Originalveröffentlichung in: Bertsch, Christoph ; Vahrson, Viola (Hrsgg.): Gegenwelten [Ausstellungskatalog], Innsbruck ; Wien 2014, S. 304-315 (Universität Innsbruck. Institut für Kunstgeschichte: Ausstellungskatalog ; 27) GERD BLUM / DAS KUNSTWERK ALS MODELL FÜR GOTT DIE UMKEHRUNG DER ANALOGIE VON GOTT UND KÜNSTLER BEI LEON BATTISTA ALBERTI, ANTON FRANCESCO DONI UND GIORGIO VASARI Die Natur wird in der Antike häufig als Künstlerin cha Tradition schon früh mit Gott als dem architectus mundi rakterisiert, als wie es der Stoiker Baibus in Ciceros De gleichgesetzt, der die Welt »in mensura et numero et pon natura deorum ausdrückt »ordnende Kraft, deren Ge dere«7 (also in Maß, Zahl und Gewicht) geordnet hat.8 Die schicklichkeit keine Kunst, keine Hand und kein Werk einzigen kosmologischen und naturphilosophischen Tra meister nachahmen und erreichen kann [...].«' Die überle ditionen der Antike, die nicht dem Modell der »nature as gene Kunstfertigkeit der »natura artificiosa«2 wird bereits craftsman« folgen und die keine Analogie von supraluna zuvor bei Plato auf den Demiurgen übertragen, einem rem Kosmos oder auch sublunarer Welt und Artefakt auf gottgleichen Weltbaumeister zugeschrieben. Die Kirchen stellen, der antike Atomismus und Epikureismus, werden väter begründen die christliche Konzeption des Deus arti- seit Alberti in der Kunsttheorie ebenfalls rezipiert, nach fex.3 Für die Kunst und Architekturtheorie des Quattro dem sie zuvor marginalisiert wurden; dies kann hier aller und Cinquecento ist die durch das Mittelalter tradierte dings nicht näher ausgeführt werden.9 Vorstellung einer kunstvoll produzierenden, teleologisch Wenn etwa in der Nachfolge des jüngeren Plinius auf Zweckmässigkeit hin abzielenden Natur ebenfalls eine ganze Reihe von Auftraggebern und Architekten der von bestimmender Bedeutung. Piatons Dialog Timaios, in Renaissance die Hügel um ihre Landhäuser als »Amphi dem die Welt als ein von harmonischen Zahlenverhältnis theater« oder »Theater« aus Anhöhen beschreiben, »wie sen durchdrungenes, vollkommenes Werk des Demiurgen es nur die Natur selbst schaffen konnte«,10 so ist dies vor beschrieben wird, spielt hier eine ebenso wichtige Rolle dem Hintergrund paganer und christlicher Topoi der na wie die aristotelische Konzeption einer Strukturanalogie tura artificiosa und des Deus artifex zu verstehen. Eine von physis und techne.4 Letztere besitzt etwa in Daniele planvoll und teleologisch vorgehende natura rerum, eine Barbaros VitruvKommentar einen hohen Stellenwert.5 Baumeisterin gewissermaßen," habe diese natürlichen Grundsätzlich ist die Ordnung der Welt, und im Bereich Theater und Amphitheater aus Anhöhen geschaffen.12 der Architektur insbesondere der kunstvoll angeordnete Kosmos das Vorbild der Struktur und Anordnung des Ar Leon Battista Alberti tefakts. Die unerreichbare Kunstfertigkeit der physis/na- tura wird als Vorbild des Artefaktes menschlicher techne/ Eine Umkehrung und zugleich eine bemerkenswerte Um ars begriffen. Nachhaltig war namentlich die Wirkung deutung des Topos idealer Topographie, ein natürliches der >physikotheologischen< Naturphilosophie der Stoa Theater aus Anhöhen als mikrokosmisches Inbild der und insbesondere von Ciceros De natura deorum mit ihren Ordnung der Welt zu begreifen, ist in Leon Battista Alber Analogien zwischen den Gebäuden menschlicher Archi tis Roman Momus zu finden; jenes Juristen, Humanisten tektur und der Architektur des Kosmos.6 Der platonische und NebenberufsArchitekten, der erstmals je ein Trak Demiurg beziehungsweise die stoische Providentia wird, tat zu allen drei Schwesterkünsten der später von Vasari wie Ernst Robert Curtius betont hat, in der christlichen so genannten Arti del disegno vorgelegt hat. Gegen Ende TAGUNG UNIVERSITÄT INNSBRUCK 304 von Albertis Momus, einer literarischen Schrift außerhalb zieht das finale Fazit: »Die Welt, die sie [die Menschen] der eigentlichen Kunstliteratur, wird - meines Wissens zur Verfügung haben, gefällt ihnen nicht: Dieser Zustand, erstmals bei einem der klassischen Autoren der neuzeit diese Situation ist schlimm und unerträglich: >Wir müs lichen Kunsttheorie eine Umkehrung der klassischen sen eine [...] völlig andere Welt erbauen<.«20 Analogie von Welt und Werk, von Gottes Weltschöpfung Zunächst wendet sich der Weltenherrscher an die und menschlichen Artefakten greifbar. Alberti erklärt Philosophen, doch die konfligierenden Lehrmeinungen in bewusster Umkehrung der antiken und insbesondere der diversen Philosophenschulen vermögen die olympi der stoischen Analogie von Welt und Werk, Kosmos und schen Götter nicht zu überzeugen. Jupiter beschließt, nun Kunstwerk nunmehr das Kunstwerk zum Vorbild einer selbst die bereits zur radikalen Erneuerung bestimmte neuen Weltschöpfung. Welt aufzusuchen, und betritt bei seiner Visite ein anti Bezüglich dieses Romans und verwandter literari kes Theater. Er betrachtet nun voller Bewunderung »die scher Texte Albertis ist seit Eugenio Garin13 in der For zahllosen, mächtigen Säulen aus parischem Marmor, ein schung die