siegfried Waas 15 Neue Arten – zwischen 48 »Luftakrobat« am Abendhimmel Verfremdung und Bereicherung Kathrin Weber Olaf Schmidt 51 Dicke Brummer 20 Millionen Eschen später Olaf Schmidt Hannes Lemme 52 »Glück im Unglück« 24 Gefahr für Pflaume, Zwetschge & Co.? Cornelia Triebenbacher, Hannes Lemme, Ludwig Straßer, Gabriela Lobinger, Florian Krüger, Josef Metzger und Ralf Petercord Olaf Schmidt 55 Spechtabschläge – alles Borkenkäfer? 25 Ein Käferbein für die Bibliothek Cornelia Triebenbacher und Gabriela Lobinger Jérôme Morinière und Michael Mößnang 28 Neue Bakteriosen an Bäumen Ralf Petercord 15 28 Neue Arten – zwischen Verfremdung und Bereicherung: Es ist eine Neue Bakteriosen bei Bäumen: Kommt nach dem von Obst Folge der Globalisierung. Immer mehr Arten finden in der Welt bauern gefürchteten Feuerbrand jetzt auch das Feuerbakte neue Heimaten. Die meisten bleiben eher unauffällig, andere rium? Xylella fastidiosa wird sich nicht bitten lassen und ist möchte man am liebsten wieder zurückschicken. Im Umgang mit schon mit anderen Bakterien zusammen auf dem Weg, Europa Neobiota ist immer Augenmaß gefragt. Foto: LfL zu erobern. Foto: John Hartman, Univ. of Kentucky, Bugwood.org Titelseite: Schlupfbereite Puppe des Asiatischen Laubholz bockkäfers (Anoplophora glabripennis); die Pflanzens chutz dienste in aller Welt tun gut daran, den »Import« gefähr licher Pflanzenschädlinge so gut es nur geht zu verhindern. Invasive Arten können durchaus schwerwiegende ökono mische wie ökologische Schäden verursachen. Fotos: J. Böhm (Waldbild), H. Lemme, LWF (ALB-Puppe); Fotomontage: A. Nißl 2 LWF aktuell 3 |2017 Editorial Rubriken Kalender Seite 33 4 Meldungen Forstliche Veranstaltungen auf einen Blick 31 Zentrum WaldForstHolz 35 Amt für forstliche Saat und Pflanzenzucht 56 Waldklimastationen 59 Medien 60 Impressum Liebe Leserinnen und Leser, weltweit gesehen nimmt die Anzahl neu registrierter gebiets- fremder Arten weiter zu. In Deutschland geht man aktuell von etwa 3.000 Neobiota-Arten aus, davon gelten allein 319 Tierarten als etabliert. Den größten Anteil haben hier mit 115 Arten die In- sekten. Der globale Handel trägt wesentlich zu Verschleppung von Insekten bei und arbeitet hier mit der Klimaerwärmung Hand in Hand. Die wichtigsten Eintrittspforten neozoischer Insekten nach Mitteleuropa stellen insbesondere die großen Seehäfen und auch Flughäfen dar. Größtenteils fügen sich diese neuen Arten eher unauffällig in un- sere Ökosysteme ein, vor allem indem sie freie Nischen besiedeln. Von den meisten Neozoen gehen daher kaum ökologische Ge- fahren für unsere Natur aus. Ein kleiner Prozentsatz der Neozoen bereitet jedoch aus Pflanzenschutzsicht durchaus ernsthafte Pro- bleme, die mit wirtschaftlichen Schäden verbunden sind. Daher ist auch künftig die Einschleppung neuer Arten möglichst zu vermei- den (Vorsorge/Quarantäne)! Nach erfolgter Einschleppung ist aber vor allem eine genaue Artdiagnose, eine Risikoabschätzung und eine Einzelfallbeurteilung durch anerkannte Experten nötig. Ob Neozoen geduldet, bekämpft, kontrolliert oder ausgerottet werden sollen, ist keine Grundsatzfrage, sondern eine Einzelfall- entscheidung. Erforderlich sind differenzierte Maßnahmen. Dabei sollten die Experten aus den Bereichen Naturschutz und Pflanzen- 48 schutz noch enger zusammenarbeiten und vermehrt interdiszip- linären Austausch pflegen. Das vorliegende Heft von LWF aktuell gibt einen aktuellen Überblick über Quarantäneschadorganismen, die vor allem für den Wald bedeutsam sind. »Luftakrobat« am Abendhimmel: Haben Sie schon mal eine Fle Ihr dermaus am Tag beobachtet? Große Abendsegler sind schon zu Beginn der Dämmerung auf Beutefang – mit akrobatischen Flugeinlagen. Diese große Fledermausart ist 2017 zum zweiten Mal zur »Fledermaus des Jahres« gewählt worden. Foto: A. Grand Olaf Schmidt 3 |2017 LWF aktuell 3 Meldungen Der »Guppy«bach hinter Köln zunächst beseitigt. In der Regel gehen die Fische ein, weil die Lebensbedingun- gen, vor allem Wassertem- Foto: Dr. Wolfgang Kornder, Hans Korn peratur und Wasserchemie, probst und Alfons Leitenbacher (v.l.) Foto: A. Feldmann für Guppys nicht geeignet sind. Beim o. g. Gillbach ist Hans Kornprobst das jedoch anders. Gespeist mit warmem und sauberem Ehrenmitglied Wasser aus einem Kraftwerk, können die Guppys hier des ÖJV Bayern überleben, wenn auch etwas blasser und magerer als im Aquarium. Schon seit vielen Am 25. März 2017 wurde Hans Jahren hat sich eine überle- Kornprobst, ehemaliger Leiter des bensfähige Population ge- Staatlichen Forstamts Schliersee Foto: Verena N., pixelio.de bildet. Und die Guppys sind und Gründungsmitglied des Öko- Offiziell heißt er Gillbach. In 6 cm groß (ohne ihre auf- nicht allein. So leben im Gill- logischen Jagdvereins Bayern e. V., der Aquarianerszene im In- fällige Schwanzflosse) und bach seit vielen Jahren ne- zum Ehrenmitglied des ÖJV Bay- ternet hat er allerdings als bringen lebende Jungen zur ben Poecilia reticulata auch ern ernannt. Nach seiner Großen »Guppybach« schon einige Welt. Da Guppys außeror- Braune Antennenwelse (An- Forstlichen Staatsprüfung im Jah- Berühmtheit erlangt. Guppy- dentlich vermehrungsfreudig