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Gerechter Krieg – gerechter Frieden: Religionen und friedensethische Legitimationen in aktuellen militärischen Konflikten PDF

379 Pages·2009·1.58 MB·German
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Ines-Jacqueline Werkner · Antonius Liedhegener (Hrsg.) Gerechter Krieg – gerechter Frieden Politik und Religion Herausgegeben von Manfred Brocker (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) und Mathias Hildebrandt (Universität Erlangen-Nürnberg) In allen Gesellschaften spielte der Zusammenhang von Politik und Religion eine wichtige, häufig eine zentrale Rolle. Auch die Entwick- lung der modernen westlichen Gesellschaften ist ohne die politi- sche Auseinandersetzung mit den traditionellen religiösen Ordnungs- konzepten und Wertvorstellungen nicht denkbar. Heute gewinnen im Westen – und weltweit – religiöse Orientierungen und Differen- zen erneut einen zunehmenden gesellschaft lichen und politischen Einfluss zurück. Die Buchreihe „Politik und Religion“ trägt dieser aktuellen Tendenz Rechnung. Sie stellt für die Sozialwissenschaften in Deutschland, insbesondere aber für die Politikwissenschaft, ein Publikationsforum bereit, um relevante Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Politik und Religion der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorzustellen und weitere Forschungsarbeiten auf die- sem Gebiet anzuregen. Sie ist deshalb offen für verschiedene diszipli - näre und interdisziplinäre, theoretisch-methodologische und inter- kulturell-vergleichende Ansätze und fördert Arbeiten, die sich systematisch und umfassend mit wissenschaftlich ergiebigen Fra- gestellungen zum Verhältnis von Politik und Religion befassen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit „Politik und Religion“ soll damit in ihrer ganzen Breite dokumentiert werden, ohne dass die Herausgeber dabei mit den jeweilig bezogenen Positionen über- einstimmen müssen. Ines-Jacqueline Werkner Antonius Liedhegener (Hrsg.) Gerechter Krieg – gerechter Frieden Religionen und friedensethische Legitimationen in aktuellen militärischen Konflikten Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. . 1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Frank Schindler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes istohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson - dere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein- speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16989-7 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis (cid:2) Ines-Jacqueline Werkner / Antonius Liedhegener Von der Lehre vom gerechten Krieg zum Konzept des gerechten (cid:2) Friedens? Einleitung 9 (cid:2) I. Zu den ideengeschichtlichen Anfängen der bellum iustum-Lehre (cid:2) Andrea Keller Die politischen Voraussetzungen der Entstehung der bellum iustum- (cid:2) Tradition bei Cicero und Augustinus 23 (cid:2) Gerhard Beestermöller „Rettet den Armen und befreit den Dürftigen aus der Hand des Sünders“ (cid:2) (Ps 82, 4). Thomas von Aquin und die humanitäre Intervention 43 (cid:2) (cid:2) II. Gerechter Krieg – aktuelle theoretische Diskussionen (cid:2) Michael Haspel Zwischen Internationalem Recht und partikularer Moral? Systematische (cid:2) Probleme der Kriteriendiskussion der neueren Just War-Theorie 71 (cid:2) Oliver Hidalgo Der „gerechte“ Krieg als Deus ex machina – ein agnostizistisches (cid:2) Plädoyer 83 (cid:2) Bernhard Koch Neuere Diskussionen um das ius in bello in ethischer Perspektive 109 6 Inhaltsverzeichnis (cid:2) III. Gerechter Frieden? – Positionen im Christentum zu aktuellen (cid:2) militärischen Konflikten (cid:2) Eva Senghaas-Knobloch „... für gerechten Frieden sorgen“ – Zur Einführung in die neue (cid:2) Friedens-Denkschrift des Rats der EKD 135 (cid:2) Christian Polke Gottes Friede – gerechter Friede? Ethisch-theologische Bemerkungen (cid:2) zum Status des Friedens aus Anlass einer neuen Denkschrift 149 (cid:2) Michael Hörter Gerechter Friede und Terrorismusbekämpfung – Anregungen für eine ethisch verantwortbare Terrorismusbekämpfung in kirchlichen (cid:2) Dokumenten 169 (cid:2) Goran Bandov Die Position der Religionsgemeinschaften im serbisch-kroatischen (cid:2) Konflikt in den 1990er Jahren 197 (cid:2) Doris Meyer-Ahlen „Vor den Augen der ganzen Welt stirbt die Menschlichkeit.“ Bischöfliche Stellungnahmen während der Kriege in Kroatien und (cid:2) Bosnien und Herzegowina (1991-1995) 211 (cid:2) IV. Zur ethischen Legitimierung militärischer Gewalt in anderen (cid:2) Religionen (cid:2) Stephan Rosiny Der jihad. Historische und zeitgenössische Formen islamisch (cid:2) legitimierter Gewalt 225 (cid:2) Michael Ingber Obligatory War, Optional War and Forbidden War – und der ersehnte Friede: Zur Lehre von Krieg und Frieden aus der Perspektive des (cid:2) Judentums 245 (cid:2) Michael Henkel (cid:2) Shalom – Der Friedensbegriff im antiken Israel 271 Inhaltsverzeichnis 7 (cid:2) Nadine Godehardt / Oliver W. Lembcke Gerechter Krieg und himmlische Ordnung. Chinesischer Realismus (cid:2) zwischen Relativismus und Universalismus 295 (cid:2) Jakob Rösel (cid:2) Kennen Hindus und Buddhisten einen gerechten Krieg? 319 (cid:2) Angelika Dörfler-Dierken (cid:2) Zen-Buddhismus, Samurai und die Lehre vom gerechten Krieg 329 (cid:2) Hans-Michael Haußig With God On Our Side – Aspekte religiös legitimierter Kriege in (cid:2) vergleichender Perspektive 347 (cid:2) (cid:2) V. Öffentliche Podiumsdiskussion Gerechter Krieg - gerechter Frieden. Religion(en) als Chance und Problem aktueller Friedensstrategien 365 (cid:2) Autorenverzeichnis 395 Ines-Jacqueline Werkner / Antonius Liedhegener Von der Lehre vom gerechten Krieg zum Konzept des gerechten Friedens? Einleitung Einleitung In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Welt dramatisch verändert. Galt das Ende der Ost-West-Konfrontation zunächst als ein Schritt in Richtung einer friedlichen Lösung von Konflikten, erwiesen sich die nach 1990 aufbrechenden regionalen Konflikte in und um Europa und der global auftretende, transnationa- le Terrorismus als ein schwerer Rückschritt. Auf diese von Krisen und Konflik- ten geprägte weltpolitische Situation ist zunehmend mit militärischen Interven- tionen reagiert worden, die verstärkt im Namen der Menschenrechte wie bei- spielsweise im Kosovo oder aber präemptiv im Sinne eines war on terror wie im Irak geführt werden. Diese friedens- und sicherheitspolitischen Entwicklungen stellen auch die Kirchen, Religionsgemeinschaften und die Friedensethik vor neue Herausforde- rungen. So erfordern die völlig veränderten geopolitischen Konstellationen neue Konzepte, lassen gleichzeitig aber auch die Frage nach der Lehre vom gerechten Krieg wieder aktuell werden. Darüber hinaus ist Krieg in Europa wieder Realität geworden. Mittlerweile wird Deutschland sogar am Hindukusch verteidigt. Deutsche Soldaten