innere Widersprüchlichkeit von Albertis gigantisches Werk, das aus den Felsblöcken der höchsten Weltbild hervorgehoben worden, die nicht allein auf die Berge geschaffen war. Jupiter [...] sagte sich, obwohl sie unterschiedlichen Textgattungen zurückgeführt werden unmittelbar vor seinen Augen standen, dass ein solches kann, dem seine Schriften zugehören, sondern auf wider Werk ein Ding der Unmöglichkeit sei; er konnte vor lau streitende Tendenzen seines Denkens. Alberti hat über ter Begeisterung die Augen nicht von ihnen wenden und einen längeren Zeitraum parallel zwei Bücher verfasst, lobte sie über die Maßen; im Stillen klagte er sich über die in denen sich diese widerstreitenden Weltsichten hin eigene Unfähigkeit und Dummheit an, weil er sich, an sichtlich des Themas der Architektur artikulieren. Ers statt an die Baumeister eines so außerordentlichen Wer tens seinen Roman Momus seu de Principe'" (entstanden kes, an die Philosophen gewandt hatte, um mit ihrer Hilfe 144450), den Alberti selbst im Prolog als Ergebnis sei den Plan für eine neue Welt zu entwerfen.«21 ner Nachtwachen bezeichnet hat, nach Wolfgang Krohn Wolfgang Krohn hat daraufhingewiesen, dass Alberti eine »zynischsatirische Darstellung menschlicher und hier die Architektur zum »Vorbild der göttlichen Schöp göttlicher Dummheit, Leichtgläubigkeit, Hinterlist und fung«22 erklärt. Der Architekt wird in einem zugespitz Zerstörungslust«.15 Zweitens den Architekturtraktat De re ten Sinn zum »alter deus« (so Albertis berühmte Formu aedificatoria, der »über die Grundsätze, den Aufbau und lierung aus De pictura), zu einem zweiten und anderen die Anwendungsbedingungen der gesamten Baukunst«16 Gott, der eine bessere Welt hervorbringen kann als die handelt und wohl 1452 fertiggestellt wurde (in einer Fas jenige, die der architectus mundi kraft göttlichen Willens sung, die später möglicherweise überarbeitet wurde).17 erschuf.23 Obwohl Albertis Götterdämmerung im The Während De re aedificatoria auf dem Glauben an eine ater <, wie sie am Ende des Momus erzählt wird, in einer von Natur aus gut geordnete und gleichzeitig durch den paganen Welt spielt, gewinnt sie doch sowohl vor dem Menschen verbesserungsfähige Welt aufbaut oder doch Hintergrund stoischer als auch christlicher Konzepte aufzubauen scheint,18 entfaltet Alberti in seinem Momus, über die >Architektur der Welt< blasphemische Brisanz. seinem Roman über den Gott des Spotts Momus als Deren Grund liegt in Albertis kühner Umkehrung der klas »schwarzen Prometheus«,19 ein Gegenbild das Pano sischen Analogie von Welt und Werk und des klassischen rama eines gefallenen, durch und durch verkommenen Primats des gottgeschaffenen Kosmos über das Werk Planeten. Bei dessen Anblick beschließen die olympi menschlicher >Kunst<. Während in Ciceros De natura de- schen Götter, eine bessere, neue Welt zu erbauen. Jupiter orum die Architektur des Kosmos durch den Vergleich 305 BEITRAG GERD BLUM mit menschlichen Bauten erläutert wird und während in hat, kaum beachtet, der bereits zu Lebzeiten umstrit der christlichen Tradition der personalisierte Gott das tene Literat Anton Franceso Doni in den vierziger Jahren Gebäude der Welt als eine erste Architektur und als Mo des 16. Jahrhunderts vorgelegt im Hinblick auf Miche dell der menschlichen Architektur gebaut hat, stellt nun langelo. Donis hyperbolische, von den Zeitgenossen si Alberti die Architektur menschlicher Architekten dem cherlich nicht wörtlich genommene Umkehrung der Hi olympischen Zeus als Modell einer neuen Welt vor Augen. erarchie von Welt und Werk, von Kunstgeschichte und Beibehalten wird zwar die Analogie von göttlicher Heilsgeschichte wird bereits kurze Zeit später von Vasari und menschlicher ars. Aber das Primat der göttlichen und seine Koautoren fortgeschrieben werden. Schöpfung über die menschliche Nachahmung, das die ser Analogie traditionell eingeschrieben war, wird ab Anton Francesco Doni gelöst durch eine ironische Umkehrung: nun soll die menschliche Architektur und genauer gesagt ein Thea Michelangelos Fresko des Jüngsten Gerichts, 1541 enthüllt, tergebäude zum Modell und Muster des ganzen Weltthe ist nach Vasaris Vita des Michelangelo Endpunkt und Telos aters bzw. eines neuen Weltgebäudes werden. Alberti führt der Kunstgeschichte und damit ein Gericht auch über die diese gerade vor dem Hintergrund des christlichen Deus Kunst aller Zeiten und Völker, die sich angesichts dieses artifex durchaus blasphemische Inversion jedoch unmit Meisterwerks geschlagen geben müssten.26 telbar darauf ad absurdum: Indem er das monumentale Das zeitgenössische Lob des Freskos nahm teils gro antike Theater samt seiner Götterstatuen nach Jupiters teske Züge an. Höhepunkt der Vergöttlichung Michelan Besuch zum Opfer entfesselter Naturgewalten wird, lässt gelos als Maler des Jüngsten Gerichts ist ein an ihn ge Alberti die traditionelle Hierarchie von Welt und Werk, richteter Brief von Anton Francesco Doni aus dem Jahr göttlicher und menschlicher Schöpfung, zu ihrem alten 1543. Dieser >offene Brief< war bereits in vier