cistrus sp.) und aus der Fa- re 1966 begann seine forstliche bach deswegen, weil er ein sind, heißen sie unter Aqua- milie der Buntbarsche die Laufbahn zunächst an der Ober- vortrefflicher Lebensraum für rianern auch Millionenfische. Zebrabuntbarsche (Amatit- forstdirektion München. Aber Guppys ist. Guppys (Poecilia Und damit fängt das »Pro- lania nigrofasciata) und Oreo- schon bald wurde er ins Referat reticulata) sind bei Aquaria- blem« an. chromis sp. (Tilapia). Forstpolitik der Ministerialforstab- nern sehr beliebt und es Ist nämlich das Aquarium mit Da stellt sich zum Schluss teilung versetzt, wo er intensiv an gibt zahlreiche Zuchtformen Guppys überfüllt, weiß man- dann aber doch noch die der Entwicklung des modernen (Foto). Die Heimat der Wild- cher Fischhalter keinen Aus- Frage, ob in Zeiten des Kli- Waldgesetzes für Bayern mitwirk- form ist das nördliche Süd- weg mehr und setzt die mawandels sich Guppy & Co. te, das 1974 in Kraft trat. 1975 wur- amerika und einige Karibik- Fische in der freien Natur in unserer Natur ausbreiten de Hans Kornprobst an das Forst- Inseln. Guppys lieben war- einfach aus. Das ist zwar können – und mit welchen amt Schliersee als dessen Stellver- mes Süßwasser, werden 3 bis verboten, aber das Problem Folgen? red treter versetzt. Nur vier Jahre später wurde ihm dann die Leitung dieses Forstamtes bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2003 übertragen. Hans Kornprobst ist LBV-Wald wird ein passionierter Verfechter des im Waldgesetz verankerten Naturwaldreservat Grundsatzes »Wald vor Wild«, den er bereits lange vor dessen Über- Der »Rainer Wald« bei Straubing befindet nahme ins Waldgesetz gelebt hat. sich im Eigentum des Landesbund für Vo- Auf ihn sind die »revierweisen gelschutz (LBV). Eine 42 ha große Fläche Aussagen« zurückzuführen, die wurde als Naturwaldreservat ausgewiesen schon vor den 1986 erstmals er- und damit von jeglicher Nutzung freige- stellten »Forstlichen Gutachten stellt. »Wir freuen uns über unser erstes zur Situation der Waldverjüngung« Naturwaldreservat«, so der Vorsitzende des Dr. Norbert Schäffer (li.) und Forstminister Helmut geboren waren. Für Hans Korn- LBV Dr. Norbert Schäffer. Nutzungsfreie Brunner enthüllen die Eingangstafel Foto: LBV-Archiv probst ist der Schlüssel für einen Waldflächen sind ausgesprochen wichtig als turnahe Wälder auf unterschiedlichsten intakten Bergwald in erster Linie Referenzflächen. Totholz bleibt im großen Standorten entwickeln können«, sagte die Jagd, die für angepasste Scha- Umfang erhalten und bildet einen wert- Bayerns Forstminister Helmut Brunner. Der lenwildbestände eintreten muss. vollen Lebensraum für Flora und Fauna. Von Minister erwartet sich davon Erkenntnisse Hans Kornprobst ist neben Dr. Ge- jetzt an soll sich das Naturwaldreservat für den notwendigen Waldumbau im Zei- org Sperber und Dr. Georg Meister »Rainer Wald« ungestört von menschli- chen des Klimawandels, und Norbert das dritte Ehrenmitglied des ÖJV chen Eingriffen entwickeln – scharf beob- Schäffer freut sich, dass »der LBV hier ei- Bayern. red achtet von Experten der Bayerischen Lan- nen Beitrag leistet, das bayernweite Netz www.oejvbayern.de desanstalt für Wald und Forstwirtschaft der Naturwaldreservate um einen weiteren (LWF), die hier das Reifen, Vergehen und die Baustein zu erweitern«. red Erneuerung von Wäldern studieren. »Unse- www.rainerwald.de re Naturwaldreservate zeigen, wie sich na- 4 LWF aktuell 3 |2017 Meldungen Weltweit einzigartig: »General Sherman« auch in Deutschland 2.300 Jahre alt und 1.500 Fest- Norddeutschen Gartenschau dell herausragt. Das begehbare meter Holzvolumen: Damit im Arboretum des Kreises Pin- Modell ist der Mittelpunkt einer zählt der »General Sherman neberg eine bis zu den Wurzel- Baumerlebniswelt mit vielen Tree« nicht nur zu den leben- ausformungen, Borkenleisten spannenden Exponaten, die auf den Legenden, der Bergmam- und Rindenkerben absolut dem Gelände der Norddeut- mutbaum ist auch der volu- originaltreue naturidentische schen Gartenschau entstehen menreichste Baum der Welt. Nach bildung des »General wird. Dann können sich Tages- Er steht im kalifornischen Se- Sherman Tree« ansehen. Der gäste und Schulklassen dort quoia-Nationalpark und bringt 11 Meter hohe Eins-zu-eins- über die Entwicklungsgeschich- jedes Jahr 1,5 Millionen Touris- Nachbau des beeindruckenden te der Bäume, ihre Funktions- ten zum Staunen. Knapp 84 Me- unteren Stamms ist die Besu- weise und ihren Wert für die ter hoch ist er und hat einen cherattraktion im schleswig- Natur informieren. red Stammumfang am Boden von holsteinischen Ellerhoop. Der www.norddeutschegartenschau.de Vorsichtig positioniert der Kranfüh 31 Metern. Clou: In die Mitte des oben of- rer den jungen Mammutbaum über Wer »General Sherman« be- fenen Kunstwerks wurde ein http://www.businesson.de/hamburg/ der Öffnung des »General Sherman norddeutschegartenschaumodell staunen will, muss jedoch nicht lebender 12 Meter großer Berg- Tree«Modells, um ihn anschließend einerlebendenbaumlegendeals in das im Inneren vorbereitete Pflanz mehr in die USA reisen. Seit mammutbaum gepflanzt, der neuebesucherattraktioneinge loch