befinden sich weltweit in militärischen Einsätzen. Vor diesem Hintergrund ist Friedensethik dringender denn je gehalten, zu den aktuellen hu- manitären militärischen Interventionen Stellung zu beziehen und die Maßstäbe dieser Einsätze kritisch zu reflektieren. Ausdruck dieser Verantwortung ist beispielsweise die 2007 erschienene neue Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Titel „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“. In ihr wird der gerechte Frieden zur friedensethischen Leitperspektive erhoben, verbunden mit der expliziten Absage an die Lehre vom gerechten Krieg (EKD 2007: 68). In ähnlicher Weise wendet sich auch die katholische Kirche in Deutschland vom gerechten Krieg ab und spricht stattdessen vom gerechten Frieden als sozialethi- scher Zielperspektive (Die deutschen Bischöfe 2000). Anders dagegen in der anglo-amerikanischen Debatte: Der amerikanische Philosoph Michael Walzer spricht offen vom „Sieg der Lehre vom gerechten Krieg“ (2003: 31), und auch die anglikanische Kirche beziehungsweise viele der amerikanischen christlichen 10 Ines-Jacqueline Werkner / Antonius Liedhegener Denominationen urteilen in friedensethischen Fragen noch immer in der Traditi- on der just war theory (u. a. EKD/The Church of England 2003). 1 Zur Genese der Lehre vom gerechten Krieg Das Konzept des gerechten Krieges kann auf eine über zweitausendjährige Tra- dition zurückblicken. Es entwickelte sich zu einer Theorie, die sich mehr und mehr ausdifferenzierte. Ganz allgemein wird in ihr nach dem Recht zum Krieg- führen – dem ius ad bellum – und nach der rechtmäßigen Kriegsführung – dem ius in bello – gefragt. Mittlerweile umfasst das ius ad bellum eine Reihe von Kriterien wie gerechter Grund, legitime Autorität, rechte Absicht, letztes Mittel, Aussicht auf Erfolg und Verhältnismäßigkeit der Folgen. Das ius in bello bein- haltet dagegen vor allem die beiden Kriterien Verhältnismäßigkeit der Mittel und Unterscheidung in Kombattanten und Nicht-Kombattanten. Die Anfänge der bellum iustum-Lehre reichen bis in die Antike – bis zu Pla- ton und Aristoteles – zurück und waren geprägt vom Kampf der Griechen gegen die Barbaren. Während für Platon der Krieg gegen die Barbaren noch notwendig war, um die Freiheit der Griechen zu verteidigen, blieb Aristoteles in seiner Ar- gumentation deutlich hinter Platon zurück. Für ihn gab es Menschen, die von Natur aus zur Sklaverei bestimmt waren und unterworfen werden durften (Ri- cken 1988; Kleemeier 2003: 12). In römischer Zeit bei Cicero finden sich erste konkrete Kriterien für einen bellum iustum. Danach ist ein Krieg dann gerecht, „wenn er auf der Grundlage einer formalen Androhung und Erklärung erfolgt und wenn er wegen Schadens- ersatz bzw. Wiedergutmachung geführt wird“ (Kleemeier 2003: 12). Dies um- fasst nach Cicero die Abwehr einer unmittelbaren feindlichen Ungerechtigkeit wie auch die Verteidigung der Bundesgenossen Roms. Im Hinblick auf das ius in bello sollte Verhältnismäßigkeit bei der Bestrafung gelten sowie zwischen Schuldigen und der Menge unterschieden werden: „Daher darf man Kriege zwar auf sich nehmen zu dem Zweck, daß man ohne Un- recht im Frieden lebt, nach Erringung des Sieges aber sind diejenigen zu begnadi- gen, die im Kriege nicht grausam und nicht unmenschlich waren“ (Cicero 1976 [44 v. Chr.]: 1, 11, 35). Augustinus hat die Lehre vom gerechten Krieg entscheidend geprägt. In einer Zeit, in der das Christentum zur