Auflagen von Recht kommen, um zugleich die menschliche Hybris der Donis Lettere Familiari gedruckt worden, bevor die erste Naturüberwindung durch Technik zu verspotten.24 Man Auflage von Vasaris Viten 1550 veröffentlicht wurde. Das könnte diese Umkehrung der Umkehrung die Welt zer Schreiben Donis endet mit den Worten: stört das Werk aber auch anders deuten: die Natura ist »Mir klingt der Ruhm des Jüngsten Gerichtes im Ohr, sowohl den Fiktionen menschlicher als auch »göttlicher« von dem ich denke, es verdiene wegen seiner Schönheit, artifices überlegen... daß Christus an jenem Tag, an dem Er in seiner göttlichen In der angeführten Szene des Momus rekurriert Al Gestalt kommen wird, gebiete, daß alle [Auferstehenden] berti auf die alte Topik des »Theatre of Nature«25 und jene Körperhaltungen einnehmen und jene Schönheit des >Hügeltheaters<, um sie zugleich ihrer alten kosmo zeigen sollen und die Hölle jene Finsternis aufweisen soll, logischen Fundierung zu berauben. Vor allem aber be die Ihr gemalt habt, weil sie nicht besser gemacht wer hält er die traditionelle Analogie von Welt und Werk den können. [... ] Und wenn ich vor diesem Gericht stehen zwar bei, aber kehrt die ebenso altvertraute und kano werde, befürchte ich zu erstarren und aus lauter Seligkeit nische Hierarchie von Schöpfergott und zoon mimeti- meinen letzten Atem auszuhauchen, und, zum Himmel con Mensch um. Eine Geschichte dieser Umkehrung, für fliegend (wenn Gott will), auszurufen: mein göttlicher die etwa Goethes PrometheusGedicht oder Rilkes Pa Michelangelo!«27 rabel vom Gott im Stein, der durch Michelangelos Mei »Suonami nell'orecchie la fama del Giudicio, il quäle ßel erlöst werden möchte, spätere Wegmarken sind, ist penso che, per la bellezza sua, in quel di che Christo verrä noch nicht geschrieben. Ein spektakuläres Fallbeispiel in divinitä meritarä che egli imponga che tutti facciano TAGUNG UNIVERSITÄT INNSBRUCK 306 quelle attitudini, mostrino quella bellezza et l'inferno Ohne Zweifel sind die ÜberbietungsTopoi bei Aretino, tenga quelle tenebre che voi havete clipinte, per non si po- Doni und kurze Zeit später in Vasaris Viten rhetorische, tere migliorare [...]. Dubito ancho, nell'apparir dinanzi al hyperbolische Kunstmittel32, die als solche von den Zeit quel Giudicio, di farmi immobile et per dolcezza mandare genossen an ihrem »laudatorischen Ton«33 erkannt und fuori il fiato, volando al cielo (merce di Dio) et gridando: daher nicht unmittelbar wörtlich genommen wurden. >Michelagnolo mio divino!<«28 Dennoch sind die Lobeserhebungen des »göttlichen Mi Doni greift mit seinem Lob der Figuren Michelan chelangelo« zu seiner Zeit nicht ausschließlich als selbst gelos einen Topos hyperbolischen Lobes auf, den Ariosts referentielle Epideiktik34 gedeutet worden, die mit dem Orlando furioso (erst in der letzten Version von 1532, nicht einzigen Zweck des »mostrare Farte«35 (sowohl der Kunst bereits in der editio princeps von 1516) in die Michelan Michelangelos als auch seines Lobredners) aufgesetzt geloPanegyrik eingeführt hatte: der Künstler ist nicht wurde. Dies zeigt die von Stephen C. Campbell vorge nur Nachahmer vergangener und gegenwärtiger Ereig legte Analyse der kritischen Reaktionen, welche die lite nisse und Dinge; er ist >Vorahmer< gewissermaßen des rarische >Vergöttlichung< Michelangelos schon in der ers Zukünftigen: ten Hälfte des Cinquecento hervorrief. Zeitgenössische Künstler und Literaten sahen die Erhebung Michelange »Doch alt' und neue [Künstler] los zum artifex divinus bzw. divino artista als durchaus Nimmer ward erfahren, problematisch an: der bekannte >offene Brief< Pietro Are Daß sie gemalt, was in die Zukunft fällt. tinos an Michelangelo, der das Jüngste Gericht als blasphe Und doch hat man Geschichten schon gesehen, misch kritisiert, ist nur das bekannteste Beispiel. Außer Die man gemalt, bevor sie noch geschehen.«29 Kritik steht bei Aretino das künstlerische Vermögen Mi chelangelos. Aretino kritisiert vielmehr, dass Michelan »Non perö udiste antiqui, ne novelli gelo dem christlichen Gehalt des Themas keine Rechnung vedeste mai dipingere il futuro: trage, sondern das Thema als Vorwand künstlerischer Ge e pur si sono istorie anco trovate, staltung missbrauche.36 che son dipinte inanzi che sian State.«30 In diesen Versen des Rasenden Roland wird das antike Giorgio Vasari Thema des künstlerischen Darstellens zukünftiger Er eignisse (»dipingere il futuro«), wie es zeitgenössischen Vasari strukturierte die gesamtgeschichtliche Erzählung Lesern, häufig bereits aus der Lateinschule, aus Vergils der Kunstgeschichte seiner Viten sowohl nach den Mus Schildbeschreibung im achten Buch der Aeneis vertraut tern paganer biologistischer Modelle als auch nach Mus war, als Höchststufe künstlerischer Leistungsfähigkeit tern der Bibel und der patristischen Geschichtstheologie benannt. (Die literarische und bildnerische Darstellung sowie der frühneuzeitlichen Universalchroniken ah orhe des Zukünftigen wurde in der Antike etwa auch bei Aris condito.37 Vasaris Vite trugen maßgeblich dazu bei, die