hinunterzulassen. Foto: Markus Blohm 2013 kann man sich auch in der mit seiner Spitze über das Mo- weiht_id34073.html LWF dankt Biermayer neuer Amtschef in Fürstenfeldbruck Dr. Monika Konnert Am 1. Juni 2017 Dr. Monika Konnert wurde im Banat in übernahm Ministe- Rumänien geboren und wuchs dort auf. rialrat Günter Bier- Sie ist also eine gebürtige Donauschwä- mayer als neuer bin. Ihre Muttersprache ist Deutsch, mit Chef die Leitung des den Spielkameraden auf der Straße Amts für Ernährung, sprach sie Ungarisch und in der Schule Landwirtschaft und lernte sie Rumänisch. Später kamen Forsten Fürsten- dann noch Englisch und Französisch da- Foto: R. Petercord feldbruck. Der 60- zu. Ihr Mann, Dr. Volkmar Konnert, ein aktuell-Ausgaben erscheinen, sowie ge- jäh rige Biermayer studierter Förster, stammt aus Sieben- meinsame Veröffentlichungen, wie zum Foto: StMELF trat damit die Nach- bürgen. Die Familie Konnert hatte, wie Beispiel das Positionspapier zum Anbau folge des Leitenden Forstdirektors Hans- viele Deutschstämmige in Rumänien, der Douglasie in Bayern, die Mitarbeit bei Jürgen Gulder an. Biermayer übernimmt zu- unter dem totalitären System von Tagungen und Projekten u.a.m. gleich die Leitung des Bereichs Forsten. Ceaușescu zu leiden und wollte daher in Als Dank und Zeichen der Wertschätzung Stellvertretende Behördenleiterin und Lei- die Bundesrepublik ausreisen. Diese überreichte LWF-Präsident Olaf Schmidt terin des Bereichs Landwirtschaft bleibt Möglichkeit ergab sich im Jahr 1987. Da- Frau Dr. Konnert ein biografisches Werk Hauswirtschaftsdirektorin Marianne Heidner. bei wurde Frau Dr. Konnert als promo- über die berühmte deutsche Pflanzenge- Der in Augsburg geborene Biermayer stu- vierter Chemikerin der Doktortitel aber- netikerin Elisabeth Schiemann (1881– dierte Forstwissenschaften an der Ludwig- kannt. 1972), die als eine der ersten Frauen in Maximilians-Universität in München. Seine Mit Engagement und Durchsetzungs- Deutschland studierte und sich letztend- berufliche Laufbahn begann er 1982 an der kraft und getreu ihrem Motto »Was Du lich in der Männerwelt durchsetzte und damaligen Oberforstdirektion Augsburg. bist, das sei ganz« hat Frau Dr. Konnert Professorin wurde. Der Lebensweg dieser 1983 wechselte er an das Forstministerium an der FVA Freiburg ein Forschungspro- außergewöhnlichen Frau zeigt viele Par- in München. 1988 wurde Biermayer stell- jekt bearbeitet und gleichzeitig an der allelen zum Lebensweg von Dr. Monika vertretender Forstamtsleiter in Fürsten- Uni Göttingen in Forstgenetik promo- Konnert auf. Das wissenschaftliche Werk feldbruck, 1991 Forstamtsleiter in Zusmars- viert. 1992 gelang dem früheren Leiter in der Pflanzengenetik, die konsequente hausen. 1994 übernahm er am Forstminis- des ASP, Herrn Dr. Dimpflmeier, Frau Dr. christliche Überzeugung und das frauen- terium die Leitung des Referats »Waldbau, Konnert an das Amt für forstliche Saat- politische Engagement von Elisabeth Waldschutz, Waldinventuren, Planungen«. und Pflanzenzucht (ASP) zu holen. Fast Schiemann sind erst in den letzten Jahren 2000 wurde Biermayer zum Leiter der elf Jahre leitete sie als Nachfolgerin von wieder stärker ins Blickfeld geraten. Die Forstdirektion Oberbayern, später Ober- Herrn Albrecht Behm das ASP und trat in Leitungsrunde der LWF ist davon über- bayern-Schwaben, bestellt. Von 2005 bis vielfältiger Weise mit der LWF in Koope- zeugt, dass dieses Werk über Elisabeth 2017 leitete er im Forstministerium das ration. Ein besonders schönes Beispiel Schiemann »Vom AufBruch der Genetik Referat »Forstliche Forschung, Waldpäda- der Zusammenarbeit sind die »ASP-Sei- und der Frauen in den UmBrüchen des 20. gogik«. red ten« mit Meldungen und Nachrichten Jahrhunderts« auch für Frau Dr. Konnert aus dem ASP, die regelmäßig in den LWF sehr zutreffend sei. Olaf Schmidt 3 |2017 LWF aktuell 5 Quarantäneschädlinge Invasiv, gebietsfremd oder was? In der Diskussion um neue Arten ist »Klarheit« der Begriffe unverzichtbar 1 Bei der Kirschessigfliege Drosophila suzukii zumindest ist alles geklärt. Die kleine Fliege wurde innerhalb kurzer Zeit Ralf Petercord zu einer großen Bedrohung für den europäi Invasive Arten können einheimische verdrängen, Schäden ver schen Obst und Weinbau. Das Julius Kühn ursachen oder unsere Gesundheit gefährden. Seit Jahren steigt Institut urteilt: gebietsfremd, invasiv und Quarantäneschädling. Fotos: LWG (Fliege); ihre Zahl rasant an. Wer sich mit den »neuen Arten« beschäftigt, eyetronic, fotolia.de (Weinberg) stößt aber bereits in der Terminologie auf erste Schwierigkeiten. Der uneinheitliche Gebrauch vieler Begriffe sowie der Versuch einer politisch korrekten Wortwahl erschweren eine sachdienliche delung der Landschaft, usw.) in Mitteleu- Diskussion. ropa diskutieren (Schmidt 2017a/b) und über die Frage der Bedeutung einer hohen »Resilienz der mitteleuropäischen Na- Zunächst einmal sei klargestellt: Es gibt Blauäugige Zukunftsgläubigkeit war und turausstattung« spekulieren (BfN 2005; keinen Zusammenhang zwischen Maß- ist niemals eine zielführende Strategie, Schmidt 2017 a/b). Dies darf aber nicht nahmen zum Schutz vor nicht-einheimi- ebenso wenig