Staatsreligion aufstieg, wendet sich Augustinus gegen die prinzipielle Ablehnung des Kriegsdienstes durch die frühen Christen. Parallel zu Cicero ist auch hier ein Krieg nur gerecht, wenn er im Namen einer rechtmäßigen Obrigkeit geführt wird. Zudem müssen ein gerechter Grund und Einleitung 11 die rechte Absicht vorliegen. Krieg darf nur geführt werden, um Unrecht zu ahnden, das heißt wenn ein Volk sich weigert, Übergriffe zu bestrafen oder zu- rückzugeben, was durch Unrecht weggenommen wurde. Zum Unrecht kann aber auch – und hier unterscheidet sich Augustinus von Cicero – ein Verstoß gegen die göttliche Ordnung gehören. In diesem Sinne schreibt auch Ulrike Kleemeier (2003: 14): „Augustinus Lehre vom bellum iustum eröffnet darüber hinaus noch die Möglichkeit einer Legitimierung heiliger Kriege, eine Vorstellung, die Cice- ros Denken ganz fremd ist“. Auch im ius in bello zielt Augustinus weniger auf Sachverhalte als vielmehr auf Gesinnungen. So dürfe Krieg nicht aus Rache oder Lust zur Grausamkeit geführt werden. Er betrachtete ihn als göttliche Strafaktion für menschliche Sünden. Theologisch speist sich die Lehre bei Augustinus aus seiner Zwei-Reiche-Lehre, wonach sich die Notwendigkeit gerechter Kriege aus der Unordnung der diesseitigen Welt ergibt: „Die Ungerechtigkeit des Gegners zwingt nämlich den Weisen zu gerechten Krie- gen, und so ist sie es jedenfalls, die der Mensch beklagen muß, weil sie des Men- schen Laster ist, auch wenn aus ihr kein Zwang zum Kriegführen entstünde“ (Au- gustinus 1979 [426]: 19, 7). Bei Thomas von Aquin (1966 [1273]) erfolgt eine erste – wenn auch inhaltlich kaum ausgeführte – Systematisierung der Lehre vom gerechten Krieg. Dabei greift er die drei Kriterien, die schon bei Cicero und Augustinus vorkommen, wieder auf: die legitima postestas, die iusta causa und die recta intentio: „Zu einem gerechten Krieg sind drei Dinge erforderlich: Erstens die Vollmacht des Fürsten, auf dessen Befehl hin der Krieg zu führen ist. Denn es ist nicht Sache der Privatperson, einen Krieg zu veranlassen; (…) Zweitens ist ein gerechter Grund ver- langt. Es müssen nämlich diejenigen, die mit Krieg überzogen werden, dies einer Schuld wegen verdienen. (…) Drittens wird verlangt, daß die Kriegführenden die rechte Absicht haben, nämlich entweder das Gute zu mehren oder das Böse zu mei- den. (…)“ (Thomas von Aquin 1966 [1273]: 2, 40, 1). Zu einer Weiterentwicklung und Verfeinerung der Kriterien der bellum iustum- Lehre kam es mit der spanischen Spätscholastik. Nach Francisco de Vitoria (1952 [1539]) dürfe Krieg nur durch den Staat als letztes Mittel geführt werden, um erlittenes Unrecht zu ahnden und Frieden wiederherzustellen. Dabei seien weder die Verschiedenheit der Religion – und darin unterscheidet sich die spani- sche Spätscholastik von Augustinus und Thomas von Aquin – noch die Erweite- rung der Herrschaft oder der persönliche Ruhm legitime Kriegsgründe. Auch genüge zur Kriegserklärung kein Unrecht jeder Art und Größe. Insbesondere aber – und hier lassen sich durchaus Parallelen zur aktuellen Debatte um präemp-

Description:
Das Buch stellt sich den essenziellen Fragen von Krieg und Frieden aus ethischer und religiöser Perspektive. Ziel ist es, die gegenwärtig stark umstrittene Lehre vom gerechten Krieg in den globalen Kontext einzubinden und aktuelle Weiterentwicklungen innerhalb – sowie außerhalb – dieser stark
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