toteles und Quintilian thematisiert31). Michelangelos drei Schwesterkünste der »arti del disegno« zu einem au Fresko der in vollkommener Gestalt auferstehenden Fi tonomem Feld menschlicher Kultur mit eigener Theorie guren des Jüngsten Gerichtes konnte als monumentale Er und Geschichte um Habermas' und Luhmanns Begriff füllung der literarischen Verheißung Ariosts erscheinen, zu zitieren auszudifferenzieren.38 Vasari und seine Koau die selbst bereits als Anspielung auf christliche Bilder des toren konstruieren eine weitgehend als autonomen Pro Jüngsten Gerichts verstanden werden konnte. zess erzählte Geschichte der Bildenden Künste, wie ich in 307 BEITRAG GERD BLUM früheren Beiträgen dargestellt habe, in Analogie zur ge dereinstige, das >wirkliche< Jüngste Gericht nicht wird samtgeschichtlichen Erzählung der Bibel: Die Torrenti anders ins Werk setzen können als in eben jener Anord niana übernimmt deren eschatologischen Rahmen von nung, die Michelangelo bereits hier und heute für seine der Genesis bis zum »Jüngsten Gericht« (Michelangelos) Figuren und Farben gefunden hat. und charakterisiert die drei Stufen der rinascita nach dem Zu den genannten Stellen bei Vasari im Einzelnen: heilsgeschichtlichen Muster von Natur, Gesetz, Gnade. Am Anfang der Vorrede des historischen Teils, also jenes Zugleich aber werden an zentralen Stellen seiner Vite die Proemio delle vite, das die drei Serien von Lebensbeschrei »Wertnormen des [...] Religiösen in ihrer Gültigkeit zu bungen einleitet, beruft sich Vasari auf das Buch Genesis: gunsten des Ästhetischen« zwar nicht »ignoriert«39, aber Der Schöpfer habe den Menschen aus Ton modelliert und durchaus relativiert. An entscheidenden Stellen seiner ihm den Geist eingehaucht, habe aus einem Erdklumpen großen Erzählung der Geschichte der »arti del disegno« das lebendige, »erste Bild des Menschen«40 geschaffen, wird die traditionelle Analogie von Dens artifex und um den Bildhauern zu zeigen, wie sie eine gute Figur her menschlichem Künstler zwar prinzipiell aufrechterhal stellen könnten: ten aber unter theologischem Gesichtspunkt in höchst »[...] der göttliche Architekt der Zeit und der Natur problematischer Weise umgedeutet. Laut dem Proemio wollte als Allvollkommener in der Unvollkommenheit delle vite hat Gott den Menschen geschaffen, nicht wie in der Materie das Verfahren des Wegnehmens und Hinzu traditioneller Lesart um ihn zu seinem Ebenbilde zu ma fügens veranschaulichen, genau so wie gute Bildhauer chen, ihn zur Gottesschau zu befähigen und ihn an seinem und Maler es mit ihren Modellen zu tun pflegen, deren Heilsplan zu beteiligen, sondern um den Menschen zu unvollkommene Entwürfe sie durch Hinzufügen und zeigen, wie sie durch Wegnehmen und Hinzufügen ihre Wegnehmen zu jener Vollendung und Perfektion bringen, Plastiken schaffen können. Das Fresko der Sixtinischen die sie erreichen wollen.«41 Decke, auf dem Gott Licht und Finsternis scheidet, ist ge »[...] il divino Architetto del tempo e della natura, malt, »um die Vollkommenheit der Kunst und die Größe come perfettissimo, volle mostrare nella imperfezzione Gottes« zu zeigen man beachte die Reihenfolge. della materia la via del levare e dell'aggiugnere, nel me Auch am Ende der »großen Erzählung« der Erstaus desimo modo che sogliono fare i buoni scultori e pittori, i gabe der Viten Vasaris von 1550, gegen Ende der Vita Mi quali, ne' lor modelli, aggiungendo e levando riducono le chelangelos also, finden sich charakterische Umkehrun imperfette bozze a quel fine e perfezzione ch'e' vogliono.«42 gen traditioneller Topoi: Papst Clemens vn. habe das Vasari deutet hier, in der Vorrede der Lebensbeschrei Jüngste Gericht in Auftrag gegeben, »damit Michelan bungen, die topische Analogie zwischen Gott und Künst gelo in diesem Bild zeigen könnte, was alles der Kunst der ler in einer Weise um, in der die »Wertnormen des [...] Re Malerei möglich sei« und nicht vordringlich, um zu ver ligiösen in ihrer Gültigkeit zugunsten des Ästhetischen« bildlichen, was Gott am Ende der Tage möglich sein wird. zwar nicht wie Michelsen schreibt »ignoriert wer Und Moses ist nach Vasari bereits mittels der Hände den«, aber doch eingeschränkt werden.43 Vasaris bibli Michelangelos in verklärter Leiblichkeit auferstanden, sche Vorlage: Der Weltschöpfer belebte nach dem zweiten noch bevor Gott ihn am Jüngsten Tag wird dereinst auf Schöpfungsbericht der Genesis eine von ihm zuvor aus erstehen lassen. Vasari bezieht sich hier wohl auf den an Erde modellierte Plastik, um den Menschen zu erschaf geführten Brief Donis, der in den vierziger Jahren mehr fen: Gott »formte [...] den Menschen aus Staub aus dem fach aufgelegt wurde und in dem Michelangelos Jüngstes Acker, und er blies ihm den Odem des Lebens in die Nase; Gericht mit den Worten gelobt wird, dass auch Gott das so wurde der Mensch ein lebendiges Wesen« (Gen. 2, 7). TAGUNG UNIVERSITÄT INNSBRUCK 308 Zwei Reliefs Andrea Pisanos für den Zyklus am Florenti und zugleich ein neuartiges Substantiv zu dem Verb >fin ner Domcampanile, der die menschlichen artes, die