wie Fatalismus im Sinne zu einer pauschalen Verharmlosung und schen Arten und Ausländerfeindlichkeit von »Wir können es doch sowieso nicht »laissez-fairem« Umgang bei der Einschlep- beim Menschen. Wenn sich also Pflan- ändern«, »Die Natur hilft sich selbst« oder pung oder Einführung von Arten führen. zenschützer vehement für strenge Ein- des philosophischen »Panta rhei«. Gerade Aktionismus und Panikmache sind umge- fuhrkontrollen zum Schutz vor einer un- in der Diskussion um neue, nicht-heimi- kehrt genauso abzulehnen. kontrollierten Einschleppung nicht-ein- sche Arten sind entsprechende Beiträge Zielführend kann nur die differenzierte heimischer Arten (Schliesske 2017) und ausschließlich kontraproduktiv. Es han- Einzelfallbeurteilung auf wissenschaftli- die Ausrottung bereits eingeschleppter delt sich eben nicht einfach um einen cher Basis durch anerkannte Fachexper- Quarantäneschadorganismen einsetzen »spannenden Prozess« (May 2017), viel- ten sein, wie sie Schmidt (2017 a/b) zu (Lemme 2017), tun sie dies nicht auf mehr stellen »nicht-einheimische Arten … Recht fordert. Grundlage einer menschenverachten- weltweit eine erhebliche Bedrohung für den, rassistischen Ideologie, sondern auf die Gesundheit und die Vielfalt der Öko- Archäobiota und Neobiota Grundlage ihres Fachwissens hinsicht- systeme dar« (IUCN 2012; Fettig & Delb Gebietsfremde Arten werden abhängig lich möglicher Risiken. Dies ist im Übri- 2017). Sicherlich kann man über die Frage vom Zeitraum ihrer Einschleppung oder gen auch kein Zeichen von Rückwärts- der Bedeutung für den Natur- und Arten- Einwanderung als Archäobiota bzw. Ne- gewandtheit oder Verhaften am Ewig- schutz in Relation zu anderen Bedrohun- obiota bezeichnet. Entscheidend ist das gestrigen, wie Schraml (2017) vermutet. gen (Klimawandel, Eutrophierung, Zersie- Jahr 1492, denn mit der Entdeckung der 6 LWF aktuell 3 |2017 Quarantäneschädlinge Neuen Welt und dem damit einhergehen- matoden, Phytoplasmen, Bakterien, Pil- lagen geschaffen. Nationale Regelungen den Beginn des transatlantischen Han- ze, Viren und Viroide), die in einem Ge- finden sich im Pflanzenschutzgesetz und dels wurden erstmals nach der neolithi- biet, in dem sie noch nicht auftreten oder der Pflanzenbeschauverordnung, die von schen Revolution und dem römischen nicht weit verbreitet sind, potenziell stark den zuständigen Behörden auf Bundes- Imperium im nennenswerten Umfang schädlich sein können. Sie bedrohen ein- und Landesebene umgesetzt werden. Ge- Arten nach Europa verbracht. Arten, die zelne Pflanzenarten direkt oder stellen bietsfremde Arten tragen entsprechend vor 1492 eingeschleppt wurden oder ein- eine Gefahr für die biologische Vielfalt der fehlenden koevolutionären Entwick- gewandert sind, werden als Archäobio- insgesamt dar. Die Analyse der pflan- lung im unmittelbaren Vergleich mit den ta bezeichnet. Sie werden in Mitteleuro- zengesundheitlichen Risiken (Pflanzen- einheimischen Arten nicht oder weni- pa traditionell den einheimischen Arten gesundheitliche Risikoanalyse PRA) von ger zur Artenvielfalt bei (Nehring et al. gleichgestellt (Nehring et al. 2013). Ne- Quarantäneschadorganismen erfolgt in 2013), dies muss allen Akteuren bewusst obiota sind folglich die Arten, die nach Deutschland durch das Institut für nati- sein. In Folge des Klimawandels und der 1492 in Europa erschienen sind. onale und internationale Angelegenhei- sich daraus ergebenden Anpassungnot- ten der Pflanzengesundheit des Julius wendigkeit des Waldes und seiner Bewirt- Invasive Arten Kühn-Institutes (siehe Beitrag Schrader schaftung wird der Anbau gebietsfremder Der Naturschutz teilt die Neobiota in und Pfeilstetter, s. S. 8–9 in diesem Heft). Baumarten zwangsläufig erforderlich unterschiedliche Invasivitätsstufen ein. Sie unterliegen im Einklang mit internati- sein. Diesen Prozess gilt es, entsprechend Arten, die keine ökologischen Schäden onalen Normen grundsätzlich amtlichen den Anforderungen der Forstwirtschaft, verursachen, gelten als (bisher) nicht in- Überwachungs-, Ausrottungs- bzw. Be- des Pflanzenschutzes und des Natur- vasiv, demgegenüber Arten, die ökologi- kämpfungsmaßnahmen (phytosanitären schutzes, ideologiefrei zu begleiten und sche Schäden verursachen, als invasiv. Maßnahmen), die eine weitere Verbrei- zu steuern. Bei der Baumartenwahl kön- Arten, bei denen bisher nicht erkennbar tung verhindern sollen. nen potenzielle Zuwachsleistung und Er- ist, ob sie ökologische Schäden verursa- tragspotenzial einer Baumart daher nur chen oder nicht, werden als potenziell Herausforderungen der Zukunft zwei von vielen zu berücksichtigenden Ei- invasiv eingestuft (BfN-Neobiota.de). Im Die Einteilung der Neobiota in unter- genschaften sein. Hier eröffnen sich Fra- Bundesnaturschutzgesetz wird eine in- schiedliche Invasivitätsstufen und die gestellungen, mit denen sich die forstwis- vasive Art definiert als »eine Art, deren Definition nach Bundesnaturschutzge- senschaftliche Forschung zwangsläufig Vorkommen außerhalb ihres natürlichen setz ist für den angewandten Pflanzen- viel intensiver beschäftigen wird müssen, Verbreitungsgebiets für die dort natür- schutz und die Gesundheitsvorsorge um ihrer Verantwortung im Sinne der lich vorkommenden Ökosysteme, Bio- ungeeignet. Pflanzen- und Gesundheits- Nachhaltigkeitskriterien auch zukünftig tope oder Arten ein erhebliches Gefähr- schutz können nicht abwarten, ob sich gerecht zu werden. dungspotenzial darstellt« (§ 7 Abs. 2 Nr. 9 eine Art im Laufe ihrer Etablierung als BNatSchG). schädlich erweist oder nicht. Daher plä- Literatur diert der Pflanzenschutz dafür, unkont- BfN Bundesamt für Naturschutz (2005): Gebietsfremde Arten. Positionspapier des Bundesamtes für Naturschutz. BfN-Skripten Quarantäneschadorganismen rollierte Einschleppung und Ansiedlung 128: 30 S. Der Begriff »Quarantäneschadorganis- gebietsfremder Arten konsequent zu ver- BfN Bundesamt für Naturschutz: Neobiota.de – Informations- portal des Bundesamtes für Naturschutz über gebietsfremde und mus« ist ein Fachbegriff des Pflanzen- hindern. Dazu wurden bereits vor Jahr- invasive Arten in Deutschland. http://neobiota.bfn.de. (Zugriff: 05.05.2017) schutzes und ist nicht identisch mit dem zehnten durch die Internationale Pflan- Fettig, Ch. J.; Delb, H. (2017): Invasive forstliche Schadorganismen Begriff »Invasive Art«, wobei natürlich zenschutzkonvention (IPPC) und deren in Nordamerika. AFZ-Der Wald 72(9): S. 19–21 IUCN International Union for Conservation of Nature (2012): jeder Quarantäneschadorganismus eine regionale Pflanzenschutzorganisation für Biological invasions: a growing threat to biodiversity, human health invasive Art ist. Der Pflanzenschutz de- Europa EPPO (European and Mediter- and food security. Policy Brief: 4 S. https://www.iucn.org/sites/dev/ files/import/downloads/policy_brief_in_invasive_and_alien_spe- finiert Quarantäneschadorganismen als ranean Plant Protection Organization) cies_final.pdf ( Zugriff: 05.05.2017) Lemme, H. (2017): mündlicher Diskussionsbeitrag im Workshop Organismen (z. B. Insekten, Milben, Ne- die notwendigen internationalen Grund- Asian Longhorn Beetle; Entomologentagung am 16.03.2017 Nehring, S.; Essl, F.; Rabitsch, W. (2013): Methodik der natur- schutzfachlichen Invasivitätsbewertung für gebietsfremde Arten. BfN-Skripten 340: 46 S. May, H. (2017): Natur in Bewegung. Neubürger in der Tier- und Pflanzenwelt. Naturschutz heute 2/2017: S. 10–11 Schliesske, J. (2017): mündlicher Diskussionsbeitrag im Workshop Asian Longhorn Beetle; Entomologentagung am 16.03.2017 Schmidt, O. (2017a): Neue Arten – ökologisch halb so wild? AFZ- DerWald 72(9): S. 16–18 Schmidt, O. (2017b): Neue Arten – zwischen Verfremdung und Be- reicherung. LWF aktuell 114: S. 15–19 Schraml, U. (2017): Volle Kraft voraus Richtung Vergangenheit? AFZ-DerWald 72(9): S. 16–18 Autor Dr. Ralf Petercord leitet die Abteilung »Waldschutz« der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Kontakt: [email protected] 2 Heimisch oder fremd? Nach der Definition des Bundesnaturschutzgesetzes kann der Waschbär zu den heimischen Tierarten gezählt werden. Foto: geoffkuchera, fotolia.com 3 |2017 LWF aktuell 7 Quarantäneschädlinge Was wäre wenn …? Gründe für die Durchführung einer PRA Es gibt drei Hauptgründe, die für die Durchführung von Risikoanalysen spre- Wenn sich neue Pflanzenschädlinge ankündigen, chen: Zum einen dient die PRA der Bewer- ist die »Pflanzengesundheitliche Risikoanalyse« tung und fachlichen Untermauerung von Vorschlägen und Entscheidungen, die der das erste Mittel der Wahl Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (PAFF) der EU- Gritta Schrader und Ernst Pfeilstetter Kommission trifft, wenn es um die Neure- Pflanzenschädlinge, das könnten zum Beispiel Insekten, Pflanzen, gelung, Änderung der Regelung oder De- vielleicht auch Pilze oder Bakterien sein. Auf alle Fälle neue oder regulierung von Schadorganismen geht. bereits eingeschleppte Organismen, die womöglich für unsere Zweitens unterstützt die PRA die Vorbe- Pflanzen ein Risiko darstellen. Auf solche Organismen haben die reitung von Entscheidungen in Deutsch- Pflanzenschützer ein außerordentlich wachsames Auge und mit land und der EU, wie mit »neuen« Schad- der »Pflanzengesundheitlichen Risikoanalyse« eine Grundlage, organismen umzugehen ist. Diese Frage solchen ungebetenen Gästen in angemessener Form zu begegnen. stellt sich bei Beanstandungen und Auf- tretensmeldungen gelisteter sowie neuer, nicht gelisteter Schadorganismen und bei Unter einer Risikoanalyse versteht man der Einschleppung und Verbreitung des der Einfuhr bisher nicht geregelter Orga- die systematische Auswertung verfügba- jeweiligen Schadorganismus sowie mög- nismen, die schädlich sein könnten. rer Informationen, um Gefährdungen zu liche Auswirkungen auf Pflanzen und Und drittens liefert die PRA die fachliche identifizieren und Risiken abzuschätzen. ihre Habitate und Ökosysteme sowie Unterstützung von Anträgen auf EU-Aus- Die Pflanzengesundheitliche Risikoana- auf Pflanzenprodukte im Detail bewer- nahmegenehmigungen für die Einfuhr lyse (Pest Risk Analysis, PRA) ist seit den tet bzw. abgeschätzt. Im Einzelfall kann von grundsätzlich einfuhrverbotenen 1990er Jahren ein wichtiger Forschungs- dies sehr umfassende und komplexe Ana- Pflanzen und Pflanzenprodukten aus und Aufgabenbereich