me gere<, das wir in der Form >fingieren< heute noch benutzen, chanischen und die freien Künste darstellt44, veranschau wenn es um eine Erfindung aus dem Material des Mögli lichen den Primat des deus artifex vor den Nachahmern chen geht. Picos 1496 veröffentlichte Rede gab der alten seiner göttlichen Kunst und Schöpferkraft: Der mensch Analogie zwischen dem schöpferischen Weltkünstler liche Bildhauer, welcher die Skulptur einer menschlichen Gott, dem Deus artifex, und dem irdischen Künstler eine Figur meißelt, wird mit der Darstellung Gottes, welcher neue Wendung. Sie sollte zu jenem Konzept des göttlichen die von ihm zuvor modellierte Gestalt des Adam beseelt, Künstlers (divino artista) führen, das Vasari später sei durch Körperhaltung und Kompositionsschema in eine nem Lob Raffaels und besonders Michelangelos zugrunde augenfällige Analogie gesetzt [ABB.I und 2]; die Hand legte und dem er klassische Formulierungen verlieh. lung und Haltung des menschlichen Bildhauers ahmt den Der Künstler wird in Neuzeit und Moderne als »sui Deus artifex nach. Vasari schreibt den Entwurf dieser Re ipsius plastes et fictor«, als selbst erschaffenden Bildner liefs Giotto zu. und »fictor«/»pictor« seiner selbst schließlich im 18. Jahr Traditionell war gerade die Erschaffung eines leben hundert zum »Genie«, das Regeln nicht folgt, sondern digen Menschen aus Ton als ein besonderer Erweis der Regeln setzt. schöpferischen Allmacht und der Überlegenheit Gottes Während in der Genesis der Schöpfergott den ers gedeutet worden. Gott schuf den Kosmos, schuf Men ten Menschen Adam schafft, um an ihm seinen Heilsplan schen und Tiere der Mensch kann diese nur nachahmen: und damit die Heilsgeschichte zu beginnen, schafft er Homo non potest creare, so lautet der berühmte Lehrsatz bei Vasari den Adam als die erste Skulptur (»prima Scol des Hl. Thomas von Aquino.45 Bereits Pico della Miran tura«), um die Kunstgeschichte zu beginnen. Göttliche dola, ein den Medici eng verbundener Humanist, den Va Kunst ist die >Vorahmung< menschlicher Kunst, insoweit sari im Palazzo Vecchio malen sollte, hatte die Berichte der ist Vasari traditionell, auch wenn er hier den Beginn der Genesis über die Erschaffung des Menschen umgedeutet Heilsgeschichte zum Beginn der Kunstgeschichte um im Hinblick auf eine genuin menschliche Schöpfungs stilisiert. Michelangelo, den er folgenreich zum divino kraft. Pico hat bekanntlich das neuzeitliche Paradigma artista stilisierte, schuf nach Vasari vermöge seiner gott der Selbsterschaffung des Menschen zu Beginn seiner gegebenen Gestaltungskraft auch in der Darstellung der Schrift De dignitate hominis folgenreich formuliert, als er menschlichen Figur mehr als eine perfekte Mimesis des den Schöpfergott der Hebräischen Bibel den eben neu er vom Deus artifex geschaffenen Modells, sondern schuf schaffenen Adam als »tui ipsius arbitrarius plastes et fic den ersten Menschen in seiner Erschaffung Adams der Six tor«48, als Bildhauer und Erfinder seiner selbst anreden tinischen Decke von neuem. Deren Adam sei »[...] von ei läßt.47 Pico lässt den Schöpfergott sein Geschöpf Adam als ner Schönheit, Haltung und Umrissen, so daß man glau Bildhauer und Erfinder reiner selbst mit Worten anreden, ben möchte, er sei von Neuem von seinem höchsten und die es im Gelehrtenlatein des 15. Jahrhunderts und auch ersten Schöpfer gemacht, nicht aber durch Pinsel und im klassischen Latein noch nicht gegeben hatte. Adam Zeichnung eines eben solchen Menschen.«48 wird zum »plastes et fictor« seiner selbst erklärt. Der grie »[...] di bellezza, di attitudine e di dintorni di qualitä chische Neologismus >plastes< spielt auf die Tätigkeit je che e' par fatto di nuovo dal sommo e primo suo Creatore ner Bildhauer an, die nicht im wörtlichen Sinne in Stein piü tosto che dal pennello e disegno d'uno uomo tale.«49 hauen, sondern aus Ton modellieren. >Fictor< hingegen ist In seiner Beschreibung der Sixtinischen Decke eine Variation des lateinischen Wortes >pictor< für Maler nimmt Vasari das Motiv einer Schöpfung nicht um des 309 BEITRAG GERD BLUM Heilsplans und der Heilsgeschichte wegen, sondern um schon verhauenen Steinblock »zum Leben aufzuerwe der Kunst und der Kunstgeschichte wegen nochmals auf: cken« vermochte oder aber, ob mit der Formulierung Jenes Fresko der Sixtinischen Decke, auf dem Gott »[Dio] ha voluto mettere insieme e preparargli il corpo Licht und Finsternis scheidet, ist nach Vasari gemalt, per la sua ressurrezione per le mani di Michelangelo«55 »um die Vollkommenheit der Kunst und die Größe Got nicht auch ausgedrückt werden soll, dass Michelangelo tes«50 zu zeigen man beachte nochmals die Reihenfolge in gottgleicher künstlerischer Potenz den Leib des Mose dieser Aussagen. Papst Clemens vn. wiederum gibt laut in verklärter, in vollkommenidealer Leiblichkeit hier Vasari das Jüngste Gericht an der Altarwand der Cappella und heute schon in solcher Vollkommenheit habe aufer Sistina in Auftrag, »damit er [Michelangelo] in diesem stehen lassen, wie es aus christlicher Sicht erst Gott am Bild zeigen