in der Pflanzenge- lysen erfordern, von der Aufklärung der Drittländern (z. B. Solanaceen-Zierpflan- sundheit, für den zum Teil Expertenwis- Warenströme (z. B. Abschätzung des Um- zenarten, Kartoffeln). sen, Erfahrung und umfangreiche Infor- fangs von Handelsbeziehungen mit be- mationen notwendig sind. Es handelt sich stimmten Ländern) bis hin zu den öko- Auslöser für die Durchführung einer PRA hierbei vereinfacht gesagt darum, festzu- nomischen sowie ökologischen Konse- Neben den inhaltlichen Gründen für stellen, quenzen auch unter Berücksichtigung die Durchführung von Risikoanalysen ob ein »neuer« Organismus im Fall des Klimawandels. Im Risikomanage- gibt es verschiedenste konkrete Auslöser des Auftretens in einem bestimm- ment-Teil wird geprüft, ob, und wenn ja, für risikoanalyserelevante Arbeiten. Die ten Gebiet Schäden an Pflanzen oder welche Maßnahmen gegen die Einschlep- wich tigsten Auslöser sind: Pflanzenprodukten verursachen kann, pung und Verbreitung des Schadorganis- Pflanzenschutzdienste in Deutschland ob diese Schäden relevant sind, mus bzw. zu seiner Unterdrückung oder oder in der EU melden einen neuen welche pflanzengesundheitlichen Maß- Ausrottung im Fall einer Einschleppung Schadorganismus oder eine neue Schad- nahmen ergriffen werden sollten. ergriffen werden können und sollten. wirkung bereits bekannter Schadorga- Gezielte Forschungsarbeiten zu bestimm- nismen und die daraufhin vom Institut ten Fragestellungen wie zum Beispiel zu Zweck der PRA Pflanzengesundheit durchgeführte »Ex- Übertragungswegen und Ansiedlungspo- Hauptzweck der Risikoanalyse ist, Kon- press-PRA« ergibt die Notwendigkeit tenzialen sind oft maßgebliche Grundla- trollbehörden, Ministerien und der EU- zur Durchführung einer ausführlichen ge für die Aussagekraft oder Durchfüh- Kommission die Grundlage für Entschei- Risikoanalyse. rung von Analysen und damit essentieller dungen über notwendige Gegenmaßnah- Arbeitsgruppen der Pflanzenschutzor- Bestandteil der Risikoanalyse. men zu liefern. Sowohl aufgrund des ganisation für Europa und den Mittel- Internationalen Pflanzenschutzüberein- meerraum (EPPO) identifizieren Orga- Risikobewertung und Risikomanagement kommens (IPPC) als auch des Sanitären nismen, für die Risikoanalysen durchge- Die Risikoanalyse wird in die zwei und Phytosanitären Übereinkommens führt werden sollten, weil es Hinweise Hauptabschnitte Risikobewertung und der Welthandelsorganisation (»SPS-Agree- gibt, dass sie ein Risiko für die EPPO- Risikomanagement unterteilt: Bei der Ri- ment«) besteht die Verpflichtung, pflan- Region darstellen könnten. sikobewertung erfolgt eine Einschätzung, zengesundheitliche Maßnahmen fachlich Der Ständige Ausschuss PAFF der EU- ob der zu bewertende Organismus ein zu rechtfertigen, wenn sie Auswirkun gen Kommission benötigt eine Risikoana- Schadorganismus für Pflanzen ist und ob auf den Handel haben. Dies ist ein wich- lyse oder die Bewertung einer Risiko- er ein Risiko für das betreffende Gebiet tiger Aspekt im Hinblick auf Handelskon- analyse zur Entscheidung über die Neu- – zum Beispiel Deutschland oder Euro- flikte, da bei Streitfällen und formellen listung, Deregulierung oder zur neuen pa – darstellt, also ob er ein Einschlep- Streitschlichtungsverfahren die Risiko- Einstufung eines Schadorganismus. pungs-, Ansiedlungs-, Ausbreitungs- und analyse eine maßgebliche Rolle spielt. Die Experten-Arbeitsgruppe der EU- Schadpotenzial hat. Bei ausreichendem Kommission zu den Anhängen der so- Verdacht werden die Wahrscheinlichkeit genannten »Pflanzenquarantäne-Richt- 8 LWF aktuell 3 |2017 Quarantäneschädlinge linie der EU« benötigt Informationen sen erforderlich ist. Die Mitwirkung der dem IPPC und der EU-Kommission. So- zur Einstufung eines Schadorganismus Pflanzenschutzdienste der Bundesländer wohl das Erhalten als auch das Weiterge- oder zur Bewertung einer vorliegenden umfasst die Übermittlung von Informati- ben von Auftretens- und Beanstandungs- Risikoanalyse. onen zum Auftreten von Schadorganis- meldungen sind Bestandteil der Risiko- Wissenschaftliche Veröffentlichungen men einschließlich neuer Organismen so- kommunikation. Weiterhin bieten sich oder wissenschaftliche Literatur weisen wie zum Vorkommen von Wirtspflanzen Faltblätter, Pressemitteilungen und gege- auf neue Schadorganismen hin. und geeigneten Habitaten im Rahmen benenfalls auch Veröffentlichungen zur Im Rahmen des internationalen Warn- von Überwachung, Monitoring und Ins- Information an. systems des IPPC oder der EPPO Alert pektionen. Des Weiteren gehören hierzu List wird auf einen neuen Schadorganis- Informationen zu durchgeführten oder Schlussfolgerungen mus oder einen neuen Einschleppungs- in Erwägung gezogenen pflanzengesund- Die Pflanzengesundheitliche Risikoanaly- weg hingewiesen. heitlichen Maßnahmen und zur Durch- se kann, wenn sie rechtzeitig durchgeführt Es erfolgt eine Anfrage eines Garten- führung diagnostischer Untersuchun- wird, zur frühzeitigen Erkennung von Ri- oder Pflanzenbaubetriebs, der eine Aus- gen. Informationen werden auch aktiv siken für Kulturpflanzen und Wildpflan- nahmegenehmigung für die Einfuhr von Seiten der anderen Wissenschaftler zen dienen und es damit ermöglichen, grundsätzlich verbotener oder mit Auf- in den JKI-Instituten bzw. der Pflanzen- schnellstmöglich Maßnahmen zu ergrei- lagen versehener Pflanzen/Pflanzen- schutzdienste an das Institut Pflanzenge- fen, sofern diese denn als notwendig er- produkte beantragen will. sundheit herangetragen. achtet werden. Die Risiken (potenzieller) Quarantäneschadorganismen sind häufig Verfahrensweise für die Durchführung Risikokommunikation offensichtlich genug, um Maßnahmen zu In Deutschland liegt die Federführung Risikokommunikation ist ein essentieller rechtfertigen, werden aber auf politischer für die Durchführung risikoanalyserele- Bestandteil der Risikoanalyse. Sie dient Ebene oftmals nicht ausreichend wahrge- vanter Arbeiten beim Institut für natio- einerseits dem Erhalt und der Vermitt- nommen (Schrader et al. 2014). Häufig nale und internationale Angelegenheiten lung von Informationen, andererseits der wird nicht rechtzeitig reagiert, vielfach so- der Pflanzengesundheit des Julius Kühn- Erhöhung der Transparenz von Risiko- gar erst, wenn es bereits zu spät ist. Die Instituts, Bundesforschungsinstituts für analysen. Neben dem bereits erwähn- Wahrnehmung der Risiken müsste ver- Kulturpflanzen (JKI). Liegen bereits Er- ten Informationsaustausch des Instituts bessert und adäquate Maßnahmen müss- fahrungen in anderen JKI-Instituten zu Pflanzengesundheit mit den anderen JKI- ten ergriffen werden – auf politischer Ebe- Schadorganismen vor, die einer Risiko- Instituten und den Pflanzenschutzdiens- ne besteht dazu sogar die gesetzliche Ver- analyse unterzogen werden sollen, wir- ten der Länder über die zu bewertenden pflichtung für diejenigen Staaten, die das ken diese auf Anfrage durch das Institut Organismen und ihre Auswirkungen ge- IPPC unterzeichnet haben. Pflanzengesundheit bei den Risikobewer- hört hierzu auch die Kommunikation mit tungen mit, wenn spezifisches Fachwis- internationalen Gremien wie der EPPO, Zusammenfassung Die Pflanzengesundheitliche Risikoanalyse (PRA) beurteilt die Gefahren, die von neu auftretenden Organismen an Pflanzen ausgehen könnten und Erläuterungen rund um die PRA nennt die daraus sich ergebenden möglichen Maß- nahmen. Die PRA unterstützt politische Entschei- dungsträger auf nationaler und internationaler EPPO: Die »European and Mediterranean Plant Protection Organisation« ist eine zwi- Ebene. Es werden die Gründe und Auslöser vorge- schenstaatliche Organisation, die für die Zusammenarbeit und Harmonisierung im stellt, die zu einer PRA führen, sowie das Prozede- Pflanzenschutz im europäischen und mediterranen Raum zuständig ist. Im Rahmen re beschrieben, wie eine PRA durchgeführt wird. des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens (IPPC) ist die EPPO die regionale Im Ausblick wird hingewiesen, dass im politischen Pflanzenschutzorganisation für Europa. Umfeld jedoch den Ergebnissen von PRAs häufig noch zu wenig Beachtung und Aufmerksamkeit EPPO Alert List: Der Hauptzweck dieser Warnliste ist es, die Aufmerksamkeit der entgegengebracht wird. EPPO- Mitgliedsstaaten auf bestimmte Schadorganismen zu lenken, die möglicher- weise ein Risiko für sie darstellen, so dass sie frühzeitig gewarnt werden. Literatur Schrader, G.; Kehlenbeck, H.; Unger, J.G. (2014): GFFA-Fachpo- IPPC: Das 1952 gegründete »Internationale Pflanzenschutzübereinkommen« zielt diumsbeitrag »Auswirkungen von invasiven Arten, die Pflanzen als internationales Pflanzengesundheitsabkommen darauf ab, kultivierte und wilde schädigen, auf die Ernährungssicherung und entsprechende Maß- Pflanzen durch die Verhinderung der Einschleppung und Verbreitung von Schadorga- nahmen zur Krisenbewältigung und Sicherung der Nachhaltigkeit der Pflanzenproduktion». Journal für Kulturpflanzen 66 (4): 149 nismen zu schützen. Autoren SPSAgreement: Das »Sanitäre und Phytosanitäre Übereinkommen« der WTO legt Dr. Gritta Schrader arbeitet im Institut für Nationale und Interna- die Grundregeln für die Lebensmittelsicherheit sowie die Tier- und Pflanzengesund- tionale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit des JKI an der heit fest. Standards (z. B. die im Rahmen des IPPC erstellten Internationalen Stan- Koordination und Durchführung von Risikoanalysen auf nationaler und internationaler Ebene, sowie an der Weiterentwicklung von Ri- dards für Pflanzengesundheitliche Maßnahmen) sollen nur in dem Maße angewendet sikoanalyseverfahren. Dr. Ernst Pfeilstetter leitet derzeit kommis- werden, wie es zum Schutz des menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens sarisch das Institut für Nationale und Internationale Angelegenhei- oder der Gesundheit erforderlich ist. ten der Pflanzengesundheit des JKI. Kontakt: [email protected] WTO: Die »Welthandelsorganisation« ist die einzige globale internationale Organi- Links sation, die sich mit den Regeln des Handels zwischen den Nationen beschäftigt. www.julius-kuehn.de/ Beispiel-PRA: http://pflanzengesundheit.jki.bund.de/dokumente/ upload/0ec1b_aromia_bungii-ex-pra.pdf 3 |2017 LWF aktuell 9 Quarantäneschädlinge Unter Beobachtung EU fordert aufmerksames Monitoring gefährlicher Quarantäneschädlinge