könnte, was alles der Kunst der Malerei mög Ende der Tage vermag. Dann hätte Michelangelo seinem lich sei«51 und nicht etwa, um zu zeigen, was Gott am Moses einen ästhetischen Leib geschaffen, der den histo Ende der Tage möglich sei. rischen Leib des Mose des Alten Testamentes überbietet. Eine folgenreiche, später von Sigmund Freud aufge Michelangelos Moses stellt in dieser Lesart der Ekphrase griffene Umkehrung der traditionellen Hierarchie von Vasaris dessen erst am Jüngsten Tag in vollkommen er Gottes und Menschenwerk bringt Vasari gegen Ende der neuerter Gestalt auferstehenden Leib antizipatorisch dar. ersten Auflage der Künstlerviten und also gegen Ende sei Michelangelo hätte somit in einer Umkehrung der Hie ner Vita des Michelangelo, welche die Torrentiniana ab rarchie von Gott und Geschöpf, von Deus artifex und arti- schließt. Nach Vasari hat Michelangelo seine Statue des fex divinus mit seinem Moses Gott das Vorbild, das Mo Moses »[...] so köstlich vollendet, daß man jetzt mehr wie dell des dereinst auferstehenden Leibes des Mose in einer je Moses einen Liebling Gottes nennen kann, da Gott dem Vollkommenheit schon vor Augen gestellt, die auch Gott Moses vor allen andern den Leib durch die Hand des herr nicht mehr wird übertreffen können. lichen Michelangelo zu seiner Auferstehung hat bereiten Die vertrauten Epochenschemata der christlichen wollen.«52 Geschichtstheologie, die Vasari und seine Koautoren den » [...] et e finito talmente ogni lavoro suo, che Moise Künstlerviten zugrunde legten, ließen die Geschichte der puö piü oggi che mai chiamarsi amico di Dio, poi che Kunst als Abglanz und Analogon der Heilsgeschichte er tanto inanzi agli altri ha voluto mettere insieme e pre scheinen. Und sie bot zugleich ein klares Strukturprin parargli il corpo per la sua ressurrezione per le mani di zip zur Anordnung des umfangreichen Stoffes. Dass die Michelagnolo.«53 unter dem Namen Vasaris veröffentlichten Vite und be Vasari lobt hier die Fähigkeit Michelangelos, die sonders die Vita Michelangelos im 18. und 19. Jahrhundert Schöpfung zu »übertreffen« und zu »besiegen«,54 mit als Gründungstexte einer Kunstreligion verstanden wer theologischem Vokabular und zugleich auf theologisch den sollten,56 die den artifex divinus als >Genie< an die höchst problematische Weise. Es wird aus Vasaris Text Stelle des Deus artifex setzte, lag wohl weitgehend, aber nämlich nicht deutlich, ob mit »la sua ressurrezione« nicht gänzlich, außerhalb des Horizonts Vasaris und sei (sie!) lediglich in poetischer Sprache von einer Auferste nes wichtigsten Koautors Giambullari.57 Für die moderne hung des Mose im Stein als Metapher für die besondere Aufwertung der Geschichte der Kunst zu einem Heils Lebendigkeit und Lebenswahrscheinlichkeit der Skulp geschehen innerweltlicher Erlösung bot die Darstellung tur gesprochen wird, in einer metaphorischen Redeweise, der Kunstgeschichte nach dem Modell der christlichen derer sich Vasari ähnlich bedient, wenn er schreibt, dass Heilsgeschichte, wie sie 1550 in den Vite Vasaris und sei Michelangelo mit der Erschaffung seines David einen ner Koautoren erstmals vorgelegt wurde, die besten Vor TAGUNG UNIVERSITÄT INNSBRUCK 310 aussetzungen, gerade auch mittels der Umkehrungen tra ren. Dieses Kernkonzept des utopischen Modernismus ditioneller Analogien von Gott und Künstler, Welt und des 20. Jahrhunderts hat eine Vorgeschichte, die hier nur Werk, mit denen Vasari und seine Koautoren ihre »große fragmentarisch zugänglich gemacht werden konnte. Be Erzählung« der Kunstgeschichte zum hyperbolischen reits ein Brief von Pietro Aretino vom 16. September 1537 Lob der Künstler erweiterten, aber auch deren biblische an Michelangelo artikuliert den Gedanken einer Neu Muster subversiv unterliefen. schöpfung der Welt durch Kunst: »[...] ne le man vostre Zugleich beginnt hier eine Tradition, Kunstwerke vive occulta l'idea d'una nuova natura«58 »In Ihren Hän zu Modellen für die Erfindung besserer Welten zu erklä den lebt verborgen die Idee einer neuen Natur«. 311 BEITRAG GERD BLUM 1 Cicero: De natura deorum, ri, 81 (Übersetzung zitiert nach: 10 Vgl. Gerd Blum: Palladios Villa Rotonda und die Tradition des Marcus Tullius Cicero: Vom Wesen der Götter, nach der Übersetzung >idealen Ortes«. Literarische Topoi und die landschaftliche Situ von R. Kühner hrsg. v. Otto Güthling, Leipzig 1928, S. 117). ierung von Villen der italienischen Renaissance, in: Zeitschrift für 2 Vgl. Eugenio Battisti: Natura artificiosa to natura artificialis, in: Kunstgeschichte 70 (2007), S. 159200. David R. Coffin (Hg.): The Italian Garden. First Dumbarton Oaks 11 Vgl. Friedrich Solmsen; Nature as Craftsman in Greek Thought, Colloquium on the History of Landscape Architecture, Washington, in: Journal of the History of Ideas 24,1963 (Oct. Dec), S. 47396. D.C. 1972, S. 136. 