Josef Metzger Das Internationale Pflanzenschutzübereinkommen IPPC (Interna tional Plant Protection Convention) bildet seit mehr als 50 Jahren den internationalen Rahmen für den Schutz von Pflanzen gegen die Einschleppung und Verbreitung von Schadorganismen. Dazu gehören Insekten, Nematoden, Phytoplasmen, Bakterien, Pilze, Viren und Viroide. In Bayern war die Liste der zu überwachenden 1 Der Citrusbockkäfer zählt zu den Quarantäneschädlingen. Nun fordert die EU von den Mitgliedsstaaten Nationale Monitoringpro Schaderreger überschaubar. Seit der Jahrtausendwende hat die gramme, um die Einschleppung zu verhindern. Foto: Luciano Nuccitelli, Zahl neu entdeckter Quarantäneschaderreger stetig zugenom Servizio Fitosanitario Regione Lazio, Bugwood.org men. Ab 2019 muss diese Liste wegen des neu hinzugekommenen »Nationalen Monitoringprogramms« und den Anforderungen der EU geändert und zahlreiche neue Arten müssen in die Liste der Quarantäneschadorganismen aufgenommen werden. bäumen und Pheromonfallen. Bei allen ALB-Fundstellen handelt es sich bisher Die Quarantänerichtlinie der EU (RL anderem der Asiatische Laubholzbockkä- um lokal begrenzte Gebiete, in denen 2000/29/EG) listet eine Vielzahl von fer, der Citrusbockkäfer, der Kiefernholz- eine Ausrottung des Käfers aus Sicht al- Schadorganismen auf, die unseren Wald- nematode sowie die Pilze Phytophthora ler Experten noch möglich ist. bäumen gefährlich werden können und ramorum, Fusarium circinatum und Le- deren Ein- und Verschleppung verhin- canosticta acicola, die im Folgenden kurz Citrusbockkäfer dert werden soll. Dazu sind für Impor- beschrieben werden. Der aus Asien stammende Citrusbockkä- te von Pflanzen und Holz phytosanitäre fer (Anoplophora chinensis) (CLB) kann Einfuhrvorschriften zu erfüllen. Unge- Asiatischer Laubholzbock ein breites Spektrum von Laubgehölzen achtet dessen sind in den vergangenen Der Asiatische Laubholzbockkäfer (Ano- befallen. Der CLB befällt vitale Bäume zehn Jahren mehrere zum Teil zuvor plophora glabripennis) (ALB) ist ein aus primär am Stammfuß und die dort anlau- unbekannte forstlich relevante Quaran- Asien eingeschleppter Baumschädling. fenden Wurzeln und führt mit fortschrei- täneschädlinge mit Pflanzen oder Ver- Der Käfer wird mit Verpackungsholz aus tendem Befall zum Tod des Baumes. Ne- packungsholz in einzelne EU-Mitglieds- China nach Europa gebracht. Er befällt ben der Gefahr der Einschleppung des staaten eingeschleppt worden. Um die gesunde Bäume und kann diese bei star- CLB in die EU und nach Deutschland Befallsherde wieder zu tilgen und um kem Befall zum Absterben bringen. Die aus Asien mit Bonsai-Pflanzen oder Zier- weitere Einschleppungen zu verhindern, Entwicklungszeit vom Ei zum Käfer ist gehölzen besteht auch die Gefahr der Ver- erließ die EU-Kommission Notmaßnah- abhängig von der Temperatur und dauert schleppung mit Baumschulware aus Ita- men, die auch ein Monitoring der Qua- ein bis vier, in der Regel zwei Jahre. Von lien. Der Entwicklungszyklus des CLB rantäneschädlinge fordern. Daher sollen den heimischen Bäumen sind bei uns fast ähnelt dem des ALB. Der wesentliche unter anderem jährliche Erhebungen in alle Laubholzarten gefährdet. Unterschied ist, dass der ALB vor allem Baumschulen, in öffentlichen Grünanla- In Bayern ist der ALB an sechs Orten auf- den Kronenbereich eines Wirtsbaumes gen und im Wald durchgeführt werden, getreten, wobei das Befallsgebiet Neun- befällt, während der CLB den Stammfuß um festzustellen, ob diese Schadorga- kirchen als »ausgerottet« gilt: Feldkirchen und die Wurzeln besiedelt. nismen vorkommen. Um überhaupt die (Lkr. München), Kelheim (Lkr. Kelheim), Im Juni 2008 meldete ein Gartenbesit- Chance auf eine erfolgreiche Ausrottung Murnau a. Staffelsee (Lkr. Garmisch-Par- zer in der Nähe von München den Fund dieser gefährlichen Schädlinge zu haben, tenkirchen), Neubiberg (Lkr. München) eines Citrusbockkäfers. Im Landkreis muss ein möglicher Befall im Anfangs- und Ziemetshausen (Lkr. Günzburg). In Ebersberg wurde im August 2014 ein Kä- stadium gefunden werden. Mit der EU- diesen derzeit fünf Quarantänegebieten fer entdeckt. In beiden Fällen war der Kä- Verordnung 2016/2031 vom 26. Oktober wird ein intensives Monitoring durchge- fer kurz zuvor aus einem gekauften Fä- 2016 über Maßnahmen zum Schutz vor führt. Je nach örtlicher Gegebenheit be- cherahorn geschlüpft. Jeweils am Fuß der Pflanzenschädlingen verstärkt die EU steht es aus einer Kombination folgender Bäumchen befand sich ein kreisrundes ihre Anstrengungen gegen Quarantäne- Maßnahmen: Visuelles Monitoring vom Ausbohrloch. An beiden Fundorten wur- schädlinge nochmals deutlich, indem sie Boden aus (in der Regel mit einem Fern- de in den eingerichteten Überwachungs- von den Mitgliedsstaaten intensivere Mo- glas), Einsatz spezieller ALB-Spürhunde, zonen ein intensives Monitoring durchge- nitoringmaßnahmen einfordert. Zu die- Monitoring im Baum durch geschulte führt. Bisher gab es keine Anzeichen auf sen Quarantäneschädlingen zählen unter Baumkletterer, Monitoring mittels Fang- einen Freilandbefall in Bayern. 10 LWF aktuell 3 |2017
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