12 In Ciceros De natura deorum vergleicht Baibus als Exponent der 3 Vgl. einführend s. v. Gott /Künstler (Steffen Bogen) in: Metzler Stoa Natur und Architektur vor dem Hintergrund der beiden Lexikon Kunstwissenschaft, Stuttgart u. Weimar 2003, S. 129132; Bereichen eigenen Regelhaftigkeit und Proportionalität: Wie jemand, Dieter Groh, Schöpfung im Widerspruch. Deutungen der Natur und der distinctio, utilitas, pulchritudo und ordo der Gestirne und ihrer des Menschen von der Genesis bis zur Reformation, Frankfurt / M. Bahnen betrachte, von der vorausbestimmten Ordnung der Schöp 2003. fung überzeugt sein müsse, so werde der, welcher »[...] in ein Haus 4 Aristoteles verdeutlicht in seiner Physik die von ihm postulierte, oder ein Gymnasium oder einen Marktplatz käme und da in allen heute schwer nachvollziehbare Strukturgleichheit des Natur Dingen Planmäßigkeit, Maßhaltung und Anordnung [ratio, modus, schaffens mit der Herstellung von Artefakten durch den Menschen disciplina] sähe [...], einsehen, es sei jemand da, der diese Dinge am Beispiel eines Hauses: »Wäre zum Beispiel ein Haus ein Natur leite [...]. So muß er noch weit mehr bei so großen Bewegungen und produkt, es käme dann genauso auf demselben Weg zustande, wie es bei so großen Abwechslungen [der Gestirne, G. B.], bei dem ge faktisch durch die menschliche Arbeit hergestellt ist. Würden ordneten Gang so vieler und großer Dinge [...] notwendigerweise umgekehrt die Naturgebilde auch durch Menschenarbeit zustande annehmen, daß ein vernünftiger Geist die so großen Bewegungen kommen können, sie würden in derselben Weise zustande kommen, der Natur lenke [...]« (Cicero, De natura deorum, II, 15, zitiert nach: wie sie in der Natur sich bilden« (Aristoteles: Physica 11,8. Zitiert Cicero, De natura deorum, ed. Güthling 1928, S. 162 f.). nach: Aristoteles: Physikvorlesung, übersetzt von Hans Wagner, 13 Vgl. Eugenio Garin, »Ii pensiero di Leon Battista Alberti. Berlin, vierte Auflage 1983, S.52f.). Caratteri e contrasti«, in: Rinascimento, N. F. 12 (1972), S.320. 5 HannoWalter Kruft: Geschichte der Architekturtheorie. Von 14 Vgl. die Einleitung von Michaela Boenke zu Leon Battista Alberti: der Antike bis zur Gegenwart, München, dritte erweiterte Auflage Momus seu de principe / Momus oder vom Fürsten, lateinisch 1991, S.95100. deutsche Ausgabe, übersetzt, kommentiert u. eingeleitet von Michaela 6 Zu deren Wirkungsgeschichte bis ins 18. Jahrhundert: Ruth Groh Boenke, München 1993, S. IXXXXVI. (Im Folgenden zitiert als u. Dieter Groh: Weltbild und Naturaneignung. Zur Kulturgeschichte Alberti: Momus, ed. Boenke 1993 [Text des Momus] bzw. Boenke, der Natur 1, Frankfurt /M. 1991, S. 1171; Clarence J. Glacken: Traces Einleitung, 1993). Außerdem zum Momus und zur Nachtseite Albertis: on the Rhodian Shore, Nature and Culture in Western Thought from Paolo Maroida: Crisi e conflitto in Leon Battista Alberti, Rom 1988; Ancient Times to the End of the Eighteenth Century, Berkeley, Mark Jarzombek: On Leon Baptista Alberti: his literary and Los Angeles 1967 (Reprint); Dieter Groh: Schöpfung im Widerspruch. aesthetic theories, Cambridge, Massachusetts u. London 1989; Horst Deutungen der Natur und des Menschen von der Genesis bis zur Re Bredekamp: Der Künstler als Flugauge und Seiltänzer der Selbster formation, Frankfurt / M. 2003. schaffung (Rezension von Anthony Grafton: Leon Battista Alberti, 7 Weish 11, 21. Baumeister der Renaissance, Berlin 2002 [engl. Originalausgabe New 8 Vgl. Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches York 2000]), in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 139,19. Juni 2002, S. 18. Mittelalter, Bern 194.8, S. 527529. 15 Wolfgang Krohn: Technik, Kunst und Wissenschaft. Die Idee 9 Gerd Blum: Epikureische Aufmerksamkeit und euklidische Abs einer konstruktiven Naturwissenschaft des Schönen bei Leon Battista traktion. Alberti, Lukrez und das Fenster als bildgebendes Dis Alberti, in: Frank Fehrenbach (Hg.): Leonardo da Vinci: Natur im positiv der Neuzeit, in: Horst Bredekamp, Christiane Kruse u. Pablo Übergang Beiträge zu Wissenschaft, Kunst und Technik, München Schneider (Hg.): Imagination und Repräsentation. Zwei Bildsphären 2002, S. 3756, 45. der frühen Neuzeit, München 2010, S. 79118; ders.: Fenestra 16 Ebd. prospectiva. Architektonisch inszenierte Ausblicke: Alberti, Palladio, 17 Zur neueren Debatte um die Datierung des Momus und des Archi Agucchi (zugl. Habil.Schrift Universität Basel 2010), Berlin: tekturtraktates vgl. die Hinweise bei Luca Boschetto: Leon Battista Akademie Verlag (Studien aus dem WarburgHaus, Bd. 8), Druck in Alberti e Firenze. Biografia, Storia, Letteratura, Florenz 2000, S. 147 f., Vorbereitung. Anm. 1. TAGUNG UNIVERSITÄT INNSBRUCK 312 18 Wie sich die helle und die Nachtseite von Albertis Denken und 28 Text der 1. Auflage, Venedig: Scotto 1544. Hier wiedergegeben besonders die Aussagen von Architekturtraktat und Momus zuein nach: Ii carteggio di Michelangelo. Edizione postuma di Giovanni ander verhalten, ist eine zentrale Frage der AlbertiForschung. Man Poggi (1888), a cura di Paola Barocchi e Renzo Ristori, 4 Bde., Florenz beachte folgende Sätze aus dem Momus Albertis: »Da fragte Charon, 19651983, hier Bd. 4 (1979), S. 16063. Die fünfte Auflage Venedig wobei er auf diese und jene Götterstatue zeigte: >Sag, Gelastus, hältst 1552 bringt sogar einen dreifachen Anruf Donis an Michelangelo: »[...] du auch nichts von diesen, einzeln genommen, und verehrst sie, et gridando: Michelagnolo divino, Michelagnolo divino, Michelag wenn sie alle zusammenstehen?< Gelastus antwortete lächelnd: nolo >divino!<« (ebd., S. 163, Anm. 7). Laut Paul F. Grendler, Critics of >Wenn ich allein wäre, würde ich vielleicht lachen, aber im Beisein the Italian World, S. 240 f., erschienen die Lettere Donis bereits 1545 in vieler anderer Personen würde ich sie anbeten.<« (Alberti: Momus, 2. Auflage, ebenfalls bei Scotto in Venedig, und 1546 und 1547 ed. Boenke 1993, S.363). in Donis eigenem Verlag in Florenz in dritter und vierter Auflage. 19 Joan Gadol: Leon Battista Alberti. Universal Man of the Renais 29 Ludovico Ariosto: Orlando furioso, xxxm, S.3, 58. Zitiert sance, Chicago 1969, S. 223. nach: Ludovico Ariosto: Der rasende Roland, In der Übertragung von 20 Alberti: Momus, ed. Boenke 1993, S. 213. Vgl. Krohn 2002 Dietrich Gries, 2 Bde., München 1980, hier Bd. 2, S. 208. (Anm.15), S.3756. 30 Ludovico Ariosto: Orlando furioso, a cura di Remo Ceserani, 21 Alberti: Momus, ed. Boenke 1993, S.323. 2 Bde., Turin 1962 (Reprint 1973), hier Bd. 2,1280. Zu dieser Stelle 22 Krohn 2002 (Anm. 15), S. 47. Clark Hülse: The Rule of Art Literature and Painting in the 23 Vgl. zu dieser Stelle aus dem Momus Albertis: Martin Kemp: Renaissance, Chicago / London 1990, S. 4f. The Mean and Measure of All Things, in: >Circa 1492«. Art in the Age 31 Aristoteles, Rhetorik 1410b S. 33 f. Siehe auch Quintilian:, Insti of Exploration (Ausstellungskatalog National Gallery of Art, tutio oratoria S. 9, 2, 41: »non solum quae facta sunt aut fiant, Washington D.C., 19911992), hrsg. v. Jay A. Levenson, New Häven, sed etiam quae futura sint aut futura fuerint, imagimamur«. Vgl. Conn. 1991, S. 95112, 96 f. Vgl. zum philosophischen Kontext: Rüdiger Campe: Vor Augen Stellen. Über den Rahmen rhetorischer Hans Blumenberg: >Nachahmung der Natur«. Zur Vorgeschichte des Bildgebung, in: Gerhard Neumann (Hg.): Poststrukturalismus. schöpferischen Menschen, in: ders.: Wirklichkeiten in denen wir Eine Herausforderung für die Literaturwissenschaft, Stuttgart u. leben, Stuttgart 1981, S. 55103, bes. S. 5559. Bereits um 1450 hatte Weimar 1997, S. 208225. Nikolaus von Kues argumentiert, dass die menschliche ars im Falle 32 S. Guido Naschert: »Hyperbel«, in: Historisches Wörterbuch des Handwerks und der Technik keine Nachahmung, sondern (wenn der Rhetorik, hg. von Gert Ueding, Bd. 4, Stuttgart 1998, Sp. 115122; auch an der ars infinita Gottes ausgerichtete) Neuschöpfung sei, Rubin: Patricia Lee Rubin, Giorgio Vasari Art and History, wobei er dies am Beispiel eines Löffels aufzeigte, der sola humana New Häven / London 1995, S 280 f. Vgl. a. ebd. S. 183: »The description arte entstanden sei (vgl. Blumenberg, 1981, S. 55). Die Ordnung des divino had already been granted to Michelangelo bei Varchi and Kunstwerks als Nachvollzug göttlicher Weltordnung einerseits others. Ariosto, for example, had written in Orlando furioso (1532) oder andererseits eine vom Künstler gestiftete Ordnung als Vorbild of »Michel, piü che mortale, Angel divino< (Canto xxxm, 2). What einer neuen besseren Weltordnung: Albertis Aussagen zu diesem was a hyperbolic figure or poetic pun for the philosopher and the Thema changieren, wenn man sie zur Gänze überblickt, zwischen poet became a Statement of fact for Vasari.« diesen beiden Richtungen eines Analogieverhältnisses. Vgl. Krohn 33 Peter Michelsen: Der Künstler als Held und Charakter über die 2002 (Anm. 15). biographische Darstellungsweise in den »Vite« des Giorgio Vasari, 24 Zum philosophischen Kontext siehe Hans Blumenberg 1981 in: Archiv für Kulturgeschichte 84, 2001, S. 293312, hier S., 303; vgl. (Anm. 23), S. 55103, bes. S. 5559. Vgl. zum Fortwirken dieser Um Patricia Lee Rubin, Giorgio Vasari Art and History, New Häven / kehrung bereits Gerd Blum: Michelangelo als Moses: Vasari, London 1995, S. 148. Nietzsche, Freud, Thomas Mann, in: Josef Früchtl (Hg): Schöner 34 S. Quintilian, Institutio oratoria III, vn, 34 und John W. Neuer Mensch n (= Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunst O'Malley: The New Rhetoric Ars Laudandi et Vituperandi, in: ders.: wissenschaft 53,1 [2008]), S.73106. Praise and Blame in Renaissance Rome, Durham 1979. 25 Vgl. Ann Blair: The Theatre of Nature. Jean Bodin and Renais 35 Vgl. zum Konzept des selbstreferentiellen »mostrare l'arte«: sance Science, Princeton 1997, u. Bredekamp 2004, S. 3439. Rudolf Preimesberger: Rilievo und Michelangelo: »... benche 26 Vgl. Gerd Blum, Giorgio Vasari. Der Erfinder der Renaissance. ignorantemente«, in: Ulrich Pfisterer und Max Seidel (Hg.): Visuelle Eine Biographie, München 2011, S. 144164. Topoi Erfindung und tradiertes Wissen in den Künsten der italieni 27 Für Hinweise zur Übersetzung danke ich Ilda Mutti, Münster. schen Renaissance, Berlin und München 2003, S. 303316, hier 209. 313 BEITRAG GERD BLUM
Description: